Ewigkeitsfjord - Kim Leine

  • Ewigkeitsfjord
    Kim Leine
    ISBN: 978-3446244771
    Carl Hanser Verlag
    640 Seiten, 24,90 Euro


    Über den Autor: Kim Leine, 1961 als Kind dänischer Eltern in Norwegen geboren, ist einer der wichtigsten dänischen Autoren der Gegenwart. Seine Romane wurden von der Kritik gefeiert und in mehrere Sprachen übersetzt. "Ewigkeitsfjord" wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Preis des dänischen Buchhandels, "De Gyldne Laurbær", und dem "Politikens Litteraturpris".


    Kurzbeschreibung: Ende des 18. Jahrhunderts geht Morten Falck als Missionar nach Grönland. Mit einem Satz Rousseaus auf den Lippen und mit einer Kuh im Schlepptau trifft er nach wochenlanger Seefahrt in der dänischen Kolonie ein. Hier prallen die Lebensweise der Eingeborenen und der Kolonisatoren in Eis und Finsternis gewaltsam aufeinander. Die zehn Gebote, die er predigt, wird Morten bald in vielfacher Hinsicht übertreten. Aber er gewinnt auch die Liebe einer Eskimofrau und findet völlig unerwartet eine abtrünnige Siedlergemeinschaft, die tatsächlich nach aufklärerischen Idealen lebt. Kim Leines meisterhafter Roman macht das Leben in Grönland zur damaligen Zeit mit allen Sinnen erfahrbar und erzählt zugleich eine ganz moderne Geschichte.


    Meine Meinung: In einem Interview zu der Intention dieses Buch zu schreiben, gab Kim Leine an, sein wichtigstes Anliegen sein es gewesen, „von Menschen zu erzählen, die sich unter sehr verschiedenen kulturellen Voraussetzungen begegnen, wie sie sich verlieben, einander missverstehen und sich wehtun, ja sogar gegenseitig umbringen.“


    Das, so muss man sagen, ist ihm mit diesem großen Buch absolut gelungen. Er lässt den Leser an einer Zeitreise teilnehmen, die im Jahr 1782 beginnt, in dem die Hauptfigur Morten Pedersen, der später seinen Namen in Morten Falck ändern wird, in Kopenhagen ankommt. Dort wird er auf Wunsch des Vaters und nur widerwillig ein Theologie-Studium absolvieren, sich verloben und entloben, um dann eines Tages als Missionar nach Grönland zu gehen.


    Schon von Anfang an ist die Dichte der Erzählung beeindruckend. Das Leben in Kopenhagen, die Häuser, Menschen, die hygienischen Missstände – man sieht beim Lesen diese laute und dreckige Stadt förmlich vor sich. Auch die kleine grönländische Siedlung mit ihren immer feuchten düsteren Holzhäusern wird vor dem Auge des Lesers lebendig. In ihr angekommen findet Morten Falck sein neues Zuhause vor und schmiedet euphorisch viele Pläne um die „Wilden“ zu missionieren, doch ein Teil von ihnen ist bereits getauft und dann gibt es Geschichten vom Ewigkeitsfjord, in dem eine Gemeinschaft von Grönländern leben soll, die sich vom „wahren“ Glauben abgewendet haben und auf das Wort einer Prophetin hören…


    Viele Zeitsprünge greifen der Geschichte teilweise vor und erhöhen so das Interesse an dem, was geschehen wird. Es geht nicht nur um den Konflikt der beiden (teilweise gar nicht mal so unterschiedlichen) Kulturen, sondern auch um die zwischenmenschlichen Beziehungen der Bewohner der kleinen Siedlung in der Morten leben muss. Sie werden sehr genau beschrieben und so ersteht ein erschreckendes Bild von Liebe, Hass, Intrigen, Desillusion und Verdorbenheit.
    Auch Morten ist kein Heiliger und scheitert immer wieder an sich selber. Man erkennt im Verlauf von Mortens Mission, dass sich zwar die Zeit und die Lebensumstände geändert haben, doch dass der Mensch sich nicht verändert hat. Ebenso könnte die Geschichte in der heutigen Zeit spielen und das hinterlässt einen bedrückenden Nachklang.


    Mein Fazit: „Ewigkeitsfjord“ ist ein Roman über eine Zeit der Kolonisation und Mission, hauptsächlich aber über menschliche Abgründe – ein meisterhaftes Werk, dessen beeindruckende und intensive Bilder mir noch lange in Erinnerung bleiben werden. Eine absolute Leseempfehlung.

  • Danke für die Rezi. Ich lese das Buch gerade und war neugierig, was andere Leser dazu sagen. Weil ich ehrlich gesagt nicht genau weiß, ob es mir gefällt oder nicht. Auf jeden Fall liest es sich interessant, mit einem düsteren Unterton. Bemerkenswert finde ich auch die Gegenwartsform, in der es geschrieben ist und die hervorragende Übersetzung.
    Ich muss aber anmerken, daß es keine zeitgenössische Literatur ist, sondern ein historischer Roman. Schließlich spielt die Handlung zwischen 1782 - 1815 und das ist ja nun schon eine ganze Weile her... ;-)