'Solitaire und Brahms' - Kapitel 15 - ENDE

  • Ich hab's durch. Tolles Buch! Im vorletzten Kapitel hätte ich mich ja mal wieder über den Begriff "Libby-Pleasers" wegwerfen können. :lache Überhaupt, die Autorin hat einen tollen Humor, schade, dass meine Bücherei nicht mehr von ihr hat und kaufen will ich ja erstmal nix.


    Mir ist der Titel so wie er ist am Liebsten. "Eine richtige Frau" wäre mir schon wieder zu direkt gewesen.


    lg Iris


    PS: Wie ist denn das eigentlich heute mit der Diskriminierung?

  • Zitat

    Original von Delphin
    IIm vorletzten Kapitel hätte ich mich ja mal wieder über den Begriff "Libby-Pleasers" wegwerfen können. :lache


    Tja, leider, der ist der Übersetzung zum Opfer gefallen. "... wie viele ihrer Kleidungsstücke auf Libbys Geschmack ausgerichtet waren."


    Zitat

    Original von Delphin
    Wie ist denn das eigentlich heute mit der Diskriminierung?


    Natürlich nicht mehr zu vergleichen mit der Zeit damals. Zum Glück. Dass es gar keine Diskriminierung mehr gibt (jetzt mal abgesehen von Coming-out-Schwierigkeiten bei der Familie etc.), würde ich allerdings auch nicht sagen. Oft findet das unterschwellig statt (ausser natürlich wenn man z.B. bei der katholischen Kirche arbeitet. :wow ).


    Oder man ist einfach die Exotin, die etwas komisch angeguckt/angesprochen wird. Ein bisschen ist es hier bei den Eulen auch so, weil ich bisher mehr oder weniger die einzige Lesbe hier war. Das ist von den lieben Mitmenschen nicht negativ gemeint, sondern eher ein wohlwollend-freundliches Extra-Interesse - das einen aber eben trotzdem irgendwo anders hinstellt. Ich würde es aber nicht anders haben wollen - ich denke, derzeit sind wir Homosexuelle noch in einer Phase, wo wir auf eine gute Weise auf uns aufmerksam machen müssen. Nicht bloss als schrille Drag-Figur auf dem CSD, sondern als ganz normale Eule, die halt bloss zufällig Frauen liebt. ;-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Mein Lieblingssatz in dem Buch ist übrigens dieser hier (Kapitel 20):


    Wenn das Weltall in einem Augenblick stiller Anbetung innehält, dann gilt diese Anbetung einem Gott, an den Eichhörnchen nicht glauben.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Original von Morgana
    Das war es noch nicht mal so, was mich gestört hat. Ich fand es einfach irgendwie unglaubhaft, dass sie die Mutter mit dem Psychiater da sitzen sieht, dass Fran direkt weiß was los ist und dass sie die Befürchtung haben, dass Shelby eingeliefert werden soll... Irgendwie fand ich das alles total überzogen... Und dann die Flucht... Neeee.... Das Ende hätte ich mir irgendwie total anders gewünscht. Das hat mir gar nicht gefallen. Das hat irgendwie - für meinen Geschmack - gar nicht zum tollen Rest des Buches gepasst... Und ich fand das Buch wirklich sonst super schön...


    Das war ne lange Nacht... Will sagen, ich habs durch...


    Ich für meinen Teil hatte schon nach dem ersten Drittel die Vermutung, dass Libby genauso reagieren würde, und habe mich die ganze Zeit gefragt, wie Sarah Dreher DAS lösen will. Von daher nehme ich Fran auch durchaus ab, dass sie weiß, was los ist, da sie eh immer mit dem schlimmsten rechnet. Diese hochdramatische Flucht ins Ungewisse, nun ja... Erst habe ich mich damit auch etwas schwer getan, aber andererseits: welches Ende wäre denn besser gewesen?


    Hier übrigens noch mal ein Link zum Thema Diskriminierung USA in den 60ern:
    Christopher Street Day
    Dort wird zumindest mal kurz die Gesetzeslage zu der Zeit angerissen.
    Wer mehr wissen möchte, dem kann ich auch nur "Träume in den erwachenden Morgen" von Leslie Feinberg empfehlen, auf das Mary Read ja schon hingewiesen hat.

  • Interessant waren auch die Reaktionen von Leuten, die mitbekommen haben, dass ich ein "Lesbenbuch" lese. Der Ausdruck an sich stört mich schon, ich sag ja sonst auch nicht, dass ich ein "Hetenbuch" lesen. Na, auf jeden Fall bin ich einmal gefragt worden, wieso ich denn sowas lesen würde und einmal, ob ich jetzt etwa lesbisch werde und ob sie sich von mir distanzieren müsse. :wow


    Zitat

    Mein Lieblingssatz in dem Buch ist übrigens dieser hier (Kapitel 20)
    Wenn das Weltall in einem Augenblick stiller Anbetung innehält, dann gilt diese Anbetung einem Gott, an den Eichhörnchen nicht glauben.


    Oh ja, der ist schön.


    Gefallen (aber eher was zum Grinsen) hat mir auch folgende Stelle (Kapitel 18 )


    [Libby] "I dont think I remember you ever having a mean streak before."
    "I get it from you," Shelby said.
    "It's quite unattractive."
    "Yeah, I noticed that."



    Und richtig schön fand ich ja diese Szene (Kapitel 19)


    "Fran," she whispered.
    "Uh-huh?"
    "Do yo think we could...well, make love or something?"
    There was a long silence, them Fran laughed affectionately. "I think that could be arranged."
    Suddenly she felt terribly inadequate. "I don't know what to do."


    Das ist wirklich absolut genau so, wie ich mich immer fühle... :wow


    Insgesamt auf jeden Fall ein tolles Buch. Ich seh mich schon das andere kaufen, das Du empfohlen hast. :-) Wie heisst das denn auf Englisch? Ich find da nichts, ausser vergriffenen Dingen... :-(


    lg Iris :wave

  • Zitat

    Original von Delphin
    Ich seh mich schon das andere kaufen, das Du empfohlen hast. :-) Wie heisst das denn auf Englisch? Ich find da nichts, ausser vergriffenen Dingen... :-(


    Delphin , die beiden Stellen fand ich auch ganz besonders toll. :-)


    Was das "Lesbenbuch" betrifft - stimmt!! SF-Fans lesen ja z.B. auch Liebesgeschichten zwischen Aliens, ohne dass sie jetzt selber Aliens.... oder etwa doch.... :gruebel ;-)


    Hier noch "Träume in den erwachenden Morgen" auf Englisch - der englische Titel gefällt mir wesentlich besser:

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  • Zitat

    Original von kahlan
    Wer mehr wissen möchte, dem kann ich auch nur "Träume in den erwachenden Morgen" von Leslie Feinberg empfehlen, auf das Mary Read ja schon hingewiesen hat.


    Das Buch habe ich auch, weil Frau Krug es mir mal geschickt hat und meinte, es sei sehr gut. Vielleicht lesen wir es ja auch mal gemeinsam. Diese Leserunde hat mir hier sehr viel Spaß gemacht und ich werde auch noch etwas zum Ende schreiben. Allerdings mußte ich das Buch auch erst einmal sacken lassen und habe seit 2 Tagen noch kein neues Buch angefaßt. Das ist bei mir immer ein Zeichen dafür, wie gut mir ein Buch gefallen hat. Ich muß erst einmal Abstand gewinnen. Witzigerweise ging es mir früher nie so, erst seit einiger Zeit muß ich eine Pause nach einem guten Buch einlegen.

  • Zitat

    Original von Delphin
    ob ich jetzt etwa lesbisch werde und ob sie sich von mir distanzieren müsse. :wow


    Alleine für so eine blöde Frage könnten sich die Leute bei mir distanzieren. Wer meint ich wäre nur zu ertragen, weil ich Hetro bin, könnte mich mal gepflegt.......
    Entweder mag man mich so wie ich bin, oder man läßt es ganz bleiben.

  • Danke für den Link, hab's gleich mal auf Englisch auf meinen Wunschzettel gepackt. :grin


    Das Wort "butch" hab ich nie vorher in meinem Leben gehört und nun sehe ich es schon zum zweiten Mal. In "Solitaire and Brahms" sagt Fran ja irgendwo, Shelby hätte "butch" ausgesehen, als sie Holz gehackt hätte. Was heisst denn das nun genau? Eine Lesbe, die eher männlich wirkt, oder wie? :help


    lg Iris

  • Zitat

    Original von Delphin
    Das Wort "butch" hab ich nie vorher in meinem Leben gehört und nun sehe ich es schon zum zweiten Mal. In "Solitaire and Brahms" sagt Fran ja irgendwo, Shelby hätte "butch" ausgesehen, als sie Holz gehackt hätte. Was heisst denn das nun genau? Eine Lesbe, die eher männlich wirkt, oder wie? :help


    Ja, so könnte man das beschreiben.


    Eine "Stone Butch" ist eine, die sehr männlich wirkt.


    Eine "Baby Butch" ist ungefähr das gleiche wie ein "Tomboy", also ein junges Mädchen, das mal eine "Butch" werden könnte. (Typisches Beispiel: "Idgie in den Grünen Tomaten" ;-) )

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  • Zitat

    Original von kahlan
    Ich für meinen Teil hatte schon nach dem ersten Drittel die Vermutung, dass Libby genauso reagieren würde, und habe mich die ganze Zeit gefragt, wie Sarah Dreher DAS lösen will. Von daher nehme ich Fran auch durchaus ab, dass sie weiß, was los ist, da sie eh immer mit dem schlimmsten rechnet. Diese hochdramatische Flucht ins Ungewisse, nun ja... Erst habe ich mich damit auch etwas schwer getan, aber andererseits: welches Ende wäre denn besser gewesen?


    Das mit dem Psychiater hätte ich ja auch noch verstanden. Hätte auch für meinen Geschmack gut in die Zeit gepasst, aber dass das direkt so krass mit Flucht und Einweisung, etc. vonstatten ging, fand ich persönlich dann doch etwas übertrieben...


    Ich hätte mir vielleicht ein wenig schnulzigeres Ende gewünscht... So nach dem Motto, Mutter ist zwar erst dagegen und dann kriegt sie sich doch ein oder so ähnlich zumindest... :-)


    Aber ansonsten kann ich nur sagen, dass mir das Buch wirklich SEHR gut gefallen hat. Ich war wirklich absolut begeistert von der Feinfühligkeit und dem Beschreiben der Gefühle, etc... Wirklich toll... :-]

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Zitat

    Original von Orlando
    Also so allgemein hat Shelby auf mich aber eher nciht männlich gewirkt :gruebel


    Nein, "männlich" nicht gerade. Aber an manchen Stellen bedient sich Sarah Dreher durchaus des Klischees, dass lesbische Frauen nicht "typisch weiblich" sind, um Shelbys Coming-out zu zeichnen: wenn beschrieben wird, wie ihr ihre Kleidung zu eng ist, wie sie die Schuhe von den Füssen schleudert, wie sie "nur" in Rock und Bluse ins Büro geht. Und die Szene des Holzhackens zeigt auch, wie sie in uralten Klamotten, in denen sie sich aber eigentlich ganz wohl fühlt, eine eher männliche Rolle bekleidet.


    Wie gesagt, das ist ein Klischee, gegen das viele Lesben heute ankämpfen. Ich persönlich kann damit ganz gut leben, und es ist auch in Ordnung, dass die Autorin es in einem Buch über diese Zeit verwendet.


    Morgana , dass die Mutter sich doch noch einkriegt, wäre mindestens genauso schnulzig gewesen und ausserdem - nach so massivem Widerstand und so kurzer Zeit - nicht wirklich realistisch. Ein besseres Ende? Es hätte offener sein können. Mutter ändert sich erst mal nicht, Shelby behält Job, weil sie Beziehung zu Fran leugnet, Beziehung erlebt wegen notwendiger Geheimhaltung erste Krise. Vorhang. So vielleicht... aber irgendwie find ich's ja auch romantisch, wie es endet. ;-)

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  • Hmmm... welches Ende ich mir auch noch hätte vorstellen können: Shelby spricht mit ihrer Mutter. Diese läßt (aus Liebe zur Tochter? Weil sie erkennt, daß die Tochter SO in ihrem Leben glücklich ist?) den Plan mit dem Püschiater fallen... beide sagen sich aber voneinander los, weil sie mit dem Leben und den Gedanken und Gefühlen der jeweils anderen nicht mehr klar kommen.


    Die Beziehung zwischen Fran und Shelby gedeiht... wenn auch - aufgrund der Umstände der damaligen Zeit - sehr zurückgezogen mit einem nur kleinen, handverlesenen Kreis.


    Oder sie ziehen weg und fangen woanders, vielleicht in einer liberaleren Großstadt, neu an - dies aber nicht in einer Nacht- und Nebelaktion, sondern völlig offen. Sozusagen als Bruch mit dem alten und Start in ein neues Leben.


    Das hätte mir gut gefallen: ein positives Ende ohne falschen Pathos.


    Aber nichtsdestotrotz hat mir das Buch sehr gefallen. Ein wunderbarer Lesetip der Piratin. Und da ich ja auch nicht ganz unbeteiligt an der Entstehung der Leserunde war, freut mich besonders, daß es Euch ebenfalls gefallen zu haben scheint. :-)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von Batcat
    Und da ich ja auch nicht ganz unbeteiligt an der Entstehung der Leserunde war, freut mich besonders, daß es Euch ebenfalls gefallen zu haben scheint. :-)


    Deine Vorschläge für das Ende gefallen mir, @Piratenschwester!


    Und danke, dass du die Leserunde angeregt hast - ich hatte ja so meine Bedenken, ob das Buch bei euch ankommt bzw. überhaupt genügend zum Reden hergibt, aber ich freu mich echt, dass das so gut geklappt hat! :-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Original von MaryRead
    Deine Vorschläge für das Ende gefallen mir, @Piratenschwester!


    Und danke, dass du die Leserunde angeregt hast - ich hatte ja so meine Bedenken, ob das Buch bei euch ankommt bzw. überhaupt genügend zum Reden hergibt, aber ich freu mich echt, dass das so gut geklappt hat! :-)


    Danke, danke! *mich riesig freu* Wir könnten das Ende ja umschreiben ... in einer kleinen gemeinsamen Piratenaktion! ;-)


    Also, ich hatte keine Zweifel daran, daß das Buch in einer Leserunde Resonanz findet und ich freue mich riesig darüber, daß es dann auch so gekommen ist.


    Ich würde gerne auch noch das eine oder andere Buch zum Thema lesen und bin auf hoffentlich weitere Lesetips gespannt.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)


  • Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen, und die ist nicht typisch - weder bei diesem Buch noch bei meiner eigentlichen Berufspraxis.


    "Typisch" ist wohl, dass die Zeit fast nie ausreicht, um einen Text so gründlich zu recherchieren und so gut zu übersetzen, wie man es gern täte. Eine schlechte Übersetzung heisst also möglicherweise einfach, dass der Übersetzer zu wenig Zeit hatte und/oder zu schlecht bezahlt wurde, um es besser machen zu können.


    Allerdings staune ich gerade beim Anschauen von Probeübersetzungen, bei denen die Zeit ja nicht der entscheidende Faktor ist, durchaus auch über das, was professionelle Übersetzer für eine professionelle Übersetzung halten. *seufz*


    "Typisch" ist sicher auch, dass man sich die Aufträge nicht aussuchen kann. Obwohl es natürlich durchaus sinnvoll ist, sich auf ein bestimmtes Gebiet zu spezialisieren und sich seinen Kundenkreis entsprechend aufzubauen bzw. die Arbeit innerhalb der eigenen Abteilung entsprechend aufzuteilen.


    Zu mir und diesem Buch:


    Ich habe vorne angefangen und hinten aufgehört, aber sozusagen "in Spiralen". Meistens habe ich ein Kapitel erst einmal heruntergeschrieben, so gut es ging (auch wenn es mal nicht sehr gut ging), und dann überarbeitet. Manchmal ging aber auch das Übersetzen gar nicht vorwärts, dann habe ich, um überhaupt etwas zu tun, einen früheren Teil noch mal angeguckt, oder etwas nachrecherchiert, was ich vorher nur gelb markiert hatte, um es nicht zu vergessen. Oft musste ich auch von hinten aus etwas angleichen, wenn ich mich dann in Kapitel 10 endlich entschieden hatte, welche Übersetzung für einen bestimmten Ausdruck, der schon x-mal vorgekommen war, am besten passte. Dem Himmel sei Dank für "Suchen und Ersetzen"!


    Und noch bevor das letzte Kapitel übersetzt war, habe ich die vorderen Kapitel ausgedruckt und auf Papier zu überprüfen (= mit dem Original zu vergleichen) begonnen. Zum Teil bedingt durch den Ort, wo ich gerade war - zum Beispiel Zugfahrten oder Hotelzimmer, wo ich keinen Computer zur Verfügung hatte.


    Sehr beruhigt war ich, als ich endlich alle Kapitel einmal stehen hatte. Aber zu Ende war die Arbeit da noch lange nicht, es war noch vieles übrig, was ich noch global recherchieren musste (Beispiel: die Stellenbezeichnungen in dieser vermaledeiten Zeitschriftenredaktion!), und auch viele Einzelheiten.


    Zwischendurch habe ich immer wieder einfach mal am Computer ein Stück gelesen und versucht, den Text wirklich "deutsch" zu machen... Dialoge vor allem, die durften ja wirklich nicht übersetzt klingen, und es gibt viel Dialog in dem Buch.


    Wenn ich eine Stelle absolut nicht hingekriegt habe oder mir etwas nicht klar war, habe ich sie erst mal "irgendwie" übersetzt. Wenn es beim Überarbeiten bzw. nach dem Recherchieren oder Nachfragen bei kompetenten Leuten immer noch nicht ging, habe ich sie gelb markiert. Und die gelben Stellen, die zum allerletzten Schluss noch übrig waren, haben die Radikalbehandlung gekriegt - entweder weglassen oder etwas schreiben, was in den Kontext passt und beim Lesen nicht auffällt. Stichwort "unmarkierte Übersetzung". Es war aber recht erfreulich, dass das zum Schluss nicht mehr sehr viele waren. Ziemlich viele Groschen sind zwischendurch gefallen. Da ich ja über 7 Monate hinweg an der Übersetzung herumgebastelt habe, konnte sich vieles zwischendurch auch setzen, und ich hatte genügend Abstand beim Nochmalslesen. Trotzdem habe ich noch Fehler gefunden, als ich (dann wiederum über ein Jahr später) die gesetzte Druckvorlage zu lesen bekam. Echt peinlich. Aber insgesamt bin ich doch ziemlich zufrieden mit meiner Arbeit - und natürlich auch ein bisschen stolz. Klar ist es für eine Übersetzerin, die immer nur Belletristik übersetzt, das tägliche Brot. Aber für mich war es das grösste Werk, das ich ganz alleine gemacht habe, und ich fand es schon ganz schön toll, dass ich es tatsächlich zwischen diese Buchdeckel geschafft habe. ;-)

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  • hi, MR,
    danke für die schöne und ausführliche Antwort zum Übersetzen. Klasse!
    Ich sag noch mal, daß ich es wirklich gern auf Deutsch gelesen habe (was ich sonst bei englischen Originalen nicht mache). und ich werde es weiterempfehlen Und verschenken (mit einem Paket Spaghetti!! :grin)
    Noch kurz ein bißchen allgemein:
    die Bridgeszenen waren so schön übersetzt, daß ich schon fragen wollte, ob du selber spielst. So professionell. Ich habe die Erklärung dafür schon gefunden, danke.
    Beim Lesen haben sie ein bißchen gestört, weil das für deutsche Verhältnisse doch fremd ist. Und in der Kantine!! Abgesehen davon, daß sie natürlich die Beziehung unter den Freundinnen ganz toll illustrieren (hast Du oben schon erklärt), machen sie aber auch deutlich darauf, daß die jungen Frauen alle aus besseren Gesellschaftsschichten stammen. Sie spielen jetzt während der Arbeit das Spiel, das ihre Mütter im Country Club oder zuhause spielen (mangels besserer Beschäftigung) und das sie, sobald sie selber verheiratet sein werden, auch spielen werden, um ihre Zeit zuzubringen. Hier wird auf die langweilige Zukunft dieser jungen Frauen verwiesen. Daher auch immer dieses Befreiungsgefühl, wenn eine mal 'spielfrei' hat. Die Erleichterung, nicht spielen zu müssen, wächst richtig im Verlauf der Gewchichte. Pennys Fähigkeit beim Spielen kann von Anfang an als Hinweis darauf gelesen werden, daß sie sich anpassen wird. Jeans gespaltenes Verhältnis zur gesamten Lage, ihr Leben wie das der anderen, wird auch in ihrem Verhältnis zum Brigde deutlich. Sie kann es gut, aber es bedeutet ihr nicht wirklich etwas
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    ich werde es weiterempfehlen Und verschenken (mit einem Paket Spaghetti!! :grin)


    Jell-O, bitte! :grin


    Zitat

    Original von magali
    Abgesehen davon, daß sie natürlich die Beziehung unter den Freundinnen ganz toll illustrieren (hast Du oben schon erklärt), machen sie aber auch deutlich darauf, daß die jungen Frauen alle aus besseren Gesellschaftsschichten stammen. Sie spielen jetzt während der Arbeit das Spiel, das ihre Mütter im Country Club oder zuhause spielen (mangels besserer Beschäftigung) und das sie, sobald sie selber verheiratet sein werden, auch spielen werden, um ihre Zeit zuzubringen. Hier wird auf die langweilige Zukunft dieser jungen Frauen verwiesen.


    Das hatte ich mir noch gar nicht überlegt - sehr wahr!


    Zitat

    Original von magali
    Daher auch immer dieses Befreiungsgefühl, wenn eine mal 'spielfrei' hat. Die Erleichterung, nicht spielen zu müssen, wächst richtig im Verlauf der Gewchichte.


    Wobei diese Erleichterung nur für Shelby und Jean gilt - die beiden "Nonkonformistinnen" in der Runde.


    Zitat

    Original von magali
    Pennys Fähigkeit beim Spielen kann von Anfang an als Hinweis darauf gelesen werden, daß sie sich anpassen wird. Jeans gespaltenes Verhältnis zur gesamten Lage, ihr Leben wie das der anderen, wird auch in ihrem Verhältnis zum Brigde deutlich. Sie kann es gut, aber es bedeutet ihr nicht wirklich etwas
    magali


    Danke! Du hast das, was ich angedeutet habe, noch ein Stück weitergeführt.


    Ich war übrigens von Jeans Reaktion auf Shelbys Coming-out zuerst ziemlich enttäuscht. Mensch, die Frau war doch ihre Freundin... die war doch normal... wieso konnte die nicht positiv reagieren? Wieso hat sie sich nicht schon längst was gedacht? Aber da sind wir wieder bei der damaligen Zeit... selbst für eine so selbstständige junge Frau wie Jean war Frauenliebe neu und fremd. Ihre erste Reaktion ist absolut nachvollziehbar. Umso schöner, dass sie dann ziemlich schnell die Kurve gekriegt hat.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)