Der koschere Knigge - Michael Wuliger

  • Der koschere Knigge
    Michael Wuliger


    Fischer Taschenbuch Verlag
    107 Seiten


    Über den Autor:
    Michael Jonathan Wuliger wurde 1951 in London geboren, wuchs in Wiesbaden auf und lebt heute in Berlin als Feuilletonredakteur der "Jüdischen Allgemeinen". Er geht so gut wie nie in die Synagoge, isst gern Serrano-Schinken und hört lieber Georges Brassens als Giora Feidman. Sein jüdisches Idol ist Krusty der Clown aus der TV-Serie "Simpsons".


    Klappentext:
    16 Gebote für den Umgang mit jüdischen Mitbürgern
    Wie verhalten Sie sich, wenn Sie an Ihrem Arbeitsplatz, bei einer Party oder im Tennisclub einen Juden kennenlernen? Darf man überhaupt "Jude" sagen? Müssen Sie ihn mit "Schalom" begrüßen? Will er wirklich wissen, dass Sie "Schindlers Liste" auf DVD haben? Und warum wäscht er am Sabbat seinen Wagen, statt in der Synagoge zu beten?
    Michael Wuligers Knigge für den entkrampften deutsch-jüdischen Dialog hilft Ihnen weiter: Lebensnah und ironisch erklärt er Ihnen, was Sie schon immer über Juden wissen wollten, aber nie zu fragen wagten.


    Meine Rezension:
    Man stelle sich vor, dass man auf der Geburtstagsparty eines Kollegen Herrn Blumberg vorgestellt wird. Der Autor hilft einem über die erste Hürde: welche Gesprächsthemen eignen sie, wenn man auf einer Party einen Juden trifft: genau, die, die sich sonst auch eignen (Wetter, das Buffet, Bahnverspätungen...) und bitte nicht die Frage, ob man denn selbst vielleicht "Achteljude" aufgrund jüdischer Großeltern sei, ob eine frommer Jude die Kippa beim Duschen abnehmen würde oder er am Sabbat sein Auto reinigen würde...
    In den folgenden 15 Kapiteln schreibt der Autor über jüdisches Alltagsleben in Deutschland: was es so zu esen gibt, Familienleben und Kultur, aber auch nicht ganz so leichte Themen wie die Integration osteuropäischer Juden und Antisemitismus. Dabei bleibt der Stil immer locker und ironisch und es macht wirklich Spaß zu lesen.


    Auch wenn es eigentlich nicht viel Neues gab, was ich gelernt habe, fand ich das Buch trotzdem gut und notwendig. Da muss ich mir selbst wohl auch an die Nase fassen, der Umgang miteinander ist alles andere als unverkrampft, wie man ja allein an der Frage, ob man "Juden" überhaupt so nennen darf, erkennt.


    Schade, dass das Büchlein nur so kurz war, es gäbe bestimmt noch Einiges zu erzählen!

  • Das hab ich letztlich leicht amüsiert in den Händen gehalten und habe es zu der Überlegung benutzt, zu zählen, wie viele jüdische Menschen ich denn kenne.
    Ich kam auf zwei. :wow
    Bei meinem doch recht umfangreichen Bekanntenkreis finde ich das enorm wenig.


    Bei meinem Blick in das Büchlein, bei einer Bekannten, wurde mir nicht ganz klar, ob das eher Ratgeber (also Knigge) oder mehr einfaches Sachbuch zur Wissenserweiterung darstellt.
    Kannst du mir da Auskunft geben?

  • hmmm, ich hab mich schon sehr schwer getan, mit der Einordnung in die Rubriken her.


    ehrlich: ich weiß auch nicht genau. es vermittelt auf sehr lockere, humorvolle Weise etwas über das jüdische Leben in Deutschland. Ein klarer Ratgeber mit dem Schema: wenn die Situation eintritt, tue dies und wenn die andere Situation eintritt, tue das, ist das Buch definitiv nicht.


    ich glaube es würde in die Rubrik gehören: kurzweiliges Lesevergnügen, bei dem was hängen bleibt und man auch immer mal wieder rein schauen könnte.


    in meinem Bekannten- und Freundeskreis kenne ich auch nicht viele Juden - eigentlich niemanden, jedenfalls nicht, dass es mir bewusst wäre. Allerdings ist sowohl die Familie meines Opas jüdisch (nicht praktizierend) als auch die Familie meiner SchwieMu in spe, die in Israel lebt. Allerdings habe ich bisher nichts an jüdischen Bräuchen mitbekommen.

  • In der BRD leben nicht mal 150 000 Menschen, die bei der Angabe auf Formularen unter 'Konfession' 'jüdisch' angeben. Es ist nicht soo verwunderlich, wenn eine ihr Lebtag keine/n davon kennenlernt.


    Ich bin wirklich erschüttert, daß es so ein Buch gibt. Ich meine, stellt Ihr Euch bei social events mit Eurer Religionszugehörigkeit vor?
    Ich bin Susi und ich bin evangelisch?
    Ich bin magali, ich bin Atheistin? :wow


    Andererseits nimmt es mich gleichfalls mit, wie wenig man über Menschen Bescheid weiß, die hier leben und andere religiöse und kulturelle Schwerpunkte haben. Vielleicht ist das Buch in dem Fall nützlich. :gruebel


    In einem hat der Autor sicher recht, das Verhältnis zu Deutschen mit jüdischen Hintergrund ist entschieden gestört.


    Trotzdem: angesichts eines solchen Buchs kommt es mir vor, als seien Jüdinnen und Juden Giraffen oder sonstige Zootierchen. Auch wenn der Autor einen jüdischen Hintergrund hat, praktizierend oder nicht.


    Grundsätzlich ist es eine Religion.
    Heißt es nicht, daß ein wohlerzogener Mensch in Gesellschaft über drei Themen schweigen soll: Politik, Geld und Religion?


    Danke, Queedin, für die Buchvorstellung, auch wenn es mich schockiert hat. Begegnungen mit dem RL kann es gar nicht genug geben.
    :-(


    Wer schreibt als nächster ein Benimmbuch für den Umgang mit


    Moslems
    Baha'i
    Reformierten
    Baptisten
    Russisch-Orthodoxen
    Animisten
    Griechisch-Orthodoxen
    Voodoo-Anhängern
    Alewiten
    Anbeterinnen des rosa Einhorns
    Anbeterinnen des Spaghetti-Monster?


    Ey, sie könnten schon beim nächsten Fußball-Spiel neben Euch sitzen!




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ Magali
    Ich muß gestehen, ich hab bei dem Titel auch erst gedacht, brauchts des wirklich?
    Darum meine Frage nach dem Ratgeber oder Wissenssachbuch.
    Der Ratgeber für den Umgang interessiert mich weniger, die Erlebnisse von Juden in Deutschland und wie der jüdische Glaube hier überhaupt praktiziert wird, wie das mit dem koscher Essen und kochen und co so abläuft interessiert mich hingegen schon.


    Andererseits finde ich auch den "Knigge" vielleicht doch durchaus nützlich. Nicht weil ich mich mit meinem Glauben vorstelle und Menschen mit anderem Glauben anders behandele, sondern weil ich so eventuell Fettnäpfe vermeide, weil ich gewisse Dinge einfach dann erfahre.....


    Ich bezieh es einfach beispielhaft mal auf den muslimischen Glauben, weil ich mich da besser auskenne.
    Bei meiner Tätigkeit zur Zeit kommt es sehr oft vor, daß ich "Hausbesuche" machen muß und in fremde Wohnungen muß. Da hat es mir enorm geholfen, zu wissen, wie ich mich in manchen Situationen zu verhalten habe. Wen ich zuerst begrüße, um niemandem vor den Kopf zu stoßen, daß Schuhe ausziehen nicht nur ein Akt der Höflichkeit ist, sondern daß es enorm unhöflich ist, es nicht zu tun, etc.
    Oder daß ich z.B. keinesfalls zu einer jungen türkischen Mutter sage, wie schön ihr Kind ist, da das Unglück heraufbeschwört und man eigentlich eher sagt, daß das Kind besonders "häßlich" ist, um kein Unheil auf es herabzubeschwören.


    Solche "Benimmregeln" finde ich durchaus interessant, ob ich sie dann tatsächlich anwende, sei dahin gestellt.

  • Der koschere Knigge – Michael Wuliger


    Meine Meinung:
    Dieser Ratgeber ist ebenso informativ wie amösant und deckt eine Menge anhängende Themen ab.
    Die Illustrationen hingegen sind grob und einfach gezeichnet, eigentlich enttäuschend.
    Ein literarisches Werk darf man nicht erwarten. Die Ironie ist immer nett und harmlos.
    Aber die vielen Beispiele von möglichen Fettnäpfen und sogar Mienenfelder sind von großer Vielfalt, die Beschreibungen wie man reintritt absolut glaubwürdig.
    Auch wenn das Buch sicher nicht jedes Fettnäpfchen vermeiden hilft, ist es doch hilfreich, wenn man sie durch dieses Buch wenigstens überhaupt erkennen kann.
    Im Großen und Ganzen bleibt das Buch aber ohne Überraschungen.
    Das Buch bietet was es verspricht, nicht mehr und nicht weniger.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Auch wenn das Buch sicher nicht jedes Fettnäpfchen vermeiden hilft, ist es doch hilfreich, wenn man sie durch dieses Buch wenigstens überhaupt erkennen kann.


    Und wenn das Büchlein das dann noch auf unterhaltsame humorvolle Weise schafft, dann verspricht es doch kurzweiliges Lesevergnügen. Kommt auf die Wunschliste.

  • Das Buch „Der koschere Knigge“ ist ein kurzweiliger kleiner Leitfaden, der bei der Umschiffung deutsch-jüdischer Fettnäpfchen helfen soll. Auf nette und humoristische Art und Weise werden hier die Do’s und Dont’s im Umgang mit jüdischen Mitbürgern aufgezeigt. Das Büchlein ist nett und humorvoll geschrieben, nimmt sich auch selbst ein wenig auf die Schippe und ist ganz fix durchgelesen; kleine Comic-Illustrationen lockern zwischendurch ein wenig auf.


    Es schadet mit Sicherheit nicht, wenn man es gelesen hat – aber es ist kein Muß, viele Punkte sollten eigentlich selbstverständlich sein.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • In meinem Viertel gibt es eine grosse Anzahl an Juden, die sind aber alle sehr verschieden: Es gibt da die superorthodoxen sehr jungen Frauen, die eine Horde Kinder um sich haben und die ähnlich den Moslems ihre Haare, Arme und Beine verstecken oder die open minded Araber bzw. Argentinier, deren Frauen auch studieren und Firmen besitzen.


    Steht da was, wieso manche keine Erdbeeren essen? (So hier im Supermarkt an der kosheren Abteilung gesehen und die Verkäuferin konnte es mir nicht erklären.)
    Wieso Söhne ins Ausland studieren gehen, aber Töchter eher selten?
    Wieso orthodoxe Juden so viele Sonderwünsche bei Starbucks haben?


    Ich meine, ist das Buch wirklich nützlich oder spricht es nur von den üblichen Sachen, die man auch in Wikipedia finden kann?

  • Ich würde sagen: eher letzteres.


    Meine Einschätzung ist die: Es ist ein unterhaltsamer Leitfaden für unsichere Menschen, die noch nie wissentlich mit Juden zu tun hatten und nicht so recht über die DOs und DONTs Bescheid wissen.


    Es bleibt doch eher an der Oberfläche, zumindest habe ich das so empfunden.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich denke, dass dieses Buch nicht ernsthaft eine Anleitung sei soll, wie man mit Juden umgehen soll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ernsthaft Menschen gibt, die eine Juden mit dem Satz "Ich habe Schindlers Liste auf DVD" oder "Von Hartz IV haben Sie als Jude ja eh keine AHnung" begrüßen.



    Es soll eher auf lockere, humorvolle Art und Weise erzählen. Es gibt Bücher über alles und jeden und warum soll nicht mittlerweile in Deutschland auch ein lustiges Büchlein über das Judentum erscheinen.


    Ich kann es nur empfehelen, ich habe sehr gelacht und finde es einfach toll wie Herr Wuliger schreibet. Herr Blumberg ist ein ganz normaler, netter Deutsche, der etwas Normalität in dem Umgang von Juden und Deutschen bringt.


    Oliver Polak hat ein ähnliches Buch geschrieben, " Ich darf das, ich bin Jude", für alle die mehr wollen, wobei ich aber anmerken möchte, dass ich Wuligers Buch besser fand. Polak kommt doch noch etwas "jünger" und "flapsiger" rüber.



    Oryx : Soweit ich weiß, sind Erdbeeren erlaubt, aber das Problem ist, dass Importwaren an sich nie koscher snd. Denn man muss dann immer aufpassen, dass keine Würmer oder ähnliches drin sind, denn sonst sind sie ja nicht koscher. Bei Importwaren ist das schwierig.

  • Zitat

    Original von Foer
    Ich denke, dass dieses Buch nicht ernsthaft eine Anleitung sei soll, wie man mit Juden umgehen soll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ernsthaft Menschen gibt, die eine Juden mit dem Satz "Ich habe Schindlers Liste auf DVD" oder "Von Hartz IV haben Sie als Jude ja eh keine AHnung" begrüßen.


    Foer, Du solltest an Deiner Vorstellungskraft arbeiten. :grin Gut, vielleicht nicht begrüßen, aber ich glaube schon, dass bestimmte Vorurteile noch sehr verbreitet sind und viele Menschen (nicht zuletzt die, die philosemitisch gestimmt sind) gar nicht merken, wann sie mit Vorurteilen um sich werfen.

  • Foer : Die Erdbeeren hatten irgendwas mit "mehadrin" zu tun und hier sind sie eigentlich immer aus nationalem Anbau. (Die werden sogar nach D exportiert.)
    Hier ist die jüdische Gemeinde so gross, dass sie Kosher-Stempel auf vielen Nestlé-Produkten und den von anderen grossen Firmen haben. (Pareve und was es sonst noch gibt).
    Mein Stadtteil Polanco wird aus Spass wg. der vielen Ashkenazi auch Polanski genannt, es gibt koshere Supermärkte, Metzgereien und Bäckereien und besonders die Confiserie hat es mir angetan (etwas arabisch mit viel Honig und Nüssen).
    Aber manche Sachen mag ich meine Nachbarn nicht fragen und manche Essensregeln würden mich persönlich wahnsinnig machen.

  • Oryx


    wenn es sich tatsächlich darum handelt, daß das Lebensmittel 'mehadrin' sein soll, kannst Du alles vergessen. Mehadrin ist mehadrin Punkt. Das sind die strengsten Vorschriften überhaupt.


    Bei Erdbeeren ist es aber tatsächlich so, wie Foer schrieb. Sie gelten auch bei weniger strenger Handhabung als bedenklich und zwar genau wegen winziger Insektenlarven, die daran herumkrabbeln können und beim Essen unversehns mitgeschluckt.


    Für Erdbeeren gibt es bestimmte Reinigungsvorschriften, so müssen sie z.B. in Seifenwasser gelegt und dann gründlich abgespült werden. Zudem darf der grüne Stengel oben (wie nennt man den korrekt?) nicht einfach herausgezogen werden, weil sich darunter diese Mini-Larven verbergen können (man sieht sie mit bloßem Auge kaum, sie sind kleiner als die Samen der Erdbeere). Erdbeeren müssen oben abgeschnitten werden.


    Himbeeren werden ähnlich streng behandelt, Früchte mit Steinen müssen aufgeschnitten werden. Das fällt einfach unter die Speisevorschriften.


    Im Internet gibt es unter Star-K Kosher Certification Informationen für VerbraucherInnen. Zum Teil mit kleinen Videos, auf denen vorgeführt wird, wie man Lebensmittel, z.B. Gemüse oder Obst, korrekt säubert. Es gibt auch eines über den Umgang mit Strawberries.



    :wave



    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • magali : Vielen Dank! Ich wusste nicht, dass Insekten nicht gegessen werden sollten.
    Normalerweise desinfiziert man Erdbeeren und andere Beerenfrüchte in Mexico aus gesundheitlichen Gründen indem man sie 20 Minuten in Desinfektionsmittel lässt bevor man sie nochmal abwäscht. Sollte eigentlich ausreichen, um missliebige Viecher loszuwerden.


    Wie man zu Touristen allgemein sagt: If you can't cook it, peel it or desinfect it, don't eat it.

  • Oryx


    you're welcome.


    Das sind Bestimmungen aus der Tora resp. Bibel Altes Testament. Leviticus/3. Buch Mose.


    Darin ist detailliert aufgeschüsselt, welche Tiere rein und unrein sind. Die genauen Kapitel habe ich nicht auswendig parat. Muß etwa in der Mitte sein, das Buch fängt mit den Opfergaben und der Form von Opfern an.
    Es dürfen auch keine Schlangen, Aale, Frösche, Schnecken, Spinnen verzehrt werden. Ziemlich kompliziert und nicht rational zu begründen. Es ist Religion, gehört in den Bereich des Tabus. Wie Reinheitsgebote grundsätzlich, das ist eine metaphysische Angelegenheit. Das Thema 'Tabu' fasziniert mich persönlich, deswegen habe ich mich mal damit beschäftigt.


    Eulen dürfen übrigens auch nicht gegessen werden, was für dieses Forum sicher beruhigend ist, zu wissen.



    Zu Früchten in Desinfektionsmittel schweige ich. Ich bin so an meine Pestizide gewöhnt.
    :grin




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Steht in diesem Büchlein auch, dass Mann einer jüdischen Frau vorsichtshalber nicht zur Begrüßung die Hand geben sollte bzw. andersrum? Damit habe ich in meinem Alltag so meine Problemchen, wenn die Herren der Schöpfung das nicht verstehen wollen... ;)


    Es sind übrigens theoretisch 4 Heuschreckenarten erlaubt zu essen; heute kann man aber nicht mehr genau identifizieren, welche genau gemeint sind, deshalb isst man sie nicht. Aber manche Gemeinden in Jemen haben den Brauch mit den Heuschrecken beibehalten und essen sie nach wie vor. (Wir zum Glück nicht, finde die Vorstellung etwas eklig...)


    Auf welche Juden wird denn in diesem Buch eingegangen? Die Lebensweisen von orthodoxen, liberalen und fast assimilierten Juden unterscheiden sich ja deutlich und ich glaube kaum, dass man über alle eine gleiche Aussage treffen kann, oder?


    Ach ja, in Deutschland gibt es übrigens so wenig Hechscher auf Produkten, weil die Firmen befürchten, dass ihre schon vorhandenen Kunden was dagegen haben könnten und die Produkte nicht mehr kaufen würden (also Antisemitismus etc.). Habe diese Theorie nur gehört, weiß nicht, inwieweit sie stimmt. Ich persönlich stocke meinen Süßigkeiten- und Gebäck- und Käsevorrat immer in Berlin auf, hier in Sachsen-Anhalt und auch in Sachsen gibt es noch nicht mal einen koscheren Kiosk...


    Wenn nicht ich für mich eintrete, wer dann?
    Wenn ich nur für mich selbst eintrete, was bin ich?
    Wenn nicht jetzt, wann dann?



  • Herr Blumberg, den wir soeben auf einer Party kennengelernt haben, führt uns in diesem kleinen Buch durch das Leben eines deutschen Juden.
    Und die Botschaft lautet:
    Statt nicht in die Kirche geht der Durchschnittsjude nicht in die Synagoge, abgesehen von Mesusa und Menora dürfte sich die Wohnungseinrichtungen in nichts unterscheiden und Juden sind gegenüber Minderheiten keineswegs toleranter als ihre nichtjüdischen Landsleute.
    Freilich gibt es auch Unterschiede. So etwa wundert sich Blumberg, wie eine Religion, die sich derart exzessiv mit ihrem Essen beschäftigt, kaum Genießbares hervorbringen konnte (weshalb bei Blumbergs auch lieber deutsche Hausmannskost auf den Tisch kommt), er zieht über die sprichwörtliche jüdische Zanklust her (zwei Juden, drei Meinungen) und, natürlich, darf ein Exkurs über die jüdische Mamme nicht fehlen (obwohl Frau Blumberg natürlich ganz anders ist). Aber auch hier gilt: bei einer mit leidlichem Taktgefühl geführten Konversation kein Fettnäpfchen weit und breit.
    Nur zwei Minenfelder gilt es zu vermeiden: Zum einen den Holocaust, da geht's Herrn Blumberg nämlich wie Martin Walser: "Ich kann's nicht mehr hören" und Israel.
    Ansonsten macht dieses Buch auf ausgesprochen unterhaltsame Weise deutlich, dass es eigentlich keinerlei Grund gibt, sich gegenüber Juden in irgendeinerweise anders zu verhalten, als es es die normale Höflichkeit gebietet, wenn Menschen sich begegnen.


    Wer deshalb in diesem Buch Details zu jüdischen Verhaltensregeln erwartet, oder die Feinheiten der koscheren Küche erklärt bekommen will, ist schlecht bedient, aus dem einfachen Grund, dass säkular lebende Juden in Deutschland auch nicht viel genauer über ihre Religion Bescheid wissen wie getaufte Deutsche, die zwar Weihnachten in die Kirche gehen, "Daniel in der Löwengrube" aber für eine Zoodoku halten.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)