'Der Name der Rose' - Fünfter Tag

  • Nachdem sich keiner traut hier weiter zu schreiben, will ich mal den Anfang machen. Die Schilderung der Konferenz und die dort vorgetragenen Ansichten könnten teilweise sogar der heutigen Zeit entstammen. Eco beschreibt hier schon fast zynisch den fundamentalen Streit. Und natürlich muß die nächste Leiche auftauchen. Die Spur des Buches führt anscheinend nur über Ermordete. Aber ein Leser mit guter Kombinationsgabe kann jetzt schon zumindest den oder die Verursacher der Verbrechen ahnen.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Tanzmaus
    Es ist halt nicht jeder so schnell wie Du :lache



    also ich bin heut fertig geworden :grin






    besser gesagt das buch zieh eine spur von toten hinter sich her.

  • Das Ganze ist schon ziemlich verwirrend, aber zumindest wissen wir jetzt, dass es mit dem Buch zu tun hat und dass es anscheinden an einer Stelle vergiftet ist, so dass derjenige, der es berührt, bzw. liest, unweigerlich mit dem Gift in Berührung kommt.
    Bernard Gui würde ich am liebsten selbst an den Pranger stellen, so was von verbohrt ist mir noch nicht unterkommen. Traurig ist, dass es früher wirklich so war.
    Anscheinden färbt das Buch auf mich ab. Auf einer Seite war ein Satz über zehn Zeilen lang! Ich empfinde es aber immer noch besser lesbar als z.B. Das Geisterhaus von Isabelle Allende.

    Mit lieben Grüssen aus der Schweiz
    Nachteule mit drei Pseudo-Stubentigern namens Müsli, Nero und Sandy


  • Hallo und Hüpfer in den Fünften Tag! :-]


    Mein Rückblick: Manche Stellen sind wirklich köstlich: z.B.


    Zitat

    ...mein actus appetitivus war eben genau von einem Erzittern des ganzen Körpers begleitet...
    Umberto Eco/Der Name der Rose/dtv Seite 372


    Zitat

    Und im Licht dieser neuen Erkenntnis erschien mir die Bibliothek noch unheimlicher. War sie womöglich der Ort eines langen und säkularen Gewispers, eines unhörbaren Dialogs zwischen Pergament und Pergament?
    Umberto Eco/Der Name der Rose/dtv Seite 380


    Zitat

    Also kann ich immer nur von etwas sprechen, das von etwas anderem spricht und so weiter, während das letzte Etwas, das wahre, niemals da ist?
    Umberto Eco/Der Name der Rose/dtv Seite 421


    Das detaillierte Beschreiben Ecos hat sich auf den Seiten 429 - 433 für einmal sehr positiv ausgewirkt, denn dadurch kam die Situationskomik der Liebeskrankheit und Adsons Reaktionen darauf erst richtig zum Tragen.


    Bye, Ivy

  • ich bin jetzt auch durch Tag 5 durch.


    Ups und wieder eine Leiche.


    Mir ist es teilweise echt zuviel drum herum um die eigentliche Geschichte. Mir würde das Buch besser gefallen, wenn er sich auf das Wesentliche konzentrieren würde.


    Horrorvorstellung hat bei mir die Passage ausgelöst:

    Zitat

    ...während Tausende von Büchern verbrannten, sie könnten getrost und müssten sogar verschwinden, denn entweder wiederholten sie nur war der Koran lehrt und dann seien sie unnütz, oder sie widersprächen dem heiligen Buche der Ungläubigen und dann seien sie schädlich.

    (5. Tag KOMPLETT) Auch eine Ansichtssache :gruebel

  • Patricia, diese Ansicht ist nicht spezifisch muslimisch -- Jorge vertritt denselben Standpunkt; er will die von seiner "Wahrheit" abweichenden Schriften auch nur deshalb im Verborgenen aufbewahren, damit "wahrheitsgetreue" Argumentationen gegen die "Lügen" und "Unwahrheiten" aufgebaut werden können, und als er an William scheitert, fällt es ihm leicht, die Bibliothek als Ganze zu opfern, um auch Williams Anstrengungen zum Scheitern zu bringen.

  • Der Prozeß, der sich die Verhandlungen über die Orden unterbricht, dauert nur einen Tag und bringt die Verhandlungen, wie von der päpstlichen Seite erwünscht, zum Scheitern. Derjenige, der hinter den Todesfällen steckt, wird auf dieses Weise zum Handlanger der von ihm verabscheuten "Hure von Avignon", Papst Johannes XXII.
    Sehr deutlich führt Eco den Schrecken der Inquisition vor, die in vielen Fällen nicht einmal foltern muß, um die Aussagen zu bekommen, die den Verdacht erhärten. Die Inquisition war nach sehr kurzer Zeit ihres Bestehens zu einem päpstlichen Geheimdienst mit allen daraus resultierenden Rechten aufgestiegen und entzog sich jeder Gerichtsbarkeit. Aus Ecos Schilderung wird auch klar, daß die Büßer- und Reformbewegungen des späten Mittelalters ein Politikum waren, von Papst und Kaiser im Kampf um die Macht gleichermaßen mißbraucht und verfolgt. Die eigentlichen Ziele z.B. der Minoritenorden gerieten dabei ins Hintertreffen, die Domikaner (köstlich: "Dominicani" -> "Domini canes" = "Hunde des Herrn") als Alleinvertreter der Inquisition stiegen zu Macht und Reichtum auf und beerbten damit den zerschlagenen Templerorden.


    Die verwickelten Zusammenhänge aufzudröseln, gelingt Eco sehr gut, aber es für den Betrachter bleibt es ein unübersichtliches Durcheinander, in dem es "in nomine patris et filii et spiritus sancti" unentwegt nur um die Ausübung und Ausweitung von Macht und die Anhäufung von Reichtum geht.
    Auch Abbo ist der Reichtum weitaus wichtiger als das, was seinen Orden eigentlich auszeichnen sollte, das, was sogar Jorge auf seine perverse Art verkörpert: "Ora et labora!"


    Williams Betrachtungen "über die verschiedenen Arten von Wollust, die an jenem Tage zum Vorschein gekommen sind", sind direkt dem Aristoteles entnommen, und zwar weitestgehend der Auseinandersetzung über die Lust in der Nikomachischen Ethik. Diese Auffassung ist für die damalige Zeit keineswegs neu, sondern schon durch die gesamte Scholastik geschleppt worden.


    Am Morgen dieses Tages betrachtet Adson das Portal der älteren Abteikirche, auf deren Überresten der Kapitelsaal errichtet wurde, und vergleicht dessen Darstellungen der Himmelshierarchie mit denen der jetzigen Kirche des Klosters, die von den Schrecken der Apokalypse kündet. Die Darstellung auf dem alten Portal enthält die Heilsbotschaft als "frohe Verheißung von Eintracht vollendeter Einheit im Evangelium und strahlender Oekumene" (= Gemeinschaft) und zeigt die Ordnung der Welt im Sinne des biblischen "und Gott sah, daß es gut war" (die "Monster" von den Rändern der Welt begegnen uns übrigens im Baudolino wieder).
    Da spielt doch der Schelm Eco den gängigen Vorstellungen des menschlichen Fortschritts einen Streich: Das frühere Mittelalter erweist sich als heile Welt verglichen mit dem Sumpf, in den Europa durch den Streit zwischen Papst und Kaiser gerissen wurde.