Die deutsche Sprache: Irrungen und Wirrungen

  • Ich hab zu sehr verallgemeinert, tut mir leid. Viele Deutsche haben einen deutlichen Akzent, sonst würden Amerikaner oder Engländer, die mich nicht kennen, nach ein paar Worten von mir nicht raushören können, dass ich aus Deutschland komme.


    Was die Amerikaner angeht: Ich kenne nicht viele, die Deutsch sprechen, aber die wenigen haben tatsächlich einen ausgeprägten Akzent und geben sich auch gar nicht die Mühe, den zu verstecken, also die einwandfreie deutsche Aussprache zu lernen. Das finde ich sogar toll, weil ich deren Akzent sehr gerne höre.


    Starker Akzent/schwacher Akzent hängt meines Erachtens nicht von der Muttersprache ab, sondern sehr stark vom Gehör und der Fähigkeit, das Gehörte umzusetzen.

  • Zitat

    Original von Nikana
    Starker Akzent/schwacher Akzent hängt meines Erachtens nicht von der Muttersprache ab, sondern sehr stark vom Gehör und der Fähigkeit, das Gehörte umzusetzen.


    Und in welchem Alter man die zweite Sprache lernt.


    Meine Kinder sind von Geburt an zweisprachig aufgewachsen. Auch wenn ihr deutsch grammatikalisch nicht fehlerfrei ist und Lesen und Schreiben nur minimal moeglich ist - einen Akzent haben sie weder in der englischen noch in der deutschen Sprache. Mein Schriftenglisch ist wesentlich besser als das vieler Muttersprachler - aber meinen Akzent werd ich nie los werden. Auch unsere Nachbarn, die vor ueber 50 Jahren aus Berlin nach Kanada gezogen sind, haben auch heute noch einen sehr starken Akzent. Noch viel staerker als ich! Ich war Mitte 20, sie waren Mitte 30 als sie in die englischsprachige Umgebung zogen.


    Meine Erfahrung ist, dass Menschen, die eine zweite Sprache in "Immersion" (sagt man das so auf deutsch, also in der Sprachumgebung ???) lernen, diese muehelos akzentfrei sprechen, wenn sie damit vor dem ca. 20. Geburtstag beginnen. Danach ist es erheblich schwieriger.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von Frettchen
    Faden ist zwar die korrekte Übersetzung. Als ich noch Laie war in Foren lachte man mich aus, weil ich nicht wusste, was ein Thread ist*g*. In dieser Form meint es doch wohl keinen (Dikskussions)faden, sondern doch einfach nur einen Forenbeitrag bzw. ein Thema, das das diskutiert hat. Mit dem englischen Thread hat das auch recht wenig zu tun.
    [Betonung hinzu gefuegt]


    Die korrekte Uebersetzung haengt vom Zusammenhang ab. Und das kann u.U. sehr komplex werden.


    Auch fuer das hier genannte Wort "thread" gibt es mehr als nur eine korrkte Uebersetzung. Hier nur mal ein paar Beispiele der moeglichen Loesungen.


    * Das Wort "thread" wird als "Faden" uebersetzt, wenn damit im Zusammenhang ein textiles Garn gemeint ist.
    * Es wird als "Gewinde" uebersetzt, wenn es in bestimmten technischen Themen auftaucht.
    * Und noch wieder anders in anderen technischen Zusammenhaengen (z.B. als Schraube, Gang ...)
    * Und es wird als "Thema" oder "Diskussion(sthema)" uebersetzt, wenn der Zusammenhang mit dem Internet gemeint ist. Nicht als Faden! Und es ist auch kein "Beitrag", das waere auf englisch ein "posting", erst mehrere Beitraege machen einen "thread".

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Beatrix ()

  • Zitat

    Original von Beatrix


    Und in welchem Alter man die zweite Sprache lernt.


    :write Das sehe ich genauso. Zudem kommt es auch noch auf das Talent an, das derjenige, der die Fremdsprache lernt, mitbringt. Jemand mit einem ausgeprägten Sprachgefühl schafft es auch, eine "lokale Färbung" in einer Sprache zu übernehmen, was ich persönlich sehr bewundere.

  • Ein Akzent hängt auch viel vom Selbstbewußtsein einer Person ab.


    Ich merke es selbst, dass ich heute einen deutlichen Akzent habe, wenn ich meine Vatersprache spreche. Ganz einfach weil ich mich schäme nach so langer Zeit in Thüringen nicht mehr 150 % sprechen zu können. Ich gestehe, Angst vor Fehlern zu haben, nachdem ich 20 Jahre so gut wie keine Gelegenheit hatte zu sprechen.


    Andere, sind so selbstbewußt, sie sprechen einfach. Hier bin ich. Punkt Ende

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Ich würde jetzt nicht sagen, dass selbstbewusste Leute akzentfrei sprechen; denen ist es vielmehr egal, ob sie einen Akzent haben. Als ich anfing, bei einer amerikanischen Firma zu arbeiten, hatte ich auch erst richtig Angst davor, Englisch zu sprechen. Mir ist meine sehr schlechte/deutsche Aussprache schon sehr bewusst und ich fürchtete auch, mich zu blamieren. Die Amerikaner stehen dem aber sehr offen gegenüber, keiner hat mir deshalb Vorwürfe gemacht - im Gegenteil, sie meinten alle, dass sie liebend gerne so gut Deutsch sprechen würden, wie ich Englisch spreche. Die vielen Gespräche mit den Kollegen und auch der Aufenthalt in den USA hat sehr geholfen, mittlerweile ist mir mein Akzent nämlich auch egal. Ich kanns halt nicht besser, Punkt. Die Muttersprachler störts nicht, höchstens einige Deutsche machen sich bisweilen darüber lustig. Aber darüber kann ich hinwegsehen.


    (Edit): Ich glaube auch, dass das eine sehr deutsche Sache ist, unbedingt so perfekt wie möglich zu sein. Warum erwarten wir von uns, eine Fremdsprache exakt wie ein Muttersprachler zu sprechen? Es ist schön, wenn man es quasi automatisch kann, aber wenn es aus diversen Gründen einfach nicht funktionieren will, ist es doch kein Halsbruch.

  • Zitat

    Original von Nikana
    Ich würde jetzt nicht sagen, dass selbstbewusste Leute akzentfrei sprechen; denen ist es vielmehr egal, ob sie einen Akzent haben. Als ich anfing, bei einer amerikanischen Firma zu arbeiten, hatte ich auch erst richtig Angst davor, Englisch zu sprechen. Mir ist meine sehr schlechte/deutsche Aussprache schon sehr bewusst und ich fürchtete auch, mich zu blamieren. Die Amerikaner stehen dem aber sehr offen gegenüber, keiner hat mir deshalb Vorwürfe gemacht - im Gegenteil, sie meinten alle, dass sie liebend gerne so gut Deutsch sprechen würden, wie ich Englisch spreche. Die vielen Gespräche mit den Kollegen und auch der Aufenthalt in den USA hat sehr geholfen, mittlerweile ist mir mein Akzent nämlich auch egal. Ich kanns halt nicht besser, Punkt. Die Muttersprachler störts nicht, höchstens einige Deutsche machen sich bisweilen darüber lustig. Aber darüber kann ich hinwegsehen.


    (Edit): Ich glaube auch, dass das eine sehr deutsche Sache ist, unbedingt so perfekt wie möglich zu sein. Warum erwarten wir von uns, eine Fremdsprache exakt wie ein Muttersprachler zu sprechen? Es ist schön, wenn man es quasi automatisch kann, aber wenn es aus diversen Gründen einfach nicht funktionieren will, ist es doch kein Halsbruch.


    Ich habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass die Amerikaner in der Hinsicht sehr tolerant sind. Und in New York trifft man auch kaum jemanden an, der ohne Akzent spricht. ;-)


    Auch deinem zweiten Punkt kann ich voll und ganz zustimmen: wie gut man eine Sprache spricht, kommt nicht auf den Akzent an.



    Edit hat mich auf ein fehlendes Komma hingewiesen

    Lesen ist ein grosses Wunder

    Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Ayasha ()

  • Och, was Akzent angeht, bin ich absolut schmerzfrei. Wenn ich in einer Fremdsprache spreche, gebe ich mein Bestes und mehr geht eben nicht.


    Ich habe allerdings in meinem früheren Job sehr viel mit Kunden in englisch und französisch kommuniziert, deren Muttersprache das ebensowenig war wie meine. Dabei kamen sehr interessante Kombinationen zutage (Sehr schrecklich: Italiener, die Englisch sprechen. Sehr liebenswert: Kongolesen etc., die Deutsch sprechen :-)) und ich bin mir sicher, daß ich auch deswegen keine Angst vor meinem eigenen Akzent habe.


    Hauptsache ist doch, man wird halbwegs verstanden. Immerhin spricht man eine Fremdsprache und ist nicht allein auf Hände und Füße angewiesen, um sich verständlich zu machen. :grin

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich finde vor allem englischsprechende Inder sehr schwer zu verstehen. Mit Italienern habe ich gute Erfahrungen gemacht, allerdings waren das allsamt Übersetzer, die zudem schon seit Jahren in Irland wohnen. Ich finde es auch sehr interessant, mit Leuten zu sprechen, deren Muttersprache nicht Englisch oder Deutsch ist. Oder letztens auch in der Bahn, als ein fränkischer Schaffner die Auskunft auf Englisch wiederholte, das fand ich auch sehr lustig. Englisch mit fränkischem Akzent hat was, das klingt total niedlich. :grin

  • Zitat

    Original von Nikana
    Ich würde jetzt nicht sagen, dass selbstbewusste Leute akzentfrei sprechen; denen ist es vielmehr egal, ob sie einen Akzent haben.


    Das sehe ich auch so.


    Obendrein waere doch vermessen zu sagen, dass all die Tausende von Leuten, die z.B. hier in Kanada seit Jahrzehnen leben und immer noch einen Akzent haben, ein mangelndes Selbstbewusstsein haetten

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Hm, vielleicht macht es einen selbstbewusster, wenn man in der Lage ist, eine Fremdsprache akzentfrei zu sprechen. Aber umgekehrt ist es ganz sicher nicht, also dass man eher dann akzentfrei sprechen kann, wenn man ein großes Selbstbewusstsein hat.


    Leg einfach los, auch wenn du einen Akzent hast. Ich hab es auch gewagt und nicht bereut, ganz im Gegenteil! Ich erwäge sogar, einer englischsprachigen Gesprächsgruppe beizutreten, wenn ich wieder in Karlsruhe bin. Ich werde dann nämlich nicht mehr im internationalen Umfeld arbeiten, weiß aber jetzt schon, dass ich die aktive Kommunikation sehr vermissen werde - lesen und DVDs gucken ist einfach zu passiv. Vor meiner Arbeit bei einem amerikanischen Arbeitgeber hätte ich das mit der Gesprächgruppe aber niemals gewagt. Man kann also auch dann ein Sprach-Selbstbewusstsein entwickeln, wenn man einen wirklich heftigen Akzent hat. ;-)

  • Zitat

    Original von Lesebiene
    Selbstredend hängt der Akzent nicht nur am Selbstbewußtsein. Aber es ist schon ein Punkt. Angsthasen wie ich schämen sich viel schneller.


    Selbstbewusstein hilft sicherlich beim Erlernen einer Sprache, eben dass man sich traut den Mund aufzumachen und auch das Risiko eingeht dabei Fehler zu machen. Das ist sehr wichtig.


    Ich bezweifel aber, dass es einen grossen Einfluss auf den Akzent hat, da spielen andere Faktoren, die hier auch genannt wurden, eine weitaus groessere Rolle.


    Meine eigene Erfahrung war eher eine umgekehrte, naemlich die, dass das Erlernen einer Sprache und die Ueberwindung der ganzen Aengste mein Selbstbewusstsein gestaerkt hat. Ich bin waehrend meines Studiums fuer ein Jahr nach Frankreich gegangen. Mein franzoesisch war zu Beginn eher schwach, mein Selbstbewusstsein noch schwaecher. Am Ende des Jahres hat sich beides erheblich verbessert! Wobei der Akzent zwar schwaecher war, aber ganz sicherlich nicht verschwunden.


    Und diese Erfahrung bestaetigt ja auch genau Nikanas Meinung:


    Zitat

    Original von Nikana
    Hm, vielleicht macht es einen selbstbewusster, wenn man in der Lage ist, eine Fremdsprache akzentfrei zu sprechen. Aber umgekehrt ist es ganz sicher nicht, also dass man eher dann akzentfrei sprechen kann, wenn man ein großes Selbstbewusstsein hat.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Beatrix ()

  • Zitat

    Original von Frettchen
    Ich habe hier schon viel gelernt.


    Wie ist es mit gleichzeitig und zeitgleich? Benutzt ihr das als Synonyme?


    Ja. Wobei ich gleichzeitig irgendwie mehr auf Personen beziehe (Sie kann gleichzeitig telefonieren und handarbeiten) und zeitgleich eher sachlich sehe (beide Filme laufen zeitgleich). Das kann aber auch eine Marotte von mir sein.


    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Ich habe es auch immer falsch benutzt. Aber offenbar meint gleichzeitig: zwei Sachen im selben Moment. Während zeitgleich wohl meint: zwei Sachen in derselben Zeit. Also gestern kann einer die 100 Meter in 10 Sekunden laufen. Heute auch, dann ist das zeitgleich. Wenn einer gestern losrennt und 10 Stunden braucht und der andere rennt heute los und braucht nur 10 Sekunden und aber beide kommen in derselben Sekunde im Ziel an, dann ist das wohl gleichzeitig.
    Ich habe das auch immer falsch benutzt und gelobe Besserung :grin

  • Zitat

    Original von Frettchen
    Ich habe es auch immer falsch benutzt. Aber offenbar meint gleichzeitig: zwei Sachen im selben Moment. Während zeitgleich wohl meint: zwei Sachen in derselben Zeit. Also gestern kann einer die 100 Meter in 10 Sekunden laufen. Heute auch, dann ist das zeitgleich. Wenn einer gestern losrennt und 10 Stunden braucht und der andere rennt heute los und braucht nur 10 Sekunden und aber beide kommen in derselben Sekunde im Ziel an, dann ist das wohl gleichzeitig.
    Ich habe das auch immer falsch benutzt und gelobe Besserung :grin



    Mark Cavendish und Peter Sagan fuhren zeitgleich durch das Ziel. Sie erreichten das Ziel glechzeitig.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein