Der Brief - Carolin Hagebölling

  • Das Spiel mit der Realität


    Die Journalistin Marie lebt glücklich mit ihrer Partnerin Johanna in Hamburg, als sie eines Tages ein merkwürdiger Brief ihrer früheren Schulfreundin Christine erreicht. Seltsam ist, dass der Brief an eine Adresse in Paris adressiert ist und dennoch den Weg zu Marie in Hamburg gefunden hat. Noch merkwürdiger ist, dass Marie in dem Brief mit Vincent verheiratet ist und angeblich schwer krank gewesen ist.
    Als weitere mysteriöse Briefe auftauchen, sieht sich Marie genötigt, der Sache auf den Grund zu gehen und reist nach Paris.
    Das Cover ist ein echter Hingucker, es zeigt links Hamburg und auf der rechten Seite Paris und zwei Frauen, die sich entgegen laufen. Das passt hervorragend zum Inhalt des Buches.


    Der Roman hat mich am Anfang wirklich sehr begeistert, die Geschichte ist neuartig und mysteriös und wird aus der Sicht von Marie geschildert.
    Doch bereits im Mittelteil war ich nicht mehr ganz so zufrieden mit dem Verlauf des Plots, die Figuren bleiben zu oberflächlich, und es wirkt wie eine Aneinanderreihung der Ereignisse ohne tiefere Details. Mir fehlte vor allem das Gefühl bzw. die Zerrissenheit von Marie, die sowohl Johanna als auch Vincent liebt. War sie bei dem einen, war ihr der andere egal. Vor allem Vincent kam dabei viel zu kurz.
    Die Schilderungen über die Sehenswürdigkeiten und die Viertel der Stadt Paris haben mir wiederum sehr gut gefallen, da es mich an meinen schönen Urlaub in der Metropole erinnert hat.


    Mit dem offenen Ende kann ich leben, auch wenn ich kein Fan davon bin. Ich hätte mir schon ein paar Erklärungen dazu gewünscht. Wer keine offenen Enden mag, sollte die Finger von dem Buch lassen.


    Fazit: Interessantes Thema, aus dem man mehr hätte machen können.

  • „Die Realität ist eine Frage der Wahrnehmung, nicht der Wahrheit.“ (S. 51)


    Zusammenfassung. Marie lebt ein Leben, das sie liebt, mit der Frau, die sie liebt und eigentlich ist alles ganz wunderbar - bis sie einen Brief bekommt, der scheinbar von ihrer früheren besten Schulfreundin verfasst wurde, jedoch aus einer anderen Realität zu kommen scheint. Wessen Leben ist es, von dem sie Auszüge erfährt, die ihr so fremd und zugleich so seltsam vertraut vorkommen?


    Erster Satz. Es war der 26. Mai, als ich den Brief bekam.


    Inhalt. Als ich das Buch zum ersten Mal in den Händen hielt, war ich überrascht, weil es mir so schmal vorkam. Ein Blick auf die letzten Seiten bestätigte meinen Eindruck: 220 Seiten sind für einen Roman mit einer solch speziellen Idee nun wirklich nicht besonders viel. Und auch beim Lesen blieb mein kritisches Auge bestehen, denn während mir schon die Idee hinter der Geschichte richtig gut gefallen hat und mich auch ihre Fortführung im Prinzip überzeugen konnte, so blieb die ganze Sache trotzdem weniger spannend als erwartet und weniger intensiv als gehofft. Ich wurde das Gefühl bis zum Ende nicht los, dass die Autorin einen echt guten Einfall gehabt hat und dann wahnsinnig schnell dadurch rauschte, mit welchem Ziel auch immer.
    Hinzu kam der Schreibstil, der besonders in den Briefen in meinem Ohr ein wenig hölzern klang (das besserte sich jedoch im weiteren Verlauf); und auch das Ende kam für mich zwar überraschend und dadurch irgendwie cool, ließ mich aber leider trotzdem auch irgendwie unzufrieden zurück. In meinem Kopf war das Buch noch nicht fertig, mir blieben zu viele Fragen offen.
    Diese Kritikpunkte konnten durch die wirklich spannende Idee nur teilweise gerettet werden.


    Personen. Wirkten neben Marie auch die allermeisten Figuren ganz nett, so fehlte ihnen doch für meinen Geschmack ein Fünkchen Charakter: Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie alle bloß die Bühne boten für die Geschichte, die um Marie und ihr Leben erzählt wurde, und das ist irgendwie schade.
    Marie selbst machte diesen Eindruck etwas weniger, allerdings wird auch sie mir wahrscheinlich nicht lange im Gedächtnis bleiben (jedenfalls nicht wegen ihres Charakters).


    Lieblingsstellen. „Wie uninspirierend wäre das Leben, hätte es keine Geheimnisse mehr.“ (S. 88)


    Fazit. Irgendwann vor kurzem habe ich von einem Krimi geschrieben, der in meinen Augen viel Potential verschenkt hat. Nach der Lektüre dieses Romans weiß ich: Ich hatte keine Ahnung, wovon ich redete.
    „Der Brief“ liest sich viel zu schnell weg, was schade ist, weil die Idee mir so gut gefiel. Er lässt Möglichkeiten für spannende Situationen einfach so liegen und sorgt auf die Weise dafür, dass ein spannender Roman beinahe belanglos erscheint.
    Allerdings ist mein hartes Urteil durch die hohen Erwartungen beeinflusst, die ich im Vorfeld hatte, und das kann man dem Buch ja nun auch nicht vorwerfen. Und so komme ich insgesamt zu dem Fazit, dass Carolin Hagebölling hier ein Roman mit einer coolen Idee gelungen ist, der noch sehr viel cooler gewesen wäre, wenn er seine Möglichkeiten voll ausgeschöpft hätte.

  • Am 26. Mai bekommt Marie einen Brief, der ihr Leben gehörig durcheinander wirbelt, denn der Brief ist offenbar für sie – und doch nicht für sie, denn darin schreibt jemand von einem Leben, das Marie nicht lebt und von Menschen, die sie nicht kennt. Marie macht sich auf, das Rätsel hinter dem Brief zu lösen …


    Schon als ich den Klappentext las, wusste ich, dass ich den Roman lesen musste, wissen musste, was dahinter steckt. Ich dachte direkt an Parallelwelten und war gespannt, ob ich Recht hatte, und wie die Autorin das Ganze auflöst. Ob ich Recht hatte, verrate ich nicht, wie mir das Ende des Romans gefallen hat, aber schon: Mir gefällt es gut – und vor allem der kleine Wow-Effekt am Ende kommt gut bei mir an, aber sicher nicht bei jedem.


    Ich bin nur so durch den Roman geflogen, nicht nur, weil ich endlich wissen wollte, wie sich das Ganze auflöst, sondern auch, weil die Autorin immer neue Wendungen einflicht und der Roman dadurch ziemlich spannend ist. Als Leser kann man schön miträtseln, wird hin und wieder verwirrt, muss seine Meinung überdenken, und wird ganz sicher am Ende überrascht sein. Ich habe den Roman innerhalb einer Leserunde gelesen und fand es sehr spannend, auf welche Ideen die einzelnen Teilnehmer kamen und wie sie den Roman als Ganzes aufnahmen. Man muss wohl schon ein wenig offen sein für Denken über den normalen Rahmen hinaus, um den Roman gänzlich genießen zu können.


    Obwohl mich der Roman als Ganzes gut unterhalten hat, gefielen mir die einzelnen Charaktere weniger, sie sind mir einfach zu oberflächlich gestaltet. So konnte ich auch nicht wirklich mit Marie mitfühlen – und das, obwohl Marie selbst in Ich-Form erzählt. Oft nicht verstanden habe ich Johanna, Maries Lebensgefährtin, die sich meiner Meinung nach sehr merkwürdig verhält. Letztlich spielten die Charaktere für mich aber eine weniger große Rolle als sonst, mir ging es vor allem um das Warum.


    Das Cover sollte man sich übrigens genauer ansehen, es passt hervorragend zum Roman.


    Mich hat der Roman sehr gut unterhalten und mich einmal mehr über „Was wäre wenn“ nachdenken lassen und wie sehr kleine Entscheidungen unser Leben ändern könnten. Auch das Ende des Romans brachte mich zum Nachdenken. Insgesamt hat sich die Lektüre gelohnt und ich vergebe gerne 8 Punkte und eine Leseempfehlung für Menschen, die offen für außergewöhnliche Romanenden sind.

  • Der Brief - Carolin Hagebölling
    broschiert
    dtv Premium
    224 Seiten


    Die Autorin
    Carolin Hagebölling lebt seit 2010 als freiberufliche Texterin, Konzeptionerin und Redakteurin in München. Sie liebt die Berge, das Reisen, das Schreiben und den Blick über den eigenen Horizont.


    Inhalt
    Alles beginnt mit einem mysteriösen Brief, der das Leben von Marie in Frage stellt.
    Marie arbeitet als freie Journalistin in Hamburg und führt eine erfüllte Beziehung mit ihrer Freundin Johanna. Bis sie eines Tages einen Brief ihrer ehemaligen Schulfreundin Christine erhält. Adressiert ist dieser merkwürdigerweise an eine Pariser Anschrift. Angeblich lebt Marie glücklich mit ihrem Ehemann, einen erfolgreichen Galeristen namens Victor. Auch von einer Krankheit ist die Rede. Es entsteht ein Briefwechsel zwischen Marie und Christine, jedoch kann sich Marie nicht daran erinnern, Christine persönlich geschrieben zu haben und begibt sich auf Spurensuche.


    Meine Meinung
    Der leichte Schreibstil und die Spannung haben die Seiten nur so dahinfliegen lassen. Ich konnte es kaum abwarten, des Rätsels Lösung endlich auf die Spur zu kommen. Die Handlung wird immer mysteriöser und undurchsichtiger. Als Marie sich auf den Weg nach Paris macht, kommt ihr vieles vertraut vor. Als Leser stellt man sich immer wieder die Frage, welches Leben denn nun der Realität entspricht. Oder leidet Marie etwa unter Wahnvorstellungen, möglicherweise ausgelöst durch ihre Krankheit? Oder stimmt etwas nicht mit Christine? Erlaubt sich vielleicht einfach nur jemand aus der Vergangenheit einen üblen Scherz? Welche Person kann die vielen persönlichen Details wirklich wissen? Auf der Suche nach Antworten ist es mir wirklich schwer gefallen, das Buch zu unterbrechen. Leider sagt mir das Ende gar nicht zu und kam viel zu abrupt. Ein paar Seiten mehr hätten der Geschichte gut getan, dafür gibt es einen Punkt Abzug.
    9 Punkte

  • Meine Meinung:


    Die Journalistin Marie, die mit ihrer Lebensgefährtin Johanna in Hamburg lebt, findet eines Tages einen Brief in ihrem Postkasten. Adressiert auf ihren Namen, jedoch mit einer Pariser Adresse. Etwas irritiert öffnet sie ihn und stellt fest, dass er von ihrer alten Schulfreundin Christine ist, die über Gott und die Welt und über Marie und ihrem Mann Victor, so wie deren gerade geborenes Kind schreibt. Auch von Maries Galerie in Paris ist die Rede und einer überstandenen Krankheit. Christine selbst schreibt von ihren beiden Kindern, ihrem Mann und ihrem Leben in Berlin. Dabei weiß Marie ganz sicher, dass Christine ihre alte Heimat nie verlassen hat.


    Ein Besuch Maries bei ihrer Freundin stiftet eher noch mehr Verwirrung, als dass er Aufschlussreiches zutage bringt, denn Christine hält das Ganze für einen grausamen Scherz, da sie das zweite Kind damals vorher verloren hat und niemand davon weiß. Aber wer, wenn nicht Christine hat diesen Brief geschrieben und warum? Marie möchte der ganzen Sache auf die Spur kommen und macht sich auf den Weg nach Paris und trifft dort tatsächlich auf Victor. Und zu ihrem Schrecken muss sie feststellen, dass ihr alles so vertraut vorkommt und sie plötzlich fließend französisch spricht …


    Mich hat zunächst die Aufmachung des Covers von Carolin Hageböllings Roman angesprochen. Es sieht aus wie die Vorderseite einer Postkarte mit einem Pariser Motiv und der Buchtitel „Der Brief“ verleitet gleich zum Lesen des Klappentextes und genau dort hat die Falle dann zugeschnappt. Kein Thriller, sondern ein normaler Roman über die Frage der Realität und was wäre passiert, wenn? …


    Der sehr angenehme und flüssig zu lesende Schreibstil der Autorin hat das Buch zu einer wundervollen Lektüre gemacht. Immer davon getrieben, erfahren zu müssen, was es mit dem Brief auf sich hat, habe ich Seite um Seite umgeblättert und mich mitreißen lassen von dem Spiel, das Carolin Hagebölling mit ihren Lesern treibt. Protagonisten, mit denen man mitfühlen - sie aber in der Ausführung ihrer Aktionen nicht immer verstehen kann. Mir ging es die ganze Zeit wie den Protagonisten, auf der Suche nach der Wahrheit, die letztlich doch keine ist oder? Am Ende bleibe ich mit weit mehr Fragen zurück und bin dennoch zufrieden mit der Geschichte, die die Autorin mir bietet. Mit dieser Realität habe ich, genau wie die Protagonisten am Ende, meinen Frieden gemacht und wurde dafür mit einigen Stunden absolutem Lesevergnügens belohnt. Daher von mir zehn Punkte für „Der Brief“ und eine Entschuldigung an die Leser meiner Rezension, dass ich mich etwas zurückhalte mit dem Schreiben über den Inhalt. Aber ich denke, hier wäre jedes weitere Wort einfach zu viel. Ich möchte keinen Leser um die wohlverdiente Spannung bringen ;-)

    Wer lesen will, der liest, und jedes Buch wird gefunden von dem, der es sucht.
    (Eduard Engel)

  • Marie erhält einen Brief von einer alten Jugendfreundin Christine, welcher ihr sehr konfus vorkommt und durch ihre daraus resultierende Verwirrung , nimmt sie Kontakt zu ihrer Freundin auf. Diese hat den Brief jedoch nicht geschrieben, und verweist Marie sogar des Hauses, da in dem Brief die noch als Fötus verstorbene Tochter von Christine als lebendig betitelt wird und dieses Detail die trauende Mutter in maßlosen Kummer versinken läßt.
    Weitere Briefe folgen: an Christine, erneut an Marie und sogar Marie's Eltern werden davon nicht verschont. Alle Schriftstücke sind haargenau in der Handschrift der jeweiligen Absender verfasst, welche jedoch nie diesbezüglich den Stift gezückt haben...Marie will diesem Mysterium auf den Grund gehen: wer macht sich hier einen Spaß daraus, Menschen einen solchen Streich zu spielen. Die Suche beginnt...


    Vom Klappentext her und auch nach einer delikaten Leseprobe war ich regelrecht angestachelt: ich wollte wissen, was bzw. wer steckt dahinter...ist der Roman vielleicht ein verkappter Psychothriller, wer weiß!? Als solcher hat er sich zwar nicht entpuppt, was jedoch keineswegs schlecht ist, jedoch fehlte mir irgendwie ein Ende, da der Roman einen offenen Schluss aufweist. Ich habe zwar viel Phantasie und kann auch mit einem fehlenden Finish umgehen, schließlich machen das einige Autoren sehr oft um ggf. eine Fortsetzung schreiben zu können, aber hier fehlte mir eine Lösung...und das enttäuschte mich schon etwas.
    Mein Fazit ist somit, dass die Idee der Autorin fasziniertend war, sie auch hervorragend anfangs umgesetzt hat und ich mich zu Beginn festgelesen hatte...doch immer mehr wurde es langatmig, so als ob ihr im Laufe des Schreibens die Lösung selbst nicht mehr so plausibel erschien und sie deshalb 'offener' als offen gelassen hat.
    Das Highligth für mich war jedoch noch das Cover, was einfach traumhaft gestaltet wurde - surreal, das Spiel mit den verschienden Realitäten perfekt in Szene gesetzt durch das Vermischen von Hamburg und Paris.


    Somit 3 Sterne für das Buch selbst und 1 Stern für das Cover: folglich 4 hart verdiente Sterne.

  • Carolin Hagebölling: Der Brief, Roman, München 2019, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-21772-9, Softcover, 219 Seiten, Format: 12,3 x 2,2 x 19 cm, Buch: EUR 9,95 (D), EUR 10,30 (A), Kindle: EUR 8,99.


    Marie Kluge, 30 +, ist Journalistin und wohnt mit ihrer Lebensgefährtin Johanna, einer Architektin, in Hamburg. Ihr Leben läuft in geregelten Bahnen, bis sie unverhofft einen Brief von ihrer ehemaligen Schulkameradin Christine Hausmann bekommt, mit der sie 15 Jahre lang keinen Kontakt mehr hatte. Christine hatte den Brief ursprünglich an eine Adresse in Paris geschickt, wo Marie aber nie gewohnt hat. Und sie wundert sich, dass das Schreiben überhaupt den Weg zu ihr nach Hamburg gefunden hat.

    Ein Brief mit verstörendem Inhalt

    Der Briefinhalt ist noch seltsamer: Christine geht offenbar davon aus, dass Marie zusammen mit ihrem Ehemann Victor in Paris lebt und dort eine erfolgreiche Kunstgalerie betreibt. Und dass sie schwer krank sei. Sie selbst erzählt von ihrem Leben in Berlin und einer Tochter namens Amelie. Marie weiß aber von ihren Eltern, dass Hausmanns ihre Heimatregion nie verlassen haben. Ihre Mutter und Christine laufen sich ab und zu über den Weg. Und eine Tochter haben sie auch nicht, nur einen Sohn namens Paul.


    Denkt Christine sich das alles aus? Hat sie vielleicht ein psychisches Problem? Das wissen Maries Eltern natürlich nicht.


    Beim nächsten Elternbesuch geht Marie unangemeldet zu Christine und konfrontiert sie mit dem mysteriösen Brief. Die Schulkameradin bricht weinend zusammen. Da muss sich jemand einen makaberen Scherz erlaubt haben. Aber woher weiß dieser Jemand, dass Christine vor ein paar Jahren eine Fehlgeburt gehabt hat und dass das Kind den Namen Amelie hätte bekommen sollen? Sie haben nie mit Außenstehenden darüber gesprochen!


    Christine ist völlig außer sich und wirft ihre Besucherin hinaus. Für Marie ist jetzt alles klar: Ihre Schulfreundin hat da ein fettes Problem!

    Wer fälscht hier Post? Und warum?

    Doch dann bekommt auch Christine einen Brief: aus Paris, in der Handschrift von Marie. Und auch darin ist von alternativen Lebenswegen die Rede, die die beiden Frauen zwar mal erwogen, aber nie beschritten haben. Und den Briefen liegen Fotos bei: Fotos von Kindern, Partnern, Wohnungen und Arbeitsplätzen, die es so nicht gibt.


    Warum gibt sich jemand so viel Mühe, die beiden Ex-Klassenkameradinnen komplett aus der Fassung zu bringen?



    Spurensuche in Paris

    Mobbing, Psychose oder Parallelwelten?


    Als skeptische Leserin sucht man zusammen mit der rationalen und pragmatischen Johanna verzweifelt nach einer logischen Erklärung für die Vorfälle. Ein Komplott? Eine Psychose? Aber da uns bewusst ist, dass wir uns in einer Romanwelt bewegen und nicht in der vertrauten Realität, können wir auch Christines Erklärungsversuchen etwas abgewinnen: Sie denkt so ein bisschen in Richtung „Parallelwelten“ und hofft auf eine alternative Wirklichkeit, in der ihre Tochter am Leben ist.


    Während des Lesens war ich als eingefleischte Skeptikerin natürlich im „Team Johanna“, auch wenn ich mir Marie besser an Victors Seite als an ihrer vorstellen konnte. Ich suchte eine handfeste Erklärung und eine Möglichkeit, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Mobbern kann man das Handwerk legen, psychische Erkrankungen behandeln.


    Was wäre, wenn …?

    Die Vorstellung, dass irgendwo da draußen Welten existieren, in denen man nicht in A lebt, sondern in B, in denen man X statt Y geheiratet und sich beruflich vollkommen anders orientiert hat, fand ich dagegen schrecklich gruselig.


    So wirklich befriedigend fand ich den Schluss ja nicht. Den letzten Brief hätte man meines Erachtens weglassen können. Das Fazit, das man den Leserinnen hier vorkaut, hätten sie auch noch selber ziehen können. Aber wegen der Gedanken, die man sich beim Lesen unweigerlich über die Scheidewege im eigenen Leben macht, lohnt sich die Lektüre.


    Die Autorin

    Carolin Hagebölling lebt seit 2010 als freiberufliche Texterin, Konzeptionerin und Redakteurin in München und Düsseldorf. Sie liebt die Berge, das Reisen, das Schreiben und den Blick über den eigenen Horizont.




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    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner