'Aufbruch' - Seiten 193 - 289

  • Ich weiß zwar immer noch nicht, ob ich richtig in den Abschnitten bin, weil ich nicht weiß, wo sie enden (eBook, andere Seitenzahl), und ich bin noch nicht ganz durch diesen Abschnitt, denke ich, aber ich will schon mal ein paar Eindrücke posten, damit ich nichts vergesse.


    Eindrücklich war mit Hillas Opernbesuch. Nun muss ich sagen, dass ich Wagner nicht besonders mag. Sein Bombastismus liegt mit einfach nicht so. Aber für Hilla ist es, als öffne sich eine neue Welt, die der Klänge.
    Als sie noch mit Godehard zusammen war, haben wir schon erfahren, dass sie mit Klassischer Musik nichts anfangen kann, und das liegt wahrscheinlich ausschließlich am Elternhaus, wo immer weggeschaltet wurde, wenn solche Musik gespielt wurde.


    In gewisser Weise kommt Hilla mir in vielen Dingen vor wie ein unbeschriebenes Blatt. Und da sitzt sie mit offenem Herzen im Theater und hört den Lohengrin. Das muss für ihre verkümmerten Sinne wie eine Offenbarung gewesen sein, so tief wie ihre Eindrücke sind.
    Eigentlich ist das ein Parallelerlebnis zu den Naturmomenten, die sie bei der Arbeit mit Peter hatte.
    Sie blüht auf.


    Und Phantasie hat das Mädel...Ich fand es köstlich, wie sie ihren Freundinnen von der erfundenen, aber gut recherchierten Ferienreise erzählte und von ihrem finnischen Freund. Ein bisschen traurig ist es auch irgendwie, aber da es sie selber nicht so zu belasten scheint, ist es in Ordnung.


    Dass aus ihr und Dirk etwas wird, glaube ich nicht. Bei Dirks Vater ist sie ja schon durchgefallen. Ich sage nur Zahnspange...
    Ich hoffe, wir erfahren noch irgendwann, wie es wirklich dazu kam, das Hillas Vater die Zahnspange zerbrochen hat. Es scheint so ein Schlüsselerlebnis für ihre Vater-Tochter-Beziehung gewesen zu sein.


    Ich mag Hillas Bescheibungen der verschiedenen Haushalte der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die wir mit ihr besuchen dürfen.


    Und jetzt lese ich weiter.

  • So, weiter geht es.


    Geschichtsaufarbeitung in den eigenen Familien im Deutschunterricht - kein Wunder, dass die Eltern nicht begeistert sind. Zu nahe ist noch die Nazizeit, wie auch immer man sich da verhalten hat. Mit Sicherheit haben die Schüler selbst und Hilla viel dabei gelernt. Ihren Vater fragt sie allerdings nicht. Er ist immer irgendwie außen vor, wird nicht belästigt, aber auch nicht wirklich beteiligt, es sei denn, es ist etwas zu entscheiden.


    Alltagsgeschichten, die einen auch mal schmunzeln lassen - der erste Supermarkt im Dorf. Mit welcher Begeisterung die Mutter die neue Art einzukaufen bestaunt und ausprobiert, ist schon köstlich zu lesen.

  • Clare, bei einigen Geschichten ist es wirklich schade, den ersten Band nicht zu kennen. So hat Hilla schon eine Geschichte mit Peter und auch das ist keine schöne Geschichte gewesen.


    Das mit dem Vater kann keine gute Beziehung mehr werden, da ist zu viel kaputt gegangen. Der Vater konnte nie verwinden, dass seine Tochter lernen wollte, etwas anderes aus sich machen wollte. Sein ewiger Vorwurf war, sie wolle wohl was besseres sein. Was da im ersten Buch geschildert wird, würde man heute als schwere Kindesmisshandlung betrachten.
    Und er hat die Zahnspange absichtlich kaputt gemacht. Er hat ihre Bücher, die sie im Holzschuppen versteckt hatte, verbrannt, sie mit Gewalt gezwungen, die Zahnspange rauszunehmen und hat sie zerquetscht.


    Bedeutsam erscheint mir auch noch, dass beide Bücher genau gleich beginnen. Mit Großvaters Satz: Lommer jonn.

  • Ich fand diesen Brief sehr bezeichnet in dem die Eltern sich beim Lehrer beschweren.


    Aber irgendwie waren die Mutter und die Oma zu edel, das mit der geschichte von dem Polen , war mir ein bisschen zu aufgesetzt.

  • Als Kind der 50er Jahre bin ich für diese Nazi Debatte zu jung. Aber selbst Ende der 60er war es nicht viel besser und aus meiner eigenen Ausbildung weiß ich, wie schwer es Fritz Bauer, der als Generalstaatsanwalt auch im Buch erwähnt wird, mit seinen Bemühungen um Aufklärung hatte.


    Ich komme nur langsam voran. Ich krame zwischendurch in meinem eigenen alten Zeug.


    Ehrlich gesagt habe ich mich gewundert, dass Hilla den Vater überhaupt um Geld gebeten hat.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Als Kind der 50er Jahre bin ich für diese Nazi Debatte zu jung. Aber selbst Ende der 60er war es nicht viel besser und aus meiner eigenen Ausbildung weiß ich, wie schwer es Fritz Bauer, der als Generalstaatsanwalt auch im Buch erwähnt wird, mit seinen Bemühungen um Aufklärung hatte.


    Ich komme nur langsam voran. Ich krame zwischendurch in meinem eigenen alten Zeug.


    Ehrlich gesagt habe ich mich gewundert, dass Hilla den Vater überhaupt um Geld gebeten hat.


    Danke für deine Aufklärung der Zahnspangengeschichte. :wave
    Ich denke auch, dass man vieles viel besser verstehen würde, wenn man das Vorbuch kennt, bare ich habe es leider nicht geschafft, es vorher zu lesen.


    Ich kann mir nur verstandesmäßig eine Vorstellung machen, wie es gewesen sein muss für die, die in der Nazizeit erwachsen waren. Fragen kann ich niemand mehr, denn die Großeltern sind lange tot. ich habe sie viel gefragt als Kind, aber es waren eben Kinderfragen und auch Kindergeschichten, die uns erzählt wurden. Jetzt würde man ganz andere Dinge fragen...

  • Zitat

    Original von Clare
    Ich weiß zwar immer noch nicht, ob ich richtig in den Abschnitten bin, weil ich nicht weiß, wo sie enden (eBook, andere Seitenzahl), und ich bin noch nicht ganz durch diesen Abschnitt, denke ich, aber ich will schon mal ein paar Eindrücke posten, damit ich nichts vergesse.
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    Das Problem habe ich auch, da ich die gebundene Ausgabe lese. Ich hoffe, "meine" Einteilung stimmt einigermaßen.


    Zitat

    Original von Clare
    In gewisser Weise kommt Hilla mir in vielen Dingen vor wie ein unbeschriebenes Blatt. Und da sitzt sie mit offenem Herzen im Theater und hört den Lohengrin. Das muss für ihre verkümmerten Sinne wie eine Offenbarung gewesen sein, so tief wie ihre Eindrücke sind.
    Eigentlich ist das ein Parallelerlebnis zu den Naturmomenten, die sie bei der Arbeit mit Peter hatte.
    Sie blüht auf.
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    Das hast du sehr gut ausgedrückt, Clare. So empfinde ich Hilla auch.


    Zitat

    Original von Clare
    Und Phantasie hat das Mädel...Ich fand es köstlich, wie sie ihren Freundinnen von der erfundenen, aber gut recherchierten Ferienreise erzählte und von ihrem finnischen Freund. Ein bisschen traurig ist es auch irgendwie, aber da es sie selber nicht so zu belasten scheint, ist es in Ordnung.
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    Mir hängt noch nach, dass die "Gedankenreise" ein Ersatz für eine wirkliche Reise ist. Ich musste an dieser Stelle an meine Oma denken, die es sich erst im hohen Rentenalter leisten konnte, Busreisen zu unternehmen, weil sie sich zusammengewünscht hat. Das waren dann Ziele wie Eifel, Bayrischer Wald, Schwarzwald. Vor jeder Reise war sie so aufgeregt. Alle Ziele wurden vorher recherchiert und hinterher dokumentiert. Meiner Oma eröffnete sich eine Welt.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Wer weiß, was sie auf Erwachsenenfragen antworten würden? Mir geht es genauso. Meine Eltern sind 1934 geboren, waren also auch Kinder in der Kriegszeit.
    Meine Schwiegermutter konnte einiges erzählen, wenn sie wollte - sie war deutlich älter und hat den 2. Weltkrieg als erwachsene Frau erlebt.


    Mein Opa ist 2000 im Alter von 97 Jahren gestorben. Er brach kurz vor seinem Tod sein Schweigen und erzählte mir von seiner Beteiligung in dieser Zeit. Und von seiner Schuld. Ich denke nicht, dass er auch mit seinen Kindern darüber reden konnte oder wollte.
    Diese Gespräche sind mir sehr nachdrücklich im Gedächtnis.
    Über den Krieg und die Nazizeit wurde und wird in unserer Familie bie heute nicht gesprochen.


    Edit: Erstaunlich fand ich, dass Hillas Großmutter und Mutter Zivilcourage bewiesen und den jungen Mann versorgt und versteckt haben. Ich denke, Hilla war selbst überrascht. Das hätte ich den sonst so schicksalsergebenen Frauen gar nicht zugetraut.


    Übrigens schlägt mein Herz für den Deutschlehrer. Wie mutig, so eine Aufgabe zu stellen und die Familien damit zu zwingen, über das Dritte Reich zu sprechen!
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    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

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  • Zitat

    Original von Clare
    ...
    Dass aus ihr und Dirk etwas wird, glaube ich nicht. Bei Dirks Vater ist sie ja schon durchgefallen. Ich sage nur Zahnspange...
    Ich hoffe, wir erfahren noch irgendwann, wie es wirklich dazu kam, das Hillas Vater die Zahnspange zerbrochen hat. Es scheint so ein Schlüsselerlebnis für ihre Vater-Tochter-Beziehung gewesen zu sein.
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    Die zerbrochene Zahnspange steht symblisch für die zerbrochene Vater-Kind-Beziehung. Der Vater hat Hilla nicht nur mit dem Gürtel und dem Stöckchen traktiert, sondern auch gedemütigt und wenn man so will, ihre Seele gebrochen.


    Die Szene beim Zahnarzt fand ich köstlich. Während im Fernseher John F. Kennedy ermordert wird, bei Kaffee und Kuchen, hat der Zahnarzt nur Augen für Hillas Zähne. :grin

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Auch ich habe diesen Abschnitt durch - und sogar noch mehr. Für was die Feiertage und die Tage zwischen den Feiertagen so alles gut sind. Habe viel gelesen und nur wenig gepostet.


    Egal bei was, ob bei der Suche nach Problemlösungen oder bei der Aufarbeitung der deutschen Geschichte in der Schule. Hillas Vater wird selten oder gar nicht mit einbezogen - dies ist bestimmt dem schlechten Verhältnis zwischen Hilla und ihrem Vater geschuldet.


    Interessant finde ich auch die Neuerungen die hier erwähnt werden, z. B. der erste Supermarkt im Dorf. So etwas können wir uns heute gar nicht mehr vorstellen, dass es keinen Supermarkt geben würde.


    Viele Grüße
    :wave

  • Was ich mich manchmal gefragt habe ist, ob der Vater sich mehr um Hillas Bruder gekümmert hat. Es scheint ja nicht so.


    In "meinem" Dorf gab es auch erst einen Selbstbedienungsladen, als ich etwa neun war. Vorher gab es Bäcker, Metzger und einen Milchladen, wo man mit einer Blechkanne hinging und es alles lose zu kaufen gab.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Was ich mich manchmal gefragt habe ist, ob der Vater sich mehr um Hillas Bruder gekümmert hat. Es scheint ja nicht so.
    ...


    Ich denke auch nicht. Immerhin scheint er es besser weggesteckt zu haben, aber was weiß man schon. So viel erfahren wir ja nicht über ihn. Er ist für Hilla da, aber, Moment, in welchem Abschnitt sind wir, kennt er sie wirklich? Mir schien ihre Beziehung auf einer Kindheitsstufe stehen geblieben zu sein.