Roland Kachler ~ Meine Trauer wird dich finden

  • Meine Trauer wird dich finden


    Ein neuer Ansatz in der Trauerarbeit



    Autor: Roland Kachler



    Broschiert: 178 Seiten
    Verlag: Kreuz-Verlag; Auflage: 6. (September 2005)
    ISBN-10: 3783125855
    ISBN-13: 978-3783125856
    Preis: € 14,95


    Der Autor


    Roland Kachler, geb. 1955, ist Diplompsychologe. Er arbeitet als Paartherapeut und leitet seit über zehn Jahren eine psychologische Beratungstelle in Esslingen.


    Kurzbeschreibung


    Zitat

    Roland Kachler, Psychotherapeut mit Erfahrung in Trauerbegleitung, spürt nach dem Unfalltod seines 16-jährigen Sohnes, dass die Trauermodelle, zu denen er selbst seinen Patienten geraten hatte, ihm nicht helfen konnten, seinen Schmerz zu überwinden. Deshalb hat er einen neuen Weg der Trauerbewältigung gesucht und gefunden.


    Statt den Verstorbenen 'loszulassen', zielt die Methode des Autors darauf, dass, was an Liebe für den Verstorbenen bei den Lebenden bleiben kann, ohne dass daraus seelische Störungen erwachsen. Die praktischen Übungen, Hinweise und Tipps am Ende jedes Kapitels helfen, diesen neuen Weg zu gehen.


    [Quelle: Amazon; Klappentext]


    Meine Meinung


    ~ Nicht 'loslassen', sondern die Liebe bewahren ~


    Es gibt Dinge, über die spricht man nicht. Paradebeispiel: der Tod. Das weckt unangenehme Gefühle, die man nicht zulassen möchte. Die man lieber aus seinem Alltag aussperrt. Schnell das Thema wechseln – oder noch besser – die Straßenseite, sobald ein Trauernder in Sichtweite erscheint. Kein Sterbenswort …


    Von den Hinterbliebenen wird erwartet, möglichst schnell 'zur Tagesordnung' überzugehen. Selbst Ärzte agieren meist hilflos. Betäuben (medikamentös). Abhaken. Ausblenden.


    So die gängige Strategie.


    Jeder, der nicht betroffen ist, weiß selbstredend genau, wie man eine solche Krise meistert. Stärke beweist … Nach vorne schaut …


    "Kopf hoch!", "Die Zeit heilt alle Wunden …", "Das Leben muss weitergehen.", "Ihr dürft Euch nicht hängen lassen!" …


    Die Reaktionen gehen von Ignoranz, über sinnlose und banale Phrasen bis hin zu den irrwitzigsten Kommentaren und Vergleichen mit (oder ohne) Gott und der Welt.


    Jeder meint es natürlich 'nur gut'. Aber reicht das? Ist es zuviel verlangt, sich nach etwas Feingespür, Takt und Verständnis zu sehnen?


    Mehr und mehr fühlt man sich als Familie isoliert. Mitsamt des Toten ausgegrenzt von der funktionierenden Gesellschaft, für die 'alles normal weiterläuft'.


    Die Trauer ist ein individueller Prozess. Jeder sollte auf seine eigenen Bedürfnisse hören und dem Herzen folgen. Dazu ermutigt der Autor in seinem Werk.


    Viele Jahre berief sich auch Roland Kachler beim Umgang mit Angehörigen auf allgemeine Fachliteratur. Er stellte dabei zwar immer wieder fest, dass seine Klienten nicht wirklich bereit waren, diese Empfehlungen und Ratschläge anzunehmen, bloß lösen konnte er sich davon nicht. Es war schließlich die Lehrmeinung der Experten.


    Als sein eigener Sohn im Alter von 16 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, änderte sich seine Haltung schlagartig. Plötzlich wurde ihm klar, dass Trauerbewältigung durch 'Loslassen' nicht mehr ist, als ein Davonlaufen von der Wirklichkeit. Wenn man versucht, Schmerz zu unterdrücken, ihn im Keim zu ersticken, dann wird er ewig unter der Oberfläche brodeln. Je intensiver die Beziehung zum „verlorenen Menschen“ war, desto mehr wird sich die Seele dagegen sträuben. Es wird nicht als Trost, sondern vielmehr als Bedrohung empfunden, in die Zukunft zu blicken. Was sind es schon für Aussichten, ohne den Sohn oder Bruder ...?


    Gerade bei Unglücksfällen 'aus heiterem Himmel', bei denen junge Menschen von uns gerissen werden. In solchen Fällen werden zwar die Tage verstreichen, aber die Narben werden bleiben. Wer das nicht anerkennt, der kann kein wahres Mitgefühl zeigen.


    Als mein 23-jähriger Bruder am 30. September 2007 tödlich verunglückt ist, blieb die Welt für mich stehen. Ich wollte gar nicht, dass sie sich weiterdreht. Niemals könnte ich ihn freigeben. Er wird mich für immer begleiten. Die Überbringung der Nachricht durch meine Eltern, der Anblick des Autowrackes, das Berühren seines eiskalten Gesichtes im Sarg ...


    Roland Kachler plädiert dringend dafür, auch traumatisierende Bilder in der Erinnerung zu behalten und sie nicht zu verdrängen. Nicht tabuisieren oder 'loslassen', sondern die Liebe bewahren.


    Noch ist es unendlich schwer, die Beziehung (fernab des irdischen Daseins) neu zu definieren. Aber für mich gibt es keine Alternative.


    Ganz bewusst haben wir folgenden Spruch in der Anzeige und für den Grabstein gewählt:

    Ich habe mich instinktiv für diesen Umgang mit Johannes entschieden, versuche ihn einzubinden, mit ihm zu kommunizieren, über ihn zu reden. Bereits vor der Lektüre.


    'Meine Trauer wird dich finden' wird diejenigen bestärken, die bislang in ihrem Schicksal allein gelassen und missverstanden wurden.

  • Da hast Du Dir wirklich sehr viel Mühe gemacht für Deine erste Rezension, Kristina.
    Ich hätte es trotzdem schön gefunden, wenn Du erwähnt hättest, dass es sich beim Autor um Deinen Mann/Lebensgefährten handelt ...


    Edit: Oder Bruder? :gruebel
    Na jedenfalls, dass Du eine persönliche Beziehung zum Autor hast ...

    Man muss ins Gelingen verliebt sein,
    nicht ins Scheitern.
    Ernst Bloch

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  • Zitat

    Original von Seestern
    Ich hätte es trotzdem schön gefunden, wenn Du erwähnt hättest, dass es sich beim Autor um Deinen Mann/Lebensgefährten handelt ...


    Edit: Oder Bruder? :gruebel
    Na jedenfalls, dass Du eine persönliche Beziehung zum Autor hast ...


    Hallo Seestern,


    wie kommst Du denn darauf? Ich habe das Buch kürzlich gelesen, weil mein eigener Bruder tödlich verunglückt ist. Roland Kachler kenne ich persönlich (leider) nicht.


    Liebe Grüße


    Kristina

  • Ich dachte nur, weil Kachlers Sohn Johannes hieß und Du auf Deiner Homepage eine Rubrik "Johannes" hast ... :gruebel
    Nix für ungut, eine sehr engagierte Buchvorstellung jedenfalls.


    Edit: Aber da habe ich wohl einfach nicht richtig gelesen ...
    Es tut mir auch sehr leid für Dich und Deine Familie.
    Das Buch scheint Dir bei der andauernden Trauerbewältigung eine Stütze zu sein.

    Man muss ins Gelingen verliebt sein,
    nicht ins Scheitern.
    Ernst Bloch

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  • Zitat

    Original von Seestern
    Ich dachte nur, weil Kachlers Sohn Johannes hieß und Du auf Deiner Homepage eine Rubrik "Johannes" hast ... :gruebel:


    Den Namen von Roland Kachlers Sohn kenne ich gar nicht.


    Johannes, den ich in der Rezension erwähnt habe, ist mein Bruder.



    Jetzt bin ich wirklich traurig. :-(

  • Zitat

    Original von Seestern
    Tut mir leid, Kristina, das wollte ich wirklich nicht :-(


    Kein Problem, liebe Seestern! :-)


    Ich habe nichts zu verbergen.


    Zitat

    Original von Queedin
    vielleicht sollte man das Buch "vorsorglich" mal lesen - ob man daran denken wird, wenn man es wirklich braucht?


    Hallo, liebe Queedin!


    Es ist immer dann sinnvoll, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzen möchte und dafür bereit ist.

  • Eine sehr intensive Rezi. Dafür herzlichen Dank.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Queedin
    vielleicht sollte man das Buch "vorsorglich" mal lesen - ob man daran denken wird, wenn man es wirklich braucht?


    Queedin, ich bin mir sicher: und wenn man fünf Bücher dieser Art "vorsorglich" gelesen hat. Auf solche Schicksalsschläge ist man niemals vorbereitet. :-(

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von Batcat


    Queedin, ich bin mir sicher: und wenn man fünf Bücher dieser Art "vorsorglich" gelesen hat. Auf solche Schicksalsschläge ist man niemals vorbereitet. :-(


    da hast Du absolut recht - nichts, aber auch gar nichts kann einen darauf vorbereiten, einen geliebten Menschen plötzlich zu verlieren.


    mein Gedanke zählt eher darauf ab, wie einem dieses Buch helfen kann. wenn man in der Trauersituation ist, geht man dann in einen Buchladen und sucht sich ein Sachbuch über das Trauern aus?


    oder ist das Buch vielleicht eher für "Trauerhelfer": Psychologen, Geistliche, Beerdigungsunternehmer?

  • Zitat

    Original von Queedin


    mein Gedanke zählt eher darauf ab, wie einem dieses Buch helfen kann. wenn man in der Trauersituation ist, geht man dann in einen Buchladen und sucht sich ein Sachbuch über das Trauern aus?


    Ich kann hier nur für mich sprechen: obwohl ich in fast jeder Lebenslage ein passendes Buch finde, habe ich es nicht geschafft, in einer Trauersituation in den nächsten Buchladen zu gehen und nach einem Buch zu suchen.
    Erst viele Wochen später.

  • Danke für die Rezi! Das Buch hätte ich vor ein paar Jahren gebrauchen können, als mein Vater gestorben war, und ich erstmals so richtig selbst als "Hinterbliebener" betroffen war. Und ja, ich habe damals sehr bald aktiv nach Büchern über Trauerbewältigung gesucht. Allerdings nicht in einer Buchhandlung; ich wollte keinem Menschen direkt gegenüberstehen, sondern im Internet.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich glaube auch nicht, dass man sich durch Lesen auf solche Situationen vorbereiten kann. Aber es hilft vielleicht schon, dass man weiß, dass es solche Ansätze gibt.


    Danke für diese Rezi, Kristina. :wave Ich hoffe, es ist immer jemand um dich, wenn du es brauchst, egal wie lange es her ist. Leider wird den meisten Menschen heute nicht mehr die Zeit gelassen, die sie zum Trauern brauchen. :knuddel

  • Zitat

    Original von Queedin
    mein Gedanke zählt eher darauf ab, wie einem dieses Buch helfen kann. wenn man in der Trauersituation ist, geht man dann in einen Buchladen und sucht sich ein Sachbuch über das Trauern aus?


    Wir haben einige Bücher geschenkt bekommen. Und so kenne ich es auch von anderen Betroffenen


    Zitat

    oder ist das Buch vielleicht eher für "Trauerhelfer": Psychologen, Geistliche, Beerdigungsunternehmer?


    Für Trauerhelfer ist es mit Sicherheit eine hilfreiche Lektüre. Allerdings ist es gerade für die Trauernden selbst wertvoll.


    Viele liebe Grüße


    Kristina

  • Zitat

    Original von Idgie
    Ich glaube auch nicht, dass man sich durch Lesen auf solche Situationen vorbereiten kann. Aber es hilft vielleicht schon, dass man weiß, dass es solche Ansätze gibt.


    Leider wird den meisten Menschen heute nicht mehr die Zeit gelassen, die sie zum Trauern brauchen.


    Ich sehe Deinen Beitrag erst jetzt, liebe Idgie, vielen Dank! :-)


    Du hast mit Deinen Aussagen vollkommen recht!