'Erkenne die Welt' - Seiten 408 - 474 (Philosophie des Mittelalters - Sinn und Zweck der Schöpfung)

  • Das „düstere Mittelalter“ ist erreicht. Aber hier fällt mir das Lesen dennoch leichter, weil einige Namen und Ereignisse eher bekannt sind, es sich also nicht um völlig neues Terrain handelt.


    Nachdem ich vor ein paar Tagen eine Kurzbiographie über den hl. Bernhard von Clairvaux gelesen habe, hätte ich gedacht, daß der hier mehr Aufmerksamkeit findet.


    Andererseits las sich dieser Abschnitt für mich so relativ glatt, daß ich eigentlich nicht weiß, was ich schreiben soll. An ein paar Stellen hatte ich, wie früher schon erwähnt, das Gefühl, daß der Autor eher antichristlich eingestellt ist. Aus heutiger Sicht kann ich auch Etliches in der Kirchen- bzw. hier Philosophiegeschichte nicht nachvollziehen, weil aus heutiger Sicht gesehen hätten die doch damals schon merken müssen, daß Einiges von dem, was sie dachten und taten, schlicht falsch war. Aber aus damaliger Sicht fanden die Menschen seinerzeit das wohl in Ordnung. Und ob wir heutige mit den Maßstäben einer Zeit, rund achthundert Jahre in die Zukunft weiter, gemessen und beurteilt werden wollen, sei dahingestellt.



    S. 422 fiel mir der Satz auf:
    Aus einer terroristischen Organisation ist eine Großmacht geworden und aus einem regionalen Glauben eine Weltreligion.



    Ansonsten warte ich einfach auf eure Kommentare der Stellen, die euch aufgefallen sind.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Na ja, er schreibt aus heutiger Sicht und lässt seine eigene Sicht mit einfließen. Das ist für mich vollkommen in Ordnung. Was sicher daran liegt, dass ich seine Ansichten hier teile.


    Ich habe mich beim Lesen öfter mal gefragt, wie die Welt wohl heue aussehen würde, hätte sich die Kirche als politische Macht nicht an religiösen Fanatikern wie Bernhard von Clairvaux, sondern an gemässigt und weltoffen eingestellten, obrigkeitskritischen Personen wie Abaelard orientiert hätte.


    Diesen Abschnitt fand ich ansonsten sehr gut zu lesen. Die Wiederentdeckung des Aristoteles und der daraus resultierende philosophische "Fortschritt", ein beginnendes Umdenken, die Versuche dies alles mit der christlichen Lehre zu vereinen, ist richtig spannend.

  • @ Saiya


    S. 447: Ob etwas gut oder schlecht ist, ist nicht einfach eine Frage der richtigen oder falschen Werte. So etwa gibt es keine „böse“ Lust oder einen „schlechten“ Willen. Entscheidend ist für Abaelard, auf welche Weise ich mein Handeln mit meinem Gewissen vereinbaren kann oder nicht.
    Nach diesem Grundsatz würde man sogar heute in „unserer“ ziemlich säkularen Gesellschaft ziemliche Probleme bekommen. Wie viel mehr dann erst im 12. Jahrhundert!


    Im Übrigen bin ich hier etwas vorbelastet. In meiner Jugend war ich nicht so ganz begeistert, (bewußt) nach dem hl. Bernhard von Clairvaux getauft zu sein, eben weil er die Kreuzzüge gepredigt hat. Jetzt, einige Jahrzehnte älter und wenn ich mich in der heutigen Welt so umsehe, bin ich mehr als zufrieden mit meinem Namenspatron.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von Saiya
    Ich habe mich beim Lesen öfter mal gefragt, wie die Welt wohl heue aussehen würde, hätte sich die Kirche als politische Macht nicht an religiösen Fanatikern wie Bernhard von Clairvaux, sondern an gemässigt und weltoffen eingestellten, obrigkeitskritischen Personen wie Abaelard orientiert hätte.


    Ich denke, dass das schon einen enormen Einfluss auf uns heute hätte, wenn das damals anders gelaufen wäre. Ich habe mit der Kirche ja nichts am Hut, aber erst der aktuelle Papst fängt doch an etwas zu revolutionieren.

  • Zitat

    Original von SiCollier
    An ein paar Stellen hatte ich, wie früher schon erwähnt, das Gefühl, daß der Autor eher antichristlich eingestellt ist. Aus heutiger Sicht kann ich auch Etliches in der Kirchen- bzw. hier Philosophiegeschichte nicht nachvollziehen, weil aus heutiger Sicht gesehen hätten die doch damals schon merken müssen, daß Einiges von dem, was sie dachten und taten, schlicht falsch war. Aber aus damaliger Sicht fanden die Menschen seinerzeit das wohl in Ordnung. Und ob wir heutige mit den Maßstäben einer Zeit, rund achthundert Jahre in die Zukunft weiter, gemessen und beurteilt werden wollen, sei dahingestellt.


    Der Abschnitt hat sich wirklich leichter lesen lassen, allerdings bin ich echt froh, dass ich mich so langsam dem Ende nähere, denn so "schwer" hatte ich mir das nicht vorgestellt und ich glaube ich habe auch noch nie 2 Monate oder was für ein Buch gebraucht und schon gar nicht für ein Leserundenbuch, aber es geht ja offensichtlich mehreren so...


    Mir fällt das persönlich gar nicht auf, dass er antichristlich zu argumentieren scheint, was ich aber auch wirklich nicht beurteilen kann, da ich selbst nicht gläubig bin und er eben quasi meine Ansichten vertritt.


    Ja ich möchte auch nicht wissen, was die Menschen in 800 Jahren über uns denken werden, denn da wird sicher auch so manches als falsch angesehen, was wir derzeit als richtig empfinden.

  • Ja, nicigirl, es geht nicht nur Dir so. Irgendwie schäme ich mich beinahe ein wenig dafür, aber auch ich bin froh, dass wir nun im Mittelalter sind und es mit diesem Buch langsam zu Ende geht. Nicht nur, weil uns das Mittelalter mit seinen "Protagonisten" näher liegt. glaube auch immer noch, dass dieses Buch lehrreich und inspirierend und für eine Leserunde geeignet ist, aber nicht für eine Leserunde wie diese, sondern für eine, in der man sich sofort nach dem Lesen 1:1 im Gespräch austauschen kann, was in größerer Runde wohl kaum umzusetzen ist, leider.
    Ich glaube grundsätzlich schon, aber nicht an einen Mann mit weißem Bart und Heiligenschein und einem Schlabbergewand mit einer Schnur als Gürtel, an der ein Schlüsselbund hängt (so war der liebe Gott mal in irgendeinem meiner Kinderbücher abgebildet) und auch nur sehr sehr eingeschränkt an die verschiedenen kirchlichen Institutionen. Direkt antichristlich würde ich Prechts Argumentation vielleicht nicht nennen, auf jeden Fall jedoch interessant. Allerdings werde ich die Folgebände mit ziemlicher Sicherheit nicht lesen, selbst nicht, wenn es sie hier wieder in einer Leserunde als Gratisexemplar gäbe.
    Ob es so etwas wie Menschen in 800 Jahren überhaupt noch gibt?
    Ich wüsste schon gern, was sie über uns denken.
    Wünschenswert erschiene mir eine Konföderation wie in einiger Science Fiction-Serien (ich bin da weniger bewandert), die uns mit unseren Kriegen als völlig steinzeitlich abwerten. Bei Joachim Fernau las ich aber einmal, dass seiner Meinung nach in einigen Jahrhunderten die Menschen Adolf Hitler möglicherweise mit Siegfried von Xanten gleichsetzen...

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Direkt antichristlich würde ich Prechts Argumentation vielleicht nicht nennen, auf jeden Fall jedoch interessant.


    So richtig "argumentieren" tut er in die Richtung auch gar nicht. Aber seine Wortwahl, wenn es um christliche Themen und Personen geht, ist sehr eindeutig.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Dieser Abschnitt mit der Philosophie des Mittelalters hat sich für mich auch wesentlich leichter und schneller gelesen als die Teile davor.


    Ich finde es immer wieder erschreckend, wie viel von dem Wissen, den Gedanken und den philosophischen Schriften der Antike im Mittelalter verloren gegangen sind. Und wieviel Autorität und Macht die Kirche zu dieser Zeit über das Leben der Menschen hatte.
    Was ich zum Teil gar nicht nachvollziehen kann, sind diese Gedanken zu den "Gottesbeweisen". Zum Beispiel der Gottesbeweis von Anselm von Canterbury ( aus S. 436 ): Wenn Gott das Vollkommenste ist, das gedacht werden kann, dann gehört zu seiner Vollkommenheit logischerweise dazu, dass Gott existiert. Das verstehe ich jetzt echt überhaupt nicht und ist für mich persönlich auch kein richtiger Beweis.


    Die Wiederentdeckung von Aristoteles und seinen Forschungen empfinde ich hier richtig als Aufschwung und frischen Wind in der Philosophie.

  • Dieser Abschnitt hat sich für mich auch sehr flüssig und interessant lesen gelassen, auch wenn ich festgestellt habe, dass ich von der Philosophie des Mittelalters viel weniger Ahnung habe, als ich vorher dachte. Die meisten Namen sind mir zwar aus historischen Romanen bekannt, aber ansonsten war vieles neu für mich.


    Zitat

    Original von Saiya


    Ich habe mich beim Lesen öfter mal gefragt, wie die Welt wohl heue aussehen würde, hätte sich die Kirche als politische Macht nicht an religiösen Fanatikern wie Bernhard von Clairvaux, sondern an gemässigt und weltoffen eingestellten, obrigkeitskritischen Personen wie Abaelard orientiert hätte.


    Das habe ich beim Lesen auch gedacht, leider haben es solche gemäßigten Kräfte gegenüber erbarmungslosen Machtmenschen ja selten eine Chance.


    Zitat

    Original von Rouge

    Was ich zum Teil gar nicht nachvollziehen kann, sind diese Gedanken zu den "Gottesbeweisen". Zum Beispiel der Gottesbeweis von Anselm von Canterbury ( aus S. 436 ): Wenn Gott das Vollkommenste ist, das gedacht werden kann, dann gehört zu seiner Vollkommenheit logischerweise dazu, dass Gott existiert. Das verstehe ich jetzt echt überhaupt nicht und ist für mich persönlich auch kein richtiger Beweis.



    Die ganzen Gottesbeweise sind ja alle schön und gut, aber funktionieren nur, wenn man bereit ist an Gott zu glauben, ansonsten sind das alles nur komische Phrasen.