Hanns-Josef Ortheil - Die Moselreise. Roman eines Kindes

  • Titel: Die Moselreise
    Autor: Hanns-Josef Ortheil
    Verlag: btb
    Erschienen als TB: Mai 2012
    Seitenzahl: 219
    ISBN-10: 3442744172
    ISBN-13: 978-3442744176
    Preis: 8.99 EUR


    Es ist ein ruhiges, ein wunderbares Buch - dieser "Roman eines Kindes" von Hanns-Josef Ortheil.


    Im Jahre 1963 unternimmt der elfährige Hanns-Josef zusammen mit seinem Vater eine Reise an die Mosel. Die Mutter ist nicht dabei, da ihre Herzerkrankung eine solche Reise nicht zulässt.


    Das Buch besteht aus Tagebuchsequenzen des elfjährigen Jungen, hinzu kommen noch die Postkarten die er von Unterwegs an seine Mutter schreibt und die verbindenen Texte des zwischenzeitlich erwachsen gewordenen Hanns-Josef Ortheil.


    Es ist eine sehr intensive, eine ganz besondere Vater-Sohn-Beziehung die hier in diesem Buch beschrieben wird. Und schnell merkt man als Leser, dass es hier um mehr geht als "nur" um eine Reise an die Mosel. Im Mittelpunkt steht das Verhältnis von Vater und Sohn zueinander. Da ist der Vater, der intensiv auf den Sohn eingeht, der ihm das Leben außerhalb der gewohnten vier Wände zeigen will, der ihm die Angst vor dem Unbekannten nehmen will. Diese Moselreise von Vater und Sohn ist eine Reise die vorbereitet auf das Leben - auch wenn diese Erkenntnis Hanns-Josef erst später kommt.


    Es ist ein unglaublich einfühlsames Buch - ohne dabei aber weinerlich sentimental zu werden. Ortheil trifft stets den richtigen Ton, setzt die Wörter genau dort wo sie letztendlich auch hingehören. Es ist ein Buch über das Kindsein, über das Entdecken der Dinge die das Lebens ausmachen.


    Der SPIEGEL bezeichnete dieses Buch als "zauberhaftes Kleinod" - und trifft es damit eigentlich sehr gut. Ein Buch das sicher bei dem einen dazu führt, sich an die eigene Kindheit zurückzuerinnern.


    Ein sehr lesenswertes Buch. Eine unbedingte Leseempfehlung.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich habe recherchiert :grin


    Bei Rezensionswünsche ab 25. März 2010 hast Du die Frage nach diesem Buch gestellt und ich hatte Dir kurz geantwortet, dass es mir gefallen hat. Rezension hatte ich nicht geschrieben. :wave

  • @Vorleser
    Vielleicht könnest du ja noch eine Rezi schreiben? :knuddel1

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    @Vorleser
    Vielleicht könnest du ja noch eine Rezi schreiben? :knuddel1


    Das könnte er natürlich. Ich hatte es mir auch schon überlegt. Aber dann hab ich festgestellt, dass du, Voltaire, genau das schon geschrieben hast, was ich - allenfalls in ein paar anderen Worten - auch gesagt hätte. Und dann kann ich ja auch genausogut die Klappe halten und sage nur rasch noch: Das mit dem "Kleinod", was der Spiegel schrieb, trifft´s genau.
    Schade, wenn man sich dieses wunderbare Buch entgehen ließe! :wave

  • Der schweigende Junge, der in „Die Erfindung des Lebens“ nach dem Versagen von Schule und Therapeutin von seinem Vater über das Zeichnen und Schreiben wieder zum Sprechen verführt wurde, ist inzwischen 11 Jahre alt. 1963 unternimmt Hanns-Josef Ortheil gemeinsam mit seinem Vater eine Reise an der Mosel entlang. Das vorliegende Buch ist der Reisebericht in den Worten eines Kindes, ergänzt durch die Ansichtskarten, die der Junge von unterwegs an seine Mutter geschrieben hat. In den 60ern galt noch weitverbreitet die Sitte, dass Männer Berufe und Frauen Kinder hatten. Wie einfühlsam hier der Vater eine Reise plant, die nicht nur die Interessen seines Sohnes berücksichtigt, sondern den Jungen gezielt aus seiner Schüchternheit gegenüber Fremden befreien wird, liest sich ungemein berührend. Vater und Sohn lernen beim Wandern, Radeln und Entdecken fern des Alltags ganz neue Seiten aneinander kennen. Der Sohn bewundert die Zeichenkünste seines Vaters, profitiert von dessen geschickter Auswahl der Reiselektüre; und der Vater muss sich damit abfinden, dass sein Kind zwar ein extrem gutes Gedächtnis hat, aber leider nicht für technische Zusammenhänge. Die Lebensklugheit, mit der der Vater die Stärken seines Sohnes erkennt und formuliert, habe ich beim Lesen ebenso bewundert, wie die Entschiedenheit, mit der der junge Hanns-Josef Ortheil bereits beurteilen kann, was in seinem Leben wichtig ist und was nicht gut für ihn ist. Die Zeit, Erlebnisse später im Kopf nachzuerleben, muss er sich einfach nehmen. Das für Ortheil charakteristische Erkunden der Welt über das Schreiben, Dokumentieren und Zeichnen wird er lebenslang so beibehalten.


    Ortheils Reisetagebuch beantwortet als Ergänzung zu seinem biografischem Roman die Frage, wie es weitergegangen ist im Leben des schweigenden Kindes von damals. Das Buch bietet Einblick in ein besonderes Vater-Sohn-Verhältnis, sowie eine beeindruckende Neuentdeckung der Langsamkeit zu einer Zeit, in der sehr viele Kinder ohne Fernsehen aufwuchsen und längst noch nicht alle Familien ein eigenes Telefon hatten.


    9 von 10 Punkten

  • Mir hat das Buch auch sehr gut gefallen. Das lag zum einen am wunderbaren Reiseroman aus der Sicht eines 11-jährigen, der sehr unverkrampft und lebhaft seine Eindrücke von der "Moselreise", eine Wanderung entlang der Mosel, schildert. Zum anderen an den sehr sensibel und behutsam geschilderten Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern, die immer wieder spürbar sind. Dabei ist für mich nicht nur die von meinen Vorschreibern erwähnte und sicher im Vordergrund stehende Vater-Sohn-Beziehung wichtig, sondern auch die enge Beziehung zur Mutter, gerade weil sie im Großteil des Buches nicht physisch anwesend ist.


    Die Moselreise ist detailliert geschildert und so konnte ich die Wanderung von Vater und Sohn Ortheil sehr gut miterleben. Auch fast 60 Jahre später weckt es in mir die Lust, eine solche oder ähnliche Wanderung selbst zu unternehmen, so anschaulich und verlockend hat der Autor seine Erlebnisse beschrieben. Man kann es also auch heute noch sehr gut lesen.


    Ich kannte von dem Autor bisher kein anderes Buch, so kann ich diese Erzählung auch nicht einordnen. Aber für mich kann das Buch auch sehr gut alleine stehen und alleine gelesen werden, auch wenn ich Lust bekommen habe, mehr von Hanns-Josef Ortheil zu lesen.


    Sehr bedauert habe ich das Fehlen einer Karte (zumindest im von mir gelesenen Taschenbuch). Nachdem es ja sehr viel um Orte geht, hätte ich mir gern direkt im Buch angeschaut, wo die beiden unterwegs sind.


    Fazit: Ein schönes Reisebuch aus der Vergangenheit, was neben Lesespaß auch die Lust an einer Moselreise weckt. Sehr zu empfehlen, acht gelungene Eulenpunkte (von zehn).


    ASIN/ISBN: 3442744172

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021