Sonnenfänger - Andrea Gunschera
2013
512 Seiten
Maße: 13,3 x 19,1 cm
Flex. Einband
erschienen bei Weltbild
Über die Autorin:
Andrea Gunschera, geboren in Deutschland, studierte Industriedesign und arbeitete viele Jahre in der Werbeindustrie. Sie schreibt Romane in verschiedenen Genres, unter anderem Fantasy und Thriller. Nach etlichen Jahren in München und Los Angeles lebt und arbeitet sie nun mit ihrem Mann und drei Katzen in einem idyllischen Haus bei Berlin. Inspiration für ihre Bücher sammelt sie auf zahlreichen Reisen quer durch die Weltgeschichte.
(Quelle: www.andreagunschera.com)
Inhalt:
Boston, 1845: Um ihr trostloses Leben hinter sich zu lassen, flüchtet Sybil, die uneheliche Tochter eines Juwelenhändlers, auf die tropischen Sandwich-Inseln und nimmt dort den Platz ihrer Halbschwester Margaret ein. An deren Stelle heiratet sie den Arzt George - doch der ist alles andere als ein Traummann.
(Quelle: Weltbild)
Meine Meinung:
Drei Tage lang durfte ich nun also Sybil auf ihrer Reise in das neue Leben auf den Sandwich-Inseln begleiten. Und immer noch bin ich in einem Rausch, höre das Grollen des Donners, fühle den satten Regen auf meinem Gesicht, und leide mit Sybil über die Frage, ob ihr Geheimnis gelüftet werden wird.
Aber der Reihe nach. Ich kannte die Autorin von ihren Engelsromanen und so war ich in erster Linie erst einmal überrascht, als ich die "Sonnenfänger" aufgeschlagen habe. Wo Andrea Gunschera bei ihren Engeln sprachlich schnell auf den Punkt kommt und Worte unpretenziös und schnörkellos in eine rasante Handlung verwickelt, verwebt sie bei den "Sonnenfängern" kraftvolle Bilder und eine ungeheuere Ausdruckskraft zu einem sprachlichen Netz, das mich schon nach wenigen Seiten gefangen hatte. Bereits die ersten Zeilen, Sybils Wut und Kampf in Bosten, ihre spröde Begegnung mit den Kindern ihrer kranken Mitbewohnerin und ihre sturköpfige Zielstrebigkeit trotz all der Feindseeligkeiten und Vorutreilen, denen sie sich nach dem Tod ihrer Mutter stellen muss, haben mich für diese so ganz und gar nicht glatte Heldin eingenommen.
Doch dann tritt Margaret in Sybils Leben und mit der Margaret, der legitimen Halbschwester von Sybils reichen Vater, eine unfassbare Chance. Trotzdem ergreift Sybil diese Chance nicht unüberlegt, wägt ab und denkt nach und beweist so neben Tatkraft und Charakter auch Vernunft - ein weiterer Pluspunkt auf meiner mentalen Liste.
Die Geschichte nimmt ihren Lauf und langsam und wohlportioniert, dabei aber zu keinem Zeitpunkt langatmig, führt sich das restliche Figurenkabinett ein. DIe puritanische Pastorengattin, die Missgunst ausdünstet aus jeder Pore ihrer frommen Haut, die gutmütige Mentorin, die mit ihrer Altersklugheit und offenen Art nicht nur schnell Sybils Herz gewonnen hat und nicht zuletzt die beiden Männer, die fortan Sybils Leben mitbestimmen werden - Quentin und George.
So sehr sich ihr Leben in Boston von ihrem neuen Leben auf den Sandwich-Inseln unterscheidet, so unterschiedlich sind Quentin und George. Der eine schillernd schön und froh, wie ein tanzender Schmetterling, der andere unergründlich und schroff.
Und Sybil kämpft. Sie kämpft um ihr neues Leben, kämpft um den Mann, an dessen Seite sie sich ihr neues Leben erträumt und sie kämpft um sich. Doch dabei bleibt sie zu jeder Zeit eine Frau ihrer Zeit, erlebt Rückschläge und Zweifel, den Lichtschein am Horizont und immer wieder auch den Absturz.
Doch nicht nur Sybil ist gut gelungen in all ihrem Facettenreichtum, auch die übrigen Figuren sind mir gerade durch ihre zeitweilige Schroffheit besonders ans Herz gewachsen. Auf den Märchenprinzen wartet man beim Lesen der "Sonnenfänger" vergeblich, ausgiebiges Schmachten gönnt sich die Autorin ausschließlich in ihren Landschaftsbeschreibungen. Stattdessen teilen wir das Leben von Menschen mit Vergangenheit, mit Fehlern und liebenswerten Eigenschaften. Und als sich dann nach gut 500 Seiten das dichte Geflecht aus Lügen, Hoffnungen und Verbrechen entwirrt hat, mischte sich bei mir in die hoffnungsvolle Vorfreude für Sybil und George auch ein Funken Wehmut, dass ich sie hergeben musste, meine neuen Freunde, die mir so schöne Lesestunden verschafft haben. Über die ich mich manchmal ärgern musste, die mich zum Lachen gebracht haben und zum Verzweifeln. Ich wünsche ihnen auf jeden Fall viel Glück auf ihrer Zuckerrohrplantage, dort im blütenschweren Honokohao Tal im Osten von Lahaina und werde noch oft an sie denken.