Genial Verrissen...

  • Ich dachte ich eröffne mal einen Fred für die ganzen göttlichen Verrisse, die man so findet:


    Ich fang einfach mal an:


    (geklaut bei amazon... Link ist HIER)
    Neue Zürcher Zeitung
    Echt total egal


    Alexa Hennig von Langes Füllwortprosa


    Es ist müssig, sich darüber zu erregen, dass die erfolgreichsten Bücher nicht immer die besten sind. Ob Gaby Hauptmanns schwallartig hervorgebrachte Frauenromane, ob Corinne Hoffmanns «Weisse Massai» – Bestsellerlisten haben ihre eigenen Gesetze und kümmern sich herzlich wenig um die Zustimmung von Literaturkritikern. Anlass zum Ärger besteht jedoch, wenn alle Qualitätsgrenzen verwischen und umsatzstarker Mainstream plötzlich mit einem literarischen Gütesiegel versehen wird. Ein Ackergaul ist kein Dressurpferd und ein erfolgreiches Trendstück noch lange kein Meilenstein der Kunst.


    Alexa Hennig von Lange, mit sechsundzwanzig fast schon ein altes Eisen im derzeit favorisierten Juniorenteam der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, reüssierte vor ein paar Jahren mit ihrem Drogen- und Sexzeitgeistroman «Relax». Dieser fand nicht nur den Segen des zahlenden Publikums, sondern darüber hinaus auch den sich jung fühlender Kritiker. Wo eine Masche funktioniert hat, braucht man nicht lange auf deren Fortführung zu warten. Alexa Hennig von Lange liess sich dies nicht zweimal sagen und legte gleich doppelt nach: mit dem Roman «Ich bin's» und mit der zusammen mit den wenig älteren Till Müller-Klug und Daniel Haaksman verfassten Tagebuchrollenprosa «Mai 3D».


    Offen gesagt: Beide Bücher sind schwer erträgliche Verlautbarungen, die unter Literatur nicht mehr verstehen als die kaum klausulierte Ausstossung eines Lebensgefühls, dessen einziges Kriterium «Authentizität» ist. In «Ich bin's» darf sich ein Ich-Erzähler namens Lars austoben, ein Turnschuhfetischist, der im Dickicht der Grossstadt dies und jenes erlebt, seine Freundin Mia erst blöd und am Ende erträglich findet. «Mai 3D» hingegen fängt über einen Monat hinweg, aus wechselnden Perspektiven, die mässig aufregenden Erlebnisse dreier Jungmänner ein. Auch diese leiden unter verschiedenen Unpässlichkeiten, schlagen sich als Ghostwriter oder Disc-Jockeys durch und stellen sich tiefschürfende Fragen wie «Wie soll das nur weitergehen?» Die Idee, die unterschiedliche Wahrnehmung von Realität in der unterschiedlichen Sicht mehrerer Personen wiederzugeben, ist alles andere als originell und gebiert nicht mehr, als was in «Ich bin's» zu lesen ist: eine nur an wenigen Stellen ironisch gebrochene Lebenshaltungsprosa. Oder in den Worten des Textes: «Ganz autobiographisch und das nennt man Trash».


    Alexa Hennig von Langes Erzählverfahren ist denkbar simpel: Sie spiegelt das Seeleninterieur von Metropolen-Mittzwanzigern, die weder mit den 68ern noch mit den 78ern etwas am Hut haben, die für Markenprodukte wie Nike oder Timotei schwärmen und denen meist sterbenslangweilig zumute ist. Und die sich vor allem in einer Sprache artikulieren, die progressivste Zeitgenossen in Sekundenschnelle zu Kulturpessimisten macht. Wenn sich diese Bücher durch irgend etwas auszeichnen, dann durch die inflationäre Verwendung von adverbialen Füllwörtern: Als gelte es, Jugendslang zu parodieren, tummeln sich auf jeder Seite Vokabeln wie «vielleicht», «irgendwie», «absolut» und «eben», die, wohlwollend betrachtet, die Unsicherheit der Protagonisten einfangen und die doch letztlich nur ein Kennzeichen von Sprachohnmacht sind, gerade auch der Autorin. Die Hennig-von-Lange-Suada wirkt wie die Romanumsetzung zweier Wörterbücher, die Mitte der neunziger Jahre erschienen: Hermann Ehmanns «Oberaffengeil. Neues Lexikon der Jugendsprache» und Eike Schönfelds «Alles easy. Ein Wörterbuch des Neudeutschen».


    Nirgendwo wird hier Distanz gewahrt, nirgendwo geschieht das, was Literatur gemeinhin leisten soll: die sprachliche Bewältigung von Wirklichkeit. Sollte Eckhard Henscheid daran denken, seine legendäre Sammlung «Dummdeutsch» zu aktualisieren, so wäre er gut beraten, dieser Autorin einen Beratervertrag anzubieten. «Blödes Trend-Gehampel», um in der Diktion von «Ich bin's» zu bleiben, würde Henscheid nirgendwo kompakter finden – und Satzfolgen, über die allein der gnädige Mantel des Schweigens zu legen ist: «Mein Herz ist zerfetzt, mein Leben ist zerfetzt, meine Strümpfe sind zerfetzt und meine beiden Hosen auch. Ist mir echt total egal.» Mir auch, absolut.


    Rainer Moritz --


    :lache :lache :lache :lache :lache
    allein schon deshalb werd ich mir das Buch kaufen :-]

  • Zitat

    Original von Rabarat


    Als ich den Titel gelesen habe, dachte ich, es geht schon wieder um deinen Rücken. Ich lach mich blöd! :lache :lache :lache


    Eigentlich nicht, aber wenn du unbedingt willst, kannst du mir gerne auch hier dein Mitleid aussprechen :lache
    Noch feiner wäre aber, wenn du auch einen Verriss hast der hier hinpaßt ;)

  • Hach, doof, da darf ich ja wieder nicht mitmachen ... von wegen Kollegenschelte und so, die sich eines Tages fürchterlich rächt ... aber gut, nehme ich halt wat anderes: Hier ein Verriss über U2, meine Lieblings-Hass-Band:


    U2 mit "How To Dismantle An Atomic Bomb"


    Eher bekloppt als schlau


    Artikel: Siehe zwei Beiträge weiter unten!

  • Huppalla: Gerade wies meine Schwester - Juristin - mich darauf hin, dass es urheberrechtlich natürlich nicht geht, ganze Texte online zu stellen. Und aufs Urheberrecht sollte man ja gerade als Autor achten :grin


    Deshalb hier mal ganz korrekt und formvollendet der Link zu dem U2-Verriss (ist wirklich lesenwert).


    http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/601/43558/

  • Da musste ich ja jetzt gaaanz tief in den Keller steigen, um einen einigermaßen passenden Thread zu finden :grin


    Bei Deutschlandradio gab es kürzlich eine klasse Sendung über das Verschwinden des literarischen Verrisses: Kritiker mit Beißhemmung:


    Im Verriss wird die brave Literaturkritik zum Spektakel: Der Rezensent wetzt genüsslich das Messer, der gebeutelte Autor redet von Hinrichtung - und das Publikum amüsiert sich. Doch im gegenwärtigen Feuilleton ist der Verriss in Verruf geraten.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Tjaa. Klingt nach einem bestechendem Ausweg.
    Die Buchkritik ist viel zu lieb, also kritiseren wir böse.


    Ich finde die Paarung falsch. Grundsätzlich und in unserer 'Kultur', die es dem Publikum eingetrichtert hat, vornehmlich auf die Sensation zu starren, nur zu reagieren, wenn es so 'richtig abgeht', gleich dreimal.
    Unter den gegebenen Bedingungen wären mehr sog. Verrisse ebenso falsch wie die angeblich nur vorhandenen positiven Meinungen.


    Was tatsächlich fehlt und woran die Literaturkritik tatsächlich krankt, ist die ernsthafte Auseinandersetzung mit einem Text, sei es Buch, Gedicht, Erzählung oder Theaterstück. Niemand läßt sich Zeit dazu, nicht die, die die Krtiken schreiben, noch die, die sie lesen. Alles soll so kurz und knapp und knackig (ekelhaftes Wort in diesem Zusammenhang) und leicht verständlich sein. Schulnoten, Sternchen, bunte Punkte für Texte sind nicht von ungefähr so beliebt.
    Das erspart einer die Auseinandersetzung mit dem Text. Eben die will nämlich keine/r leisten. Das mag bei Unterhaltung relativ egal sein, bei Literatur ist es fatal.


    Zu zweiten fehlt einfach Wissen. Wissen um vergleichbare Texte, national und international. Um Literaturgeschichte, darum, wie Sprache funktioniert, was sie kann, was sie nicht kann. Die Lücken sind erschreckend.


    Es fehlen die eigenen Überzeugungen bei den KritikerInnen. Eine eigene Ästhetik. Eine eigene, persönliche Moral. Die eine Objektivität bei der Beschäftigung mit einem Text erst ab einem gewissen Punkt beeinflusst. Die Moral kann auch darin bestehen, daß eine Kritikerin sagt: nein, zu dem Buch kann ich nichts sagen, weil ich es nicht verstehe.
    Anstatt draufloszuschreiben, bloß damit etwas geplappert ist.


    Und viertens fehlt eine Vielfalt von KrtikerInnenstimmen. Viel zu viele glauben, daß sie alle ins gleiche Horn blasen müssen. Es fehlt ein krtischer Prozeß, der Litertaur begleiten muß, der einen Mehrwert schafft, aus dem AutorInnen wie KritikerInnen gleichermaßen schöpfen für ihre Weiterarbeit.


    Ich bin froh, daß es so wenig Verrisse von der Art gibt, wie sie in dem verlinkten Skript der Sendung verlangt wird. Sie wären noch alberner als alles, was schon da ist. Verrisse vor diesem Hintergrund sind Zeitverschwendung. Im besten fall sind sie Spielereien, de facto sind ebenso unehrlich und effekthascherisch, wie die Lobhudeleien.


    Was ich gerne hätte, wäre eine ernstzunehmende Literaturkritik. DAS fehlt.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Bei mir funktioniert der Link zum U2-Verriss leider nicht. "Dokument nicht gefunden"



    Aber die Kritik zu Alexa Hennig von Lange ist wirklich köstlich :lache

  • Zitat

    Original von Frettchen
    Bei mir funktioniert der Link zum U2-Verriss leider nicht. "Dokument nicht gefunden"



    Das sollte man bei einem 6 Jahre alten Artikel auch nicht unbedingt erwarten. ;-) Wenn man aber die Suche im Artikelarchiv der SZ bemüht, dann wird man schon fündig. Bitteschön