'Der Turm' - Seiten 891 - Ende

  • Wiederaufnahme der LR ab 3.01.2013


    Dieser letzte Abschnitt hatte es noch einmal in sich, wenn man das bei diesem Roman überhaupt so sagen kann, denn er hat mich und meine Aufmerksamkeit durchweg gefordert.


    Ich habe es so empfunden, dass der fragmentarische Zusammenbau der Szenen und verschiedenen Handlungsebenen (Montageroman) hier noch einmal verstärkt wurde. Wie vom Klicken eines Feuerzeuges (von Pfannekuchen) schnippt die Erzählung zur nächsten Person, an einen anderen Ort. Das macht die eigentlich letzten Tage der DDR, die in Papierschnipseln ersticken, in trübem Licht ergrauen, in Kälte zittern oder auch in der Angst vor dem Schlag und der eigenen Courage.
    Ich bin hin und her gerissen, wie ich diesen Romanschluss finde. Ich glaube gut.

  • Puh, auch endlich durch. 13 Tage habe ich dafür letztlich gebraucht und wurde die komplette Lesezeit ziemlich gefordert. Ein tolles Buch! Aber es ist nicht nur ein Roman, es strotzt vor Metaphern und Andeutungen. Toll fand ich so einzelne Sätze wie "Aus dem Wintergarten hörte man ein aufgeregtes Hin- und Hergelaufe.". :-]


    Zitat

    Original von Ruhrmaus
    Fazit: Habe ich schon letztes geschrieben, dass mir der Autor sehr gut vermittelt hat, wie das Leben in der damaligen DDR war, mit all seinen Faszetten. Ich wusste allerdings nicht, dass es so schlimm mitunter war.


    Das teile ich nur bedingt. So schlimm wie es Tellkamp beschrieb, war es sicher nicht in der DDR. Vieles ist karrikiert und überzeichnet, um es zu verdeutlichen. Zumindest, wenn man sich auf der Parteilinie befunden hat. Und gehungert hat in der DDR sicher auch keiner. Es war immer noch ein Vorzeigestaat im Osten.



    Zitat

    Original von Clare
    Ich habe es so empfunden, dass der fragmentarische Zusammenbau der Szenen und verschiedenen Handlungsebenen (Montageroman) hier noch einmal verstärkt wurde.


    Ja, der Abschnitt war oft sehr verworren. Auch Szenen aus Moskau wurden eingestreut und aus dem zweiten Weltkrieg. Aber es reißt ja auch gerade ein ganzes Land auseinander, was zig Gründe hatte.



    Zitat

    Original von Clare
    Ich bin hin und her gerissen, wie ich diesen Romanschluss finde. Ich glaube gut.


    Das Buch hat mich permanent zum Nachdenken und zum externen Nachlesen angeregt. Ich habe für mich nun eigentlich ein ziemlich klares Bild gewonnen, warum ein Sozialismus kaum funktionieren kann und wie die DDR-Regierung mit ihren geliebten Bürgern umgegangen ist. Gerne würde ich nun jemanden aus dem alten Politbüro zu seinen Gedanken interviewen.




    Am Sonntag werde ich mir den Film angucken und beim nächsten Dresden-Besuch mit Sicherheit auch das Viertel der Türmer. Die Fortsetzungscheibung ist bereits gedanklich gekauft.

  • Zitat

    Original von xexos
    Gerne würde ich nun jemanden aus dem alten Politbüro zu seinen Gedanken interviewen.


    Ich habe mir gerade das unten verlinkte Buch bestellt. Ich bin gespannt auf die Innenansichten des "Großen Hauses".


    @ Clare (oder auch evtl. jemand anderes): Kennst Du noch Bücher, die den Lebensalltag in der DDR recht gut darstellen? Auf meinem SUB hab ich noch "Franziska Linkerhand" von Brigitte Reimann und von Erich Loest habe ich auch schon einige Bücher gelesen. Aber vielleicht hast Du ja noch einen guten Tipp, mich interessiert das Thema schon seit vielen Jahren.

  • Seite 892: Was Pfannkuchen über Christian sagt, trifft es ziemlich genau.
    Wieder Stromausfall, diesmal verschärft mit Wasserrohrbruch (oder – brüchen?). Und dann noch strenger Frost. Kalt, immer kälter wird es, wohl nicht nur klimatisch. Die Szenen im „ehemaligen Damenbad“ (Seite 898) haben etwas grausiges, auch surreales für mich.


    Kapitel 69: Was mich an diesem Buch immer wieder fasziniert, sind die Namen. Jetzt also „Rosenträger“. Jede Blume steht doch für die Hoffnung, besonders im Grau; Rosen außerdem unter anderem für die Liebe, haben manchmal gewaltige Stacheln; Hoffnung und Liebe wider alle Gefahren zu tragen … vielleicht bedeutet es ja auch diesmal nichts. Aber schön find ich es trotzdem.


    Sehr interessant die „politischen Einwürfe“ in Kapitel 70. Man lässt auch die – nein, eher: eine - Maske fallen (Seite 920), Fotos (?) („klick“), Erinnerungen werden lebendig in und durch Worte; wer ist auf den Bildern, ein austauschbares, ein leeres Gesicht? So wie eine Amish-Puppe, nur eine Fläche, in die der Zuhörer, der Leser hineinprojezieren kann, was oder wer ihm in den Sinn kommt?


    Seite 933: Kennt jemand Fürnbergs Mozart-Novelle? Und abrupter Wechsel in das Grauen auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Warum hat mich die Formulierung bzgl. der Radios bzw. Sender nicht verwundert?


    Richard wird krank, nicht körperlich, aber wie soll er das auch aushalten, seine Welt zerbricht, die kleine, die große, alle Gewissheiten scheinen dahin zu gehen. Alles kehrt sich um (Seite 940 oben).
    Die Türmer müssen sich entscheiden, für ihr (altes) Leben oder den Aufbruch in ein neues, werden mitgerissen, machen mit, lassen sich ein, sind noch nicht abgestumpft, noch nicht ge- und auch nicht zerbrochen.


    Den Film möchte ich nicht sehen. Mir reicht der, den Tellkamp in meinem Hirn hat ablaufen lassen. Und mir reicht der Doppelpunkt. Am Schluss. Am Ende, das kein Ende ist.


    Was für ein Buch! Das wird sich aus meinem Kopf lange nicht vertreiben lassen.
    Für meine Schlussmeinung muss ich mich erst einmal sammeln.


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    xexos : Weil mich, angeregt durch den "Turm", die Situation der Schriftsteller in der DDR besonders interessiert, habe ich mir besorgt:
    Stefan Heym; "Nachruf" (Autobiografie)
    Wilhelm von Sternburg; Anna Seghers - Ein Porträt
    Günther Rüther; Literatur und Politik - Ein deutsches Verhängnis?


    Ansonsten werde ich mir mal wieder die Strittmatter-Bücher rauskramen, besonders "Der Laden" und natürlich "Ole Bienkopp".

  • Zitat

    Original von xexos


    Ich habe mir gerade das unten verlinkte Buch bestellt. Ich bin gespannt auf die Innenansichten des "Großen Hauses".


    @ Clare (oder auch evtl. jemand anderes): Kennst Du noch Bücher, die den Lebensalltag in der DDR recht gut darstellen? Auf meinem SUB hab ich noch "Franziska Linkerhand" von Brigitte Reimann und von Erich Loest habe ich auch schon einige Bücher gelesen. Aber vielleicht hast Du ja noch einen guten Tipp, mich interessiert das Thema schon seit vielen Jahren.


    Ich hätte jetzt auch spontan Strittmatter vorgeschlagen und Erich Loest. Ich überlege mal weiter.


    Edit war am Bücherregal:
    Christa Wolf - Der geteilte Himmel
    U.Plenzdorf - Die neuen Leiden des jungen W.
    Thomas Brussig - Helden wie wir

    - Freiheit, die den Himmel streift -

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  • Ein Buch habe ich mir mal wieder herausgekramt, das ein bisschen von der Problematik wiedergibt, nämlich "Nach langem Schweigen endlich sprechen" - Briefe an Walter Janka, erschienen im Aufbau-Verlag, "Texte zur Zeit", erschienen 1990. Angesprochen in den Briefen wird unter anderem Teilnahme an einer Demonstration 1988 (mit Verhaftung und Ausbürgerung - Seite 88, 89). Auch das "Strafgefangener ... meldet sich ab" wird erwähnt (Seite 95), ebenso wie die durch "Erpressung" erzwungene Mitarbeit als "Agentin" (Seite 98).


    Die Briefe sind teilweise erschütternd in dem, was sie zu berichten haben - sie lassen zusammen mit dem, was mir erzählt wurde, nicht den Gedanken in mir aufkommen, Tellkamp habe übertrieben mit der Zeichnung des DDR-Alltages.

  • Puhh, endlich durch, obwohl das Buch sehr interessant war, werde ich in den nächster Zeit einen Bogen um Tellkamp machen, sein Schreibstil war mir dann doch teilweise zu ausufernd, detailverliebt und zu verschachtelt.


    Zum Ende hin,wollte uns der Autor wieder mal beweisen, wie toll er er sich in Beschreibungen, Einschüben und Andeutungen verlieren kann und uns in Verwirrung zurück lassen kann.
    Ich hätte mir gewünscht, er hätte sich mehr auf das Wesenentliche konzentriert, also auf das Ende der DDR und ich hätte gern auch mehr von den Demonstrationen gelesen, was mich doch sehr interessiert, aber leider verliert sich der Autor etwas in seinem Auswüchsen literarischer Schreibkunst.