Oliver Twist - Charles Dickens

  • Das Buch habe ich jetzt als erstes, läßt man mal „A Christmas Carol“ außen vor, von Charles Dickens gelesen. Gegenüber Dickens habe ich seit meiner Kindheit starke Vorbehalte, weil seine Bücher bei uns als „deprimierend“ angesehen wurden.


    Die Frage, ob mein Vorurteil bestätigt wurde, kann ich nur mit einem klaren „Jein“ beantworten. Die Verhältnisse, die Dickens beschreibt, sind über weite Strecken mehr als deprimierend. Insofern stimmt das Vorurteil. Jedoch kam all das Schlimme mental und emotional bei mir überhaupt nicht an. Durch seine bewundernswerte Sprachgewalt wird nämlich alles in herrlich leuchtenden Farben, die friedlich glänzen, geschildert. Zwischen Form und Inhalt besteht (für mich) eine unüberbrückbare Differenz. Ich habe durchaus verstanden, daß Dickens hier Ironie und Sarkasmus als Stilmittel verwendet, um auf die Mißstände hinzuweisen. Möglicherweise hat das bei seinen Zeitgenossen funktioniert, bei mir jedoch nicht.


    So sehr mir die Sprache gefiel (und ich habe ein Faible für die des 19. Jahrhunderts), wenn Form und Inhalt dermaßen auseinanderklaffen wie hier, wenn ich mich - um das mal so auszudrücken - stilistisch in Pemberley, inhaltlich aber in der Gosse fühle, ist das nichts, womit man mich ansprechen könnte.
    [sp]Zumal mir dann völlig schleierhaft blieb, weshalb Dickens kurz vor Ende seinen Stil durchbricht, wenn er am Ende des 52. Kapitels lapidar schreibt: „(...) ein Gerüst, ein Strick - der ganze schreckliche Apparat des Todes.“[/sp]


    Alles in allem habe ich - ob der wirklich schönen Sprache - das Lesen nicht bereut, jedoch kann ich mir derzeit nicht vorstellen, nochmals ein Buch von Charles Dickens zu lesen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Mich würde das Buch ja schon interessieren. Aber ich hatte ja im letzten Jahr bei der LR zu Dickens Weihnachtsmärchen teilgenommen, seit dem war mein Wunsch nicht mehr so groß. Die Weihnachtsgeschichte ging ja noch, aber der Rest war einfach langweilig und Quälerei. Daher hatte ich bisher von dem Buch hier auch Abstand genommen.


    Und wenn ich deine Rezi so lese, ich glaube dann lasse ich auch lieber die Finger von einem erneuten Dickens-Buch. :rolleyes

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Ich mochte das Buch als Kind sehr gerne.
    Vielleicht sollte ich es demnächst mal wieder lesen.


    Das nächste Buch auf meinem SuB ist Our Mutal Friend von Dickens. Es soll ja ganz gut sein. Ich bin gespannt. :grin

    Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat. - Marie von Ebner-Eschenbach

  • Zitat

    Original von Macska
    Mich würde das Buch ja schon interessieren. Aber ich hatte ja im letzten Jahr bei der LR zu Dickens Weihnachtsmärchen teilgenommen, seit dem war mein Wunsch nicht mehr so groß. Die Weihnachtsgeschichte ging ja noch, aber der Rest [...]


    :write die Weihnachtsgeschichte war toll.
    Ich glaube, ich werde mir das Buch irgendwann ausleihen.

  • Ich kann mich nicht erinnern, ob ich das Buch früher schonmal gelesen habe, aber dieses Jahr habe ich es definitiv gelesen :grin
    Ich habe zu Weihnachten einen Kindle bekommen und sämtliche Klassiker kann man bei amazon umsonst herunterladen, darunter auch Oliver Twist. Es war dann das erste Buch das ich auf meinem Kindle gelesen habe. Das Lesen auf diesem Gerät an sich macht mir nicht so viel Spaß und hat mir scheinbar auch ein bisschen das Lesevergnügen verdorben. Ich denke, dass ich in Papierform wesentlich häufiger zu dem Buch gegriffen hätte und ich es auch mehr verschlungen hätte.
    An sich hat Oliver Twist mir wirklich gut gefallen und ich mag Dickens Schreibstil sehr. Die Geschichte geht unter die Haut und ist dennoch wunderschön. Ich habe die Worte gerne gelesen, aber wie gesagt, ich hätte diese lieber auf Papier vor mir gehabt...

    :wave Gruß Dany


    Die Wirklichkeit ist etwas für Leute, die mit Büchern nicht zurechtkommen.
    Leserweisheit

  • Ich lese die Bücher von Charles Dickens sehr gerne.
    Oliver Twist habe ich aber auch erst vor ein paar Jahren gelesen und es hat mir sehr gut gefallen.
    Ein Film dazu habe ich leider noch nicht gesehen. Vielleicht werde ich mir demnächst einen ansehen.


    :wave

    "Hutzenberge riesengroß.
    Hutzenberge makellos.
    Hutzenberge sind so weit.
    Hörst du meinen Hutzenschrei?"


    Freda die Berghutze

  • Oliver Twist - ein Klassiker, der den Titel völlig verdient!
    Die Geschichte des Waisenjungen, der an eine Diebesbande unter Führung des Hehlers Fagin gerät, hat mich in seinen Bann gezogen und das Buch kaum weglegen lassen.
    Was habe ich mit Oliver gelitten und mich mit ihm gefreut, als er zu den Maylies kommt und dort zum ersten Mal eine liebevolle Familie kennenlernt.
    (Seltsamerweise habe ich bei Mrs Maylie, ihrem Sohn Harry und Rose immer nur die Gesichter von Isobel Crawley, ihrem Sohn Matthew und seiner Cousine Mary aus Downton Abbey vor Augen... :gruebel)
    Für die Oberschicht im viktorianischen England muss Charles Dickens' präzise Beschreibung der Arbeitshäuser und der Kinderarbeit ziemlich unangenehm gewesen sein, schließlich wurde dies von der Gesellschaft geduldet und akzeptiert.
    Trotz des Erfolgs von Oliver Twist gab es Arbeitshäuser noch weit bis ins 20. Jahrhundert hinein, viele der Insassen starben an Tuberkulose und Mangelernährung.


    Alles in allem ein wirklich interessantes Buch, das man gelesen haben sollte.

    :lesend Alfred Döblin "Berlin Alexanderplatz"


    "Ein Raum ohne Bücher ist wie ein Körper ohne Seele."
    (Cicero)

  • Ah, die Forumssuche verrät mir, dass es zu diesem Klassiker bereits ein Thema gibt. Dann haue ich mal meine Nachbesprechung hier rein.


    "Oliver Twist" ist nun beendet. Mein erster Dickens, gekauft um eine Bildungslücke zu füllen. Ich wusste im Vorfeld nichts über die Geschichte und hatte auch keine Verfilmung gesehen. Da war nur der Name, der einem zwangsläufig über den Weg läuft.


    Mir hat das Buch gut gefallen. Das schöne an so alten Büchern ist, dass sie auch als Zeitkapsel fungieren und einem vermitteln, wie die Menschen damals dachten, handelten und lebten. Insbesondere die Darstellung von Armut und ihren Folgen war sehr eindrücklich. Die Misshandlungen, denen Oliver vor allem zu Beginn des Buches ausgesetzt war, ließen mich schon ein wenig zusammen zucken. Und ich habe schon ca. 600 Thriller hinter mir.


    Sprachlich waren die teils doch recht langen Sätze zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig. Aber da gewöhnt man sich schnell dran, sofern man im Buch versinken und sich konzentrieren kann. Der blumige, mit Ironie gespickte Stil entwickelte einen gewissen Sog, ohne dem Ernst des Dargestellten seine Kraft zu nehmen.


    Die unrealistische Charakterzeichnung sei Dickens verziehen. Oliver hätte angesichts seiner Erfahrungen wohl weniger brav werden müssen. Auch sind arg viele Zufälle im Spiel, die letztlich zum Happy End beitragen.


    Lobend erwähnen möchte ich ferner die gelungenen Bösewichter. Gute Schurken werten jede Geschichte auf.


    Fazit: Ein gutes Buch, dessen Eindruck mich sicher zu weiteren Büchern Dickens greifen lässt.