Buchpreise in Deutschland

  • Zitat

    Original von Bodo
    Ein vernünftig denkender Mensch, der auch nur einen kurzen Blich auf den Buchmarkt der USA oder England wirft wird sofort den Sinn der Buchpreisbindung einsehen.


    Das ist doch ein Totschlagargument. :rolleyes


    Zitat

    Original von Buchdoktor
    Beim Blick auf das Buchangebot der USA - und das ist oft das aus dem Supermarkt oder der Tankstelle - sehe ich, dass ich unter 10 Stapeln mit Titeln von der Bestsellerliste nichts zu lesen finde. Alptraum!


    Du schließt aber jetzt nicht von Buchangebot in US-Supermärkten und Tankstellen auf den gesamten amerikanischen Buchmarkt, oder?

  • Ok, einen hau ich noch raus, dann gebe ich auf!


    Gucci hat weiter oben einige Links gepostet - einfach mal nachlesen was da steht!!!!
    Bis (ich denke) 1972 waren LPs preisgebunden - die Aufhebung derselben war das Ende des "Plattenladens"! (Jettz kaufen Leute, die Rock 'n Roll haben wollen Elvis statt Chuck Berry!!!)



    Nochmal für die gaaaanz langsamen zum mitschreiben:


    Buchpreisbindung ist keine Allheilmedizin gegen alles was auf dem Buchmarkt schiefläuft (ich bin der erste der unterschreibt das dort einiges im Argen liegt - das künstliche Produzieren von "Mängelexemplaren" ist sicherlich einer dieser Punklte)


    Die grundsätzliche Frage ist doch:
    Ist das Buch eine Ware wie Socken, Parfum oder Leberwurst?
    Oder ist "Das Buch" (pauschal ohne Einschränkung) ein Stück Kultur, welches es zu schützen gilt?



    Was literarisch überdauert, zum Klassiker wird, Bestand hat entscheidet sich nicht heute, sondern erst in der Zukunft - Kerstin Gier mag 2045 Schullektüre sein - "Klassiker" von heute sind dann schon längst vergessen. "Gut" und "Schlecht" liegen im Auge des Betrachters (auch Shakespeare drohte dereinst der Vergessenheit anheim zu fallen!!!)(Shakespeare war ein Entertainer - das sein Werk bis heute Bestand haben würde hätte er selbst wohl am wenigsten vermutet!)


    (Buster Keaton übrigens auch - aber das hat nix mit der Preisbindung zu tun....)


    Die Preisbindung ist der Grund warum ich noch einen Job habe!


    Die Preisbindung sorgt dafür das ich in all der massentauglichen Scheisse auch bei den großen Verlagen all' die coolen Bücher finde!
    (Heyne Hardcore hat im neuen Program einige echte Perlen!!!)


    Die Preisbindung hilft auch den Kleinverlagen tolle Sachen zu veröffentlichen!




    Und wenn die Preisbindung zum buchhändlerischen Alamo werden sollte, dann findet ihr mich da wo der Qualm am dichtesten und die Schüsse am lautesten sind!


    Denn ohne bleibt nur eine kulturelle Einöde - alles schon dagewesen - und das wäre echt Scheisse!!!


    REMENBER THE ALAMO!


    Der Buchhändler

  • Zitat

    Original von magali
    Ich stelle aber über die Jahre fest, daß bei vorhandener Buchpreisbindung die Qualität des Warenangebots leidet. Die Erosion erleben wir doch mit. Deswegen die Frage: wovor schützt denn die Buchpreisbindung?
    Ist sie ein dünnes Netz vor der Apokalypse der Buchkultur? Wird sie aufrechterhalten, um ein paar wenige Bücher, die als 'gut' gelten, auf den Markt zu bringen? Ein paar wenige Bücher für ein paar wenige LeserInnen?
    Ist die Buchpreisbindung eine karitative Maßnahme?


    Definiere bitte mal karitativ? Ist die EEG-Umlage eine karitative Maßnahme? Oder die Rundfundgebühr? OK, der Vergleich ist schief, weil hier festgesetzte Gebühren greifen. Anderes Beispiel: Wie stehts mit den gestiegenen Preisen für Nordseefisch, wegen der Fangquoten der EU? Karitativ? Letzteres Beispiel finde ich besonders passend, weil auch die Ziele vergleichbar sind: Schutz der Vielfalt und Schutz der Kleinstunternehmer gegenüber den Konzernen.


    Ob Du das nun karitativ nennst oder nicht, ist letzten Endes egal. Ich halte jedenfalls die staatlichen Maßnahmen zur Förderung der Kultur für sinnvoll, egal, ob nun Buchpreisbindung, Rundfunkgebühr, GEMA, hochsubventionierte Theater/Konzert/Oper/Musical-Eintrittskarten, die staatlichen Filmförderungsgesellschaften usw.


    Zitat

    Wen schützt die Buchpreisbindung?
    Die LeserInnen nicht vor schlecht gemachter Massenware.


    Richtig. Das wäre ja auch eine Form von Prohibition. Wenn der Käufer es wünscht, sehe ich keinen Grund, das nicht zu verkaufen. Ich sehe es immer noch, wie oben geschrieben, als Schutz vor dem Aussterben der vielen kleinen Perlen, die man derzeit im großen Meer der Massenware doch noch gut finden kann.


    Zitat

    Den Buchhandel?
    Ja. Aber mit dem Argument, daß dieser eine spezielle Ware vertickt. Und da habe ich meine Zweifel. Ich bin nicht der Ansicht, daß Literatur nur (noch) deswegen existiert, weil mehr und noch mehr Bücher zur reinen Unterhaltung verkauft werden, sondern vom Gegenteil.
    Es gibt so wenig Literatur und gute Unterhaltung, weil Massenware gewaltsam auf den Markt gedrückt wird. Gegen große Publikumsverlage kommen kleinere Verlage jetzt schon nicht an. Sie werden einfach überrollt..
    Ich finde nicht, daß Literatur und gute Unterhaltung besonders geschützt sind. Im Gegenteil ist das alles schwerer zu finden, als je zuvor.


    Wann genau ist denn "je zuvor" - es gab doch keine Änderung bei der Buchpreisbindung. Und genau da liegt das Problem - die Veränderung auf dem Buchmarkt hat mit der allgemeinen Entwicklung der Wirtschaft / des Kapitalismus der letzten Jahre zu tun, mit der Ausrichtung auf exorbitantes Wachstum. Und wenn solche Mechanismen in den Buchmarkt eindringen, hiflt die Buchpreisbindung alleine gar nix. Vielleicht sollte man über eine verstärkte Buchförderung analog zur Filmförderung nachdenken? Aber auch das würde vermutlich verpuffen, solange man keinen Weg findet, die Massenware zu stoppen. Und da ist die Abschaffung der Buchpreisbindung meiner Ansicht nach genau der falsche Weg. Ich denke immer noch, daß die Literatur und gute Unterhaltung ohne Buchpreisbindung noch wesentlich schneller vom Markt gedrängt wird, da die Preise für die Massenware sinken würden und deshalb vermutlich vermehrt Menschen bei der Nicht-Massenware denken: Das Buch ist aber teuer, das kauf ich nicht, ich bekomm doch den neuen XXZ für nur 4 Euro. Wie Voltaire schon sagte, selbst bei den Eulen hat man schon Kommentare á la "120 Seiten für 10 Euro? :yikes " gesehen. Was soll denn ein Durchschnittsleser erst sagen?


    Zitat

    Es gibt viel zuviele Bücher. Die Jahresproduktion an Belletristik bewältigt niemand mehr. Kein/e LeserIn und kein/e BuchhändlerIn. Das Ganze ist ein Dampfkessel, der auch durch die Preisbindung am Kochen gehalten wird.


    Ich würde das ganze anders formulieren:
    Die Buchpreisbindung schafft eine große Auswahl für den Leser, selbst der Vielleser hat in dem großen Angebot noch die Möglichkeit, für sich seine Favoriten herauszusuchen.


    Warum sollte jemand die Jahresproduktion an Belletristik bewältigen wollen? Als Leser kann ich das nicht nachvollziehen. Vielleicht will der Buchhändler über jedes Buch kompetent beraten? Glaubt wirklich ein Kunde, der Buchhändler hätte alles gelesen? Bzw hatte der Buchhändler das vor 50 Jahren tatsächlich? Ich erwarte jedenfalls nicht von meinem Apotheker, das er jedes Medikament kennt, geschweige denn ausprobiert hat, ich erwartete auch früher nicht, daß der Inhaber des Plattenladens jede Platte gehört hat, warum sollte ich von einem Buchhändler erwarten, daß er jedes Buch gelesen hat?


    Zitat

    Kaum eine kleinere Buchhandlung wagt es, Bestseller und/oder Stapelware nicht auszulegen.


    Richtig, es kommt aber darauf an, wie man es macht. Während bei Thalia häufig die Bestseller oder Bücher, für die die Verlage an Thalia besonders gut zahlen, reihenweise im Regal stehen, finde ich bei vielen privatgeführten Buchhändlern die Bestseller im inzwischen obligatorischen Bestsellerregal, während der übrige Platz für manches Buch genutzt wird, daß ich bei Thalia noch nie gesehen habe.


    Zitat

    Der Schweizer Fall ist nicht ganz passend, finde ich, weil es eine Preisbindung doch sowieso nur für die deutschsprachigen Kantone gab.


    Ich finde den schweizer Fall nicht passend, weil es ja um die deutschen Bücher mit Buchpreisbindung geht. D.h. sie werden für den deutschen Markt produziert und kosten entsprechend und der Schweizer freut sich ein Loch in den Bauch, wenn er das Buch 20% billiger bekommt. Wenn in Deutschland die Buchpreisbindung aufgehoben würde, gehe ich nach fünf Jahren von deutlich mehr als 20% Reduktion aus.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von LeSeebär ()

  • LeSeebär


    Deinen Standpunkt verstehe ich, ich teile ihn nur nicht ganz, weil ich die schieren Massen von Büchern, die angeboten sind, und die wachsen, für gefährlich halte.


    Mit 'je zuvor' meine ich tatsächlich, Zeiten, als uns die schiere Menge nicht über den Kopf gewachsen ist.
    Man muß dabei bedenken, daß die Zahl derer, die Bücher lesen, eben nicht wächst. Die letzten Jahre haben gezeigt, daß in einem alphabetisierten und hochtechnisierten Deutschland immer ein wenig mehr als die Hälfte der Lesefähigen Bücher lesen und der Rest eben keine Bücher liest.
    Unter denen, die Bücher lesen, ist nur ein winziger Prozent der Gruppe der VielleserInnen zuzurechnen. Der Rest liest zwei, drei Bücher im Monat. Was diese Menschen lesen, ist einfach 'Zufall'. Kann gut sein, kann schlecht sein.
    Die Gefahr ist doch die, daß allen, die nicht VielleserInnen sind, angesichts der Masse an angebotener Ware eben das entgeht, was sie glücklich gemacht hätte.


    Es gibt eine hohe Zahl von Bücherm, die nicht einmal wahrgenommen werden. Ihre Titel erscheinen in den Katalogen und verschwinden wieder. Auf dem Markt, weg vom Markt. Das ist eine Ressourcenverschwendung größerern Ausmaßes. Es ist auch eine Verschwendung von AutorInnen. Von Talent.
    Wir stehen vor ca. 35 000 neuen Belletristik- Titeln 2011, die Zahl wächst stetig. 80% davon sind Neuerscheinungen, 20% Neuauflagen (das Verhältnis Neuerscheinungen zu Neuauflagen hat sich vor langen Jahren so eingependelt und bleibt nahezu konstant)


    Nicht jede Buchhändlerin kann jedes Buch kennen. Das konnte sie auch nicht, als die Zahl der Neuerscheinungen kleiner war. Trotzdem empfiehlt sie nach einem Zufallsprinzip. Was ihr aufgefallen ist, was ein Verlag gut bewirbt und in die Feuilletons gehievt hat. Was ihr entgeht, entgeht ihr.
    Angesichts der vorhanden Menge an Bücher entgeht ihr verdammt viel.
    Das alles hat z.B. Einfluß auf die Bestsellerlisten. Und auf das, was die Verlage verlegen.
    Eine Autorin hat sich nicht verkauft? Weg damit. Die nächste her.


    Auf der anderen Seite steht: die Autorin hat sich toll verkauft? Hier sind noch sieben, die schreiben die gleiche Stiory ganz ähnlich. Her damit.
    Wo bleibt die Vielfalt?


    Das sind Entwicklungen bei bestehender Buchpreisbindung. ich kann es nur wiederholen.


    Und die Perlen oder Goldnuggets in dem ganzen Haufen? Ebenso Zufall. Der Haufen vermittelt überdies den Eindruck, als seien das, was man entdeckt hat, die Perlen. Es ist auch möglich, daß es falsche Perlen sind, die nur im Vergleich zum Rest leuchten.
    Die echten entdeckt man nie, weil sie in der Masse untergegangen sind.


    Ich wiederhole:


    die Buchpreisbindung ist eine problematische Angelegenheit geworden und die Argumente, mit denen an ihr festgehalten wird, fadenscheiniger.
    Was die Probleme verursacht, ist zu einem Gutteil das Prinzip der Gewinmaximierung.
    Vielleicht muß man sich mit dem Gedanken anfreunden, daß Bücher etwas Teures und Kostbares sind und als Massenprodukt weniger geeignet.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • magali, ich finde vieles von dem was Du schreibst und beobachtest, sehr richtig. Jedoch würde ich für diese vielen Veränderungen am Buchmarkt nicht unbedingt die Buchpreisbindung verantwortlich machen. Gewinnmaximierung hat nichts mit Preisbindung zu tun. Ich denke, die Korrelation dürfte irgendwo bei null liegen. Produktlebenszyklen, Nachahmeffekt usw. gibt es doch auf allen Märkten. Guck Dir bspw. Autos an, die ähneln sich auch immer mehr.


    Die Buchpreisbindung soll in erster Linie den Händler in der Fläche schützen. Auf die Qualität einer Ware kann der Preis kaum bzw. nur indirekt Einfluss nehmen. Ein Autor wird deswegen nicht klüger und besserer Bücher schreiben. Und ohne Buchpreisbindung könnten am Markt die gleichen Verdrängungsprozesse entstehen, wie im Lebensmitteleinzelhandel. Tante-Emma-Läden gibt es nicht mehr, sondern überall nur noch Einkaufsparadiese auf der grünen Wiese.

  • xexos


    Du hast recht.
    Gewinmaximierung ist nur eine Ursache von mindestens einem Dutzend.


    Aber, ein Einwand, Verdrängung entsteht bzw. entstand auch durch die Ketten. Davor hat die Preisbindung BuchhändlerInnen nicht geschützt.
    Nun ist Thalia zusammengekracht,. Aber das war doch keine Folge der Buchpreisbindung?
    Und wie es weitergeht, weiß niemand. Natürlich wittern kleinere Läden Morgenluft. Angesichts einer ärmer werdenden Bevölkerung habe ich da leise Zweifel. Zum Beispiel.



    Das Ganze ist sehr vielfältig. Ich bin froh, daß Du, wie noch einige andere hier, Lesebiene oder Dyke mit seinen ausgezeichneten Beispielen für den behaupteten Preisschutz :pille weitere Aspekte eingebracht haben.
    Mit dem bloßen Beschwören der Aufrechterhaltung der Preisbindung, weil-wir-sie-halt-haben-und-es-ist-wie-es -ist-und-so-wie-es-ist-ist-es-am-besten, ist es in meinen Augen nicht getan.
    Vor allem, wenn das Argument von BuchändlerInnen kommt und die, verständlicherweise, pro domo sprechen.


    Vielleicht müßte man die Schutzvorrichtungen anders fassen. So, wie es ist, finde ich sie wenig überzeugend.


    Aber ich gebe zu, daß ich seit einiger Zeit eine ausgesprochen wütende Leserin bin. Wütend über das Angebot, wütend über die Art und Weise der Produktion, den Handel, gaah!



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Aber, ein Einwand, Verdrängung entsteht bzw. entstand auch durch die Ketten. Davor hat die Preisbindung BuchhändlerInnen nicht geschützt.
    Nun ist Thalia zusammengekracht,. Aber das war doch keine Folge der Buchpreisbindung?


    Ich denke, der größte Verursacher der Verdrängung kleinerer Buchhändler oder Buchhändler auf dem Land dürfte eher der Online-Handel sein. Derzeit wird ja dadurch selbst Thalia geschwächt. Hier in Hannover gibt es wie ich finde noch eine sehr gute Versorgung mit Buchhändlern. Auf dem Dorf lohnt sich das jedoch nicht mehr, seit dem die Leute ihre Bücher durch Mausklick kaufen und die Wegekosten auf DHL auslagern können. Auch Thalia/Hugendubel etc. könnten sich auf dem Dorf keinen Laden leisten, da er nicht auf ein ausreichendes Risiko-Rendite-Verhältnis käme und dadurch dann nicht den Zielen der Gewinnmaximierung entspräche.


    Und mit Blick auf den Online-Handel, der den Markt vergrößert und internationalisiert hat, werden dann selbst Thalia/Hugendubel etc. durch die Buchpreisbindung geschützt. Anderenfalls hätten wir durch die größeren internationalen Anbieter viel öfter Kampfpreise, um die kleineren Anbieter vom Markt zu verdrängen. Kurzfristig ist das gut, langfristig monopolisiert der Markt und die Preise steigen wieder.


    Und zum vieldiskutierten Thema Qualität: Ich denke, die Güte der Bücher wird eher durch den Zeitgeist als den Buchpreis bestimmt.