Wolfgang Schorlau: Die blaue Liste

  • Wolfgang Schorlau: Die blaue Liste - Denglers erster Fall



    Klappentext:
    Am 27.Juni 1993 wurde das RAF-Mitglied Wolfgang Grams am Bahnhof in Bad Kleinen erschossen. Sieben Jahre später behauptet das Bundeskriminalamt, ein Haar von Grams am Tatort des Attentats auf Carsten Detlev Rohwedder identifiziert zu haben. Rohwedder war der erste Präsident der Treuhandgesellschaft, jener Behörde, die nach der Wende alle Betriebe der ehemaligen DDR verwaltete. Mit seinem Tod wurde eine Änderung der Treuhandpolitik möglich, dem Ausverkauf des Ostens konnte Rohwedder nicht mehr widersprechen.
    Sechs Wochen nach dem Attentat stürzte eine Maschine der Lauda-Air über dem Dschungel von Thailand ab; 223 Menschen kamen ums Leben. An Bord: hochrangige Berater von Rohwedder.
    Tatsächlich wurden alle drei „Geschehnisse“ nie wirklich aufgeklärt. Privatdetektiv Georg Dengler, früher Zielfahnder beim BKA, ist einem Fall auf der Spur, der fast zu brisant für ihn wird und zurückführt in die Zeit der Wende und der großen Gier…


    Wenn Polizei, Justiz und Politik versagt haben, muß es den Geschichtenerzählern erlaubt sein zu sagen: "Es ist nur eine Geschichte, aber vielleicht war es so.“



    Allgemeines
    Um den Ermittler Georg Dengler gibt es bislang vier Bücher:


    1. Die blaue Liste
    2. Das dunkle Schweigen
    3. Fremde Wasser
    4. Brennende Kälte



    Beurteilung:
    Das Buch geht von einer hochinteressanten Theorie aus: was wäre, wenn das Attentat auf Detlef Rohwedder, der Absturz der Maschine der Lauda-Air und die Tötung von Wolfgang Grams zusammenhingen? Alles drei waren Ereignisse, die Deutschland erschüttert haben und die den meisten noch gut in Erinnerung sind.
    Tatsächlich schafft es der Autor, über weite Strecken Spannung aufzubauen. Leider gibt es jedoch auch einige Negativpunkte, so fand ich z.B. keine der Personen sonderlich sympathisch. Dengler selbst wirkt wie Mitte fünfzig, kann aber eigentlich noch nicht einmal vierzig sein. Dazu kommen einige Längen, z.B. ein ausführliches Kochrezept, das sich über mehrere Seiten erstreckt. Immer wieder springt die Geschichte in die Vergangenheit zurück, was nicht unbedingt negativ ist, aber im ersten Moment irritiert.


    Fazit: Ein Krimi mit einem hochinteressanten Thema, bei dem jedoch leider einiges an Potential verschenkt wurde.




    Kategorie: Krimi / Politik / Deutschland
    Taschenbuch
    KiWi (Kiepenheuer & Witsch)
    351 Seiten
    ISBN: 3462034790

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Da der Name Schorlau immer wieder verhältnismäßig weit oben auf meiner amazon-Empfehlungsliste auftauchte, habe ich mir „Die blaue Liste“ bestellt und gelesen.


    Ein Polit-Thriller wie ich ihn mag - und dann noch eines deutschen Autors und dann auch das Szenario in Deutschland mit deutschen Fällen.
    Schorlau greift 3 Fälle aus der jüngeren deutschen Vergangenheit auf
    - die Erschießung des RAF-Mitgliedes Wolfgang Grams im Bahnhof von Bad Kleinen
    - der Mord an dem 1. Präsidenten der Treuhandgesellschaft Carsten Detlev Rohwedder
    - den Absturz einer Maschine der Lauda-Air über dem Dschungel von Thailand.
    Daraus webt er einen Zusammenhang der vollkommen realistisch wirkt und sehr nachdenklich machen kann, insbesondere in den Möglichkeiten,, nach der Wende im Osten die Wirtschaft nicht abrutschen zu lassen.
    Einzig die Rückblenden sind stellen weise etwas verwirrend bis man die zeitlichen Zusammenhänge so nach und nach auf die Reihe bekommt.
    Hervorzuheben ist das Nachwort, in dem der Autor die Entstehung des Romans schildert und seine Quellen offen legt.


    Fazit: ein fast rundum geklungener Polit-Thriller in und aus Deutschland, der sich mit angloamerikanischen durchaus messen kann, der aber etwas Durchhalte- und Abstraktionsvermögen vom Leser verlangt.


    Und das schönste: es gibt schon 3 weitere Fälle mit Dengler


    freut sich Dyke und vergibt 9 Punkte

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Ich bin gestern Abend mit diesem Buch fertiggeworden. Das war also Denglers erster Fall.
    Zum groben Inhalt des Buches bzw. zu den Vorkommnissen auf denen der Krimi basiert haben meine Vorschreiber ja schon Auskunft gegeben.
    Da ich mit Fremde Wasser und Brennende Kälte angefangen habe waren mir die Hauptcharaktere schon bekannt und ich konnte mir hier ein schönes Bild über die Vorgeschichte machen.
    Ab hier werd ich mal die Spoiler setzen... ich hoff das ist OK



    Mit einer recht überschaubaren Summe Geld versucht er sein Geschäft aufzubauen und bekommt auch die ersten Aufträge:
    -Finden Sie raus ob meine Frau mich betrügt
    -Finde meinen Vater
    -Finden Sie Belege, das der Vater meiner Frau tatsächlich bei einem Flugzeugabsturz gestorben ist.


    Die Betrugssache löst er mehr nebenbei und die Art wie er sein Ergebnis dem Auftraggeber präsentiert lässt auf den Charakter Denglers schließen. Ich fands passend.
    Die Story um den Vater seines Kumpels der in Italien aufgespürt wird hätte mMn auch gut wegfallen können. Sie bringt der Geschichte an sich nichts und ist auch nicht sooo spannend.
    Die eigentliche Geschichte wird in 2 Handlungssträngen erzählt: Ein Teil als Denglers Ermittlungen zu dem "Vater-Fall" und ein Teil als Rückblick auf das Innenleben einer RAF-Zelle. Am Ende treffen sich dann beide Handlungen und es gibt einen Showdown der sich gewaschen hat.


    Ob man das als Happy Ending bezeichnen kann... zwar erledigt Dengler seinen Auftrag, aber richtig glücklich ist er damit als zutiefst gerechtigkeitsliebender Typ höchstwahrscheinlich nicht. Ich finde den Hauptcharakter durch alle seine Ecken und Kanten sehr interessant. Er ist kein klassischer Held in strahlender Rüstung oder der Superbulle schlechthin. Er ist einer den man an jeder Ecke treffen könnte: Er ist geschieden, würd gern mehr Zeit mit seinem Sohn verbringen und findet in seinem Beruf keine Rechte Erfüllung mehr. Das klingt nach einer klassischen Mid-Life-Crisis, aber: Er traut sich einen Neuanfang zu und beschließt sein Leben trotz des finanziellen Risikos wieder selber zu gestalten. Davor hab ich Respekt.


    Auch prima ist das Nachwort. Als bekennender Nachwortfan finde ich es super wie der Autor seine Quellen offenlegt und nochmal aus seiner Warte erklärt, wie seine Fiktion in den realgeschichtlichen Zusammenhang passt.


    Fazit: Ich mag die Krimis von Schorlau

    Ich bin im antiken Ägypten und in entfernten Galaxien.
    Ich bin ein starker Held, ein ängstliches Kind und eine verführerische Frau.
    Ich habe gekämpft, geforscht, gehasst und geliebt.
    Danke Buch!
    Mein Blog

  • Nach langer Zeit habe ich mit diesem Buch mal wieder zu einem Krimi gegriffen und es nicht bereut.


    Georg Dengler ist ein sympathischer Ermittler. Man hat Spaß ihn zu begleiten, seine Vorliebe für die Musik zu genießen und seine netten Nachbarn kennen zu lernen.


    Der Krimi selbst ist bis fast zum Ende hin sehr seicht. Es passiert nicht viel, aber man erfährt dafür viel. Zur Zeit des Rohwedder-Attentats und dem Absturz der Lauda-Air war ich selbst noch zu jung um das bewusst zu erleben. Das von Schorlau aufgegriffene Thema der Privatisierung der Betriebe der ehemaligen DDR und die (möglicherweise) dahinter stehende Korruption, hat jedoch mein Interesse geweckt und mich animiert mehr darüber nachzulesen.


    Das Thema reißt übrigens alles raus. Wie oben schon erwähnt, ist der Krimi selbst sehr seicht. Es passieren einige Dinge, die nichts mit der Story an sich zu tun haben und auch überhaupt nicht interessieren (z.B. die Denglers Freund Marios Suche nach seinem Vater). Auch inhaltlich, finde ich, gab es den ein oder anderen Fauxpas, gerade in Bezug auf sexuelle Aspekte. Über den Satz "Hübsche Frauen f... schlecht" bin ich besonders gestolpert.
    Oder, völlig vorhersehbare 08/15-Szenen, wie das verärgerte Abnehmen des Telefonhörers "Was willst du noch!" nach einem telefonischen Streitgespräch mit seiner Ex-Frau und dann ist doch jemand anderes dran. Ein abgedroschener Kunstgriff, aber verzeihbar.
    (Seine Frau sagt ihm übrigens, dass der Sohn gerade mit einem Freund unterwegs sei. Eine halbe Seite später, gleich nach dem Telefonat, sinniert Dengler darüber, wo sein Sohn gerade sei, und kommt darauf, dass er gerade die Schulbank drückt. Männer und zuhören... :lache)


    Die Zeitsprünge sind zu Beginn nicht immer nachvollziehbar. Ich musste auf den ersten Seiten einige Male zurückblättern und eine Stelle finden, an der eine Zeitangabe gemacht wird, um mich zu orientieren. Jahresangaben zu Beginn der Kapitel hätten sicherlich geholfen.


    Trotzdem, mir hat das Lesen Spaß gemacht. Der Auftakt ist vielversprechend und ich werde in Kürze auch den zweiten Teil lesen, um zu sehen, ob sich Wolfgang Schorlau nicht nur thematisch gut hält, sondern vielleicht auch seine Figuren etwas reifen lässt.


    Das Ende war für meinen Geschmack zu fulminant. Dengler wird völlig überraschend zum Actionheld schlechthin :-). Allerdings hatte ich mich schon sehr bald gefragt, wie der Autor zum Schluß hin die Kurve kriegt, weil schon früh klar ist, dass hier kein normales Krimi-Ende zu erwarten ist. Das hat er, meiner Meinung nach, wiederum souverän gelöst. Könnte sogar so oder so ähnlich gewesen sein.

  • Irgendwie lese ich die Schorlau Krimis in umgekehrter Reihenfolge und somit ist sein erster mein ich-weiss-nicht-wievielter. Wie die in seinen späteren Krimis auch, baut sich gut die Spannung auf - auch wenn man als Leser eigentlich weiss, was Sache ist. Wie schon von anderen Lesern angemerkt, ist dieser Krimi nicht ganz perfekt, sorgt dennoch sowohl für Unterhaltung wie auch für nachdenkliche Momente.


    Durchaus empfehlenswert. Und Schorlau steigert sich dann noch in den weiteren Krimis der Dengler-Reihe.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich