'Frl. Smillas Gespür für Schnee' - Seite 443 - ENDE

  • Zitat

    Original von Klusi


    So wird es mir sicher auch gehen. Um die anderen Bücher des Autors werde ich wohl einen großen Bogen machen. Die Sprache des Romans an sich fand ich ja auch gar nicht schlecht. Das Phänomen, welches ich schon bei einem früheren Abschnitt erwähnt hatte, zog sich für mich durch das ganze Buch. Es war ein Wechselbad zwischen Faszination (denn es gab ja auch Passagen, die mir gefallen haben) und Langeweile, wenn beispielsweise einerseits ein Raum oder eine Maschine bis ins kleinste Detail erklärt wird und andererseits Gedankensprünge waren, denen ich nicht recht folgen konnte.


    Ich will nicht sagen, dass mich das Buch nur frustriert hat, aber das ist das Fazit, was nach dem Ende des Buches bleiben wird.
    Sprachlich hat mich das Buch über weite Strecken durchaus angesprochen. Auch Smillas Ausführungen über das Eis und ihre eigene Faszination und Meisterschaft in dessen Einschätzung war interessant, aber alles in allem wirkt das Ende, als käme da noch eine Fortsetzung oder es sei an dieser Stelle einfach abgebrochen worden, so als müssten Smilla und der Mechaniker für immer in Eis und Zeit dort auf der Insel eingefroren bleiben, genauso wie Urs, die Hansen und der Rest der Besatzung auf dem Schiff, zurückgelassen in einer Art Dornröschenschlaf. Nur Jesajas Gesicht schaut im Wasser durch die Eishaut, der Einzige, dem Klärung widerfahren ist. Ich weiß nicht... ?(

  • Leider ist es mir nach Beendigung des Romans so gegangen wie Euch! Ein weiteres Buch des Autors werde ich wohl nicht lesen, dafür war mir das Ende einfach zu offen und zu unbefriedigend.


    Vielen Dank, daß Ihr mir geholfen habt, dieses Buch zu Ende zu lesen - ohne Euch hätte ich es sicher nach ein paar Seiten abgebrochen. So kann ich es beruhigend weggeben - denn nochmal werde ich es sicherlich nicht lesen!


    Dieses Buch scheint aber auch die Leserschaft zu spalten - entweder man liebt es - oder halt nicht...

  • Zitat

    Original von bibliocat
    Dieses Buch scheint aber auch die Leserschaft zu spalten - entweder man liebt es - oder halt nicht...


    Diesen Eindruck hatte ich auch und war über weite Strecken davon überzeugt, zu denen zu gehören, die es lieben. Bis dann dieser unmögliche Schluß kam.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von bibliocat
    ...
    Vielen Dank, daß Ihr mir geholfen habt, dieses Buch zu Ende zu lesen - ohne Euch hätte ich es sicher nach ein paar Seiten abgebrochen. So kann ich es beruhigend weggeben - denn nochmal werde ich es sicherlich nicht lesen!


    Dieses Buch scheint aber auch die Leserschaft zu spalten - entweder man liebt es - oder halt nicht...


    Mir ging es genauso. Ich hätte es ohne euch und die LR nicht geschafft.
    Vielleicht fallen uns noch mehr Bücher ein, die wir allein nicht schaffen, aber eigentlich durchlesen wollen :grin



    Wirklich Leid tut es mir für SiCollier, der so begeistert war und dann so schwer enttäuscht wurde. Das ist ganz furchtbar. :keks

  • Zitat

    Original von Clare
    Wirklich Leid tut es mir für SiCollier, der so begeistert war und dann so schwer enttäuscht wurde. Das ist ganz furchtbar. :keks


    Danke für das Mitgefühl. Das Buch stand schon ziemlich lange auf meiner Leseliste. Bisweilen greift man halt daneben, und das war so ein Fall. Kommt zum Glück selten vor.


    Daß ich allerdings überlege, ob ich mich ärgern soll, ein Buch gelesen zu haben: das ist mir noch nie passiert.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • SiCollier und Clare


    ich frage vorsichtig, aber ehrlich interessiert, an, was für ein Ende Ihr Euch vorgestellt habt? Was wäre 'befriedigend' gewesen?



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ magali


    Befriedigend wäre ein Ende, das ein Ende wäre. Nicht ein "mitten in der Handlung aufhören". Denn genau so habe ich es empfunden und fühle mich vom Autor betrogen. Wenn er erreichen wollte, daß das Buch nachwirkt, hat er bei mir das Gegenteil erreicht. Geblieben ist Wut und absolute Unlust, sich mit den im Buch angesprochenen Thematiken weiter zu beschäftigen.


    Die Figuren stehen da, wo sie stehen, als die Auflösung des Todes von Jesaja klar ist. Zu diesem Zeitpunkt sind mehr Fragen offen, als zu Beginn des Buches gestellt wurden. Aber keine einzige wird auch nur annähernd beantwortet. Was geschieht mit den Protagonisten weiter? Den Beziehungen, der Rückkehr (wohin?), einer eventuellen Untersuchung durch die dänischen Behörden (immerhin gab es Tote)?


    Am Buchende ist ein ganzer Katalog offener Fragen da - und der Autor läßt mich als Leser absolut im Regen und im Ungewissen stehen. "Ich habe keine Lust mehr zu schreiben", höre ich ihn sagen.


    Kann er so handhaben. Es mag auch Menschen geben, die mit so was gut zurecht kommen. Aber zu diesen gehöre ich nicht. Am Ende eines Buches will ich zumindest andeutungsweise wissen (in der Regel aber deutlich genauer), wie es mit den Figuren weitergeht. Aber ein Schwarzes Loch, wie hier, ist für mich persönlich inakzeptabel. Da kann er noch so gut schreiben (und der Stil, die Erzählweise, etwa hat mir durchaus gut gefallen). Doch ein solches Ende ist für mich ein K.O.-Kriterium für weitere Bücher des Autors. Das Risiko, wieder so alleinegelassen zu werden, ist mir einfach zu hoch.


    Mit ein Grund, weshalb ich mich meist recht genau informiere, wie ein Buch ausgeht, um mir eben solche Enttäuschungen zu ersparen. Hier, wie in den meisten Leserundenbüchern, habe ich das nicht getan.



    Ich hätte mir am Ende ein paar Sätze (denn ein Epilog hätte nicht zum Stil des Buches gepaßt) gewünscht, in denen die weitere Entwicklung (Smilla - Mechaniker, Folgen oder Nichtfolgen der Geschehnisse) kurz angerissen werden. Dann wäre meine Schlußmeinung eine ganz andere gewesen. Aber so ist das nichts für mich. Selbst wenn das Buch zur "großen und wichtigen Literatur" gezählt werden sollte.


    Oder anders: zu einer Geschichte gehört ein Anfang, ein Mittelteil und ein Ende. Hier gibt es nur Anfang und Mittelteil.


    :wave

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • SiCollier


    Ich kann nicht abschätzen, ob dieser Roman 'groß und wichtig' ist. Die Kritik schwankt zwischen Weltliteratur, Hinführung eines klassischen Romans in die Postmoderne und mehr oder weniger schwachem Krimi, je nachdem, wie politisch/ökologisch man einige Themen, die es enthält, gewichtet.


    Einig ist sich das Gros der KritikerInnen offenbar darin, daß der Schluß verwirrend ist. In dem Fall sind zunächst die fein raus, die sich dafür entschieden haben, daß der Roman ein Beitrag zur Postmoderne ist. Die darf nämlich so ziemlich alles, also auch LeserInnen irgendwo am Ende der Welt im Dunkeln auf dem Eis stehen lassen.
    Das hieße, ich drück es vorsichtig aus, für mich, aus der Not eine Tugend machen.


    Der Schluß blieb mir auch im Hals stecken, böse sogar. Ich war allerdings weniger enttäuscht als verwirrt. Seither frage ich mich aber, wie eine Lösung von Hoegs Konstellation aussehen könnte.
    Muß er beschreiben, daß sie wieder zurückfahren? Müssen diese Figuren, die so tief in die Dunkelheit, auch in ihre eigene seelische, vorgedrungen sind, am Ende ins Licht zurückkehren? Ist das überhaupt möglich?


    Für mich gibt es einen Hinweis darauf, daß sie zurückfahren, daß es eine Untersuchung geben wird, wenn Smilla sagt: sie werden mich auffordern, ihnen zu erzählen und zu erklären, was geschehen ist.
    Wäre da mehr nötig? Und wenn ja, warum? :gruebel


    Smilla sagt auch, daß sie es nicht erklären kann. Ist es nicht so, daß ihre Welt im Chaos endet? Sie hat sich vorgenommen, Jesajas Tod aufzuklären und zu rächen. Das hat sie erreicht.
    Das hatte seinen Preis. Ist das Ende nicht einer dieser Fälle, wo Rächerin, /Rächer verloren und mit leeren Händen dastehen?


    Zu Fjol kann sie doch nicht mehr zurück, oder? Er hat sie verraten. Klar hat er ihr auch geholfen, aber wiegt der Verrat nicht schwerer? Für Smilla, meine ich? Es ist Smillas Geschichte. Kann eine Persönlichkeit, wie sie, mit einem solchen Verrat leben?


    Ich sag Dir gleich, daß ich es nicht weiß. Es sind nur Fragen, über die nachdenke, vor dem Buch schon und seit der Lektüre intensiver. Alle Personen sind in einer Ecke gelandet. Gibt es für ihre Probleme wirklich eine Lösung?


    Nun komme ich auch noch mit Fragen, ich weiß. Ich bin so. Möglicherweise ist das Absicht Hoegs, Fragen stehen zu lassen. Philosophische aufgaben zu stellen.
    Es ist auf jeden Fall nicht die Aufgabe eines Autors, sein Publikum auf die bewährte Weise zufriedenzustellen. 'Bewährte Weise' heißt, die Rätsel zu lösen. Tun AutorInnen es nicht, fühlen sich LeserInnen leicht betrogen. Das ist aber eine Folge unserer Gewohnheiten. Nichts Natürliches.



    Ich selbst finde die Denksprünge am Ende immens. Ich komme immer noch nicht damit zurecht. Will sagen, ich habe keine befriedigende Lösung. Ich kaue darauf herum.
    Ich bin aber nicht der Ansicht, daß Hoeg nicht weiterschreiben wollte, weil er keine Lust mehr hatte. Dazu ist das Buch zu überlegt konstruiert. Er endet mit etwas Sperrigem, bewußt.


    Ich habe mir genau aus dem Grund zwei andere Bücher von ihm gekauft. Ich bin mit keinem davon warm geworden, bei keinem kam ich über ca. dreißig Seiten hinaus. Ich verstehe diesen Autor deutlich nicht.


    Außer bei Fräulein Smilla.
    Vorgestern habe ich mir zum ca. achtzehnten Mal Reeds 'Dritten Mann' angesehen. Erinnerst Du Dich an das Ende? Es hat mich plötzlich an Smilla erinnert. Spielt ja auch in der kalten Jahreszeit.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • magali


    Ich kann dem, was SiCollier geschrieben hat, gar nicht viel hinzufügen, denn es ging mir genau so.


    Das Buch hat mit einer ausweglosen Situation geendet (wie sollen sie von der Insel kommen, die Toten erklären, was erwartet sie auf dem Schiff, was wird aus Smilla und dem Mechaniker...). Ich habe im Prinzip nichts gegen eine offenes Ende, wenn es in irgend einer Weise eine Richtung gibt, die mich im Nachhinein beschäftigen und spekulieren lassen kann, aber auch ich hatte den Eindruck, dass das Buch einfach abrupt abbricht, so wie es manchmal bei Romanen vorkommt, die auf Fortsetzung ausgelegt sind.


    Bei mir war es aber nicht nur das Ende des Buches, was mich störte. Smilla ist eine eigenwillige Figur, und in der ersten Hälfte des Buches hat sie mir mit ihrer unkonventionellen Art gefallen; ihre Hartnäckigkeit, ihre stille, besondere Beziehung zum Mechaniker, ihre Unangepasstheit. Aber das ändert sich. natürlich ist es durchaus legitim und für manche Geschichte auch notwendig, dass sich Figuren ändern, aber Smilla verändert sich in einem Maß, das nicht mehr ihrem eigentlichen Charakter entspricht (oder ich habe den nicht verstanden). Sie wird rücksichtslos und stellenweise richtig brutal. Die Notwendigkeit dessen hat sich mir nicht erschlossen.


    Alles in allem hat das Buch es nicht geschafft, mich wirklich zu fesseln und bei mir das Interesse zu entwickeln, unbedingt das Ende kennen zu wollen. Schade!

  • @ magali



    Um damit zu beginnen: Den „Dritten Mann“ habe ich zwar schon gesehen, doch ist das so lange her, daß ich keine Erinnerung mehr an den Film habe. Und immer, wenn er mal kommt, stelle ich aufs Neue fest, daß mich das Thema Krieg / Nachkriegszeit so gar nicht interessiert. Und so wird er eben (wieder) nicht gesehen. :rolleyes



    Damit:

    Zitat

    Original von magali
    (...) Hinführung eines klassischen Romans in die Postmoderne (...)


    hast du mir das passende Stichwort gegeben und mir - vermutlich ungewollt - meine Probleme mit dem Buch, fast hätte ich geschrieben „abschließend“, erklärt. In den letzten Wochen habe ich mich immer wieder mit Dingen wie Literaturgeschichte und Geschichte des Romans beschäftigt. Sowohl auf Grund der Sachbücher zur deutschen als auch zur englischen Literatur bin ich stets zum gleichen Ergebnis gekommen: Moderne ist nichts für mich, Postmoderne gleich gar nicht. So ziemlich alles, was zur „richtigen Literatur, die überdauert“ zählt und nach ungefähr 1900 entstanden ist, vermag mich weder zu interessieren noch zu reizen. (Nachdem mir zeitgenössische Literatur bereits vor rund dreißig Jahren in der Schule erfolgreich ausgetrieben wurde.) Einzige Ausnahme, die die Regel bestätigt, dürfte Thomas Mann sein, dessen Stil mir demzufolge, was ich über ihn gelesen habe, gefallen müßte. Mit einem Buch von ihm werde ich es also irgendwann demnächst mal versuchen.


    Aber zurück: sowohl bei der Beschäftigung mit deutschsprachiger als auch der englischen Literatur gab sich für mich das gleiche Bild: um etwa 1900 Entstehungszeit ist Schluß. Wäre mir vor dem Lesen bewußt gewesen, daß das „Frl. Smilla“ zur Postmoderne gerechnet wird, hätte ich erst gar nicht gelesen und mir diesen Frust erspart.



    Zitat

    Original von magali
    Seither frage ich mich aber, wie eine Lösung von Hoegs Konstellation aussehen könnte.


    Das weiß ich auch nicht, aber ist es nicht Aufgabe des Autors (bzw. Autorin), eine Lösungsmöglichkeit anzubieten? Ich als Leser lasse mich mehr oder weniger völlig auf die Gedankenwelt des Autors ein, der mich dann am Ende im Stich läßt. Er müßte hier im konkreten Fall nicht mal eine vollständige Lösung anbieten. Aber jegliches Fehlen eines auch nur geringen Hinweises schon auf den nächsten (durchaus wörtlich zu verstehen) Schritt, sondern bloß der Ruf „Cut“ und aus - wie gesagt, nix für mich.


    Auch könnte man sich natürlich fragen, was es soll, Figuren in eine ausweglose Situation zu bringen - und dann alles sich selbst zu überlassen.



    Zitat

    Original von magali
    Zu Fjol kann sie doch nicht mehr zurück, oder?


    Im Prinzip stimme ich Dir zu. Aber kurz vor Schluß gibt es den Satz: „Für dich und mich gibt es kein Morgen,“ sage ich. „Frag ihn, wo Verlaine ist.“ Der kann bedeuten:
    - Beider Tod war von Tørk eingeplant, drum kein Morgen.
    - Die Beziehung ist am Ende.
    - Beides.
    Und wieder steh' ich da ich armer Tor ...



    Zitat

    Original von magali
    Es ist auf jeden Fall nicht die Aufgabe eines Autors, sein Publikum auf die bewährte Weise zufriedenzustellen. 'Bewährte Weise' heißt, die Rätsel zu lösen. Tun AutorInnen es nicht, fühlen sich LeserInnen leicht betrogen. Das ist aber eine Folge unserer Gewohnheiten. Nichts Natürliches..


    Darüber kann man vermutlich verschiedener Auffassung sein. Ja, ich fühle mich betrogen. Ich fühle mich um das Ende, um eine Ende überhaupt betrogen. Mag sein, daß das eine Folge der Gewohnheit ist. Ich bin aber nicht bereit, meine Gewohnheit zu ändern. Das habe ich für mich nunmal beschlossen und bin in mancherlei (vielerlei) Hinsicht nicht bereit, mich an die moderne Welt anzupassen. Eher verzichte ich darauf, einen neuen Weg einzuschlagen, eher ziehe ich mich (noch weiter) zurück. Diesen Verzicht werde ich künftig vermutlich wieder öfters üben bzw. wenn ich etwas Neues beginnen (hier: lesen) will, mich genauer informieren über die Dinge, die mir an einem Buch wesentlich sind. Und im Zweifel eher von vorneherein verzichten.



    Zitat

    Original von magali
    Ich bin aber nicht der Ansicht, daß Hoeg nicht weiterschreiben wollte, weil er keine Lust mehr hatte.


    Daß ich etwas überspitzt formuliert hatte, weiß ich. Mir ist durchaus bewußt, daß er an diesem Punkt aufhören wollte. An der Stelle kam es mir aber auf die (genauer: eine) Überspitzung an.




    Zitat

    Original von Clare
    (...) aber Smilla verändert sich in einem Maß, das nicht mehr ihrem eigentlichen Charakter entspricht (oder ich habe den nicht verstanden). Sie wird rücksichtslos und stellenweise richtig brutal.


    Nachdem mir der Vergleich mit den Indianern (politisch korrekt Native Americans, so bezeichnen sie sich übrigens auch selbst) erst mal klar wurde, konnte mich diese Brutalität nicht mehr so sehr irritieren. Die paßte dann eher wieder zu ihr, wenn sie zunehmend ihr Inuit-Erbe entdeckt und lebt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • SiCollier


    ja, klar, das ist ein Standpunkt. Ich teile ihn nicht, aber immerhin ist es einer. Kommt ja nicht mehr häufig vor heutzutage. ;-)
    Danke dafür.
    Ich halte Hoegs Buch aber nicht unbedingt für postmodern.
    Wenn Du weiterhin 19. Jh. liest, sag Bescheid, solltest Du bei Wilhelm Raabe und Gottfried Keller ankommen. Beide sind empfehlenswert.



    Clare


    danke.
    Ich sehe die Probleme durchaus. Mit Smilla muß man vorsichtig sein. Sie ist, wie sagt man das heutzutage? - eine hochtraumatisierte Persönlichkeit. Eigentlich eine Soziopathin. Solche Menschen sind 'rücksichtslos' und 'brutal'. das Problem mit Smilla ist, daß Hoeg sie zuerst so einführt, daß man beim Lesen meint, eine positive Figur vor sich zu haben. Ich fand immer, daß der Autor eine/n damit in die Irre führt. Smilla ist Tork ähnlich, sie ist fast eine Folie von ihm. Smilla ist etwa so gemütlich, wie eine tickende Bombe. Für alle, auch für sich selbst.
    Genau damit landet sie im Chaos und im Dunkel. Dort, wo eben auch, Hoegs Sichtweise nach, sich die Welt befindet. Heilung gibt es nicht.
    Aber das ist ein ziemlicher Sprung am Ende, ich komme damit auch nur schwer zurecht. Ich kaue, wie oben geschrieben, immer noch darauf herum.


    Ab einem gewissen Punkt hat der Autor möglicherweise die falschen Erwartungen geweckt. Man muß dieses Buch ständig gegen den Strich lesen, also gegen sich selbst, gegen die eigenen Erwartungen, und das ist es wohl, was am Ende eher frustrierend als befriedigend ist.



    :wave



    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ magali


    Es ist mir klar, daß Du meinen Standpunkt (wie in manchem anderen auch ;-) ) nicht teilst. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten öfters über meine Einstellung zu verschiedenen Dingen nachgedacht, bin immer wieder zum gleichen Ergebnis gekommen und versuche nun, im Rahmen des Möglichen Konsequenzen daraus zu ziehen.


    Wann ich zu Raabe und Keller komme (Bücher sind vorhanden), weiß ich noch nicht. Als eines der nächsten Bücher steht erst einmal „North And South“ von Elizabeth Gaskell auf dem Leseplan, nachdem mir die BBC-Verfilmung ausnehmend gut gefallen hat.


    :wave
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von magali
    ...
    Ich sehe die Probleme durchaus. Mit Smilla muß man vorsichtig sein. Sie ist, wie sagt man das heutzutage? - eine hochtraumatisierte Persönlichkeit. Eigentlich eine Soziopathin. Solche Menschen sind 'rücksichtslos' und 'brutal'. das Problem mit Smilla ist, daß Hoeg sie zuerst so einführt, daß man beim Lesen meint, eine positive Figur vor sich zu haben. Ich fand immer, daß der Autor eine/n damit in die Irre führt. Smilla ist Tork ähnlich, sie ist fast eine Folie von ihm. Smilla ist etwa so gemütlich, wie eine tickende Bombe. Für alle, auch für sich selbst.
    Genau damit landet sie im Chaos und im Dunkel. Dort, wo eben auch, Hoegs Sichtweise nach, sich die Welt befindet. Heilung gibt es nicht.
    Aber das ist ein ziemlicher Sprung am Ende, ich komme damit auch nur schwer zurecht. Ich kaue, wie oben geschrieben, immer noch darauf herum.


    Ich finde es hochinteressant zu lesen, wie du Smilla siehst!
    Nicht dass hier der Falsche Eindruck entsteht: Ich mag offene Enden und komme im Allgemeinen mit Personen, die charakterlich aus der Menge herausstechen oder schwach sind oder verhaltensauffällig oder was auch immer bestens klar. Ich habe Bücher gelesen, in denen es scheinbar keine Person gab, die wirklich positiv ist und auch gute Perspektiven hat (da fällt mir Endstation Sehnsucht von Williams ein) und fand die Geschichte großartig.
    Smilla ist sehr widersprüchlich, durchaus interessant, aber an vielen Stellen hatte ich den Eindruck, dass sie nicht wusste, was sie gerade tat und warum.


    Zitat

    Ab einem gewissen Punkt hat der Autor möglicherweise die falschen Erwartungen geweckt. Man muß dieses Buch ständig gegen den Strich lesen, also gegen sich selbst, gegen die eigenen Erwartungen, und das ist es wohl, was am Ende eher frustrierend als befriedigend ist.
    ...


    Das "ständig gegen den Strich lesen" trifft es sehr gut, was ich beim Lesen empfunden habe. Letztendlich hat es mich nicht überzeugt. Muss es ja auch nicht, denn die Geschmäcker sind verschieden.


    Auf keinen Fall habe ich es bereut, es zu Ende gelesen zu haben.

  • 'Uff' war meine erste Reaktion, als ich das Buch zuklappte.


    Generell mah ich solch offene Enden nicht besonders.....aber wie hätte es weiter gehen sollen? Eine 'Erklärung', wie sie zurück kommen etc hätte den Stil des Buchs gebrochen - meine ich :gruebel


    Direkt nach Beendigung war ich enttäuscht. Ich hatte genauso viele Fragen wie Ihr. Ausserdem kann ich mich biblocat anschließen, wenn es um den Wurm und den Meteoriten geht.


    ABER: genau wie Clare fand ich Smilla und ihre Gedanken oft sehr interessant.
    Auch war die Geschichte kein 08/15 Krimi, die Szenerie war mal eine ganz andere, Grönländer und ihre Situation in und mit Dänemark sowie die Informationen zum Eis einfach mal etwas ganz anderes!
    Und das finde ich, macht das Buch schon wieder lesenswert!


    Es war spannend, wenn auch nicht immer leicht zu lesen. Ohne die LR hätte ich es jedenfalls momentan (wegen zu hoher Arbeitsbelastung) nicht nochmal zu Ende gelesen.
    Daher bin ich sehr dankbar, dass wir es zusammen gelesen haben - auch wenn ich mal wieder hinterhergehinkt bin :bonk


    Ein weiteres Plus für dieses Buch ist meiner Meinung nach, dass man wirklich diskutieren kann. Es ist eben nicht eines dieser 'typischen' Bücher, bei denen alle am Ende nur eine Meinung haben.
    Die Diskussionen hier am Schluß zu lesen, fand ich jedenfalls sehr interessant!
    Danke Euch :blume



    LG Lesehest :wave

    Anna Karenina (LR), Der blinde Mörder (LR), Alias Grace (LR), Die Bücherdiebin (LR), Das Rosenholzzimmer (LR), Töchter des Nordlichts

  • Zitat

    Original von Lesehest
    Generell mah ich solch offene Enden nicht besonders.....aber wie hätte es weiter gehen sollen? Eine 'Erklärung', wie sie zurück kommen etc hätte den Stil des Buchs gebrochen - meine ich :gruebel


    Wie es hätte weitergehen sollen? Weiß ich nicht. Aber die Figuren in eine ausweglose Situation führen und dann einfach das Buch beenden - das schätze ich überhaupt nicht. Ich fühle mich - immer noch - vom Autor schlicht und einfach betrogen. Betrogen, weil er mir eine Einleitung, einen Hauptteil, aber keinerlei Ende geboten hat. Ich will aber komplette Bücher, keine unvollständigen. (Außer, ich weiß das beim Kauf schon - Elizabeth Gaskells "Wives and Daughters" etwa. Das ist allerdings unvollendet, weil die Autorin während des Schreibens der letzten Seiten starb.)


    Mit etwas Abstand kann ich sagen, daß das Buch bereits in der erinnerungsmäßigen Versenkung verschwindet. Wenn der Autor ein langes Nachwirken erreichen wollte - bei mir hat er in dramatischer Weise das Gegenteil erreicht. Wenn mich jemand fragt, welchen Film es mir leid tut angesehen zu haben, antworte ich sehr schnell und eindeutig. Jetzt wird eine solche Antwort auch für ein Buch kommen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Wie es hätte weitergehen sollen? Weiß ich nicht. Aber die Figuren in eine ausweglose Situation führen und dann einfach das Buch beenden - das schätze ich überhaupt nicht. Ich fühle mich - immer noch - vom Autor schlicht und einfach betrogen. Betrogen, weil er mir eine Einleitung, einen Hauptteil, aber keinerlei Ende geboten hat. Ich will aber komplette Bücher, keine unvollständigen.


    Ich kann Dich sehr gut verstehen SiCollier. Begeistert war ich am Ende ja auch nicht - aber insgesamt fand ich das Buch schon lesenswert.


    Ich hoffe wir finden für die nächste gemeinsame Leserunde ein besseres Buch! :knuddel1


    LG Lesehest :wave

    Anna Karenina (LR), Der blinde Mörder (LR), Alias Grace (LR), Die Bücherdiebin (LR), Das Rosenholzzimmer (LR), Töchter des Nordlichts

  • Zitat

    Original von Clare
    Aber immerhin haben wir es jetzt zu Ende gelesen!


    :lache Das war ein sehr gutes Schlußwort, Clare!! :lache

    Anna Karenina (LR), Der blinde Mörder (LR), Alias Grace (LR), Die Bücherdiebin (LR), Das Rosenholzzimmer (LR), Töchter des Nordlichts