Heinrich Steinfest: "Ein sturer Hund"

  • Steinfest stammt aus Österreich und lebt in Stuttgart, ebenso geht es seinem Protagonisten, dem einarmigen Detektiv Markus Cheng, der im vorliegenden Buch in einer seltsamen Ritualmordserie ermittelt. Doch eins nach dem anderen.


    Moritz Mortensen, Frührentner und Erbe, hat drei Romane geschrieben, die kein Mensch lesen will. Nachmittagelang sitzt er in der öffentlichen Bibliothek und beobachtet die Rücken der eigenen Bücher - bei denen er höchstselbst dafür gesorgt hat, daß sie dort verfügbar sind. Und dann geschieht es: Ein junger Mann borgt sie aus, alle drei. Der Autor folgt dem Leser, heftet sich an dessen Fersen, zunächst in eine Bar, dann bis zu seinem Haus. Dort, im Dunkeln verborgen, beobachtet der Schriftsteller einen Mord, die Köpfung seines einzigen Lesers. Da die Umstände etwas merkwürdig sind, geht Mortensen nicht zur Polizei, sondern zu Cheng. Die Suche nach dem Mörder wird zum Rennen gegen die Zeit - der Täter hat seine Opfer zuvor portraitiert, und als Cheng sein eigenes Portrait findet, wird die Sache eng.


    Zugegeben, der Plot des Krimis - und auch seine Auflösung - ist nicht sonderlich originell, aber das gleicht Steinfest durch seine sehr eigene Sprache, die wunderbare, detailreiche Beobachtung, die feine Zeichnung seiner Figuren und viele überraschende Einfälle wieder aus. Vor allem sprachlich ist "Ein sturer Hund" sehr unkonventionell - und atmosphärisch enorm dicht; anfangs glaubt man, sich in einer anderen Zeit zu befinden, den Diktion und Stil wirken nostalgisch, aber keineswegs angestaubt. Ohne Übertreibung: Thomas Mann goes Wolf Haas. Jedenfalls ein großes Lesevergnügen, nicht nur für Krimifans.

  • Ich habe vor längerem mal Steinfests "To(R)tengräber" gelesen und mir hat es nicht besonders gefallen.... Ich brauchte zwei Drittel bis ich mich an die Sprache gewöhnt habe und die Story war auch irgendwie wirr... Das Ende hat mich allerdings doch versöhnlich gestimmt, so dass ich Steinfest wohl noch eine Chance gebe, aber hoffentlich bei einem Buch mit mehr "Drive" ;-)


    Liebe Grüße,
    milla

  • Ich bin noch nicht ganz fertig, aber da es nicht unbedingt auf die Handlung bzw. ihren exacten Schlusspunkt ankommt, kann ich jetzt schon sagen, dass mir dieses Buch von den bisher gelesenen Steinfests am besten gefallen hat. Was nicht gegen die anderen sondern für dieses spricht.


    Es verfügt nämlich schon über einen roten Faden, der den Leser durch all die kleinen Philosophien führt, und stellenweise kommt große Spannung auf.
    Die man aber nicht braucht, es ist ausreichend vergnüglich, den österreichischen Katholizismus endlich auf den Punkt gebracht zu lesen, Einblicke in das Seelenleben vermeintlich bekannter Haustiere zu erhalten und wieder mal schnell den Namen Wittgenstein nachzulesen...


    Schade, dass das erste Buch, in dem man anscheinend erfährt, wie Dedektiv Cheng seinen Arm verliert, vergriffen ist!

    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das nicht allemal das Buch.
    Georg Christoph Lichtenberg

  • schon allein die beschreibung dieses möchtegern-schriftstellers und sein reinschlittern in diesen absurden mordfall haben mir vor lachen tränen in die augen getrieben.


    ein wunderschöner krimi, bei denen die gestalten (und es sind wirklich gestalten) viel wichtiger sind als der eigentliche plot.


    uneingeschränkte empfehlung!


    bo

  • Ich habe nun gerade den ersten Teil der Serie von Steinfest, "Cheng" gelesen, an vielen Stellen laut gelacht und dann das: Ich habe den Plot nicht verstanden! Deshalb meine Frage an Steinfest Leser: Ist die Auflösung wirklich absolut unlogisch oder habe ich da was nicht verstanden :gruebel

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich lese grade "Cheng" und bin mir ziemlich sicher, dass ich die Nachfolger auch lesen werde.
    Ich mag Steinfests ausschreifende und doch alles künsterlisch auf den Punkt bringende Art (ja, das geht anscheinend! ^^) zu schreiben.

  • Steinfests Schreibe ist einzigartig, das denke ich mir bei jedem seiner Bücher, auch in diesem 2. Fall für den einarmigen Detektiv Cheng. Der Krimiplot ist wieder einmal reichlich nebensächlich, was die Bücher auszeichnet, ist die unglaublich kreative, originelle und unkonventionelle sprachliche Ausgestaltung - jedesmal wieder ein Genuß und eine Freude. Und daß Steinfest so gern österreichische Eigenheiten einwebt und seziert, finde ich besonders amüsant und lesenswert, auch wenn diesmal der Schauplatz des Geschehens nicht Wien, sondern Stuttgart ist.
    Ich freue mich bereits auf Teil 3 rund um Cheng, der bereits bereitliegt und demnächst an die Reihe kommen wird.