Von Ratlosen und Löwenherzen - Rebecca Gablé

  • Von Ratlosen und Löwenherzen
    Rebecca Gablé
    ISBN: 978-3431037555
    Ehrenwirth in der Verlagsgruppe Lübbe
    237 Seiten, 19,95


    Die Autorin: Rebecca Gablé wurde 1964 in einer Kleinstadt am Niederrhein geboren. Nach ihrem Abitur 1984 folgte eine Lehre als Bankkauffrau. Diesen Beruf übte sie vier Jahre aus, da dies häufig auf einem Stützpunkt der Royal Air Force geschah, lernte sie viel über England, die Sprache und die Menschen. Nach der Veröffentlichung ihres ersten Romans gab sie ihren alten Beruf auf und begann in Düsseldorf ein Literaturstudium, dessen Schwerpunkt sich mehr und mehr zur Mediävistik – der Lehre vom Mittelalter- verlagerte. Nach Beendigung ihres Studiums ist sie als freie Schriftstellerin und Literaturübersetzerin tätig und lebt zusammen mit ihrem Mann in der Nähe von Mönchengladbach. Nach sechs großen historischen Romanen, die allesamt Bestseller wurden, ist dies ihr erstes historisches Sachbuch.


    Buchrückentext: Denn das Mittelalter war nicht finster, sondern farbenprächtig!
    1000 Jahre englischer Geschichte – kompetent, informativ und immer mit einem Schmunzeln erzählt. Lesen Sie, wie die Wikinger in Ermangelung anderer Hobbys England eroberten oder wie Jahrhunderte später Eleanor von Aquitanien die Bühne betritt, eine der unterhaltsamsten und wunderbarsten Skandalnudeln, die je auf Englands Thron gesessen haben.


    Meine Meinung: Wenn ich mich noch an den Geschichtsunterricht in der Schule erinnere, so sind mir vor allem die vielen Jahreszahlen unangenehm im Gedächtnis geblieben. Welche Schlacht wo, wann, und von wem gekämpft und gewonnen wurde, welcher König wie lange regierte, all das mussten wir uns aus langweiligen und staubtrockenen Geschichtsbüchern erarbeiten. Auch wenn mich die Lebensumstände der Menschen aller Epochen sehr interessierten, so ging doch fast alles unter in der endlosen Aufzählung von Königen, Päpsten und Herzögen.


    In diesem Buch sieht es anders aus. Zwar kommt auch Frau Gablé nicht an Jahreszahlen und Herrschern vorbei, doch wenn sie diese (zumeist) Herren erwähnt, dann merkt man, dass es auch anders geht und dass Geschichte und Humor sich nicht zwangsläufig ausschließen. Da wird zum Beispiel berichtet, dass Eleanor von Aquitanien sehr zum Verdruss ihres Mannes Louis, beschloss, denselben auf einen Kreuzzug zu begleiten. Als sie 1148 Antiochia erreichten, das von Eleanors Onkel Raymond regiert wurde, munkelte man, sie und ihr Onkel würden eine heiße Affäre haben. 1152 fiel ihr und ihrem Gatten plötzlich ein, sie wären wohl doch eigentlich zu nah verwandt, um verheiratet sein zu dürfen und sie ließen sich scheiden.


    Zitat: „Nach der Heirat kehrte Eleanor jedenfalls allein nach Aquitanien zurück, doch das erwies sich als wenig praktikabel. Sie war ja jetzt wieder die begehrteste Junggesellin der ganzen Christenheit. Das heißt, dass ihr alle naselang irgendein Kerl aus der adligen Verwandtschaft auflauerte, um sie zu entführen und zur Ehe zu zwingen.“


    In diesem Stil liest sich das ganze Buch und so bin ich locker durch fast 1000 Jahre englischer Geschichte gebummelt und habe es sogar noch genossen. Man erfährt viel über die verschiedenen Herrscher, aber auch über die Lebensumstände der Bevölkerung in den unterschiedlichen Zeiten, und bekommt Bilder zu sehen, die das Ganze noch vorstellbarer machen. Es lohnt sich die Bildunterschriften genauer anzusehen, denn auch da spürt man den Humor der Autorin. Besonders hat mir der Kommentar unter dem Bild der Hinrichtung der Jeanne d`Arc gefallen, denn da steht „ Man beachte das fiese Grinsen ihres Anklägers, Pierre Cauchon.“ Und tatsächlich verzieht er seine wulstigen Lippen besonders gemein - das wäre mir so nie aufgefallen, und mein Geschichtslehrer hätte uns auf solche Dinge nie aufmerksam gemacht. Schade eigentlich, denn wenn ich so ein Lehrbuch gehabt hätte, wäre das Lernen ein Vergnügen gewesen. Für dieses Buch gibt es 10 Punkte und den Wunsch auch die deutsche Geschichte so aufgearbeitet zu sehen.


    P.S.: Der Buchumschlag lässt sich aufklappen und enthält einen Stammbaum der Könige des englischen Mittelalters von 871 bis 1509.

  • Vielen Dank für die Rezi! (Ist es in DE schon erhältlich, dass es schon eine Rezi gibt?!)


    Das Buch wird nächste Woche gleich gekauft von mir! Endlich mal wieder was neues von Gablé, ein guter Zeitvertreib, bis "Das Spiel der Könige" endlich als Tb erhältich ist!

  • Danke für die schöne Rezi. Das Buch ist auch schon seit einiger Zeit auf meiner WL. Aber vorerst muss es dort auch bleiben, da mir auch der Preis etwas hoch ist für gute 200 Seiten. Ich warte bis es bei ebay etwas günstiger wird. :-]

  • Danke für die Rezi, ich hatte auch schon Auschnitte im letzten PM Historical gelesen. Hat mir auch gut gefallen.


    Ich setzt es auch erst mal auf die WL, vielleicht lass ich es mir auch schenken :-]

  • Ich mache mich hier jetzt gleich sehr unbeliebt. Ich bin nämlich der Ansicht, daß dieses Buch kein Sachbuch ist.
    Es ist eine Art humoristischer Darstellung des englischen Mittelalters, daß Personen, die tatsächlich gelebt haben und Ereignisse, die es tatsächlich gegeben hat, darin vorkommen, darf darüber nicht hinwegtäuschen.


    In sehr flottem Plauderton werden hier 1000 Jahre Ereignisgeschichte durcheilt, Aufstieg und Fall von Herrschern präsentiert, Kriege, Eroberungen, ein ziemliches Durcheinander, wie die Autorin immer wieder mit eben diesen Worten munter erklärt.


    Es wird auch eifrig in Betten geguckt, wer wann mit wem, 'wir können aber getrost davon ausgehen, daß Männer und Frauen es auch im 12. Jahrhundert munter miteinander getrieben haben ...', (S. 105) heißte es da, und schwul waren sie auch schon.
    William II. war der erste schwule König Englands, liest man da.
    Hey, genau das wollten wir immer schon wissen!


    Wir erfahren auch, wer wann 'unverhältnismäßig grausam' war - gibt es eine verhältnismäßige Grausamkeit? - und daß der Standort von Burgen nach strategischen Gesichtspunkten ausgewählt wurde.
    Überdies veränderte die Erfindung der Druckerpresse die Welt.
    Geee-nau.


    Über Robin Hood erfahren wir nichts in diesem Buch, weil sich die Autorin nach eigener Aussage auf belegbare Fakten beschränkt. (S. 109).
    Deswegen hageln ihre moralischen Urteile über die Protagonisten auch so flott herunter wie Äpfel im Sommersturm vom Baum.


    König John ist ein 'verschlagenes unfähiges kleines Ungeheuer', Isabella 'ein richtiges Miststück'. Und dann verläßt sie auch noch ihre Kinder!
    Immerhin war Henry III. 'ein netterer Kerl als sein Vater, aber ein Versager auf dem Thron'. Der Duke of Lancaster dagegen 'machte einen hervorragenden Job'. Allerdings bloß bis 1381, als er die Kopfsteuer einführte. ' ... und da knallte es.'
    Cool!


    Über weite Strecken des Buchs hat man den Eindruck, eine Sonderausgabe des Goldenen Blatts zum englischen Mittelalter in Händen zu halten. Wer will noch Camilla oder Caroline, wenn er 'Skandalnudel' Eleonore haben kann? Die soll es ja mit ihrem Onkel ...
    Beweisen kann man es nicht, auch nicht, daß Richard und Philipp August ... , aber ey, sie haben in einem Bett geschlafen! Das ist doch wohl eindeutig.
    Wer etwas anderes behauptet, glaubt 'Blödsinn'. Sagt die Autorin.
    Na, ja, Sex sells.


    Natürlich weiß sie auch immer, wer in welchen Moment was fühlt. Zittert, schlottert, flucht, tobt, Anekdoten gibt es genug, und wo man auf die Schnelle keine findet, denkt man sich etwas aus. Man ist ja nicht für nichts Romanautorin.
    'Eher stürze ich mich in die Seine', war Marguerites erste Reaktion.' (S. 220) Die Autorin war dabei.


    Die Sprache ist dementsprechend populistisch-publikumswirksam. Eher einfach, der gesprochenen Sprache mehr als zugeneigt. Da wird Schindluder getrieben, Strafen werden aufgebrummt und natürlich machen die Schotten Kleinholz aus den Engländern. Nichts ist zu trivial, nichts zu abgedroschen, als daß man es nicht noch locker aufs Papier laufen lassen könnte.
    Es ist auf den 'Lacher' berechnet, ein Gag nach dem anderen, Knaller auf Knaller. Comedy.


    Die Abbildungen sind eher hilflos als aufklärend. Ihre Qualität ist schlecht, der Verlag hat gespart und auf schwarz-weiß gesetzt, was sehr schade ist, denn die meisten sind, ganz typisch für mittelalterliche Bilder, eigentlich knallbunt und richtig schön anzuschauen.
    Die Bildunterschriften sind auch nicht gerade erhellend. Die Autorin behauptet, daß man den oder jenen darauf sieht. Wenn mehrere Personen abgebildet sind, ist alles andere als klar, wer nun wer sein soll.
    Da ist ein Männchen mit Helm obenrum halt Richard Löwenherz, und ein Bild aus dem Codex Manesse (S. 106) zeigt, wie romantisch es in England zuging.
    Ein Verzeichnis der Abbildungen fehlt, was die Einordnung umso schwieriger macht, so manche entstanden nämlich beträchtliche Zeit nach dem Ereignis, z.B. das Bild von William II. mit dem Pfeil mitten in der Brust oder die Darstellung des 'Staatsbanketts' von John of Gaunt.


    Aber, wie gesagt, ernst nehmen kann man das nicht. Das ist ein Buch zur Unterhaltung, kurzweilig, das steht schon im Untertitel. Bloß nicht nachdenken, unterhalten lassen ist die Parole. Wenn die Torte fliegt und der Clown sich auf den Hintern setzt, lacht man halt, auch beim fünften Mal noch. Auch wenn man sich so langsam fragt, was das denn soll.
    Fun ist es.
    Lachen ist angesagt.



    In die Humor-Ecke damit.


    :wave


    magali


    edit: ca. 7 Schreibfehler behoben

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • :grin Unbeliebt machst du dich damit nicht magali, das ist eine super Beschreibung und "Goldenes Blatt des Mittelalters" ist klasse...


    Ich war ehrlich gesagt unsicher, wohin es gehört und habe mich dann für Sachbuch/Geschichte entschieden, vielleicht, weil ich mir solch ein Geschichtsbuch damals gewünscht habe.


    Was meinst du, soll ich wirklich mal fragen, ob man es in Richtung "Humor" verschieben kann? :gruebel

  • Ich habe kürzlich in der Zeitschrift PM History (übrigens ein ärmliches Blättchen) einen Auszug aus dem Buch gelesen und war so einigermaßen entsetzt. Ich liebe die Romane der Autorin wirklich, aber dass ist definitiv nichts für mich. Keine Authentizität, kein Gespür für Sprache. Eher lachhafte Schilderungen gespickt mit äußerst unpassenden Vergleichen aus der heutigen Zeit.


    Vielleicht ein Buch um einem Drittklässler unterhaltsam Geschichte nahe zu bringen, jeder Erwachsene dürfte sich davon jedoch eher veräppelt fühlen. Der Preis des Buches tut sein Übriges um die Geldmacherei dahinter zu erkennen…

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Eskalina


    richtig ernst nehmen kann man das Buch nicht, finde ich.
    Unter Humor paßt es eher, es erinnert mich ein wenig und von Ferne an die Opern-Parodien von Loriot u.ä.
    Der Stil ist humoristisch, munterer, leichter Plauderton.



    Ich verlinke hier mal zu einer Farbabbildung des Bilds auf S. 106, aus dem Codex Manesse, digitalisert von der UB Heidelberg. Der Link ist laut der Website erlaubt.


    Rudolf von Rotenburg


    Damit man mal sieht, was man verpaßt, wenn man mittelalterliche Illustrationen bloß schwarz-weiß sieht.
    Einen Ausschnitt von dem John of Gaunt-Bild (beim Essen mit dem König von Portugal, S. 163) gibt es auf geocites, aber ich weiß nicht, ob ich das verlinken darf. Es hat kräftige Rottöne.


    William II. mit dem Pfeil in der Brust habe ich nicht gefunden, er trägt einen wunderbar hellgrünen Kittel, wenn auch leicht pastellig. Der Aufseher auf dem Bild auf S. 99 dagegen ist tiefblau gewandet, ebenso einer seiner Arbeiter. Das Bild wird häufig abgedruckt, im Internet ist es leider noch nicht gelandet.
    Jedenfalls nicht für meine noch bescheidenen Klick-Künste.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Deine Rezi, liebe Magali, bestätigt meinen Entschluss, keine 20 Euro dafür ausgeben zu wollen. Wenn dann nur über Ebay oder als TB.


    Sollte das überhaupt ein Sachbuch sein? Ich glaube, dass ist so eine Art Überbleibsel der Recherchen für ihre bisherigen Romane.


    EDIT: Doch, auf der Website deklariert sie es als Sachbuch.


    Dort gibt es auch eine Leseprobe:


    http://www.gable.de/html/Roman…ewenherzen.html#Leseprobe

  • Auch auf dem Klappentext (hintere Umschlagklappe) ist es als historisches Sachbuch bezeichnet. Eskalina hat das oben zitiert.


    ich find's lustig.
    :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Bitte, bitte - ich kriege bei falschen Akzenten und Auslassungszeichen das Schaudern. Eskalina, ersetz doch bitte den Gravis (è) durch einen Akut (é) im Autorennamen.


    (Besonders schöne Beispiele "CAFE' VENETIA" und das französische Restaurant "C'est la vié!" -das hat allerdings mittlerweile dichtgemacht :rofl)


    Edit: Nein, zum Buch habe ich nichts zu sagen :lache