Griechenland

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    Original von beowulf
    Meiner Ansicht nach besteht das Problem darin, dass die Griechen als Volk kein positives Verhältnis zu ihrem Staat haben.


    Da will ich nicht widersprechen. Hier muss man die Ursachen in der Vergangenheit suchen.
    Rumpelstilzchens Link zum Thema Klientelismus erklärt da einiges.
    Griechenland war schon seit der Eroberung durch die Römer in der Antike fremdbestimmt. Kein Wunder, dass man die Steuereintreiber als Feind sah. Die Fremdbeherrschung ging bis in die Neuzeit bis zum Ende der Militärdiktatur 1973. Bis dahin hatten die Griechen keinen Einfluss auf die Verwendung der Steuern. Oft genug entstand wohl ein Gefühl, dass sie bestohlen wurden. Als Folge davon versuchte natürlich jeder so gut es ging, Steuern zu vermeiden. Man half sich gegenseitig dabei.
    Darin liegt wohl der Grund, dass zwei Generationen später der Staat immer noch als Feind angesehen wird, der einem das Geld wegnimmt.

  • made - wenn man diese Geschichte in Südosteuropa (Griechenland ist da nicht allein, Bulgarien ist in etwas die gleiche Entwicklung und auch da werden die Augen fest verschlossen) ein wenig auf dem Schirm hat, versteht man die für uns oft völlig seltsamen Äußerungen vieler Menschen in Griechenland besser.


    Interessant fand ich die Idee der Portugiesen: Lotterie


    Das habe ich zufällig im Radio gehört und ich suche gerade, ob ich was aktuelles dazu finde, ob es wirklich funktioniert.

  • Zitat


    Schon seltsam, wenn gleich auf der ersten Seite von "Eigenverantwortung der griechischen Regierung" gesprochen wird. Dann folgen freundliche Formulierungen wie "Straffung des Mehrwertsteuersystems", "Verbesserung der langfristigen Tragfähigkeit des Rentensystems", "ehrgeizige Reformen", "Arbeitsmarktpolitik an bewährte internationale und europäische Verfahren angepasst werden".

  • Zitat

    Original von made
    Wann macht Europa endlich seine Hausaufgaben und sorgt dafür, dass so eine Bankenkrise nicht wieder möglich ist? Die war es ja schließlich, die die prekäre Schuldensituation in Griechenland, die übrigens bis 2008 die EU nicht störte, dann zum explodieren brachte.


    Also die Regularien zur Verhinderung einer neuerlichen Bankenkrise werden bereits seit 2008 immer weiter extrem verschärft. Das aber die Bankenkrise die Staaten und Steuerzahler gefährdet haben, ist eins von diesen schönen populären Irrtümern. Die Krise kam eigentlich aus einer riesigen Immobilienblase in den USA. Dazu kamen marode Staatshaushalte, wieder in den USA und in vielen Ländern Europas (sogenannte PIIGS-Staaten: Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien). Hat sich schon einer mal die Mühe gemacht zu überlegen, warum eine Bank in eine Krise geraten kann? Doch wohl am ehesten, wenn die Kredite, die die Bank vergeben hat, nicht zurückgezahlt werden. Und wer ist daran schuld? Etwa der Kreditgeber oder viel eher der Kreditnehmer?


    Die gleiche Frage lässt sich nun bei Griechenland stellen. Deutschland hat Griechenland knapp 70 Milliarden Euro gegeben. Lassen wir nun einen Schuldenschnitt zu, gefährden wir damit deutsche Unternehmen, da die ihre Rechnungen nicht bezahlt bekommen. Springt der Staat wieder ein, zahlen es die deutschen Steuerzahler. Die EU will nun wieder knapp 90 Milliarden an Griechenland zahlen, damit dieser wirtschaftlich desolate Staat weiterleben kann. Das hierbei Bedingungen gestellt werden, ist doch nachvollziehbar. Wer von uns gibt denn seinem Nachbarn einfach mal so Geld oder verleiht etwas ohne dies an Bedingungen - zumindest hinsichtlich der pünktlichen Rückgabe - zu stellen?

  • Ich weiß, dass die Bankenkrise aus der Immobilienblase in den USA und der maroden Haushalte entstanden ist. Aber man kann die Schuld an der Immobilienblase nicht nur den Kreditnehmern geben.


    Außerdem sehe ich es natürlich ein, dass man als Geldgeber Bedingungen stellt.
    Allerdings fürchte ich, dass Griechenland diese Bedingungen nicht erfüllen kann.

  • Finanzkrise: Ein hohes Maß der Verantwortung hatte auch die US-Notenbank mit ihrer expansiven Geldpolitik. Die wollten damals halt der maroden US-Wirtschaft wieder auf die Füße helfen, die u. a. nach dem Dotcom-Hype zusammengebrochen war. Und die Eropäer waren leider so blöd und haben alles Amerikanische verklärt und falsch eingeschätzt. So schwappte der US-Mist zu uns herüber.



    Griechenland: Die Kredite laufen ewig lang. Humanitäre Hilfe wurde immer zugesichert. Wie soll es sonst laufen als über extreme Reformen. Schröders Agenda 2010 war auch keine Kuschelpolitik, sondern hat sehr vielen ordentlich weh getan. Ja, der Sozialstaat ist an vielen Stellen aufgebrochen und zerstört worden. Aber wie soll es sonst gehen als über gravierende Einschnitte? "Weiter so" ist sicher nicht die richtige Taktik. Auch in Deutschland schaffen wir es ja nicht, den Lobbyismus zu reduzieren. Auch hier machen wir oft eine Klientelpolitik und der Länderfinanzausgleich funktioniert auch eher schlecht als recht. Griechenlands Problem ist vor allem, dass kaum etwas produziert wird. Nachhaltiger Aufbau einer Industrie würde helfen, dauert aber ewig. Und letztlich verlagert man dann das Schuldenproblem lediglich in ein anderes Land, denn irgendwer wird immer einen Importüberschuss haben und diesen über Kredite finanzieren. Wohlstand für alle klingt schön, funktioniert aber leider nicht. Und die Welt schafft es nicht, diese Superreichen und supra-nationalen Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen und zu limitieren.

  • xexos, ich seh, wir sind uns fast einig. Reformen tun fast immer weh.

    Zitat

    Original von xexos
    Also die Regularien zur Verhinderung einer neuerlichen Bankenkrise werden bereits seit 2008 immer weiter extrem verschärft.


    Hast du diesbezüglich einen link? Ich find grad nix.

  • Kern von dem ganzen Zeug ist vor allem, dass die Banken mehr Eigenkapital haben, um Schieflagen und Ausfälle aus eigener Kraft überstehen zu können. Letztlich könnten sogar Fremdkapitalgeber (z. B. Sparkapital über 100 TEuro) zur Haftung herangezogen werden. Hier ist aber vieles noch in der Diskussion. Des Weiteren müssen Testamente bzw. Sanierungspläne aufgestellt werden, damit man sich immer weiter mit den Problembereichen der eigenen Geschäftsfelder auseinandersetzt und sich rechtzeitig bereits Handlungsoptionen für Krisenfälle überlegt.


    Es wurde schon des öfteren formuliert, dass die Regulierung fast zu einer Strangulierung der Banken mutiert. Auch diese haben nämlich eigentlich noch was anderes zu tun: Den Wirtschaftskreislauf mit Finanzprodukten zu versorgen.

  • Um den Dreh wieder zum eigentlichen Thema zu kriegen: Auch hier ist Griechenland ein Beispiel. Hier sind nämlich gerade die Banken an der Grenze der Funktionsfähigkeit, da sie kaum noch Liquidität haben. Brechen die Banken zusammen, funktioniert auch das einfachste Wirtschaftsleben nicht mehr. Wie soll man seine Einkäufe bezahlen, wenn das Bargeld dazu fehlt? Wer finanziert die Investitionen in den Geschäftsbetrieb eines Bäckers, einer Tankstelle, eines Restaurants usw.? Es entstehen riesige Dominoeffekte, deren Auswirkungen kaum abschätzbar sind.

  • Das Bargeldproblem ist das kleinere. Die Banken transferieren auch kein Geld mehr ins Ausland- wie soll also der Arbeitgeber seine Mitarbeiter bezahlen, wenn er keine Vorprodukte für seine Produktion mehr bezahlen kann und wenn er keine Gewinne macht, wovon zahlt es dann Steuern und seine Mitarbeiter?

  • Als ich heute von change.org eine Aufforderung für die Petition „Keine Hetze gegen Griechen“ bekam, ist mir denn doch der Kragen geplatzt.


    Am Dienstag war in der hiesigen Zeitung ein griechisches Plakat abgebildet. „Wanted. Dead or Alive ...“ Wolfgang Schäuble. Abgebildet ist der Budesfinanzminister als als Adolf Hitler und expressis verbis als Nazi-Verbrecher bezeichnet.


    In der heutigen Ausgabe beschwert sich die derzeitige griechische Parlamentspräsidentin über den „Missbrauch der Pressefreiheit durch reaktionäre Journalisten“. Diese hatten die Frechheit besessen zu berichten, daß die Mutter eben jener Parlamentspräsidentin bis zum Jahr 2013 Kindergeld für sie bezogen hatte. Da war „das Kind“ immerhin schon 36 Jahre alt.


    Die Schulden Griechenlands ließ sie von einem „Wahrheitskommitee“ als „anrüchig und illegal“ bezeichnen, weshalb sie nicht zurückzuzahlen seien.


    Vor einiger Zeit ebenfalls in der hiesigen Zeitung ein Artikel, in dem es hieß, die Schweiz habe der Regierung Tsipras Amtshilfe in Steuersachen und Herausgabe der entsprechenden Daten und Unterlagen angeboten, Griechenland müsse sie nur anfordern. Nur daß die Regierung Tsipras niemals einen Finger krumm gemacht hat, um diese Unterlagen zu bekommen und so die Steuerflüchtlinge zu finden. (Es sei denn, das wäre die etzten Tage geschehen. Aber davon habe ich nichts gelesen.) Eigentlich kein Wunder, wenn man daran denkt, daß z. B. Herr Varoufakis (ebenfalls lt. hiesiger Zeitung) in einem der vornehmsten und teuersten Viertel Athens sein Haus hat.


    Warum sollte man in dieses Faß ohne Boden auch nur noch einen Cent stecken? Es besteht doch offenbar überhaupt kein Wille, auf einen besseren Weg zu kommen.


    Warum wundert man sich über entsprechende anti-europäische Bewegungen in verschiedenen EU-Ländern?


    Als der Euro eingeführt wurde, war ich im Familien- wie Bekanntenkreis alleine auf weiter Flur mit meiner Befürwortung. Ich hielt das damals für eine gute und richtige Sache, und hatte zeitweise sogar einen Europafahnen-Aufkleber auf dem Auto. Leider lag ich völlig falsch. Die Einführung des Euro war so ziemlich die falscheste und übelste Sache der letzten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Die Kritiker hatten - leider - völlig recht. Es gibt keine Schuldengemeinschaft, hieß es damals.


    Jetzt gibt es sie doch, und wir (und einige andere Länder) „dürfen“ das ausbaden. Nicht nur die Griechen haben beim Eintritt in den Euro schlicht gelogen, "unsere" Politiker haben ihre Versprechungen gebrochen.


    Ich bin auf die nächsten Wahlen gespannt, denn irgendwann wird sich das auch bei uns in den Wahlergebnissen niederschlagen. In anderen EU-Ländern tut es das ja schon.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von beowulf
    Das Bargeldproblem ist das kleinere.


    Trugschluss. Genau da beginnen die Kausalitätsketten.



    Zitat

    Original von SiCollier
    Die Einführung des Euro war so ziemlich die falscheste und übelste Sache der letzten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Die Kritiker hatten - leider - völlig recht.


    Also ich sehe den Euro und die Idee dahinter immer noch sehr positiv. Einigung Europas, nichts anderes ist die USA bzw. auch Deutschland: Ein Zusammenschluss ehemals selbständiger Länder. Föderalismus halt. Deutschland hat bislang dicke am Euro verdient. Ein Fehler war aber sicher die Geschwindigkeit der europäischen Einheit. Ich hätte einen Zusammenschluss in mehreren Tranchen und eine Konzentration auf Kerneuropa besser gefunden. Dazu fehlen noch ein paar Sanktionsmöglichkeiten im EU-Recht.



    Zitat

    Original von SiCollier
    Es gibt keine Schuldengemeinschaft, hieß es damals. Jetzt gibt es sie doch, und wir (und einige andere Länder) „dürfen“ das ausbaden. Nicht nur die Griechen haben beim Eintritt in den Euro schlicht gelogen, "unsere" Politiker haben ihre Versprechungen gebrochen.


    Es gibt bislang auch keine Schuldengemeinschaft. Und Probleme und Krisen gab und gibt es immer bei einzelnen Ländern (z. B. Schweden, Argentinien, Türkei). Deutschland badet derzeit gar nichts aus, sondern verdient. Aber nicht, weil andere unterdrückt werden, sondern weil Deutschland schon immer eine führende Industrienation war.



    Zitat

    Original von SiCollier
    Ich bin auf die nächsten Wahlen gespannt, denn irgendwann wird sich das auch bei uns in den Wahlergebnissen niederschlagen. In anderen EU-Ländern tut es das ja schon.


    Ja, leider. Das ganze Zeug ist auch hochkomplex und wird zu wenig verstanden. Deutschland würde es ohne deutsche und europäische Einheit sicher schlechter gehen.Wir sind vor allem ein Exportland und leben davon, dass die anderen unsere produzierten Waren kaufen. Mit dem Euro haben wir unsere Absatzmärkte erheblich erweitert. Der Euro hat mehr Chancen als Risiken. Die aktuelle Situation zeigt einfach nur, dass die Regelungen noch nachzubessern sind. Warum denn gleich das Kinde mit dem Bade ausschütten? Bei jeder Ehekrise folgt doch auch nicht gleich die Scheidung und die Verteufelung der Ehe.

  • Zitat

    Original von SiCollier


    Vor einiger Zeit ebenfalls in der hiesigen Zeitung ein Artikel, in dem es hieß, die Schweiz habe der Regierung Tsipras Amtshilfe in Steuersachen und Herausgabe der entsprechenden Daten und Unterlagen angeboten, Griechenland müsse sie nur anfordern. Nur daß die Regierung Tsipras niemals einen Finger krumm gemacht hat, um diese Unterlagen zu bekommen und so die Steuerflüchtlinge zu finden. (Es sei denn, das wäre die etzten Tage geschehen. Aber davon habe ich nichts gelesen.) Eigentlich kein Wunder, wenn man daran denkt, daß z. B. Herr Varoufakis (ebenfalls lt. hiesiger Zeitung) in einem der vornehmsten und teuersten Viertel Athens sein Haus hat.


    Seit März laufen Verhandlungen zwischen Griechenland und der Schweiz.


    siehe Neue Zürcher Zeitung:

  • Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass alleine in Einsparungen das Heil für Griechenland liegt.
    Deshalb finde ich es so bitter, dass die Regierung jetzt auf die Unterstützung derjenigen alten Parteien angewiesen ist, die den Schlamassel angerichtet haben. Die haben mit Sicherheit an umfassenden Reformen kein Interesse.

  • Zur medizinischen Situation in Griechenland, Prof. Dr. Athanassios Giannis:
    https://www.'youtube'.com/watch?v=eXhiHyND1fw


    Medikamentennothilfe für Griechenland:
    https://www.'youtube'.com/watch?v=9Ltc0EzcOos

    In der Schule fragten die Lehrer mich, was ich später werden wolle. Ich antwortete: Glücklich. Die Lehrer sagten, ich verstünde die Frage nicht. Ich sagte, sie verstünden das Leben nicht.


    John Lennon




    Test-Webseite für Bücher weit abseits des Mainstreams:

    aufwachen.bplaced.net

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