Das Lied meiner Schwester - Gina Mayer

  • Zum Inhalt


    Deutschland in den 20er Jahren: Die Schwestern Anna und Orlanda könnten unterschiedlicher nicht sein. Seit dem Tod ihres Vaters wohnen die beiden jungen Frauen gemeinsam in einer Wohnung in Düsseldorf. Anna arbeitet als Krankenschwester im Evangelischen Krankenhaus und nimmt ihre Arbeit sehr ernst. Sie ist pflichtbewusst und gewissenhaft und stets darum bemüht, pünktlich und zuverlässig zu sein.
    Orlanda hingegen nimmt es mit diesen Tugenden nicht so genau. Sie genießt das Leben, singt im Operettenchor und möchte groß rauskommen. Um neue Kontakte zu knüpfen, lässt sie keine Party aus, was Anna wiederum gar nicht gefällt. Sie fühlt sich verpflichtet, auf ihre kleine Schwester aufzupassen und stellt dementsprechend auch strenge Regeln auf. Orlanda lässt jedoch keine Gelegenheit aus, den Maßregelungen ihrer Schwester zu entkommen.
    Leopold Ulrich, der ebenfalls Musiker ist und Geige spielt, sowie Clemens Haupt, der neue Startenor der Duisburger Oper, kommen da gerade recht. Beide Männer verlieben sich in Orlanda und diese kann sich einfach nicht zwischen Leopold und Clemens entscheiden.


    Während die drei feucht-fröhliche Abende miteinander verbringen und die Musikszene ordentlich aufmischen, verändert sich die politische Lage in Deutschland. Hitler wird Reichskanzler. Die Anzahl der Mitglieder der völkischen Bewegung steigt und immer öfter werden Konzerte durch ihre antisemitisch-rassistischen Parolen abgebrochen.
    Orlanda, die mittlerweile ihre Anstellung an der Operette verloren hat und in einer swingenden Frauenband singt, bekommt diesen Wandel auf brutale Weise am eigenen Leib zu spüren. Sie gerät mitten in eine Schlägerei und ihre jüdischen Kolleginnen werden massiv bedroht, sodass sie letztlich sogar das Land verlassen.


    Anfang der 40er Jahre spitzt sich die Lage zu. Die Männer werden eingezogen und müssen an der Front kämpfen, während sich Anna und Orlanda einer Widerstandsgruppe anschließen. Zunächst beschränken sie sich auf das Drucken von Flugblättern, später verstecken sie verfolgte Juden und versorgen sie heimlich mit Essen.
    Niemand schöpft einen Verdacht, doch Anna weiß nicht, dass Orlanda längst auf eigene Faust handelt. Ohne das Wissen ihrer Schwester plant sie eine überaus riskante Aktion, die sie das Leben kosten kann…


    Zur Umsetzung


    Eines vorweg: „Das Lied meiner Schwester“ ist ein großartiger Roman und ich zähle ihn bereits jetzt zu meinen Highlights des Jahres 2010!


    Durch Mayers Jugendroman „Die verlorenen Schuhe“ wusste ich bereits, dass mir der Schreibstil der Autorin zusagt, doch ihr neuer Roman setzt in dieser Hinsicht ganz neue Maßstäbe. Zwischen den Zeilen liegt nicht nur ein poetischer Hauch Melancholie, sondern auch ein hohes Maß an Authentizität und Leidenschaft, sodass man sich mitten ins Düsseldorf der 20er und 30er Jahre versetzt fühlt. Während des Lesens taucht man in die Welt der Oper(ette) ein, spürt den mitreißenden Rhythmus des Swings und sieht die roten Münder der Sängerinnen sowie das spielerische Lächeln der Männer.


    Die Atmosphäre ist unheimlich dicht, was nicht zuletzt auch Mayers ausführlicher Recherche zuzuschreiben ist. Egal, ob es um die Musik, um Annas Arbeit als OP-Schwester oder die politischen Veränderungen geht, jedes Thema wird überzeugend dargestellt und geht einem unter die Haut. Während die ersten Jahre noch voller Frohsinn und Leichtigkeit sind, wirken die verbohrten Überzeugungen der Nationalsozialisten sowie die zunehmende Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung äußerst bedrückend. Dieser Wandel geht zwar schleichend von statten, kriecht jedoch mit seinem kalten Atem direkt in den Nacken des Lesers.


    Menschen werden ihrer Rechte beraubt und abtransportiert, Synagogen stehen in Flammen und letztlich zerfallen die einst schönen Häuser im Bombenhagel zu Schutt und Asche.
    Widerstand wird nicht selten mit dem Tode bestraft und doch gibt es da irgendwo einen Funken Hoffnung. Man muss etwas tun und sei es noch so unbedeutend! Anna und Orlanda besitzen genug Stärke und Kampfgeist, sich gegen Hitlers Diktatur zu wehren. Sie riskieren ihr Leben, um ein Zeichen zu setzen und helfen den Verfolgten, obwohl es sie Kopf und Kragen kosten kann.


    Alles schon mal da gewesen? Sicherlich, man kennt beispielsweise die Aktionen der Weißen Rose. Und es gibt auch zahlreiche Romane, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg und der Judenverfolgung befassen. Trotzdem langweilt „Das Lied meiner Schwester“ auf keiner Seite. Dafür ist die Sprache zu schön, die Atmosphäre – im Guten wie im Schlechten – wirkt zu eindringlich und die Schicksale der beiden Schwestern unterhalten und berühren gleichermaßen.


    Alle behandelten Themen sind mitreißend. Oft hatte ich das Verlangen, eines der genannten Musikstücke während des Lesens zu hören. Ebenso sehr interessierten mich die Informationen zur Düsseldorfer Ausstellung „Entartete Musik“ aus dem Jahr 1938, aber auch die fiktiven Lebensgeschichten der Figuren.
    Wer nach dem Lesen genau wie ich neugierig googled, wird feststellen wie gut Mayer recherchiert hat und wie nah sich die Handlung entlang der damaligen Ereignisse bewegt.


    „Das Lied meiner Schwester“ ist jedoch nicht nur historisch interessant, sondern nimmt einen zugleich auch gefangen und zieht einen mitten in das Leben zweier Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und doch haben sie eines gemeinsam: Ihre Liebe zur Musik und die Menschlichkeit.


    Ein Buch, das ich jedem begeisterten Leser ausdrücklich empfehlen möchte!

  • Vielen Dank Mitsou für deine Rezension, die ich genauso :write würde.



    Meine Meinung:
    Zu diesem Buch würde ich am liebsten einfach nur schreiben: Tolles Buch, kaufen und lesen - ihr werdet begeistert sein.
    Da die Handlung des Romans gut aus der Kurzbeschreibung hervorgeht werde ich dem auch nichts mehr hinzufügen.
    Das Lied meiner Schwester habe ich gelesen wie ich einen spannenden Film ansehe, nämlich mit allen Sinnen.
    Gina Mayer hat es geschafft eine so eindringliche und authentische Stimmung zu erzeugen, dass ich mir alles genaustens vorstellen konnte und oft gedacht habe, so muss es gewesen sein.
    Es war für mich kein ausschließlicher "Musik-Roman" - nein, es wurden so viele Facetten beleuchtet (u.a. der Krankenhausbetrieb, die Haltung der Kirche u. v. a) dass ich nur mutmaßen kann dass das eine ganz penible Rechere voraussetzt.
    Gina Mayer hatte mich sowohl inhaltlich als auch sprachlich fest in der Hand.
    Außerdem möchte ich noch anmerken dass die Romane dieses Genres (wie wir alle wissen) nur allzu gerne in Berlin oder Hamburg angesiedelt werden. Vielen Dank an die Autorin dass sie Düsseldorf auf der Landkarte markiert hat.


    Fazit: Ein klug aufgebauter Roman, bei dem man die genauste Recherche geradezu fühlen kann (pures Kopfkino). Packend, berührend und spannend bis zur letzten Seite. (dk)


    Volle Punktzahl

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von FrauWilli
    Fazit: Ein klug aufgebauter Roman, bei dem man die genauste Recherche geradezu fühlen kann (pures Kopfkino). Packend, berührend und spannend bis zur letzten Seite. (dk)


    Volle Punktzahl


    Jetzt konnte ich einfach nichts mehr dagegen machen, das Buch kommt sofort auf meine Wunschliste. :-]

  • Die Infos innerhalb der Spoilermarkierung kann man getrost mitlesen. Sie enthalten keinen Geheimnisverrat, sondern lediglich weitere Informationen über Personen und Handlungsstränge. Wer den ganzen Text lesen möchte ohne Spoilergefummel, der darf auch hier gucken: Buchvorstellung komplett.



    ***


    Gina Mayer: Das Lied meiner Schwester – Roman, Berlin 2010, Aufbau-Verlag (Rütten & Loening), ISBN 978-3-352-00786-6, Hardcover mit Schutzumschlag, 544 Seiten, Format: 14 x 22 x 4,5 cm, EUR 19,95 (D), EUR 20,60 (A)


    „Sie wusste nichts über ihre Mutter. Ihre Zieheltern hatten ihr erzählt, dass sie Sängerin gewesen sei und bei einem Fliegerangriff ums Leben gekommen wäre. Das entsprach nicht der Wahrheit.“ (Seite 525)


    Düsseldorf 1964: Die Musikstudentin Friederike fällt aus allen Wolken, als ihre Tante ihr zum 21. Geburtstag ein Bündel Briefe überreicht, die ihre Mutter an sie, das damals noch ungeborene Kind, geschrieben hat. Im Gefängnis, die eigene Hinrichtung vor Augen.


    Davon hat Friederike nichts gewusst. Stimmt es denn wenigstens, dass ihr Vater vor Stalingrad gefallen ist? Nein, auch das war ganz anders. Friederike liest die Briefe, und ihre Tante beginnt endlich zu erzählen. Nach und nach erfährt die Studentin die schreckliche Wahrheit.


    Alles beginnt Mitte der 20-er Jahre: Nach dem Tod der Eltern nimmt die Krankenschwester Anna Mandel ihre 17-jährige Schwester Orlanda bei sich auf. Fortan leben die beiden zusammen in einer kleinen Wohnung in Düsseldorf. Besonders nahe stehen sie sich nicht, dafür sind sie zu verschieden.


    Anna wurde, wie gesagt, Krankenschwester, die kapriziöse Orlanda studierte Gesang und hat nun ein Engagement als Chorsängerin am Düsseldorfer Operettenhaus.


    Im Juni 1929 nimmt das Unheil seinen Lauf: Durch ihre Freundin Fritzi Albrecht lernt Orlanda zwei befreundete Musiker kennen: den Operntenor Clemens Haupt und seinen Kumpel, den Jazzgeiger Leopold Ulrich. Orlanda fühlt sich zu beiden hingezogen und wird sich auch in den kommenden Jahren nicht zwischen Clemens und Leopold entscheiden können. Ist sie mit dem einen zusammen, sehnt sie sich nach dem anderen – es wird ein permanentes Hin und Her. Orlanda beginnt eine Beziehung mit Geiger Leopold. Sänger Clemens, der sich ebenfalls in sie verliebt hatte, tröstet sich vorübergehend mit ihrer Freundin Fritzi.


    Nachdem Orlanda ihre Stelle im Operettenchor verliert, landet sie als Sängerin beim Rosenland–Swingorchester, einer Jazzband. Nach anfänglichen Umstellungsschwierigkeiten wird ihr klar: nie wieder Operette! Jazz ist genau ihr Ding. Doch schon an Weihnachten 1929 ist es damit wieder vorbei: Dass ihre Musikerkollegen Juden sind, bringt die „Völkischen“ auf den Plan.


    Inzwischen haben wir 1938. Anna ist mit Johannes Bredelin, dem Organisten der Friedenskirche, verheiratet, Orlanda mit Leopold. Seit Jazz als „entartete Kunst“ gilt, steht Orlanda nicht mehr auf der Bühne sondern hinter der Theke eines Gemischtwarenladens. Während Clemens zum Weltstar aufsteigt, weil er sich mit den Nazis arrangiert, ist Leopold wegen seiner kritischen Äußerungen arbeitslos und hängt deprimiert zu Hause herum. Den Lebensunterhalt verdient Orlanda. Sie trifft sich jetzt wieder mit Clemens.



    Anders als Clemens Haupt oder Leopold Ulrich würden sich Anna und ihr Mann Johannes nie zu einem öffentlichen politischen Statement hinreißen lassen. Dass sie Mitglieder der regimekritischen Bekennenden Kirche sind und sich regelmäßig mit Gleichgesinnten treffen, wissen nur eine Handvoll Leute. Durch diesen Gebetskreis kommen Anna und Johannes in Kontakt mit einer Widerstandsgruppe. Sie drucken Plakate und Flugblätter und malen Parolen an Hauswände. Und sie verstecken und versorgen von den Nazis verfolgte Personen.



    In einem Streit zwischen den Schwestern kommt es zu einem folgenschweren Missverständnis, und Anna verplappert sich. Jetzt weiß Orlanda Bescheid. „Es war der Abend des 20. März 1942, als die beiden Schwestern dieses Gespräch führten, als Anna Orlanda endlich von der Gruppe erzählte, der sie seit fast vier Jahren angehörte (...).“ (Seite 444) Jetzt will sich Orlanda der Gruppe ebenfalls anschließen, auch wenn ihre Schwester Bedenken hat.


    Elisabeth, die die Widerstandsgruppe leitet, wird für Orlanda zum Idol, dem sie mit glühender Begeisterung nacheifert. Merken die Schwestern, dass Elisabeths Ideen und Pläne immer radikaler, weltfremder und gefährlicher werden? Und vor allem: Merken sie es rechtzeitig?


    Sorgfältig hat die Autorin für ihr Buch recherchiert: über Jazzmusik und den Operettenbetrieb, über die Arbeit einer OP-Schwester, die Geschichte des Evangelischen Krankenhauses in Düsseldorf und über den Kirchenkampf zwischen der Bekennenden Kirche und den Deutschen Christen und über vieles andere mehr.


    Wieder einmal ist es ihr gelungen, Frauengestalten zu schaffen, die einem nachhaltig im Gedächtnis bleiben. Die bodenständige Anna, die schon als Zehnjährige das Leben einer Erwachsenen führen musste, die impulsive Orlanda, die niemals wirklich erwachsen wird. Und Fritzi Albrecht, der sehr viele Opfer abverlangt werden. Im Vergleich dazu wirken die Männer fast ein wenig blass: Clemens, dem der Opportunismus quasi in die Wiege gelegt wurde, Leopold, der gegen alles kämpfen kann, nur gegen seine Gefühle nicht, der weltfremde Künstler Johannes und der überzeugte Nazi Dr. Müller.


    Manche Personen möchte man schütteln, weil sie so handeln, wie sie handeln. Aber ihr Tun ist stets folgerichtig. Es ist nachvollziehbar dass sie aufgrund ihrer Situation, ihrer Überzeugung oder ihrer Persönlichkeit im Moment nicht anders können.


    Raffiniert ist der Aufbau der Geschichte, da man wegen der Rahmenhandlung lange Zeit rätselt, wie denn die Musikstudentin aus den 60-er Jahren in die Geschichte der Schwestern Mandel hineingehört. Und wer wohl die Mutter ist, die im Gefängnis Briefe an ihr ungeborenes Kind schreibt? Erst mit der Zeit beginnt man die Zusammenhänge zu ahnen – und sich zu fragen, wie es nur so weit kommen konnte.


    Auf geradezu unheimliche Weise lässt uns die Autorin manchmal weit in die Zukunft blicken. Ganz nebenbei erfahren wir, was aus dem Mann wird, der eine der Sängerinnen zum Krüppel schlägt: Er wird im Jahr 1988 als mehrfacher Großvater und pensionierter Direktor sterben. Wir sehen auch, wie das restliche Leben des Rosenland-Gitarristen verläuft. Gina Mayer lässt uns sogar wissen, was aus dem Wespennest im Gasthaus wird, in dem Dr. Müller seine Hochzeit feiert: 1973 wird es bei Renovierungsarbeiten im Bauschutt enden. Diese kleinen, schlaglichtartigen Szenen haben mal tragischen und mal komischen Charakter – und bringen die Geschichte von Anna und Orlanda in Zusammenhang mit dem Hier und Jetzt. Das ist nicht einfach eine Story von anno dunnemals. Sie wirkt bis in die Gegenwart und in die Zukunft nach.


    Die Sprache ist zum Teil wunderschön bildhaft und geradezu poetisch: „Die Stufen glänzten speckig wie ein altes Jackett.“ (Seite 7). „Orlanda. Nicht Lissy oder Betsy oder Fritzi, sondern Orlanda. Ein Name so außergewöhnlich wie eine Barockkirche mitten in einem Vergnügungsviertel.“ (Seite 20) Diese Elemente werden sehr wohldosiert eingesetzt. Zu keiner Zeit besteht Kitschgefahr.


    Auch wenn das Thema sehr ernst ist, ist die Geschichte keineswegs humorlos erzählt. Das kleinkarierte Hickhack in Annas Gebetskreis bringt jeden zum Grinsen, der jemals mit Kollegen oder Vereinskameraden zu tun hatte. Nett ist auch die Szene, in der Anna sich über ihre Ex-Kollegin Greta, die jetzige Ehefrau des Dr. Müller, Gedanken macht: „Jedes neue Kind präsentierte sie stolz im Evangelischen Krankenhaus. Die anderen Schwestern überschlugen sich jedes Mal vor Begeisterung über die blond gelockten, pausbäckigen Geschöpfe. Anna fand, dass sie alle gleich aussahen. Ob Müller sie auseinanderhalten konnte? Immerhin unterschieden sie sich ja noch in der Größe.“ (Seite 264)


    In ihrer Danksagung am Schluss des Buchs verrät uns Gina Mayer, dass ihr für die Schwester Anna im Roman das Berufsleben ihrer Schwiegermutter als Vorbild gedient hat. „Meine erfundene Anna hat übrigens nicht nur den Beruf von Schwester Lore übernommen, sondern auch ihre Arbeitseinstellung und viele Charakterzüge“, schreibt die Autorin (Seite 533). Wenn das so ist, dann hat sie ihrer Schwiegermutter ein ebenso sympathisches wie eindrucksvolles literarisches Denkmal gesetzt.


    Die Autorin
    Gina Mayer, 1965 in Ellwangen geboren, lebt mit ihrer Familie in Düsseldorf. Bevor sie freie Autorin wurde, arbeitete sie als Werbetexterin.



    ((Rezension während der Entstehung))

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

    Dieser Beitrag wurde bereits 3 Mal editiert, zuletzt von Vandam ()

  • Ein tolles Buch!


    Düsseldorf 1964: Friederike, eine junge Musikstudentin, bekommt an ihrem 21. Geburtstag Briefe ihrer Mutter überreicht. Diese Briefe wurden 1942/1943 geschrieben, als die Mutter schwanger mit ihr im Gefängnis saß, ihre Hinrichtung vor Augen.
    Nun wird im Rückblick die Geschichte zweier unterschiedlicher Schwestern erzählt, die Handlung ist durchflochten mit eben diesen Briefen.
    Anna ist von Beruf Krankenschwester, sie ist fleißig und vernünftig. Darüber hinaus muss sie sich um ihre Schwester Orlanda kümmern. Orlanda hingegen nimmt es nicht so genau, macht gerne mal einen drauf. Sie ist Sängerin, anfangs bei der Operette, wechselt sie dann zum Swing.
    Und da sind Leopold Ulrich und Clemens Haupt, beides Musiker und beide verliebt in Orlanda. Orlanda selbst kann sich lange nicht entscheiden.
    Währenddessen ändert sich die politische Lage in Deutschland, die Nazis gewinnen an Macht. Hitler wird zum Reichskanzler gewählt.
    Die Musiker merken die politische Radikalisierung auch bei ihren Konzerten, die jüdischen Kollegen werden bedroht.
    Während die Männer an die Front müssen, schließen sich die Schwestern einer Widerstandsgruppe an; helfen unter anderem jüdischen Mitbürgern.
    Gina Mayer erzählt atmosphärisch dicht und lebendig, der Leser fühlt und leidet mit den Protagonisten mit.
    Sie spricht dabei mehrere Themen an: politische Veränderungen, Einschränkungen persönlicher Rechte, Verfolgung, entartete Kunst oder auch die Veränderungen in der Krankenhausarbeit wie Sterilisation oder Abschiebung kranker Menschen, sowie aber auch die Courage, Verfolgten zu helfen.

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf