Wir Kassettenkinder - Anne Weiss, Stefan Bonner

  • Es gab gestern im MDR-Fernsehen die Sendung "Urlaub im Osten" http://www.mdr.de/tv/programm/…ctx-true_zc-a4a5ba3e.html


    Besonders der Beitrag "Oberhof - FDGB-Ferien am Rennsteig" lässt wohl Wehmut aufkommen. Mit großem Stolz wurde da ein Hotel aufgebaut und die Urlauber nannten das damals "der schönste Urlaub unseres Lebens". Kurz nach der Wende stand das Hotel dann leer und ist mittlerweile abgerissen. Viele Ostdeutsche verlieren halt ihre Vergangenheit und ihre Erinnerungen und fühlen sich darum etwas beraubt. Ein bisschen ist das aber auch normal und der Lauf der Zeit. Auch meine Heimatstadt sieht an einigen Stellen nicht mehr so aus wie früher. Aber der Bruch ist halt nicht so immens wie der Bruch, den die Ostdeutschen erleben mussten.

  • Vielen Dank v.a. @ Anne Weiss, aber auch alle anderen für die Reaktionen.


    Es geht mir in der Tat nicht darum, einem Buch mit westdeutschen Erinnerungen die Existenzberechtigung abzusprechen, wenn es denn als westdeutsches Erinnerungsbuch kenntlich gemacht ist, sondern, wie xexos richtig geschrieben hat, um den transparenten Umgang damit.


    Ich lebe in einem Kaff mit winziger Buchhandlung (immerhin! :-) ), wo nicht viel ausliegt; ich informiere mich also i.d.R. bei amazon o.ä. und bestelle dann gezielt über die Buchhandlung. Wenn ich die Infos bei amazon angucke (die m.W. nicht von amazon selbst erdacht sind, sondern vom Verlag zur Verfügung gestellt werden), dann sehe ich da halt keine Buchrückseite, sondern lese von Hawaii-Hemden, Kaltem Krieg, Ententanz und Bandsalat. Hatten wir im Osten alles auch. (Ja, die Schnittmengen sind natürlich da. Ich als Ossi darf sie mir aus vielen Büchern dann herauspicken. ;-) ) Bei der Biografie des Autors steht nicht dabei, wo er geboren wurde, und wenn ich diesen Abschnitt lese, werde ich auch nicht erst anfangen zu recherchieren, wo Anke Engelke mit ihm gemeinsam zur Schule gegangen sein könnte. Ich habe jetzt auch nicht unbedingt parat, wo welche deutsche Komikerin geboren ist. Es ist für mich als potenzielle Käuferin des Buches also NICHT ersichtlich, dass es sich um eine reine Westperspektive handelt. Mag sein, dass das beim Buch selbst, wenn man es in der Hand hält, anders ist. Ich will dies jetzt auch nicht der Autorin ankreiden (dass nicht absichtlich ostdeutsche Lebenswelten unter den Teppich gekehrt werden sollten, glaube ich gern, zumal, wenn es am Buch durch Zitate erkennbar ist und im Buch erläutert wird), aber da frage ich mich jetzt halt, ob die Infos bei amazon seitens des Verlags einfach unsensibel gestaltet sind oder bewusst der Anschein erweckt werden soll, es handele sich um gesamtdeutsche Erinnerungen.


    Von Jana Hensels Buch "Zonenkinder" wurde mir übrigens von anderen Ossis (70-er-Jahrgänge wie die Autorin und auch ich selbst) dringend abgeraten... :lache


    Herzliche Grüße von Nadezhda, glücklich mit einem Wessi verheiratet und zwei Einheitskinder großziehend, die sich mit all dem hoffentlich nicht mehr herumschlagen müssen... (Wer weiß, was die dann mal für Kindheitserinnungsbücher verfassen!? :grin )

  • Zitat

    Original von Nadezhda
    ...
    Ich lebe in einem Kaff mit winziger Buchhandlung (immerhin! :-) ), wo nicht viel ausliegt; ich informiere mich also i.d.R. bei amazon o.ä. und bestelle dann gezielt über die Buchhandlung. Wenn ich die Infos bei amazon angucke (die m.W. nicht von amazon selbst erdacht sind, sondern vom Verlag zur Verfügung gestellt werden), dann sehe ich da halt keine Buchrückseite, sondern lese von Hawaii-Hemden, Kaltem Krieg, Ententanz und Bandsalat. Hatten wir im Osten alles auch. (Ja, die Schnittmengen sind natürlich da. Ich als Ossi darf sie mir aus vielen Büchern dann herauspicken. ;-) ) ...


    Das mit dem Klappentext/Rückentext leuchtet mir ein, scheint aber ein allgemeines Problem der Verlage zu sein. Klappentexter kennen oft das Buch nicht, Klappentexte können inhaltlich völlig falsch sein, können der Täter im Krimi spoilern, selbst komplett gefälscht sein, wenn Reaktionen von Prominenten auf ein Buch schlicht erfunden sind. Letztlich brauchst du für eine Kaufentscheidung vertrauenswürdige Leser, die das Buch wirklich gelesen haben. Auch das ist ja "in diesem Internet" nicht sicher. Hatten wir alles schon, dass einem ein von einem User ein tolles Buch angepriesen wird und auf Nachfrage kommt die Begründung, das hätten andere User auf einer anderen Plattform gesagt und Näheres wüßte man leider nicht.

  • Liebe Nadezhda , lieber Buchdoktor ,

    ich will ja nicht drauf rumhacken, aber in der Vita auf Amazon steht bei mir explizit, dass ich in Bremen geboren wurde ;-) Haben wir da extra reingeschrieben, so wie beim Co-Autor Heidi Klums Heimatstadt. Dass Anke Engelke im Westen geboren sein muss, kann man sich sicher nur indirekt erschließen, wenn man weiß, dass sie in den Achtzigern das Ferienprogramm auf der ARD moderiert hat. Bei Stefan steht auch, dass seine Vorbilder Tom Selleck und das A-Team waren (was wir als Stichwörter verwenden, um zu zeigen, dass es um den typischen westdeutschen Fernsehkram geht). Sicher konnte man das auch in Berlin empfangen, aber ansonsten dürfte das meines Wissens im Osten nicht so verbreitet gewesen sein, oder?


    Ich finde aber den Hinweis gut, dass solche Stichworte offenbar trotzdem dazu führen, dass es Missverständnisse geben kann. Dann berücksichtigen wir das beim nächsten Mal in jedem Fall. :-) (Der Klappentext fürs TB ist leider schon durch...)


    Als langjährige Verlagslektorin muss ich allerdings noch was "aufklären": Die Klappentexte werden in der Regel vom Lektor, auch mal vom Außenlektor erstellt (spezielle "Klappentexter", die das Buch nicht kennen, gibt es meines Wissens nicht, jedenfalls nicht in den Verlagen, in denen ich so gearbeitet habe.) Und die Texte sind mit dem Marketing und Vertrieb abgesprochen, die haben dann noch mal ein Händchen drauf, wie sie meinen, dass sie es am besten/klarsten verkaufen können.


    Heißt aber nicht, dass es das perfekter machen muss: Manchmal greifen da verschiedene Leute daneben (wie in jedem anderen Job auch) - dass das Ende eines Krimis verraten wurde, sollte natürlich nicht sein. Ist mir aber bisher noch nicht untergekommen, auch wenn ich naturgemäß nicht alle Klappentexte der 85000 Bücher kenne, die so im Jahr in Deutschland erscheinen. Vieles ist auch Massenware, oder der Verlag pennt schon mal. ;-)


    Liebe Grüße
    Anne


    Zitat

    Original von Buchdoktor


    Das mit dem Klappentext/Rückentext leuchtet mir ein, scheint aber ein allgemeines Problem der Verlage zu sein. Klappentexter kennen oft das Buch nicht, Klappentexte können inhaltlich völlig falsch sein, können der Täter im Krimi spoilern, selbst komplett gefälscht sein, wenn Reaktionen von Prominenten auf ein Buch schlicht erfunden sind. Letztlich brauchst du für eine Kaufentscheidung vertrauenswürdige Leser, die das Buch wirklich gelesen haben. Auch das ist ja "in diesem Internet" nicht sicher. Hatten wir alles schon, dass einem ein von einem User ein tolles Buch angepriesen wird und auf Nachfrage kommt die Begründung, das hätten andere User auf einer anderen Plattform gesagt und Näheres wüßte man leider nicht.

  • Liebe @ Anne Weiss,


    ich will da ganz sicher auch nicht bis zum Sanktnimmerleinstag draufrumhacken, dafür bist du mir auch viel zu sympathisch. ;-) Danke, dass du dir hier Zeit genommen hast!
    Aber: Ja, wo Bremen liegt, erschließt sich mit etwas Geografiekenntnis bei der Lektüre der Kurzbiografie. Dagegen Heidi Klums Heimatstadt... ähm... ?( ... das ist jetzt nicht so mein Nachrichtenspektrum. :lache Dafür kannte ich aber schon zu DDR-Zeiten Tom Selleck und das A-Team, zumindest vom Namen her. Aber nicht das Ferienprogramm der ARD. :lache Wie man sieht, ist es schier unvorhersehbar, welche Ossis mit welchen Westinfos aufgewachsen sind und welche Stichworte dann wirklich eindeutig wären...


    Viel Spaß beim weiteren Schreiben und Lektorieren! :wave


    Und noch kurz zum Off-topic "Spoiler im Krimi-Klappentext": Dass da der Name des Täters stand, habe ich auch noch nicht erlebt. Aber entscheidende Teile der Handlung aus dem letzten (!) Viertel oder Fünftel des Buches, sodass man sich dann wirklich nur noch Eins und Eins zusammenzählen musste - und sowas finde ich schon extrem ärgerlich. :rolleyes

  • Zitat

    [i]Wie man sieht, ist es schier unvorhersehbar, welche Ossis mit welchen Westinfos aufgewachsen sind und welche Stichworte dann wirklich eindeutig wären...


    Sorry, dass ich da widerspreche, aber es ist nicht unvorhersehrbar. Es geht ja nicht nur darum, ob man etwas kennt, weil man Fernsehen des anderen deutschen Staates empfangen konnte. Es geht eher darum, ob es klassisch Osten oder Westen ist. Ich habe auch mal die aktuelle Kamera und den schwarzen Kanal gesehen, klassisch Westen ist das damit aber noch lange nicht.

  • Die 1980er Jahre waren ein legendäres Jahrzehnt. Heute im Rückblick sogar noch mehr als früher. Was also liegt näher, ein wenig in Nostalgie und Erinnerungen zu schwelgen, dürften sich die die Autoren Stefan Bonner und Anne Weiss überlegt und alles zusammengekramt haben, was sie aus den Achtzigern noch wussten. Mehr allerdings nicht. Das Buch enthält keine Handlung, sondern lediglich Aufzählungen all der Sachen, die "wir tollen Kassettenkinder" in den Achtzigern taten und besaßen. Ständig hofft man auf witzige Anekdoten, aber selbst die sucht man vergebens. Stattdessen folgt eine Erklärung über die damalige Zeit nach der nächsten. Wir erfahren von LiveAid, was Mixtapes und der C64 sind und wie man früher jeden Samstagabend als Familie gemeinsam vor dem Fernseher saß, um Unterhaltungsshows zu schauen.

    Das ringt einen das eine oder andere verzückte Schmunzeln ab, ist ansonsten aber lediglich nett. Und nett allein reicht nicht.