Sarrazin oder: "Haben Sie? Nein. Warum nicht? Wann kommt es?"

  • Mein Bruder hat das Buch heute bekommen. Er hält mich auf dem Laufenden

    "Du wartest auf einen Zug, ein zug der dich weit weg bringen wird, du weißt wohin der Zug dich hoffentlich bringen wird, aber du weißt es nicht sicher, aber das ist dir nicht wichtig, weil ihr zusammen sein werdet."

  • Nun, ich kenne das Buch des Herrn Sarrazin nicht und werde es auch nicht lesen, denn der folgende Satz, der nicht aus dem Buch, sondern aus dem Internet zitiert wurde:


    „Hartz-IV-Empfänger sind erstens mehr zu Hause; zweitens haben sie es gerne warm, und drittens regulieren viele die Temperatur mit dem Fenster“


    sagt mir schon alles.


    Herr Sarrazin kritisiert Hartz-IV-Empfänger wegen zu hoher Heizkosten.


    So so, Herr Sarrazin, da haben Sie sogar irgendwie recht, aber anscheinend doch nicht so den rechten Durchblick ;-)


    Ich war 1 1/2 Jahre Arbeitlosengeld-2-Empfänger. Genaugenommen hatte ich zusammen mit meinem Sohn (er bekam neben dem Kindergeld noch Unterhalt von seinem Vater, und das war zusammen wesentlich mehr als der Hatz-IV-Satz!) ein Einkommen von knapp 900 Euro netto. Das reichte nicht nicht vollkommen zum Leben für uns beide, deshalb musste ich übergangsweise das Arbeitlosengeld-2 beantragen, bis ich wieder einen Vollzeitjob hatte.


    Nur noch mal zur Info:


    Arbeitslosengeld-2 beinhaltet:
    Kaltmiete (ohne Strom, ist zwar bei Kaltmiete selbstverständlich, aber ich kenne leider immer noch zu viele, die meinen, dass Hartz-IV-Empfänger auch den Strom bezahlt bekommen ;-)) + Heizkosten + (damals) 345,- Euro für den "Haushaltsvorstand" und 276,- Euro für das 15jährige Kind (wobei das Kindergeld in diesem Betrag schon enthalten ist und nicht zusätzlich gezahlt wird!)
    Dann gab es noch einen Mehrbedarf für alleinerziehende Mütter (bzw. Väter) mit Kind, der ungefähr bei 40, - Euro lag.
    Und man kann sich von den GEZ-Gebühren befreien lassen, was ich damals allerdings nicht gewußt habe. Ok, eigene Schuld. Ich hätte mir nur die "tausend" Broschüren vom Arbeitsamt etwas besser durchlesen müssen ;-).


    Edit: Und nur damit auch das nochmal deutlich wird (falls da jetzt irgendwer falsch rechnet). Ich hatte monatlich 900,- Euro "Eigeneinnahmen", dann wurde nach den oben genannten Sätzen der Anspruch auf Arbeitslosengeld-2 berechnet und nur die Differenz davon bekam ich vom Arbeitsamt ausgezahlt. Nicht das jetzt jemand meint, ich hätte damals 900,- Euro plus die ganzen Hartz-IV-Bezüge zur Verfügung gehabt ;-).



    Bei der ersten Heizkostenperiode hatte ich sparsam geheizt. Das hieß für mich: 100,- Euro Rückzahlung. Natürlich war mir klar, dass die hundert Euro nicht mir gehörten, sondern ich es dem Arbeitsamt zurückzahlen musste.
    Aber wer macht das schon sofort freiwillig? ;-) Also habe ich die hundert Euro erstmal "verbraten". Oh, nein, nicht eine Anzahlung für einen Flachbildschirmfernseher, Herr Sarrazin ;-).
    Ich hab in einen Wintermantel und anständige Passfotos investiert, damit vielleicht meine Chancen bei Vorstellungsgesprächen bzw. Bewerbungen steigen würden.
    Die Rückzahlungsforderung des Arbeitsamtes kam mehrere Wochen später.
    Ok, sie hatten mich doch nicht vergessen - wie ich insgeheim gehofft hatte - und so musste ich die hundert Euro zurückzahlen.


    Bei der nächsten Heizperiode war es mir ehrlich gesagt ziemlich egal, wie viel ich verbrauchen würde. Alles was ich weniger "verheizen" würde, musste ich zurückzahlen, alles was darüber ging, bekam ich vom Arbeitsamt erstattet.


    Es gab für mich persönlich also NULL Anreiz sparsam zu heizen.
    Hätte ich das eingesparte Heizgeld behalten dürfen, wäre es auch in meiner Wohnung nicht immer muckelig warm gewesen und der Staat hätte sich Nachzahlungen für Heizkosten sparen können.


    Und um es noch mal klar zu machen. Das soll hier kein "Rumgeheule" sein, wie schlecht es mir als Arbeitlosengeld-2-Empfänger ging. Nein, man kann eine zeitlang einigermaßen damit über die Runden kommen, und dafür ist es ja eigentlich auch ursprünglich gedacht.


    Aber es gibt eben für den Arbeitslosengeld-2-Empfänger absolut keinen Ansporn auch noch bei den Heizkosten zu sparen, wo er doch bei vielen anderen Dingen schon sehr sparsam sein muss.
    Und das ist nicht die Schuld der Arbeitslosen! Die haben diese Gesetze nämlich nicht beschlossen!

  • Zitat

    Original von Charlotte
    Alles was ich weniger "verheizen" würde, musste ich zurückzahlen, alles was darüber ging, bekam ich vom Arbeitsamt erstattet.


    Die Zeiten sind leider vorbei. Ebenso Bus, Bahn, Schwimmbad, Sportvereine, Ausdrucke, Passfotos und, und, und.... was nicht noch alles so gemunkelt wird was doch so einem H4 alles in den Poppes geschoben bekommt, alles Mumpitz. Es gibt quasi NICHTS mehr zugeschossen. Wurde wohl alles ein wenig übertrieben... natürlich nur von den faulen Deutschen :grin um ja nichts in den Raum zu stellen
    Die Leidtragenden sind die, denen es wirklich dreckig geht, die nichts dazu können dass sie H4 geworden sind, für die H4 eigentlich geschaffen wurde.


    Zitat

    da gab er auch so Dinge, dass man von 5 EUR/Tag leben könnte, zum Besten. Ging durch alle Medien, weil völlig illusorisch und provokativ.


    Da ist nichts illusorisch dran. Von 5 Euro kann ich NOTFALLS, und H4 ist in diesen Zeiten lediglich als ein solcher gedacht, ne Woche leben!


    Das Buch ist klasse, der Mann hat Recht, und das sagt ein H4-Empfänger! Denn würde man den Mann machen lassen, hätten alle WAHREN H4-Empfänger wieder ein Menschenwürdiges Leben!

  • Zitat

    Original von Oryx
    Sorry, mit 5 Euro kann ich mir gerade zwei Kaffees bei Starbucks kaufen.
    Wenn ich selber koche, brauche ich mindestens 20 bis 30 Euro, damit ich ein anständiges dreigängiges Mittagessen machen kann.


    In vernünftigen Restaurants bekommst Du für 5 Euro nicht einmal nen Kaffee :grin Aber dazu ist H4 ja auch nciht gedacht. Di sollst über die Runden kommen und dazu brauchst Du weder Starbucks noch McDonalds sondern wirklich nur das Nötigste von Aldi & Co.

  • Zitat

    Original von Muckelfloh


    In vernünftigen Restaurants bekommst Du für 5 Euro nicht einmal nen Kaffee :grin Aber dazu ist H4 ja auch nciht gedacht. Di sollst über die Runden kommen und dazu brauchst Du weder Starbucks noch McDonalds sondern wirklich nur das Nötigste von Aldi & Co.


    Womit dich dann auch die Studien erklären lassen, weshalb ärmere Menschen eine geringere Lebenserwartung haben, als reiche.
    Wer sich nur von billigen Sachen ernähren kann, hat ja keine Chance.


    Zudem kommt noch der Ausschluß aus der Sozialgemeinschaft hinzu, der mit dafür sorgt, daß die Menschen mit Hartz IV kaum noch am öffentlichen Leben tteilhaben können - vom Ämtersitzen mal abgesehen.


    Sorry, aber DEN Schwachsinn, den der gut Sarazin damals von sich gegeben hat, hab ich schon früher verteufelt.
    Soll der Mann doch einfach mal ein Jahr selber mit 5 Euro am Tag leben, nicht mehr zum Arzt gehen können, da das ja 10,- kostet im Quartal, geschweige denn sich auch noch verordnete Medikamate holen, da könnte er ja 10,- zuzahlen müssen.
    - Dann kann er rumschwadronieren, aber so - NEIN. Der Mann hat doch keine Ahnung.

  • Zitat

    Sorry, mit 5 Euro kann ich mir gerade zwei Kaffees bei Starbucks kaufen. Wenn ich selber koche, brauche ich mindestens 20 bis 30 Euro, damit ich ein anständiges dreigängiges Mittagessen machen kann.


    Du sollst aber auch nicht auf Kosten des Steuerzahlers jeden Tag ein dreigängiges Menu essen.
    Und ja, es gibt in Deutschland Menschen, die ihr Leben von 352,00 Euro Regelsatz eines Haushaltsvorstandes pro Monat bestreiten können und müssen.
    Und um einmal ein bisschen Erdung in die Diskussion zu bringen, führe ich hier mal ein Beispiel für den Verpflegungssatz eines Bewohners eines Altenheimes an, dem 4,67 Euro für die Verpflegung am Tag zustehen:
    Link
    Es handelt sich hier im übrigen um keinen Einzelfall.
    Wer näheres Interesse an Fakten hat, darf gern in seiner Kommune bei der zuständigen Pflegebehörde nach den Vergütungsvereinbarungen fragen.

  • @ oemchenli:
    So populistisch Sarrazin auch ist, so denke ich doch, dass eine Verpflegung mit 4,20 Euro/Tag möglich ist. Leichter wird es sicherlich, wenn man sich nicht allein verpflegen muss, sondern für mehrere kocht. Das setzt allerdings einen straffen Plan voraus, man sollte kochen und wirtschaften können und jeglicher stuff findet gar nicht erst den Weg in den Einkaufswagen.
    Was ich allerdings mit diesem Budget für schwer umzusetzen halte, sind die 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt.

  • Zitat

    Original von Johanna
    Womit dich dann auch die Studien erklären lassen, weshalb ärmere Menschen eine geringere Lebenserwartung haben, als reiche.
    Wer sich nur von billigen Sachen ernähren kann, hat ja keine Chance.


    Da kann ich Dir nicht zustimmen. Nehmen wir zB Aldi. Da gibt es schon lange nicht mehr den 08/15Fraß, da gibt es frisches Obst und Gemüse, Fisch, Fleisch und Geflügel und ALLES zu annehmbaren Preisen. Wer jedoch der Meinung ist es müsse Coca. Homann oder Erasco auf den Produkten stehen, dem ist nicht zu helfen. Denn teilweise kommen die Produkte aus diesen Fabriken und teilweise schmecken sie zB wesentlich besser als manch "Original" Vom Ketchup zB war ich lange völlig abgeneigt bis mich erst vor kurzen jemand geradezu drängte; ich bin schlichtweg begeistert und das obwohl ich ein absoluter Ketchup-Fan bin..... was natürlich nicht gerade die gesunde Ernährung ist die Du angesprochen hast :lache


    Zitat

    Original von Johanna
    Zudem kommt noch der Ausschluß aus der Sozialgemeinschaft hinzu, der mit dafür sorgt, daß die Menschen mit Hartz IV kaum noch am öffentlichen Leben tteilhaben können - vom Ämtersitzen mal abgesehen.


    DAS IST WIRKLICH WAHR!!!!!!! Erfahren andere irgendwie das man H4 ist, wird man komisch angeschaut. Aufnahme- und Monatsgebühren in Vereinen teilweise nicht bezahlbar. Man wird quasi dazu erzogen dick faul und gefrässig zu werden. Man tut nichts mehr, der Kreislauf sackt ab, man wird antriebslos und man hat keine Chance dagegen etwas zu tun.


    Zitat

    Original von Johanna
    Soll der Mann doch einfach mal ein Jahr selber mit 5 Euro am Tag leben, nicht mehr zum Arzt gehen können, da das ja 10,- kostet im Quartal, geschweige denn sich auch noch verordnete Medikamate holen, da könnte er ja 10,- zuzahlen müssen.
    - Dann kann er rumschwadronieren, aber so - NEIN. Der Mann hat doch keine Ahnung.


    Mit den 10 Euro liegst Du auch nicht ganz richtig. 10 Euro !!! PRO !!! Arzt wenn Du keine Überweisung erhalten hast, Zahnarzt IMMER 10 Euro. Befreiung für H4 gibt es ab etwa 80 Euro Eigenanteil. Hast Du also 80 Euro an Eigenanteil bei Ärzten und Apotheken gezahlt, bekommst Du ne Karte die Du von nun an vorlegen musst und wirst von FAST allem befreit. Fast? Ja, denn die Ärzte gehen immer mehr dazu über GRÜNE Rezepte auszustellen die man komplett selbst zahlen muss.

  • Zitat

    Original von Oryx
    Der Spruch von Sarrazin war noch aus der Zeit als er Berliner Finanzsenator war, da gab er auch so Dinge, dass man von 5 EUR/Tag leben könnte, zum Besten. Ging durch alle Medien, weil völlig illusorisch und provokativ.


    Er hat in "Deutschland schafft sich ab" den vorgeschlagenen Speiseplan abgedruckt. Z. B. rechnet er 125gr Nudeln für die Hauptmahlzeit. Das mag für einen älteren Herrn mit sitzender Tätigkeit reichen. Deine schulpflichtigen Kinder werden fragen: Und gibt es nach der Vorspeise noch etwas?

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Er hat in "Deutschland schafft sich ab" den vorgeschlagenen Speiseplan abgedruckt. Z. B. rechnet er 125gr Nudeln für die Hauptmahlzeit. Das mag für einen älteren Herrn mit sitzender Tätigkeit reichen. Deine schulpflichtigen Kinder werden fragen: Und gibt es nach der Vorspeise noch etwas?


    125 Gramm pro Person ist absolut Gang und Gebe. Mehr bekommst Du auch in Restaurants nicht. Würden meine Kinder anschliessend nach mehr fragen, würde ich wohl mal über die Ernährung nachdenken.

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    @ Buchdoktor:
    Wenn Du zitierst, dann bitte vollständig.
    Thilo Sarrazin "Deutschland schafft sich ab", 2. Auflage, Seite 117
    Die Tabelle spricht von 100g Hack für 0,38 Euro, 125 g Spaghetti 0,15 Euro,
    200 g Tomatensauce für 0,40 Euro, div. Gewürze/Öl für 0,10 Euro.


    Das ergibt etwa 425 Gramm SpaghettiGericht. Es gibt sicherlich Kinder die davon nicht satt werden, aber da sollte man auf etwas anderes schimpfen als auf H4.

  • Mein Vater hat es seit heute auch :rolleyes...

    Mir fällt leider kein guter Spruch für eine Signatur ein, aber wenn ich keine habe, stehen die Verlinkungen zu Amazon immer zu dicht unter der letzten Zeile meines Beitrages :rofl.

  • Sicher ist es machbar, mit 4,20 € pro Tag die Grundernährung zu gewährleisten. Dass man sie überhaupt hat, dafür braucht es ein paar winzig kleine Bedingungen:


    1. Die Kaltmiete und die Nebenkosten übersteigen nicht die "angemessenen" Kosten. - Sonst muss die Zuzahlung nämlich aus dem Regelsatz geleistet werden.


    2. Die Wohnung ist gut isoliert und die Heizung nicht völlig veraltet. - Auch für die angemessenen Heizkosten gibt es nämlich durchaus eine Obergrenze.


    3. Die Stromrechnung ist nicht durch alte Elektrogeräte belastet, die für heutige Preise zu viel verbrauchen.


    4. Es darf nichts, aber auch gar nichts schief gehen. Sprich: kein Gerät versagt, keine Strumpfhose zerreißt, kein Fahrradschlauch platzt ...


    5. Man muss zentral wohnen, damit man keine Fahrtkosten hat und trotzdem günstig einkaufen kann.


    6. Man muss gesund sein. Sonst darf man direkt die Praxisgebühr, die Medikamente und eventuell die Fahrtkosten für den Arzt davon bezahlen.


    7. Man muss wirtschaften können, obwohl man das Gegenteil gelernt hat, da das, was man bisher ersparte, kein Gewinn für den eigenen Haushalt war.


    Angenommen, das alles funktioniert. Für eine Einzelperson, die jung und gesund ist, in einer vorübergehenden Notlage kein Problem. Aber für Alleinerziehende, Familien mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit (z. B. Erwerbsminderung), Langzeitarbeitslose (2, 3, 5, vielleicht 10 Jahre), Ältere?
    Nicht nur, dass die Sätze in der Vergangenheit kaum angepasst wurden, es fielen auch Zulagen, wie z. B. der Mehrbedarf für Ernährung bei verschiedenen chronischen Erkrankungen (Diabetes, Bluthochdruck u. a.) ersatzlos weg.
    Die früheren Einzelleistungen der Sozialhilfe, wie Kleidergeld, Einrichtungshilfe und Ähnliches, sollen seit Einführung des ALG II monatlich zurück gelegt werden. Viele Leistungsempfänger haben das nie gelernt, werden vor eine für sie unmögliche Aufgabe gestellt. Das gilt besonders, wenn Kinder zu versorgen sind, die, genau wie Kinder in anderen Familien, ihren Anteil einfordern. Um wirklich gut mit dem Geld auszukommen, müssten solche Familien um einiges besser funktionieren, als die deutsche Durchschnittsfamilie. Ist da die Erwartung nicht deutlich zu hoch?


    Gruß
    Esmeralda

  • Du hast ja mit allem völlig Recht, aber Du tust so als müsste man mit diesen 4 Euro nochwas am Tag alles begleichen. Das wären im Monat lediglich 126 Euro aber der H4 Satz ist wesentlich höher. Von daher hat Deine Auflistung diesen kleinen Schönheitsfehler.