Wie gut ein Lektorat sein kann

  • Ihr Lieben,


    weil immer wieder über die Qualität von Verlags-Lektoraten diskutiert wird, möchte ich an dieser Stelle beschreiben, wie die Lektorin des Verlags vorgeht, in dem voraussichtlich im Frühjahr 2015 mein erstes Buch einer neuen Reihe erscheinen wird.


    Die Lektorin hat zunächst das 100-seitige Teilmanuskript redigiert, mit dem ich mich beworben hatte, und ich habe die entsprechenden Änderungen vorgenommen. Bis zum Ende dieses Jahres will ich insgesamt 200 Seiten fertig stellen, die dann wieder redigiert werden. Und für nächstes Frühjahr ist geplant, dass ich das vollständige Manuskript (ca. 330 Seiten) einreiche und es dann vollständig lektoriert wird.


    Ich finde diese Arbeitsweise gerade für Autoren-Anfänger gut, denn
    so können m.E. eventuelle Missverständnisse rasch geklärt und Logikfehler entdeckt werden.


    Darum glaube ich auch, dass diese Methode für den Verlag nicht einmal sehr viel zeitaufwändiger ist als ausschließlich ein "großes" Lektorat nach Abgabe des Gesamtmanuskripts. Und der Qualität eines Buchs dient dieses Vorgehen allemal.


    :wave Nadja

  • Du hast nicht Unrecht.
    Aber es liegt wohl auch daran, wie ein MS eingereicht wird. Manche sind eben schon fertig.
    Und es hat viel damit zu tun, wie AutorInnen arbeiten. Es gibt welche, denen liegt es, in Teilabschnitten zu schreiben. Andere lassen keine an ihr MS, ehe nicht der Schlußpunkt gesetzt wurde.


    Daß Lektorat bemängelt wird, hat seinen Grund leider viel zu oft darin, daß zu wenig Zeit für ein echtes Lektorat angesetzt wird. Viele LektorInnen arbeiten unter hohem Druck, weil in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Texte fertig bearbeitet sein müssen. Verschiedene Geschichten parallel zu bearbeiten ist für LektorInnen zudem alles andere als leicht.
    Wir bräuchten mehr LektorInnen.
    Gut bezahlte, versteht sich. ;-)



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ja, magali, da kann ich natürlich nur zustimmen. Gute Arbeit sollte selbstverständlich gut bezahlt werden.


    Was die AutorInnen betrifft: Möglicherweise ist es für einige ein wesentlicher Teil des kreativen Prozesses, vor dem Schlusspunkt das Manuskript nicht lektorieren zu lassen. Aus persönlicher Sicht finde ich es hilfreich, beim Schreiben von kundiger Seite begleitet zu werden.



    :winkt

  • Ja, es ist eine Entscheidung, die mit dem Schaffensprozeß, aber auch mit dem Charakter zusammenhängt. Manche habe das Gefühl, ihnen wird 'hineingeredet', andere möchten sich während des Schreibens schon asutauschen.


    Es ist aber auch eine Frage der Arbeitsökonomie. Deine Arbeitsweise erspart solche Horror-Erfahrungen, wie etwa die, daß einer auf Seite 279 aufgeht, daß mit einer etwas veränderten Grundidee die Geschichte weit besser wäre.
    Dann steht man vor der Entscheidung, sozusagen halb so gut zu Ende zu schreiben oder ca. 200 Seiten in die Tonne zu treten und ganz neu anzufangen.
    Auch nicht leicht.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • :lache


    Verstehe ich. Aber es muß ja nicht passieren.


    Andererseits muß man bei der Schreibbegleitung auch aufpassen, daß man sich nicht verunsichern läßt. Wer schreibt, hat in dem Moment eine eher dünne Haut, ist durchaus unsicher. Plötzlich kommt da jemand und hat eine Menge Vorschläge, die verlockend klingen. Das kann ablenken und sogar verwirren.
    Man darf sich überdies nicht überrumpeln lassen als Schreibende. Die enge Zusammenarbeit mit einer Lektorin ist etwas sehr Intimes, man kommt sich nahe. Ein Text ist innerhlab der Privatsphäre, so lange daran gearbeite wird. Die Lektorin kann durchaus im fremden Text zu sehr aufgehen.
    Daher ist diese Art Zusammenarbeit auch eine Art Beziehungsarbeit, bei der man die eigenen Grenzen wahren muß als Autorin. Die Lektorn ihrerseits darf nicht übergriffig werden.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali


    Andererseits muß man bei der Schreibbegleitung auch aufpassen, daß man sich nicht verunsichern läßt. Wer schreibt, hat in dem Moment eine eher dünne Haut, ist durchaus unsicher. Plötzlich kommt da jemand und hat eine Menge Vorschläge, die verlockend klingen. Das kann ablenken und sogar verwirren.
    Man darf sich überdies nicht überrumpeln lassen als Schreibende.


    Ja, das sind sicherlich ganz wesentliche Aspekte. Und es macht m.E. einmal mehr klar, was Schreibratgeber immer wieder predigen: Vorm eigentlichen Schreiben sollte ein durchdachter, in sich stimmiger Plot stehen. Ich finde, dies ist auch ein schlagendes Argument für die "Schneeflockenmethode".


    :wave

  • Aus eigener Erfahrung (neun Romane): Wenn man mit einem wirklich engagierten Lektor zusammenarbeitet, der sich auch (thematisch) für das interessiert, was man schreibt, ist die Salamitaktik deutlich effektiver. Da erfahrenen Autoren ohnehin Projekte in der Frühphase abgekauft werden, also nach Leseprobe und Exposé, verhindert man dadurch, dass große Anteile umgeschrieben werden müssen. Vier Augen sehen mehr als zwei, man verzettelt sich nicht und verhindert übermäßige Selbständigkeit der Romanfiguren. Das ist eine wahre Binsenweisheit. Allerdings gilt leider auch das Gegenteil: Wenn man mit einem gelangweilten Lektor arbeitet, der Projekte durchreicht und sich kaum interessiert, bekommt man unoriginelle Standardvorschläge, die man besser nicht umsetzen sollte. In dieser Konstellation ist man besser dran, wenn man ein vollständiges Manuskript vorlegt.


    Es hängt also vom Einzelfall ab.

  • Nadja Quint


    Es ist immer schön zu lesen, was in Schreibratgebern steht, wirklich. Es ist auch nicht ganz unsinnig.
    In der Schreibpraxis, der ganz alltäglichen, erweist sich so manches als trockene Theorie.
    Es klingt ganz wunderbar, wenn man sagt, vor dem Schreiben soll ein durchdachter, in sich stimmiger Plot stehen. Die Praxis sieht anders aus.
    Schreiben kommt allemal vom Schreiben und es ist immer wieder verblüffend, wie sich manche anfänglich betonsichere Plotlinien in Nichts auflösen, weil man merkt, daß sie nicht passen. Vorausdenken kann man tatsächlich nur bis zu einem gewissen Punkt. Jede Geschichte entwickelt Eigendynamik, weil ihre Schöpferin lebt und sich ständig ändert.



    Eine gute Verbindung zwischen Autorin und Lektorin ist eine Grundbedingung für jeden wirklich guten Roman. So was zu finden ist aber nicht leicht. Es ist viel Glück dabei, wenn es mal klappt.
    Gelangweilte Lektorinnen sind ätzend, schlimmer aber finde ich die, die das MS mitschreiben, unaufgefordert, versteht sich. Da findet die Autorin plötzliche Wendungen im Plot, Dialoge, Beschreibungen, die sie nie zuvor gesehen hat. Wenn die Autorin in der Lektorin wach wird, geht man am besten in Deckung.
    :lache

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Gelangweilte Lektorinnen sind ätzend, schlimmer aber finde ich die, die das MS mitschreiben, unaufgefordert, versteht sich. Da findet die Autorin plötzliche Wendungen im Plot, Dialoge, Beschreibungen, die sie nie zuvor gesehen hat. Wenn die Autorin in der Lektorin wach wird, geht man am besten in Deckung.
    :lache


    Ich hatte Glück und durfte mit zwei sehr guten, engagierten Lektorinnen zusammenarbeiten. Wir haben es dabei so gehalten, dass jede Änderung im Manuskript, und sei es nur ein vergessenes Komma, ausschließlich von mir vorgenommen wurde. Ob und wie ich allgemeine Anregungen bis hin zu konkreten Verbesserungsvorschlägen in Bezug auf Inhalt und Stil umsetzte, lag dabei allein in meiner Hand. Das führte oft zu interessanten, für das Ergebnis hilfreichen Diskussionen - wobei ich kein bockiger Autor bin, den man zu seinem Glück zwingen muss. ;-) Die Gratwanderung zwischen Hilfestellung und unerwünschter Beeinflussung habe ich als absolut gelungen erlebt.


    LG harimau :wave

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Zitat

    Wir haben es dabei so gehalten, dass jede Änderung im Manuskript, und sei es nur ein vergessenes Komma, ausschließlich von mir vorgenommen wurde.


    Das ist branchenüblicher Standard, weil alles andere einer Verletzung der Urheberrechte gleichkäme. Lektoren dürfen Bücher nicht umschreiben, das darf nur der Autor selbst. Lektoren seriöser Verlage tun das auch nicht.

  • Sagen wir mal, er sollte es sein. Ich weiß von mindestens zwei AutorInnen bei großen, allgemein zu den seriösen gezählten Verlagen, die ihre Manuskripte in der ersten Lektoratsphase beträchtlich geändert zurückbekamen - und damit nicht sehr glücklich waren.

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Es ist nicht an der Tagesordnung von Lektorinnen, Bücher anderer Leute umzuschreiben. I.d.R. markiert man deswegen ja farbig/unterstreicht/setzt Striche am Seiterand, damit ganz deutlich wird, wo in den Text eingegriffen wurde.
    Ich kenne das auch noch, daß unterschiedliche Korrekturphasen verschiedenfarbig gekennzeichnet wurden bzw. daß zwei und mehr Korrektorinnen oder auch Lektorinnen je andre Farben bei der Textarbeit verwendeten, damit eindeutigwar, wer wo gearbeitet hat.


    Es geht mir hier darum, klar zu machen, daß zwischen Mitarbeit, Vorschlägen und Übergriffen oft nur ein schmaler Grat liegt, und der im Eifer des Gefechts durchaus überschritten werden kann.
    Autorinnen sollten in der Zusammenarbeit selbstbewußt, aber nicht rechthaberisch und unbelehrbar sein, Lektorinnen unterstützend und stützend, aber nicht eigenmächtig. Das sollte eine bedenken, gerade, wenn sie zum erstenmal auf diese Weise arbeitet.


    Meiner Erfahrung nach profitieren im besten Fall beide Seiten von einer solchen Zusammenarbeit, gleich, in welchem Stadium das MS vorliegt.
    Daß man sich dann doch trennt, kommt aber auch vor, weil sich zeigt, daß ein Zusammenwirken nicht möglich ist. Wie gesagt, es ist eine recht intime Beziehung, weil ein Text zunächst etwas sehr Privates ist.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • harimau


    solche Vorkommnisse kenne ich auch, keine Frage.
    Und nicht nur bei der Unterhaltungsliteratur. Wann war der Skandal wegen einiger Short Stories von Raymond Carver?
    Es passiert eben.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Aber dafür , liebe Autoren, gibt es die Testleser und Testleserinnen, die nicht nur Kommata wegdiskutieren. Auch deren Ratschläge werden nicht immer beachtet, auch klar, aber mit Freude gegeben.

  • Ja, beowulf, Testleser sind wichtig, aber der entscheidende Unterschied ist eben, dass die erst nach dem Lektorat kommen.


    Wenn wir aber davon ausgehen, dass eine Autorin sich entwickelt und es nicht nur bei ein oder zwei Büchern bleibt, dann sollte sie die Rückmeldungen ihrer LeserInnen aufgreifen. Wobei zur Entwicklung wohl auch ein Quentchen Talent gehört...

  • Aha, die Bücher die ich bisher als Testleser hatte waren alle noch nicht, oder nur vorlektoriert. Da hieß es immer recht schnell lesen, wegen Abgabetermin zum Lektorat. Müsste man mal Eulen fragen, die viel testlesen, bei mir waren es ja noch nicht so viel Manuskripte.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Aha, die Bücher die ich bisher als Testleser hatte waren alle noch nicht, oder nur vorlektoriert. Da hieß es immer recht schnell lesen, wegen Abgabetermin zum Lektorat. Müsste man mal Eulen fragen, die viel testlesen, bei mir waren es ja noch nicht so viel Manuskripte.


    So machen wir das eigentlich auch. Erst die Testleser, um schon mal auf Tuchfühlung zu gehen, ehe die Lektorin den Text in die Finger kriegt. Dann das umsetzen, was die Testleser anmerken (oder zumindest darüber diskutieren - der Vorteil, wenn man als Duo unterwegs ist, man kann alles nach allen Seiten drehen und wenden und totdiskutieren, noch bevor die Lektorin überhaupt bemüht werden muss ;-) ), und DANN abgeben - und warten.