'Ein Mann will nach oben' - Seiten 289 - 373 (Ende Kap. 94)

  • 69 - 74
    Hier taucht ein Spinnennetz als Symbol für Karls Leben auf.


    Wieder einer, der Karl "Sohn" nennt, Dumala. Und ausgerechnet der erinnert Karl an von Senden. Will uns Fallada damit was sagen? Wo sind da die Parallelen? Ich komme noch nicht darauf. Wäre von Senden auch so ein Spinnennetz gewesen, in das sich Karl verstrickt hätte, wenn er sich auf ihn eingelassen hätte? Oder will uns der Autor auf etwas vorbereiten, was noch kommen wird?


    Wo ist er da nur hinein geraten? Jetzt steckt er fest. Kann er sich jetzt einfach so verabschieden? Er denkt aber nicht einmal darüber nach.
    Dabei wollte Karl doch mit Anstand durchkommen. Jetzt ist er ein Abenteurer geworden. Oder war er das schon immer? Allerdings ist er nicht sein eigener Herr, worauf er doch immer Wert gelegt hat. Er hat zu tun, was man ihm sagt.
    Er hatte geglaubt, mit Rieke eine Heimat zu erheiraten, doch jetzt fühlt er sich weder in Berlin noch bei Rieke zu Hause.


    Karl trifft auf Kalubrigkeit auf der Flucht, so ein Zufall, und dann noch auf dem Umweg über die junge Dame. Die spielt sicher noch eine Rolle. Das wirkt auf mich sehr konstruiert.


    Im letzten Absatz von Kap. 74 ist von einer Kette die Rede, von der Karl nie wieder frei kommt.
    Welche Kette? Ist da sein Ehrgeiz gemeint?


  • Die Parallelen sind für mich, dass beide Männer schwer einzuschätzen sind und zu Karl "mein Sohn" sagen. Den ganzen Dumala-Strang hätte es meiner Meinung nach nicht gebraucht, wohingegen ich für Herrn von Senden manchmal Sympathie hege.
    Dieses "Weder in Berlin noch bei Rieke-Sich zu Hause-Fühlen" ist meines Erachtens der Grund, weshalb Karl (sich möglicherweise dessen gar nicht so recht bewusst) sich auf Abenteuer und Abhängigkeit einlässt.
    Hinsichtlich des Konstruiertwirkens stimme ich Dir zu.
    Was die Kette angeht, denke ich im ersten Moment an die Kette der Ereignisse, die durch seinen Ehrgeiz in Gang gesetzt wurden. In diesem speziellen Zusammenhang denke ich aber eher an die Abhängigkeit, durch die Karl sich angekettet fühlt - an Rieke durch deren Liebe, sein Verantwortungsgefühl, seinen Anspruch an sich selbst hinsichtlich der Ehe, und an Kalli, weil er sich an diesen finanziell gebunden fühlt, dieser zur Abwechslung einmal der Hauptverdiener und sozusagen das Haupt der drei ist.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Dieses "Weder in Berlin noch bei Rieke-Sich zu Hause-Fühlen" ist meines Erachtens der Grund, weshalb Karl (sich möglicherweise dessen gar nicht so recht bewusst) sich auf Abenteuer und Abhängigkeit einlässt.


    Es ist eine Flucht, denke ich.

    Zitat

    Original von maikaefer
    Was die Kette angeht, denke ich im ersten Moment an die Kette der Ereignisse, die durch seinen Ehrgeiz in Gang gesetzt wurden. In diesem speziellen Zusammenhang denke ich aber eher an die Abhängigkeit, durch die Karl sich angekettet fühlt - an Rieke durch deren Liebe, sein Verantwortungsgefühl, seinen Anspruch an sich selbst hinsichtlich der Ehe, und an Kalli, weil er sich an diesen finanziell gebunden fühlt, dieser zur Abwechslung einmal der Hauptverdiener und sozusagen das Haupt der drei ist.


    Mich hat dieses "nie wieder" irritiert. Aber vielleicht ist das einfach sein Gefühl, Ausdruck seiner Verzweiflung, Ausweglosigkeit.

  • Zitat

    Original von made
    Wieder einer, der Karl "Sohn" nennt, Dumala. Und ausgerechnet der erinnert Karl an von Senden. Will uns Fallada damit was sagen? Wo sind da die Parallelen? Ich komme noch nicht darauf. Wäre von Senden auch so ein Spinnennetz gewesen, in das sich Karl verstrickt hätte, wenn er sich auf ihn eingelassen hätte? Oder will uns der Autor auf etwas vorbereiten, was noch kommen wird?


    So ganz sehe ich die Parallelen nicht. Von Senden ist ein Fürsprecher und eine Vaterfigur. Dumala nur ein Verbrecher, mit dem sich Karl dummerweise einlässt. Dass beide ihn Sohn nennen, ist für mich ohne Bedeutung und lediglich dem Altersunterschied geschuldet.



    Zitat

    Original von made
    Wo ist er da nur hinein geraten? Jetzt steckt er fest. Kann er sich jetzt einfach so verabschieden? Er denkt aber nicht einmal darüber nach.
    Dabei wollte Karl doch mit Anstand durchkommen. Jetzt ist er ein Abenteurer geworden. Oder war er das schon immer? Allerdings ist er nicht sein eigener Herr, worauf er doch immer Wert gelegt hat. Er hat zu tun, was man ihm sagt.


    Sind das Kriegsauswirkungen? Vorher alles anständig und nun gewissenlos und verroht? Ich war über diese Episode auch sehr überrascht.



    Zitat

    Original von made
    Karl trifft auf Kalubrigkeit auf der Flucht, so ein Zufall, und dann noch auf dem Umweg über die junge Dame. Die spielt sicher noch eine Rolle. Das wirkt auf mich sehr konstruiert.


    Solche Zufälle stören mich auch immer. Berlin hatte damals 3 Millionen Einwohner, aber Karl trifft immer auf die gleichen. Und von Senden ist dann auch noch mit Gollmer verwandt. Ganz schön viele Zufälle, aber für die Geschichte natürlich auch praktisch.



    Zitat

    Original von made
    Im letzten Absatz von Kap. 74 ist von einer Kette die Rede, von der Karl nie wieder frei kommt.
    Welche Kette? Ist da sein Ehrgeiz gemeint?


    Er meint wohl, dass seine Ehe bzw. seine Herkunft irgendwie für ihn wie ein Klotz am Bein ist. Er denkt, er kann nicht so, wie er gerne möchte. Er erklärt sich ja auch nicht gerne. Was das Familiäre anbelangt, ist er ein kleiner Schmarotzer bzw. der typische damalige Macho.

  • Karl wird immer mehr zu seinem ... Arsch. Sein Verhalten Rieke gegenüber ist furchtbar. Allerdings hätte Rieke ihm auch schon viel früher mal die Meinung sagen können. Wo ist die resolute Person aus ihrem ersten Auftritt hin? Mit 14 hatte sie mir besser gefallen. Da hat sie sich auch von Erwachsenen nichts gefallen gelassen und jeden mit ihrem frechen Mundwerk herrlich entwaffnet. Mit Karl klappte das früher auch, heute leider nicht mehr.


    Und jetzt lässt er sich auch noch mit diesem Tischendorf ein. Was er macht, macht er falsch. Fast unverständlich, dass er mal wirtschaftlichen Erfolg hatte. Allerdings hatte er da ja auch schon leichtfertig dämliche Verträge unterschrieben. Tischendorf hat ihn bestimmt betrogen und das viele Papiergeld ist nun weg. Das heißt, er wird mit Engelbrecht nun wohl auch aneinander geraten.


    Viel versprechend ist die nächste Überschrift: "Kalli Flau bittet und fordert". Ich bin gespannt.



    Edit:
    Was mir sehr gut gefällt, ist die Darstellung der damaligen wirtschaftlichen Situation. Es wird deutlich, warum sowas wie die Nazizeit möglich war. Das Land lag am Boden und war offen für vermeintliche Heilsbringer.

  • Zitat

    Original von xexos
    Karl wird immer mehr zu seinem ... Arsch. Sein Verhalten Rieke gegenüber ist furchtbar. Allerdings hätte Rieke ihm auch schon viel früher mal die Meinung sagen können. Wo ist die resolute Person aus ihrem ersten Auftritt hin? Mit 14 hatte sie mir besser gefallen. Da hat sie sich auch von Erwachsenen nichts gefallen gelassen und jeden mit ihrem frechen Mundwerk herrlich entwaffnet. Mit Karl klappte das früher auch, heute leider nicht mehr.


    Rieke hat schon von Anfang an Karl geglaubt. Hat sie ihn schon jemals in die Schranken gewiesen? Sie wusste schon lange, dass er sich nicht anpassen würde. Dass es früher mit den zwei geklappt, hat doch eher daran gelegen, dass Karl sich verändert hat.

    Zitat

    Original von xexos
    Und jetzt lässt er sich auch noch mit diesem Tischendorf ein. Was er macht, macht er falsch. Fast unverständlich, dass er mal wirtschaftlichen Erfolg hatte. Allerdings hatte er da ja auch schon leichtfertig dämliche Verträge unterschrieben. Tischendorf hat ihn bestimmt betrogen und das viele Papiergeld ist nun weg. Das heißt, er wird mit Engelbrecht nun wohl auch aneinander geraten.


    Karl hat mit Sicherheit dazugelernt, jetzt ist er allerdings risikobereiter als früher. Es war ihm klar, dass das schief gehen könnte.

  • Rieke erscheint mir resigniert und desillusioniert. Ich denke, sie ist durch den Krieg und seine Folgen ebenfalls arg beeinträchtigt. Die Rückkehr Karls hat sie für eine Zeitlang aus ihrer Lethargie gerissen. Nachdem der sich aber so schwer wieder zurechtfindet und ihr dann ganz entgleitet, hat sie auch keinen Grund mehr, etwas zu verändern.


    Ich sehe zwischen von Senden und Dumala auch keinen Zusammenhang. Dumala ist nichts als im besten Falle eine zwielichtige Gestalt, tatsächlich aber nur ein Verbrecher, der die Nachkriegswirren zu seinem persönlichen Vorteil nutzt - und zum Vorteil seiner Gesinnungsgenossen.
    Vergessen darf man aber auch nicht, dass die Waffenstillstandsbedingungen nach dem ersten Weltkrieg wirklich grausam waren.
    Deutschland wurde die Alleinschuld am Krieg gegeben und wurde ausgepresst, ohne Rücksicht auf die notleidende Bevölkerung.
    Da war es klar, dass es Widerstand gab und Versuche, die Reparationsleistungen zu unterlaufen.

  • Oh, Überraschung. Dumala ist ja doch kein Verbrecher, sondern Polizist mit Doppelleben. Das war schon eine seltsame Zeit, die ca. 20 Jahre zwischen den Weltkriegen. Alles wirr und nichts ist so wie es scheint.


    Karl gibt seine Vergangenheit ein zweites Mal auf. Nun sind Rieke und Kalli vergessen. Rieke ist wohl über die Zeit mit Karl depressiv geworden. Nichts war gut genug, was sie gemacht hat. Nie hat sie auch nur ein Fitzelchen an Aufmerksamkeit erhalten, die sie sich so sehr gewünscht hat. An der Stelle kommt mir immer ein schöner Satz vom kleinen Prinzen in Erinnerung: Man ist für das verantwortlich, was man sich gezähmt hat. Karl kommt dieser Verantwortung nicht nach. Der Unterschied wurde ja auch schon in der Szene mit der zukünftigen Wohnung deutlich: Karl träumt von der Villa im Grunewald und Rieke nur von Gemeinsamkeit, egal wo.


    Aber Karl fällt immer wieder auf die Füße. Mittlerweile hat er auch keine Bedenken mehr, Hilfe von anderen anzunehmen. Geld hatte ihm von Senden auch schon 1910 angeboten. Damals hat er es abgelehnt, heute nimmt er von ihm gerne 30.000 Rentenmark.


    Der fünfte Teil ist ja mit "Hertha Siebrecht" überschrieben. Karl wird also wohl noch einmal heiraten. Meine Prognose ist, dass das auch nicht halten wird. Hertha ist ihm ebenbürtig. Irgendwann wird ihm das wieder wie ein Käfig vorkommen und er wird auch wieder aus diesem ausbrechen. Ich bin gespannt, ob es wirklich so kommt.

  • Zitat

    Original von xexos
    Oh, Überraschung. Dumala ist ja doch kein Verbrecher, sondern Polizist mit Doppelleben. Das war schon eine seltsame Zeit, die ca. 20 Jahre zwischen den Weltkriegen. Alles wirr und nichts ist so wie es scheint.


    An dieser Stelle hatte ich Verständnisschwierigkeiten. Mein erster Gedanke war, wie du sagst, Dumala führte ein Doppelleben. Doch fragte ich mich, ob es nicht eher so zu verstehen ist, dass er nach der Währungsreform bei der Polizei untergekommen ist. Aber bei seinem Vorleben eher unwahrscheinlich.


    Zitat

    Original von xexos
    Der fünfte Teil ist ja mit "Hertha Siebrecht" überschrieben. Karl wird also wohl noch einmal heiraten. Meine Prognose ist, dass das auch nicht halten wird. Hertha ist ihm ebenbürtig. Irgendwann wird ihm das wieder wie ein Käfig vorkommen und er wird auch wieder aus diesem ausbrechen. Ich bin gespannt, ob es wirklich so kommt.


    Ich habe keine Ahnung, was passieren müsste, damit aus Karl noch ein brauchbarer Ehemann und Familienvater wird.
    Warum ist Rieke eigentlich nicht schwanger geworden? Wollten sie keine Kinder? Irgendwie verständlich.

  • Kap. 80 - 85


    Karl gewinnt die Wette gegen Engelbrecht. Dessen Verhalten sollte ihn vorsichtig machen, der hat eine Spielernatur.


    Diese Denke kann ich nicht nachvollziehen: Er will Dumala und die Kameraden nicht im Stich lassen. Ausgerechnet da will er seine Ichsucht überwinden, nicht bei Rieke.
    Jetzt wo er beruflich endlich neu anfangen kann, lässt er sich wieder zu so riskanten Aktionen überreden. Ist das womöglich ein Überbleibsel aus dem Krieg, wo Zusammenhalt unter den Kameraden überlebenswichtig war?


    Ist es noch ein Traum oder Besessenheit? Wieso meint er, er müsse nun ernsthaft anfangen, ein Stück seines Traums in Wirklichkeit umzusetzen? Hat er das nicht die ganzen Jahre getan? Für den Traum könne niemand etwas, aber für die Art, wie er ihn pflegt.
    "Ich kann doch nicht! sagte er sich. So werde ich doch auch nicht frei." :gruebel


    Rieke ist auch unverbesserlich. Ist das noch Liebe oder Abhängigkeit? Also ihr Verhalten war mir fast unheimlich. Hier kann ich Karl sogar ein bisschen verstehen, dass er abgehauen ist. Jetzt gab es keine andere Lösung mehr. Aus allem andere hätte sie Hoffnungen gezogen. Rieke muss endlich mit ihm abschließen.


    edit:
    Hat Karl vielleicht mit "ernsthaft" gemeint: nicht mehr alles alleine schaffen wollen?
    Vielleicht sieht er das jetzt als Erwachsener sogar als pubertäres Trotzverhalten an, mit dem endlich Schluss sein müsse.


    Kap. 86 - 94


    Hier ist mir Karl sogar ein klein wenig sympathisch: Er hat Nostalgiegefühle. Er will die gelbe Farbe der Lastwagen unbedingt behalten in Erinnerung an frühere Zeiten.


    Was ist die Motivation von Hertha Eich? Liebe? Dass sie ihm das so offen gesteht, ist erstaunlich.
    Ist es das neue Selbstbewusstsein der Frauen in dieser Zeit? Seit ein paar Jahren haben sie Wahlrecht.

  • Zitat

    Original von made
    Rieke ist auch unverbesserlich. Ist das noch Liebe oder Abhängigkeit? Also ihr Verhalten war mir fast unheimlich. Hier kann ich Karl sogar ein bisschen verstehen, dass er abgehauen ist. Jetzt gab es keine andere Lösung mehr. Aus allem andere hätte sie Hoffnungen gezogen. Rieke muss endlich mit ihm abschließen.


    Für mich ist Rieke eindeutig depressiv. Ihr ganzes Leben, ihr ganzer Fokus hat sich komplett auf Karl verengt. Sie hat sich von seiner Gunst abhängig gemacht. Sie hat sich die Ehe mit ihm zu sehr gewünscht und ist darüber abhängig geworden. Das könnten auch die Fesseln bzw. die Kette sein, die Karl meint zu spüren.



    Zitat

    Original von made
    Was ist die Motivation von Hertha Eich? Liebe? Dass sie ihm das so offen gesteht, ist erstaunlich.
    Ist es das neue Selbstbewusstsein der Frauen in dieser Zeit? Seit ein paar Jahren haben sie Wahlrecht.


    Sie ist auch selbständig, da sie reich ist. Und sie ist die weibliche Kopie ihres Vaters. Das Wahlrecht hat sich bei ihr wohl noch nicht ausgewirkt. Das sie Angst vor Bindung hat habe ich mir damit erklärt, dass eventuell die Ehe ihrer Eltern nicht richtig funktioniert. Vielleicht ist dies auch nur ein kaltes, oberflächliches Nebeneinander ohne Liebe?

  • Zitat

    Original von xexos
    Für mich ist Rieke eindeutig depressiv. Ihr ganzes Leben, ihr ganzer Fokus hat sich komplett auf Karl verengt. Sie hat sich von seiner Gunst abhängig gemacht. Sie hat sich die Ehe mit ihm zu sehr gewünscht und ist darüber abhängig geworden. Das könnten auch die Fesseln bzw. die Kette sein, die Karl meint zu spüren.


    Ja, vielleicht sind das die Fesseln. Die, mit denen Rieke sich an ihn bindet.


    Eigentlich kein Wunder, wenn Rieke depressiv geworden ist. Sie hat schon sehr früh für andere Verantwortung übernommen und doch fast immer nur gegeben, selten etwas bekommen, am wenigsten von dem, von dem sie es wollte.

    Zitat

    Original von xexos


    Sie ist auch selbständig, da sie reich ist. Und sie ist die weibliche Kopie ihres Vaters. Das Wahlrecht hat sich bei ihr wohl noch nicht ausgewirkt. Das sie Angst vor Bindung hat habe ich mir damit erklärt, dass eventuell die Ehe ihrer Eltern nicht richtig funktioniert. Vielleicht ist dies auch nur ein kaltes, oberflächliches Nebeneinander ohne Liebe?


    Oder Liebe gegenüber etwas ganz anderem, was sie aber auf Karl projiziert. Mal schauen, was der letzte Abschnitt bringt.

  • Zitat

    Original von made
    Eigentlich kein Wunder, wenn Rieke depressiv geworden ist. Sie hat schon sehr früh für andere Verantwortung übernommen und doch fast immer nur gegeben, selten etwas bekommen, am wenigsten von dem, von dem sie es wollte.


    ... und ist von Karl auch noch permanent kritisiert und damit als falsch und wertlos dargestellt worden. Egal, was sie machte, von Karl bekam sie kein Interesse und keine Aufmerksamkeit.

  • Wenn ich daran denke, dass sie noch ganz zu Anfang gesagt hat, dass sie nichts mit Männern anfangen will! Und dann hängt sie sich so an Karl!
    Vermutlich hat sie irgendwann, als sie mit ihrer Kraft am Ende war, auf Karl ihre blinde Hoffnung auf ein besseres Leben gesetzt. Ihm hat sie ja so viel zugetraut. Und Karl war ja auch der erste, der ihr doch ganz zu Anfang Wärme schenkte. (Ich denke an die Szene in der Baubude, meine Lieblingsstelle in dem Buch.)

  • Ich denke eher, bei Rieke hatte das mit ihrer Kindheit zu tun. Die Mutter früh verloren und danach immer nur Pflichten. Für sie zeigt sich Liebe in Fürsorge. Sie kann gar nicht anders.
    Erwartet hat sie nie etwas - von wem auch? Dem Vater oder der kleinen Schwester? Die hatten beide nicht viel zu geben. Der eine Alkoholiker und die Schwester selber noch klein und bedürftig.
    Karl braucht eher eine Frau, die ihm auch mal Kontra gibt. Die ihn auch mal zappeln lässt. Für ihn ist es gar nicht gut, wenn jemand immer für seine Wünsche da ist.


    Ich hatte es auch so verstanden, dass Dumala schon ein Verbrecher war, aber wegen seiner Kontakte zu den richtigen Leuten doch bei der Polizei unterschlüpfen konnte.

  • Ein besseres Leben brauchte sie gar nicht, sie war in ihrer Welt eigentlich zufrieden. Karl hat dann aber gezeigt, dass ihre Welt nicht ausreicht und ihr damit die Anerkennung versagt und ihr so ein bisschen den Boden weggezogen. Nicht mal richtig sprechen und essen kann sie. Für Rieke wäre es besser gewesen, wenn sie Karl gar nicht erst kennengelernt hätte. Sie wäre in ihrer Welt geblieben und darin dann zufrieden. Durch Karl bekam sie dann aber das Gefühl, dass ihre Welt minderwertig ist.

  • Ja genau, darauf hat sie gehofft. Karl ist aber nie zufrieden, er will nach oben. Das ist ja genau das, was die drei (auch Kalli) trennt. Rieke und Kalli wollen leben, Karl strebt nach Anerkennung. Anerkennung, die er in seinem Heimatdorf nie bekommen hat und die ihm auch bei seiner kurzen Rückkehr dorthin versagt blieb.

  • Ihr bringt auf den Punkt, was mir an diesem Buch so gut gefällt: Das wirklich komplexe Verhältnis Karl - Rieke vor dem wirtschaftlichen Hintergrund, welcher für die Nazis eine Steilvorlage darstellte.
    Allerdings weiß ich nicht, ob hier die Anwendung der Prinzen-Weisheit Karl gegenüber wirklich fair ist. Rieke geht ja selbst auf Kalli los, als er warnt bzw. Kritik übt. Sie macht deutlich, dass Karl sie ruhig verletzen darf, solange er nur bei ihr bleibt. Das war mehr als Zähmung, das war Abhängigkeit. Ich finde es schwer, in "gut" und "böse" einzuteilen, mir tun sie alle leid. :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)