Wilder Winter – Joe R. Lansdale

  • Verlag: Shayol, in der Reihe Funny Crimes, 196 Seiten


    OT: Savage Season
    Übersetzung: Richard Betzenbichler & Katrin Mrugalla



    Kurzbeschreibung
    Hap Collins: weiß, hetero, Kriegsdienstverweigerer. Leonard Pine: schwarz, schwul, Vietnamveteran. Die beiden ungleichen Freunde haben auch schon bessere Tage gesehen und schlagen sich mit Gelegenheitsjobs auf den Rosenfeldern von Texas durch. Eines schönen Wintermorgens tauchen Haps Ex-Frau Trudy und ein paar Kumpels aus den 60er Jahren auf, die den bewaffneten Kampf gegen das Establishment wiederbeleben wollen. Das Startkapital dazu liegt angeblich im Sabine River: eine Million Dollar aus einem schiefgelaufenen Bankraub. Hap ist in der Gegend aufgewachsen und soll bei der Suche helfen. Doch die Zeiten haben sich geändert, und auch ehemaligen Revolutionären sitzt mittlerweile das Hemd näher als die Hose. So bewahrheitet sich bald das, was Leonard von Anfang an klar war: Wo Trudy ist, gibt's Ärger. Es wird ein wilder Winter.


    Über den Autor
    Joe R. Lansdale hat über zwanzig Romane und zweihundert Stories in den Genres Krimi, Horror und Western verfasst und zahlreiche Anthologien herausgegeben. Er wurde mit dem British Fantasy Award, dem American Mystery Award, dem Edgar Award und sechsmal mit dem Bram Stoker Award ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Familie in Nacogdoches, Texas.


    Rezension:
    Der Roman wurde schon 1990 geschrieben und ist der erste Teil der ungewöhnlichen Reihe, der ursprünglich sogar als eigenständiger, allein für sich stehender Roman geschrieben wurde..
    Wegen einer unglücklichen deutschen Veröffentlichungspolitik habe ich das Buch erst jetzt gelesen. Interessant, zu erfahren, wie die Vergangenheit der ungleichen Freunde aussieht.
    Das Leonard in Vietnam war, wussten wir schon, aber über Haps erste unglückliche Ehe, seine Zeit im Gefängnis in den sechszige Jahren als er Student und Kriegsdienstverweigerer war und anderes war noch nicht so bekannt.


    Die sechziger Jahre und was aus diesen Idealen übrig geblieben sind, ist das versteckte Thema des Romans neben dem geplanten Coup, eine Million Dollar aus einem schiefgelaufenen Bankraub aus dem Sabine River in Texas zu bergen.
    Dafür werden Leonard und Hap von Haps Exfrau und ihren etwas verdrehten Freunden angeheuert. Anführer dieser verrückten Bande ist der undurchsichtige Howard, ein vorgeblich idealistischer Altachtundsechziger und neuer Freund von Haps Ex. Hinzu kommen noch der von Brandnarben verunstaltete Paco und der Analysephrasendreschende Chub. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.


    Der Roman ist angereichert mit viel Wortwitz, der durchaus sehr derb ist.
    Getragen wird auch dieses Buch durch die Erzählhaltung Haps, die von Ironie und Melancholie durchzogen ist.


    Hinzu kommt der wildromantische Schauplatz Marvel Creek in Texas, der auch schon in Joe R.Lansdales Meisterwerk „Die Wälder am Fluss“ eine Hauptrolle spielte.


    Allzu konservative Leser konventioneller Krimis muss ich jedoch ausdrücklich vor diesem Buch warnen, denn es gibt neben rauen Humor viel Raum für philosophische Diskussionen über den Geist der Sechziger mit seinen positiven und negativen Auswüchsen in den USA.
    Auf ein dramatisches Finale wird deswegen nicht verzichtet.


    Am Ende des Buches befindet sich ein Interview mit Joe R. Lansdale.


    ASIN/ISBN: 3944720393

  • Horrorromane les ich nicht - trotzdem danke! :lache
    (Und nun geh ich mal weiterforschen, ob der Autor vielleicht was für mich sein könnte. ;-) )

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Ich habe genau das bekommen, was ich mir erhofft hatte: Schräge Figuren mit witzigen Dialogen, die genau meinen Humor getroffen haben.


    Hap und Leonard, zwei sympathische Verlierertypen, die die todsichere Gabe besitzen, in den Dreck zu fassen.
    Haps Exfrau Trudy unterbreitet den beiden eine Idee, bei der mit wenig Mühe relativ viel Geld zu holen ist. Fast legal. Die beiden machen mit und eine turbulente, wahnwitzige Achterbahnfahrt nimmt ihren Lauf.


    Action kommt nicht zu kurz, aber auch Intentionen und Verbleib der 60er-Generation werden thematisiert.


    Lansdale schreibt knapp, präzise und kraftvoll.


    Ich empfand den Roman als erfrischend und würde ihn definitiv nicht als Krimi bezeichnen. Es ist eher ein Thriller mit einem Hauch Roadmovie.


    Das war mein erstes Buch von diesem Autor, aber definitiv nicht mein letztes.


    Ich vergebe 9 Punkte.

  • Okay, es ist kein Geheimnis dass ich den hierzulande leider immer noch viel zu unbekannten Schriftsteller Joe R. Lansdale sehr schätze und seine Geschichten mag. Natürlich musste ich die Neufassung von "Wilder Winter" sofort kaufen und lesen zumal die Erstausgabe aus dem Jahre 2006 nur noch antiquarisch erhältlich ist. Dieser eher derbe Krimi ist der Beginn einer Serie mit und um die beiden Protagonisten Hap Collins und Leonard Pine. Lansdale wäre sich selbst nicht treu geblieben wenn er zwei klassische Figuren für Kriminalromane entworfen hätte. Polizisten, Detektive, Journalisten oder ähnliches kann jeder halbwegs talentierte Schreiberling in die literarische Welt werfen aber für zwei einfache Landarbeiter die gegensätzlicher nicht sein können braucht es hingegen etwas Mut und Kreativität. Schnell gewinnen die beiden Tagelöhner die Gunst der Leserschaft und man vergisst ratzfatz dass es nahezu unmöglich ist, dass der weisse Pazifist Hap Collins, der auf Frauen steht, und der schwule Schwarze Vietnamveteran Leonard Pine Freunde sein können. Zum Glück ist in der Literatur vieles möglich und zwei eigentlich unvereinbare Lebenswege können sich eben doch kreuzen.


    Die Bottoms, das sumpfige Tiefland des Sabine River sind nicht zum ersten Mal die Bühne für eine wilde Geschichte aus Lansdales Feder. Sie sind nicht mit den Everglades aus Florida oder den grossen Sümpfen in Louisiana zu vergleichen aber sie bestehen aus grossartigen Wäldern und morastigen, teils tiefen Gewässern. Die Natur voll von wilder Schönheit aber die Vegetation undurchdringlich und voller Geheimnisse. Für die einen ein Wunder, für die anderen eine unheimliche vor sich hinmodernde Bedrohung. Angeblich liegen dort aus einem Bankraub seit Jahren mehrere Geldkoffer irgendwo im Nirgendwo der texanischen Moorlandschaft versunken. Haps Ex-Frau Trudy ist mit einem militanten Umweltschützer liiert der wiederum im Gefängnis sass und dort mit dem Bankräuber in Kontakt kam. Dieser erzählte ihm wo in etwa sich die Beute befindet aber es sind detaillierte, lokale Kenntnisse der Bottoms durch Einheimische gefragt und da kommen Hap und Leonard ins Spiel ...


    Das Handlungsgerüst als solches ist recht einfach gehalten und reisst heute niemanden mehr vom Hocker. Vielmehr sind es die markanten Figuren mit ihrem Wesen die diese seitenmässig eher schmale Kriminalgeschichte ausfüllen und lesenswert machen. Nebst den beiden Hauptfiguren ist es die verführerische Trudy die als verhängnisvolle Femme Fatale aufwartet sowie die radikalen alt 68er in der reaktionären Ökobewegung tätigen Howard, Paco und Chub. Der urige Erzählstil mit einer launischen Gradlinigkeit gepaart machen das Buch zu einem kurzweiligen Lesevergnügen und das fulminante letzte Viertel der Erzählung gereicht dem Genre des Noir-Krimis zu Ehre. Wer will kann sogar Gesellschaftskritik und die mit dem zunehmendem Alter langsam verschwinden Idealismus der Jugend herauslesen. Mit dem Gang der Zeit braucht man Ideale halt seltener, will möglicherweise die Verantwortung die damit einhergeht nicht tragen und verliert letztendlich die Fähigkeit an sie zu glauben.


    Diesen bodenständig-rustikalen Roman hat Lansdale vor einem Vierteljahrhundert im Jahre 1990 veröffentlicht und sein unvergleichlicher Schreibstil hat schon zu Beginn seiner Schriftstellerkarriere einen gewissen Wiedererkennungswert. Natürlich bietet die Geschichte Potential um die knapp zweihundert Seiten um weitere hundert aufzustocken aber Lansdale verzichtet zugunsten einer stringent erzählten, teilweise bitterbösen mit schwarzem Humor aufgelockerten Kriminalgeschichte darauf. Das Buch ist übrigens, obwohl recht dünn, haptisch ein Genuss und vom Golkonda Verlag sehr schön gestaltet und tiptop gefertigt. Ganz klar Genreliteratur die man mögen muss und für Lansdale Anhänger definitiv Pflicht und für andere Leser/-innen ein "Kann". Wertung: 8 Eulenpunkte


    Gelesen habe ich die verlinkte Ausgabe vom Golkonda Verlag, erschienen am 15. November 2014

  • Klappbroschur: 204 Seiten
    Verlag: Golkonda Verlag
    Sprache: Deutsch
    Durchgesehene Neuausgabe: 15. November 2014
    Deutsche Originalausgabe: 2006 im Shayol Verlag
    Originaltitel: Savage Season
    Erscheinungstermin: Juli 1990 im Mark V Ziesing Verlag
    Übersetzer: Richard Betzenbichler, Katrin Mrugalla
    Preis: 16,90 €


    Über den Autor:
    Joe R. Lansdale, geboren 28.10.1951, gehört mit über 40 Romanen und Erzählungen zu den Stars der amerikanischen Kriminalliteratur. Er wurde mit dem American Mystery Award, dem British Fantasy Award und viermal mit dem Preis der Horror Writers of America ausgezeichnet. Viele seiner Geschichten sind für das Kino verfilmt worden und der Sundance Kanal hat seine Hap & Leonard-Serie ins Fernsehen gebracht.
    Er ist Co-Produzent mehrerer Filme, darunter "The Bottoms" und "The Drive In", er ist Gastdozent an der Staatlichen Universität Stephen F. Austin und er ist Kenner vieler Kampf- und Selbstverteidigungssportarten, was ihn dazu gebracht hat, eine eigene Kampfsportart "Shen Chuan" (chinesisch für spirit fist) zu entwickeln. Er ist Mitglied der United States und der International Martial Arts Hall of Fame.
    Joe R. Lansdale hat zwei Kinder und lebt mit seiner Frau, zwei Katzen und einem Hund in Nacodoches, Texas.


    Meine Meinung
    Nach "Die Wälder am Fluss", das eher düster rüberkommt, ist "Wilder Winter" mein zweiter Lansdale und garantiert nicht mein letzter. Mit Hap und Leonard hat Lansdale zwei Figuren erschaffen, denen man gerne weiter folgt, auch wenn sie nicht gerade jung, dynamisch und erfolgreich sind. Okay, dynamisch vielleicht schon, aber ansonsten ist besonders Hap einer, dessen Entscheidungen ihn gerne mal in Schwierigkeiten bringen und der gute Leonard steht ihm bei, dass Hap da heil wieder herauskommt. Womit hat Hap das bloß verdient? Ich denke Leonard steht trotzdem auf seinen Hintern, obwohl er immer das Gegenteil behauptet :lache


    In "Wilder Winter" oder auch "Savage Season" im Original geht es um alte Ideale und was die Zeit mit diesen Idealen und den dazugehörigen Leuten macht. Manche verlieren diese aus den Augen, manchen werden diese Ideale aus dem Herz gerissen, manche hatten nie hehre Ideale, manche haben sie über die Zeit gerettet und manche verraten sie.


    Die Geschichte bekommt ihren Charme durch die beiden Hauptfiguren, ansonsten ist sie größtenteils vorhersehbar. Sie hat intensive Momente, aber auch Passagen, in denen man sich fragt, ob der Erzähler kurzfristig seine Gefühle ausgestellt hat, was besonders bei Kampfszenen der Fall ist, wo sich Lansdale praktisch auf die technischen Abläufe konzentriert und das ganze Drumherum weglässt.


    Weitere Bände der Hap & Leonard-Reihe
    2. Texas Blues (neu: Mucho Mojo) - Originaltitel Mujo Mojo, 1994 im Mysterious Press Verlag, deutsche Veröffentlichung 1996 im Rowohlt-Verlag, Neuauflage 2015 im Golkonda-Verlag
    3. Mambo mit zwei Bären (neu: Bärenblues) - Originaltitel Two bear Mambo, 1995 erschienen im Mysterious Press Verlag, deutsche Veröffentlichung 1997 im Rowohlt Verlag, Neuauflage 2016 im Golkonda-Verlag
    4. Schlechtes Chilli - Originaltitel Bad Chili 1997 im Mysterious Press Verlag, deutsche Ausgabe von 2012 im Dumont Verlag - bisher keine Neuauflage erschienen
    5. Rumble Tumble - Originaltitel Rumble Tumble 1998 im Warner Books-Verlag, deutsche Erstausgabe 2007 im Shayol Verlag - bisher keine Neuauflage erschienen
    6. Machos und Macheten - Originaltitel Captains Outrageous erschienen 2002 im Weidenfeld & Nicolson, deutsche Erstausgabe 2014 im Golkonda-Verlag
    7. Das Dixie-Desaster - Originaltitel Vanilla Ride 2009 im Knopf Verlag, deutsche Erstausgabe 2015 im Golkonda-Verlag
    8. Rote Rache - Originaltitel Devil Red erschienen 2011 im Knopf Verlag, deutsche Erstausgabe 2016 im Golkonda Verlag

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

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  • Ich habe mich jja auch in die Leserunde gemogelt und meinen ersten Lansdale gelesen. Es war das Ebook, zu dem Printbuch, was Susann in ihrem Post zeigt.
    Das Buch hat mir gut gefallen, am Ende war ein bisschen zu viel Blutvergießen. Ganz so brutal muss es nicht sein, aber ich werde irgendwann weitere Teile der Serie lesen - irgendwie möchte ich doch wissen, was Hap und Leonard noch anstellen.
    Das Ebook hat 196 Seiten.
    7 Punkte von mir.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

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  • In "Wilder Winter" oder auch "Savage Season" im Original geht es um alte Ideale und was die Zeit mit diesen Idealen und den dazugehörigen Leuten macht. Manche verlieren diese aus den Augen, manchen werden diese Ideale aus dem Herz gerissen, manche hatten nie hehre Ideale, manche haben sie über die Zeit gerettet und manche verraten sie.

    :write

    Super knackig getroffen.


    Mir hat das Buch recht gut gefallen, es geht im Grunde wie in einem Film-Skript voran, ohne, dass es wie eins geschrieben ist. Die Sprüche sind manchmal derb, aber irgendwo auch grundehrlich und damit schon fast wieder liebenswürdig...ich kann das Buch und die Figuren allesamt nicht wirklich einordnen, abseits der zitierten Passage von Suzann, sie bleiben alle ein wenig farblos. Man sieht sie vor Augen agieren, aber man "dockt nicht an"...


    Für mich war es dann allein auf Basis der Kampfszenen, der markigen Sprüche und der "Chemie" zwischen Hap und Leonard am Ende dann doch zu wenig...


    7 Punkte.

  • Zwei schlagfertige Typen, eine alte Liebe und jede Menge Kohle


    Als großer Fan von James Purefoy ist mir die Story rund um Hap und Leonard schon aus der gleichnamigen Serie bekannt. Deswegen wusste ich einerseits was mich erwartet, andererseits war es spannend, die Romanvorlage kennenzulernen.


    Hap und Leonard sind keine netten Typen, haben Ecken und Kanten und jede Menge Altlasten im Keller. Dazu zählt auch Haps Exfrau, die eines Tages überraschend aus der Versenkung auftaucht und den beiden einen Deal vorschlägt, den sie unmöglich ablehnen können: Sie sollen ein Boot bergen, auf dem die Beute aus einem 2 Jahrzehnte zurückliegenden Banküberfall liegt. Da aber nichts hierbei wirklich nach Plan läuft und einige krude Gestalten noch den Weg des Duos kreuzen, wird diese Aktion, die leicht verdientes Geld bedeuten sollte, zu einem echten Himmelfahrtskommando.


    Was mir ausnehmend gut gefallen hat, sind die Schlagabtäusche, die derbe, bisweilen vulgäre Sprache und die authentische Schilderung der Handlungsschauplätze. Stellenweise geht es aber recht hart und brutal zu, auch das muss man mögen. Band 1 hat mir aber auf jeden Fall Lust gemacht, weiterzulesen!