Suhrkamp am Ende?

  • Das Feuilleton blickt schon lange nicht mehr durch - aber auch viele Juristen haben längst den Durchblick in Sachen Suhrkamp-Verlag verloren, gerade auch dann wenn sie ihre Informationen aus den Medien beziehen müssen.


    Bei Suhrkamp tobt der Kampf des Barlach-Enkels Hans Barlach gegen die Unseld-Witwe und Geschäftsführerin Ulla Berkewicz. Berkewicz hält 61 Prozent der Verlagsanteile, während Barlach mit seiner Medienholding Winterthur AG 39 Prozent sein eigen nennt.


    Die WELT schrieb heute, dass der Kampf des Hans Barlach "einem Vernichtungsfeldzug gleiche". Dabei scheint Barlachs Ziel zu sein, das Verlagshaus zur Gänze zu übernehmen. Zurzeit führt er zehn Prozesse gegen Berkewicz, während diese nur einen Prozess gegen ihn führt. In diesem Zusammenhang meinte der großmäulige Barlach gegenüber der FAZ, dass er auch einen Verlag leiten könne, schließlich war er einmal Herausgeber der Fernsehzeitschrift "TV Today".


    Es ist schlimm was sich zurzeit in diesem Verlag abspielt. Schließlich war es der Suhrkamp-Verlag, der das literarische Leben im Nachkriegsdeutschland entscheidend geprägt hat. Und Siegfried Unseld (verstorben 2002) würde sich sicher im Grabe umdrehen, würde er jetzt mit ansehen müssen wie sein Lebenswerk droht den Bach runterzugehen.


    Der Leitartikel der WELT beschäftigt sich intensiv mit diesem Rechtsstreit. Autor Jacques Schuster bezieht darin klar und durchaus auch emotional Stellung. Aber auch das Feuilleton der WELT beschäftigt sich auf der Eingangsseite mit dieser Sache. Der Artikel von Richard Kämmerlings ist sachlich und sehr informativ gehalten. Die Lektüre der WELT vom heutigen Tage lohnt sich.


    Kämmerlings sagt in seinem Resümee:
    "In jedem Falle scheinen die Tage gezählt, da Ulla Unseld-Berkewicz den Verlag wie eine Nachfolgerin des Patriarchen Unseld allein führte. Sie wird ihre Macht teilen müssen, wenn sie nicht ganz verlieren und damit das Lebenswerk ihres Mannes aufs Spiel setzen will."


    Man sollte nicht vergessen, das Suhrkamp der Verlag von Hesse, Brecht, Frisch, Walser oder auch Peter Weiss war.


    Übrigens haben Hans Magnus Enzensberger und Peter Handtke angekündigt den Verlag zu verlassen, sollte Barlach dort das Ruder übernehmen.


    Man darf gespannt sein wie es dort weitergeht. Und nicht vergessen werden sollte, das Barlach eben kein Verleger mit dem notwenigen Herzblut für diesen Job ist - er gebärdet sich eher wie ein Fabrikant, dem es letztlich egal ist welche Ware er unters Volk bringt.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich kenne den Suhrkamp Verlag nur vom hören her und ich glaube, ich habe nicht mal ein Buch dieses Verlages zu Hause. :gruebel


    Ansonsten: Herzlich Willkommen im Jahr 2012. Die Gepflogenheiten und die Regeln des Marktes, des Kapitalismus und der Globalisierung gelten halt auch für die Verlagsbranche. Die Verlage produzieren etwas, in diesem Falle Bücher und da ist ein Denken wie ein Fabrikant nicht falsch. Was ist an einem Fabrikanten und seinem Handeln falsch? Nur mit Idealismus lässt sich heute leider Gottes kein Geschäft mehr erfolgreich führen. Zudem sind die Egos und Dickköpfe der allerobersten Führungsriege nie zu unterschätzen. Alphatierchen möges es sich zu streiten, verteidigen ihr Revier zähnebleckend und gehen zuweilen über Leichen. Da freuen sich dann die Juristen und deren Kasse darüber. *katsching*

  • In der aktuellen Printausgabe des Börsenblatts findet sich > dieser Artikel zu Suhrkamp <. Mit heutigen Datum hat Detlef Bluhm, beim Börsenverein Geschäftsführer des Landesverbands Berlin-Brandenburg, > diesen Meinungsbeitrag < auf boersenblatt.net veröffentlicht.



    Edit: Tippfehler

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von SiCollier ()

  • Na ja, so ganz friedlich ging es beim Suhrkamp-Verlag vorher auch nicht zu und persönliche Eitelkeiten haben da eine sehr große Rolle gespielt. Viele Autoren sind bereits abgewandert. Vielleicht wäre der Verlag in der aktuellen Situation besser positioniert wenn das alles nicht passiert wäre. Trotzdem: ein Verlag wie Suhrkamp hat nun einmal den Anspruch, auch Bücher für Nichenmärkte zu verlegen und spezielle Autoren über einen längeren Zeitraum zu fördern (durchzufüttern). Wenn solche Verlage zu Buchfabriken mutieren und diese Nichen nicht mehr besetzt werden, dann sieht's für die deutsche Verlagslandschaft schlecht aus.


    In dem Zusammenhang ist auch nicht uninteressant, dass Hanser auch gerade am Umorganisieren ist und mit Jo Lendle Michael Krügers Nachfolger benannt hat. Dass man auch bei solchen Verlag irgendwie aktiv werden muss, scheint unumstritten.

  • Zitat

    Original von sapperlot
    Ich kenne den Suhrkamp Verlag nur vom hören her und ich glaube, ich habe nicht mal ein Buch dieses Verlages zu Hause. :gruebel


    Ansonsten: Herzlich Willkommen im Jahr 2012. Die Gepflogenheiten und die Regeln des Marktes, des Kapitalismus und der Globalisierung gelten halt auch für die Verlagsbranche. Die Verlage produzieren etwas, in diesem Falle Bücher und da ist ein Denken wie ein Fabrikant nicht falsch. Was ist an einem Fabrikanten und seinem Handeln falsch? Nur mit Idealismus lässt sich heute leider Gottes kein Geschäft mehr erfolgreich führen. Zudem sind die Egos und Dickköpfe der allerobersten Führungsriege nie zu unterschätzen. Alphatierchen möges es sich zu streiten, verteidigen ihr Revier zähnebleckend und gehen zuweilen über Leichen. Da freuen sich dann die Juristen und deren Kasse darüber. *katsching*


    Hans Magnus Enzensberger hat sich hin der Zeit zu dem Thema geäussert.
    Hier mal der Link dazu.


    Wenn Das stimmt was er sagt, macht es überhaupt keinen Sinn, den "Fabrikanten" ran zu lassen. Ein Verlag, der keine neuen Bücher mehr druckt, sondern nur seine Backlist nutzt, ist meiner Meinung nach kurz oder lang vom Markt weg.


    In der Printausgabe der Zeit gibt es auch einen Artikel dazu, bei dem Frau Berkéwicz nicht gut wegkommt. Sie hat wohl bei ihrer Übernahme erst mal die guten Mitarbeiter aus dem Verlag vergrault und darufhin sind auch einige Autoren abgewandert.

  • Qualtitativ konnte man mit dem Kauf eines Suhrkamp-Buches eigentlich nichts falsch machen. Große personelle Veränderungen können da schon einiges ausrichten. Hier steht zu befürchten, vom Gutem zum Schlechteren.


    Wir können ohnehin nichts ausrichten, nur abwarten.