Khalil Gibran – Der Prophet

  • Passend zur Buchmesse:


    Zum Buch


    Der Prophet verlässt die Stadt, in der er lange Jahre gelebt hat, um per Schiff seine Heimreise anzutreten. Bevor er sie verlässt, bitten ihn die Einwohner der Stadt, ein letztes Mal zu ihnen zu sprechen: von Liebe, von Schmerz, von Kindern, von Freundschaft und allem anderen, was die Menschen bewegt. Die Antworten des Propheten sind voller Lebensweisheit. Tiefgründig und poetisch spricht Khalil Gibran über das menschliche Leben. Die Schönheit seiner Sprache und die Weisheit seines Herzens bezaubern bis heute zahllose Menschen.
    Khalil Gibran gelang mit diesem Werk der Brückenschlag zwischen der Alten und Neuen Welt, zwischen Orient und Okzident, Islam und Christentum.


    Zum Autor


    Khalil Gibran, 1883 im Libanon geboren, emigrierte nach Wanderjahren in Europa 1910 in die USA, wo er sich als Maler und Dichter vor allem der Erneuerung der arabischen Literatur und der Versöhnung der Kulturen widmete. 1923 veröffentlichte er auf Englisch sein berühmtestes Buch „Der Prophet“. Khalil Gibran starb 1931.


    Meine Meinung


    Ein wunderschönes kleines Buch (hat nur etwa 100 Seiten), das einen zum Nachdenken anregt. Ich hab das Gefuehl, dass in der Übersetzung ein wenig von der Schönheit der Sprache verloren geht. Auch unterscheiden sich die Übersetzungen. Es lohnt sich, in der Buchhandlung mal in verschiedene Ausgaben reinzuschauen. Manche sind auch sehr schön illustriert oder mit Kalligraphien versehen.


    Leseprobe


    Von den Kindern


    Eure Kinder sind nicht Eure Kinder.
    Sie sind Söhne und Töchter
    der Sehnsucht nach sich selbst.
    Sie kommen durch Euch,
    aber nicht von Euch,
    und obwohl sie bei Euch sind,
    gehören sie Euch nicht.


    Ihr dürft ihnen Liebe geben,
    aber nicht Eure Gedanken,
    denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
    Ihr dürft ihrem Körper ein Heim geben,
    aber nicht ihrer Seele,
    denn ihre Seele wohnt im Haus von morgen,
    das Ihr nicht besuchen könnt,
    nicht einmal in Euren Träumen.


    Ihr dürft Euch bemühen,
    wie sie zu sein,
    aber versucht nicht,
    sie Euch ähnlich zu machen.
    Denn das Leben läuft nicht rückwärts,
    noch verweilt es im Gestern.


    Ihr seid die Bögen,
    von denen Eure Kinder
    als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
    Der Schütze sieht das Ziel
    auf dem Pfad der Unendlichkeit,
    und Er spannt Euch mit seiner Macht,
    damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.


    Lasst Euren Bogen von der Hand des Schützen
    auf Freude gerichtet sein;
    Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt,
    so liebt Er auch den Bogen, der fest ist.


    lg Iris :wave

  • Das Buch ist wirklich wunderschön und man muss es richtig langsam lesen und verstehen.
    Alles ist so wahr, was Khalil Gibran schreibt. Wenn sich alle Menschen daran halten würden, wäre es ein bischen netter auf dieser Welt.
    :-)

  • Ich lese immer wieder in diesem Buch und habe es auch schon unzählige Male verschenkt. Auch Gibrans anderen Werke sind zu empfehlen. Der Autor hat ein sehr tiefe Weisheit zu vermitteln und schreibt in einer Sprache, die einfach nur wunderschön ist. und einen ganz innen berührt. Ich lese mir seine Texte manchmal selbst laut vor.
    z.b. das Lied von der Blume aus dem Buch "Gib mir die Flöte und lass mich singen" Heyne Verlag


    Lied der Blume


    Ich bin ein liebenswertes Wort
    Das durch die Stimme der Natur
    Geäußert und verbreitet wird;
    Ein Stern, der aus dem blauen Zelt des Himmels
    Auf einen grünen Teppich fiel.
    Ich bin ein Kind der Elemente,
    Vom Winter empfangen, vom Frühling erweckt;
    Im Schoß des Sommers wachse ich auf
    Und schlafe im Bett des Herbstes ein


    Am Morgen verbünde ich mich mit dem Wind,
    Um das Kommen des Lichts zu verkünden;
    Am Abend schließe ich mich den Vögeln an,
    Und wir sagen gemeinsam dem Tag Lebewohl.


    Mit meinen schönen Farben sind alle Felder
    Geschmückt; und die Luft ist erfüllt
    Von meinem Wohlgeruch.


    Sobald mich der Schlummer umhüllt,
    wachen die Augen der Nacht über mir;
    Und wenn ich erwache, blick`ich zur Sonne empor,
    Welche das einzige Auge des Tages ist.


    Ich trinke den Tau des Morgens wie Wein,
    Ich lausche den Stimmen der Vögel
    Und tanze zum Wiegen des Grases.


    Ich bin des Geliebten Geschenk und der Kranz der Braut,
    Die Erinn`rung an Augenblicke des Glücks
    Und die letzte Gabe des Lebens am Grab;
    Ich habe Anteil an Freude und Leid.


    Stets wende ich meine Blicke nach oben,
    Um einzig das Licht zu sehen,
    Und schaue niemals hinab auf meinen Schatten.
    Ich wünschte, es würden die Menschen
    Dn Sinn dieser Weisheit erkennen.

  • Zitat

    Original von Kathrin
    Stimmt, für dieses Buch braucht man ein bisschen Zeit.
    Nicht, weil man es nicht gleich versteht -- sondern weil manchmal das Herz ein bisschen braucht, die Worte aufnehmen zu können...


    Wunderschön


    Das hast Du wunderschön formuliert. Ich hab das Buch schon länger, hatte ich mir aufgrund des Gedichtes "Von den Kindern" mal gekauft, aber mir bis jetzt noch nicht die Ruhe genommen, es auch mal zu genießen.


    Werde ich diese Woche unbedingt tun.


    :-)
    Ikarus

  • Meine Meinung:
    Ist nicht so hoch wie die von Paulo Coelho: „Früher dachte ich: Gibran ist ein Revolutionär, ein Weiser. Später habe ich entdeckt, daß Gibran vor allem ein Mensch ist, der Freud und Leid empfindet wie du und ich.“
    Nach etwa 20 Seiten habe ich mir den Lenz gemacht: Erst mal selber nachdenken und zu dem Thema etwas zu entsinnen. Es kam dann auf das Gleiche heraus, nur dass Gibran es wesentlich schöner formuliert hat. Eine nette Lektüre.


    PS Mag aber sein, dass ich von solchen Weisheiten zu satt bin. Darüber schreiben ist einfach, und man liest es tausendfach, danach zu leben und zu handeln, tun die Wenigsten :gruebel

  • Oh, ja, es ist einfach wunderschön.


    Ich habe es nach Idries Shaw's 'Die Sufis' gelesen (27 aus Diederichs Gelber Reihe), und für mich ist Gibran ein Sufi.


    Jeder weise ist zugleich auch mensch und auf seine weise revolutionär.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )