Carte Blanche - Jeffery Deaver

  • Originaltitel: Carte Blanche (2011)
    Blanvalet-Verlag 2012, 540 S.


    Über den Inhalt:
    Während des Abendessens mit einer schönen Frau erhält James Bond eine alarmierende Nachricht: Ein verheerender Anschlag wurde angekündigt. Britische Sicherheitsinteressen sind massiv betroffen, und man rechnet mit Tausenden von Todesopfern. Allein James Bond kann die unmittelbar bevorstehende Katastrophe jetzt noch abwenden. Doch nur, wenn seine Vorgesetzten ihm Carte Blanche erteilen – und 007 damit an keine Regel mehr gebunden ist …


    Über den Autor:
    Jeffery Deaver ist ein ehemaliger Journalist (wie Fleming), Folksänger und Anwalt und hat mit dem Schreiben von Spannungsromanen als Berufspendler angefangen, auf den langen Fahrten zwischen seinem Wohnort und seinem Büro in der Wall Street. Inzwischen ist er ein internationaler Bestsellerautor und hat zwei Bände mit Kurzgeschichten sowie achtundzwanzig Romane veröffentlicht.
    Jeffery Deaver wurde in der Nähe von Chicago geboren und wohnt heute in North Carolina.


    Meine Meinung:
    2008 musste Sebastian Faulks einiges an Kritik für seinen James Bond-Roman „Der Tod ist nur der Anfang“ einstecken. Flemings Erben setzten nun ihre Hoffnung darauf, dass der bekennende Fleming-Fan Jeffery Deaver, der 2004 den Ian Fleming Steel Dagger Award gewann, der Herausforderung, Bond wiederauferstehen zu lassen, gewachsen war. Im Gegensatz zu Faulks, der seinen Roman im Jahr 1967 als direkte Fortsetzung der Original-Serie angesiedelte, entschloss sich Deaver, seinen Bond in die Gegenwart zu versetzen. Und somit eine neue Figur zu erschaffen, die aber erkennbare Züge der alten trägt.


    Die offensichtlichste Neuerung ist, dass Bond einer neuen und streng geheimen Abteilung des britischen Geheimdienstes angehört, deren Agenten bei der Verteidigung Grossbritanniens mit einer „Carte Blanche“ ausgestattet werden können und somit jenseits des Gesetzes agieren dürfen, wenn es die Situation erfordert. M, Moneypenny und Mary Goodnight sind als Nebenfiguren vorhanden, Q allerdings hat sich in eine ganze Abteilung verwandelt, die die Agenten mit dem nötigen Geheimdienst-Zubehör ausstattet, das heutzutage hauptsächlich aus einem iPhone und jeder Menge Apps besteht.

    Deaver hat sich sprachlich der eher schlichten Erzählweise Flemings angepasst. Auch der strukturelle Aufbau des Romans ähnelt dem seiner Vorgänger. Nach einer in Serbien spielenden actionreichen Anfangsszene ist es Bonds Aufgabe, einen massiven Terroranschlag zu verhindern, wobei ihm nur fünf Tage Zeit bleiben. Seine Suche führt ihn von England nach Dubai und Südafrika, wobei natürlich Bösewichte und schöne Frauen seinen Weg kreuzen. Der Hauptschurke strebt diesmal nicht gleich die ganze Weltherrschaft an. Es geht auch eine Nummer kleiner. Severan Hydt, Milliardär und Besitzer eines globalen Müllabfuhr- und Recyclingunternehmens, hat eine makabre Faszination für alles, was mit Tod und Verfall zu tun hat und schreckt auch nicht vor einem Bombenattentat mit mehreren tausend Toten zurück. Natürlich steht ihm ein tödlicher Handlanger zur Seite.


    Deavers Herausforderung bestand darin, ein Gleichgewicht zwischen Bond als plausiblem Helden des 21. Jahrhunderts unter Beibehaltung der bekannten Eigenschaften, die ihn als James Bond ausweisen, zu schaffen. Herausgekommen ist ein moderner Bond, der intelligent und zielorientiert agiert, ausgestattet mit allen Attributen seines klassischen Vorbilds, allerdings verjüngt und entstaubt in die Gegenwart versetzt. Dass er auch mal ein paar Kratzer abbekommt, tut der Figur gut. Der Autor ermöglicht seinem Helden ein paar entscheidende Momente der Selbstreflexion, dabei kommt der neue Bond ernsthafter daher als der alte, ich vermisste die Anflüge von Selbstironie.


    Am Anfang gibt es jede Menge verwirrender Abkürzungen, von denen man sich aber nicht abschrecken lassen sollte. Sie werden in einem Glossar am Ende des Buches erklärt. Die Handlung spielt ganz zweifelsfrei im 21. Jahrhundert. Deaver bedient sich nicht nur der modernsten Technik, die Thematik und die Einbeziehung der aktuellen politischen Lage machen die Story zwar weniger spektakulär, als das früher der Fall war, aber dafür realistischer.


    „Carte Blanche“ ist ein gut zu lesender Krimi, nicht übermäßig spannend (ist ja klar, dass der Held das Ganze unbeschadet übersteht), aber abwechslungsreich und für den überraschenden Schluß gibt es einen Extrapunkt. Die Anpassung Bonds an die Gegenwart ist durchaus geglückt, aber mir war der alte Charmeur mit dem Hang zur Selbstironie irgendwie lieber.
    Sehr deutlich spürt man Deavers Zuneigung für Bond und so liest sich „Carte Blanche“ eher wie eine Hommage an Fleming und nicht wie eine bloße Nachahmung.
    Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Deaver eine Fortsetzung schreibt und auch eine Verfilmung in Aussicht steht.

  • Da tu ich kich ganz schwer mit, weil ich die alten Fleming-Romane so mag ... mal kucken, vielleicht verbrate ich mal ein audible-Guthaben dafür. Irgendwann.


    Deine Rezi liest sich jedenfalls gut!

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

  • Ich war am Anfang auch skeptisch und hatte abwechselnd immer die verschiedenen Bond-Darsteller, meistens Sean Connery, Pierce Brosnan und Daniel Craig, vor Augen :grin.
    Die passten aber alle nicht so recht und als ich's seingelassen habe, ging's auf einmal viel besser, sich den "neuen" Bond vorzustellen.

  • Das kann ich ganz gut abschalten - mein Fleming-Buch-Bond ist auch so ne Mischung aus Connery, Brosnan und Craig. Ich denke, ich werd mir das Buch einfach bei Gelegenheit mal holen.

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

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  • Buchmeinung zu Jeffery Deaver – Carte Blanche


    „Carte Blanche“ ist ein Krimi von Jeffery Deaver, der 2012 bei Blanvalet erschienen ist. Meine Rezension bezieht sich auf die gekürzte Hörbuchfassung, die 2012 von Dietmar Wunder für Random House Audio eingelesen wurde.


    Klappentext:
    James Bond genießt einen romantischen Abend mit einer hinreißend schönen Frau. Da erreicht ihn ein dringender Alarm: Ein Lauschposten hat eine verschlüsselte Botschaft abgefangen, die einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag ankündigt. Es wird mit Tausenden von Todesopfern gerechnet. Britische Sicherheitsinteressen sind unmittelbar betroffen. Die höchsten Regierungsstellen wissen, dass nur noch James Bond die drohende Katastrophe abwenden kann. Doch will er diese Mission erfüllen, darf er sich an keine Regel halten. Und so erhält 007 eine Carte Blanche.



    Meine Meinung:
    Jeffery Deaver schreibt einen modernen James Bond – das klingt interessant. Beim Lesen erkennt man seinen Bond wieder. Er ist der Doppelnullagent mit einzigartigen Fähigkeiten und der gewohnten technischen Unterstützung. Und er ist ein Frauenheld geblieben, auch wenn er es etwas ruhiger angehen läßt. Insgesamt ist er etwas reflektierter, scheut aber kein Risiko, wenn es erforderlich. So weit, so gut, aber es gibt für mich ein großes Aber. Wenn ich den wunderbar vortragenden Dietmar Wunder höre, dann ist es nicht James Bond, sondern Lincoln Rhyme. Vielleicht hätte man diesen Effekt verhindern können, wenn der Verlag einen anderen Vorleser gewählt hätte. So habe ich immer vergeblich auf Amelia Sachs gewartet.


    Fazit:
    Rein technisch ist Jeffery Deaver der moderne Bond gut gelungen, aber das Hörbuch litt für mich unter dem Lincoln Rhyme Effekt. So fällt mir eine Bewertung schwer. Dietmar Wunder hat fünf Sterne verdient, aber für das Hörbuch kann ich nur drei von fünf Sternen oder 65 von 100 Punkten vergeben.

    :lesend James Lee Burke - Die Tote im Eisblock

    hörend: Hanna von Feilitzsch - Bittersüße Mandeln

  • Jeffrey Deaver hat mit "Carte Blanche" einen James-Bond-Roman geschrieben, die den Protagonisten modern zeigt und deutlich facettenreicher als gewohnt, so gesteht der Autor ihm auch emotionale Seiten zu. Dennoch hätte ich etwas mehr Selbstironie begrüßt. Die Geschichte selbst war komplex, aber spannend angelegt, und mit einer überraschenden Wendung zum Ende hin wird der Spannungsbogen gut gehalten.


    Für mich war "Carte Blanche" von Jeffrey Deaver ein locker und unterhaltsam zu lesender Actionkrimi in der Tradition von Ian Fleming.


    7 von 10 Punkten

  • Nach einem nicht ganz so erfolgreichen Einsatz in Serbien kehrt James Bond nach London zurück und soll zusammen mit einem Kollegen vom Inlandsgeheimdiensts einen Anschlag auf britische Ziele verhindern. Eine Spur führt ihn dazu zuerst nach Dubai und anschließend nach Südafrika, wo er sich mit falscher Identität in einen internationalen Abfallbeseitigungskonzern einschleust. Selbstredend, dass er bei seinen Ermittlungen in etliche brenzlige und verzwickte Situation gerät. Aber Bond wäre nicht Bond, wenn er nicht auch diese zu meistern wüsste. Natürlich kommt dabei auch die holde Weiblichkeit nicht zu kurz.

    Mit „Carte Blanche“ ist Jeffery Deaver ein aktueller und ebenso spannender wie abwechslungsreicher Spionage-Thriller mit allen üblichen Bond-Zutaten gelungen. Selbst M (der hier im Gegensatz zu vielen Craig-Filmen männlich ist), Miss Moneypenny, Mary Goodnight und Felix Leiter tauchen auf. Die Geschichte hätte problemlos als nächstes Filmdrehbuch verwendet werden können. Aus gegebenen Anlässen wird auch einige Male das Apartheidregime in Südafrika angesprochen. Außerdem erfährt man einiges über Recycling und Abfallbeseitigung im Allgemeinen.