'Grimms Morde' - Seiten 302 - 388

  • Nettes Idee, dass sich Fritz selbst umgebracht hat, ist gar nicht so blöd und für mich schlüssig. So mancher Künstler erlangte erst nach seinem Tode Ruhm und Ehre.


    Es bleibt immer noch die Frage, wer die Freiin getötet hat? :gruebel Ich habe so gar keine Idee. Zumal die Freiin und die Grimms nicht wirklich viel verbindet. Warum also dieses Zitat? Zufall?


    Annette als Spielball eines Treuetests, das ist schon hart. Ich habe solch ein Vorgehen noch nie verstanden. Entweder vertraue ich oder ich lasse es. So ein Test ist der größte Misstrauensbeweis, den man sich vorstellen kann.


    Dass Jacob von der Polizei selbst umgehauen wurde, ist schon schäbig, bestätigt aber mein Bild.

  • Ich bin noch nicht ganz durch den Abschnitt durch, aber es gab ja schon genügend Drama


    Annette und Straube sprechen endlich mal über das in Bökendorf vorgefallene. Ich kann Annettes Empörung komplett verstehen, ganz offensichtlich hat ja niemand ein Problem damit ihr eine Falle zu stellen, was nun ja wirklich perfide ist. Ich meine die Herren sind ja scheinbar komplett unschuldig. Der angeblich beste Freund hat sich ja auch überhaupt nicht an Annette rangemacht oder? Ein Mädel zu verführen, dass keinerlei Ahnung von der (körperlichen) Liebe hat und sie dann als das lasterhafte und untreue Weib darzustellen ist schon echt total daneben :nono Und dann auch noch der angeblich Betrogene, der ja scheinbar vor allem in seiner eigenen Ehre gekränkt ist, weil er ja gesagt hat, sie würde widerstehen. Ich meine über die Unmöglichkeit der Verbindung muss er sich doch vorher bewusst gewesen sein. Und dann zu erwarten, dass sie sich auf keinen Fall für keinen anderen interessiert ist schon auch ganz schön vermessen.


    Wilhelms Rolle in dem Ganzen ist mir noch unklar, scheinbar hat er Annette erwischt und dann alles brühwarm Straube erzählt.... Da soll mal einer sagen, wir Frauen wären die Klatschweiber. Dass Jenny von ihm enttäuscht ist, kann ich gut nachvollziehen.
    Schade auch, dass ihre Erwartungen an Wilhelm wohl zu hoch waren, aber wenigstens ist sich bewusst, was sie will, nämlich Familie und ein eigenes Gut. Und vor allem nicht auf die Mildtätigkeit der Brüder angewiesen sein.


    Und dann schlägt der Büttel doch tatsächlich Jacob einfach nieder, weil der eine unliebsame Frage zu viel stellt. Einerseits ist mir Blauberg ja nicht ganz unsympathisch, aber dieses sich versteifen auf Jacob finde ich ziemlich daneben. Nett war ja auch der Zimmermannsgeselle, der sich ja wirklich um Jacob gesorgt hat. Ich hoffe mal, dass seine Gedichte wirklich nicht so schrecklich sind ;-)


    Was den Mörder betrifft bin ich immer noch nicht weiter, aber die Auflösung naht ja sicherlich.

  • Zitat

    Original von logan-lady


    Annette als Spielball eines Treuetests, das ist schon hart. Ich habe solch ein Vorgehen noch nie verstanden. Entweder vertraue ich oder ich lasse es. So ein Test ist der größte Misstrauensbeweis, den man sich vorstellen kann.


    Das sowieso, das ist auch etwas das ich nicht verstehe, warum man sowas macht. Wobei ich den Eindruck gewonnen hatte, dass es da um ganz viele Dinge ging, je nachdem um wem es sich handelt. August und Anna, die Nette unbedingt eins reinwürgen wollten, Straube, der sich auch ein Bild von Nette gebaut hat, dem sie als Mensch nicht entsprechen konnte. Sein Kumpel, dem es wohl auch Spaß gemacht hat ein junges Mädchen zu verführen und damit den großen Hecht zu geben. Und Wilhelm, der vielleicht einfach ein wenig kleinlich war, weil Nette sich über ihn lustig gemacht hat. Und vielleicht auch wirklich Angst um das Herz des Freundes hatte.


    Am schlimmsten finde ich ja August, der immer das Mäntelchen der Familienehre vor sich herträgt und eigentlich nur richtig Spaß hat, wenn er Nette demütigen kann.

  • Liebe Alle, jetzt, wo Ihr über die Bökendorfer Intrige bescheid wißt, ein paar Originalzitate von Annettes Verwandtschaft aus den diversen Briefen, die eifrig gewechselt worden. Augusts Schwester und Annettes Tante (aber jünger als sie), Anna von Haxthausen, an Straube, damit er Annette ja nicht verzeiht:



    „Lieber Straube, nein, ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn Nette Ihnen schreibt. Wär‘ sie schon fest in ihrer Besserung, ja dann würde es mich selbst erfreuen. Aber sie ist noch ein zartes Pflänzchen, das wir pflegen müssen, und so fürchte ich, dass es nicht gut wäre, wenn sie glauben könnte, sich mit Ihnen versöhnt zu haben [getilgt: die große Schuld, die sie gegen Sie hat]. Nette muss zu ihrer Buße noch oft den Vorwurf in sich fühlen, wie schlecht sie gegen Sie gehandelt hat – glaubt sie aber sich gegen Sie gerechtfertigt, oder auch nur ganz Verzeihung, dann möchte sie am Ende auch glauben, gegen den Himmel nichts mehr verbrochen zu haben und wie kann sie das?“
    ( 20. Dezember 1820)


    Anna heiratete Arnswaldt (!) und starb hochzufrieden mit sich selbst als bewunderte Matrone im Familienkreis. August immerhin blieb solo. Übrigens war es für mich als Romanautorin schon ein Kreuz, daß die Herren Arnswaldt und Haxthausen beide „August“ mit Vornamen hießen. Noch ein paar Zitate, um die Mentalität der Herren zu demonstrieren:


    Arnswaldt re: Annette, das böse Weib, und daß er halt leider „nur“ einen Brief mit Straube zusammen geschrieben hat, um ihr zu sagen, was sie alle von ihr hielten: „(...) ich würde gern einmal mit Haxthausen nach Hülshoff reisen und wünschte mir nur die Kraft, vor ihr niederfahren zu können wie ein Blitz aus heiterem Himmel und eine Waage in der Hand des Höchsten zu sein, wenngleich aus unheiligem Metalle.“


    Dann gab er August von Haxthausen genaue Instruktionen, wie denn der Brief auszuhändigen sei: „Deine Tätigkeit dabei soll sich darauf beschränken, den beiliegenden Brief auf geschickte Art der Nette zukommen zu lassen, ich meine so, daß du ihr etwa trocken sagst: da ist ein Brief für dich gekommen, ohne zu sagen woher.“


    August von Haxthausen meldet August von Arnswaldt Triumph:


    „Euer Brief an Annette hat fast die Wirkung gehabt, die wir dachten.“


    Übrigens fand man im Nachlaß von Straube, als er 1847 starb, eine Locke von Annette. Er hatte wohl starke Gefühle für sie, aber eben auch nicht den Mut, sich nicht auf diese intrigante Idee von der „Prüfung“ einzulassen. Im Gegensatz zu der Arnswaldts scheint Straubes spätere Ehe unglücklich verlaufen zu sein. Amalie „Malchen“ Hassenpflug, die mit Annette befreundet und übrigens auch eine wichtige Märchenquelle für die Grimms war, schrieb 1826: „Seitdem ich weiß, dass er Nette so geliebt, tut er mir noch einmal so leid wie sonst, denn nun begreife ich erst, wie er die Frau hat nehmen können.“

  • Meine Güte, da hat Annette ja wirklich eine feine Verwandtschaft gehabt.


    Ich bin da echt fassungslos, wie kann man jemanden so etwas antun?
    Straube war den Haxthausens ja wirklich komplett gela, ich denke der ist dann wohl als Kollateralschaden abgehakt worden. Hauptsache man hat Annette so richtig einen reinwürgen können.


    Annette hat ja auch nicht geheiratet, gab es da keine passenden Bewerber mehr? Oder hat sie sich dem Thema dann einfach verweigert? Ich könnte es ihr echt nicht verübeln, nach so einer Geschichte wieder vertrauen zu fassen und das Herz zu öffnen ist schon sehr schwer.


    Was mir übrigens gut gefällt sind die Gespräche zwischen Jacob und Annette.
    Da reiben sich zwei ähnlich Geister aneinander. Jacob hat vermutlich nur wenige Gesprächspartner, die auf halbwegs ähnlicher Ebene mit ihm diskutieren können und Wilhelm ist ja eher sowas wie sein Zwilling da gibt es nur wenig Reibungspunkte.
    Ich denke Jacob kommt den anderen auch immer so hochmütig vor, weil er einfach ziemlich schlau ist und dabei auch kaum emotional. Ein richtiger Nerd :-)

  • Annettes Ehelosigkeit: sowohl als auch. Nach diesem Erlebnis glaubte niemand, auch sie selbst nicht mehr, daß sie noch heiraten würde, und es fällt schon auf, daß ihre wenigen männlichen Bekanntschaften außerdem des Familienkreises in die sichere “väterlicher Freund, auch noch blind, und bürgerlich” Kategorie fielen. Das änderte sich erst, als sie um die 40 war, und die Beziehung mit Levin Schücking begann. Was die genaue Natur dieser Beziehung betrifft, darüber liegen sich Biographen und Droste-Fans schon lange in den Haaren. Levin war der Sohn ihrer Jugendfreundin Katharina (die früh gestorben war, aber Annette lernte den jungen Levin erst flüchtig kennen, als dieser ein Teenager war, und dann näher, als er anfang 20 war), und es ist durchaus möglich, daß sie ihn als den Sohn, den sie nie haben würde, betrachtete. Andererseits: sie gab sich große Mühe, den Argwohn ihrer Mutter in Sachen Levin zu beschwichtigen (verbarg z.B., daß sie sich mit ihm duzte, und bat ihn, immer auch sicherheitshalber vorzeigbare “Sie” Briefe zu schreiben), betonte auch deswegen das Ich-bin-wie-eine-Mutter-für-ihn-Element, der Altersabstand zwischen Annette und Levin war nicht größer als der zwischen Jenny und dem Mann, den Jenny schließlich heiratete, den Freiherrn von Laßberg (nur daß Laßberg eben älter als Jenny war, nicht jünger), und es war schon so, daß die Beziehung zwischen Levin und Annette nicht zuletzt an seiner Ehe zerbrach.


    In jedem Fall, ob es nun eine Ersatzmutter/Sohn-Beziehung oder eine Romanze war, sie war die emotional intensivste, die sie je zu einem Mann hatte, denn wie Straube nahm Levin sie als Dichterin ernst, setzte sich als Journalist für sie ein, war das, was man heute einen Lektor nennen würde, und ein sehr guter, der sie ständig forderte, und die Zeit, die sie mit ihm auf der Meersburg verbrachte (was ein kompliziertes Arrangement notwendig machte; ihrer Mutter erzählte Annette, sie wolle dort eben Jenny besuchen, Jenny ihrerseits veranlaßte Laßberg, ihren Mann, dem die Meersburg gehörte, Levin Schücking als Bibliothekar einzustellen, der halt zufällig sein Amt antritt, gerade, als Annette zu Besuch da ist), gehörte sowohl zu den glücklichsten als auch den produktivsten ihres Lebens. Aber auch angenommen, Annnette hegte nicht nur platonische Gefühle für ihn, so wäre er in ihrer Epoche erst recht nicht für sie in Frage gekommen: älterer Mann/jüngere Frau (wie Laßberg/Jenny) war normal, aber junger Mann/ältere Frau ein unsäglicher Skandal, Geld hatte er auch noch keins, sie hatte gerade erst angefangen, als publizierte Dichterin hervorzutreten, und damals wie heute verdiente man mit Gedichten nicht viel, und, wie weiland bei Straube: er war bürgerlich.

  • Puh, diese "Prüfung" war ja echt das Allerletzte und die Briefe noch die Krönung!


    Zitat

    Original von streifi
    Am schlimmsten finde ich ja August, der immer das Mäntelchen der Familienehre vor sich herträgt und eigentlich nur richtig Spaß hat, wenn er Nette demütigen kann.


    :write


    Zitat

    Ich denke Jacob kommt den anderen auch immer so hochmütig vor, weil er einfach ziemlich schlau ist und dabei auch kaum emotional. Ein richtiger Nerd :smile


    :rofl ja das passt.

  • In diesem Leseabschnitt hat sich so allerlei ereignet.


    Zum Thema "Treuetest" wurde hier ja schon viel geschrieben.
    Dass da irgendeine Intrige gesponnen wurde, konnte man ja schon ahnen, das gesamte Ausmaß hat mich aber schon ziemlich geschockt.
    Da habe sich alle beteiligten Herren (plus Tante) ja so richtig schön ins Zeug gelegt, um Annette fertig zu machen. Und wahrscheinlich fühlen sie sich auch noch absolut im Recht :-(


    Jenny muss erkennen, dass Wilhelm vollkommen andere Vorstellungen hat und ist verständlicherweise tief enttäuscht. Ich glaube, Wilhelm hat gar nicht erkannt, dass und vor allem womit er sie gekränkt hat. Wahrscheinlich war es Wilhlem (wenn vielleicht auch nur unbewusst) ganz recht, dass die Beziehung von vornherein aussichtlos war. So konnte er ein bisschen seinen romantischen Gedanken nachhängen, ohne befürchten zu müssen, dass das "echte Leben" sein Gelehrtendasein mit Jakob stört.


    Dazu passt ja auch, dass er später eine Jugendfreundin/Nachbarin heiratet. Da waren allzu überschwängliche Gefühle eher nicht mehr zu erwarten. Sie gehörte sowieso fast schon zur Familie.


    In Bezug auf den/die Morde gibt es in diesem Abschnitt zwei neue Theorien. Einen inszenierten Selbstmord von Wegener halte ich für durchaus möglich. Ich bin mir aber nicht mehr sicher, was bezüglich der Handschrift auf den beiden Zetteln mit den Märchenzitaten gesagt wurde. Waren die nicht identisch? (Beim Zurückblättern habe ich auf die Schnelle dazu nichts gefunden.) Das spräche gegen die Selbstmord-Theorie.


    Dann gibt es da noch die Überlegungen in Richtung Doppelgänger/Austausch. Auf Wegener trifft dass ja offenbar nicht zu, aber wäre es an anderer Stelle möglich?
    Das müssten ja dann Personen sein, die sich so ähnlich sehen, dass niemand den Austausch bemerkt (Zwillinge?). Möglich wäre auch eine Rückkehr nach längerer Abwesenheit, sodass eine gewisse Ähnlichkeit ausreichend wäre (ist Bachors gar nicht er selbst?). Oder ist vielleicht die Person, die sich in Russland als Dörnberg ausgibt, jemand anderer? Das macht aber irgendwie alles keinen richtigen Sinn :gruebel


    Jakob hat Annette wohl endgültig als ebenbürtige Gesprächspartnerin anerkannt und sie tauschen ihre Gedanken aus. (Diese beiden wäre ein interessantes Paar!)

  • Und wahrscheinlich fühlen sie sich auch noch absolut im Recht


    Das taten sie. Die Selbstgerechtigkeit trieft nur so aus allen überlieferten Briefen zu dem Thema.


    Ich glaube, Wilhelm hat gar nicht erkannt, dass und vor allem womit er sie gekränkt hat. Wahrscheinlich war es Wilhlem (wenn vielleicht auch nur unbewusst) ganz recht, dass die Beziehung von vornherein aussichtlos war. So konnte er ein bisschen seinen romantischen Gedanken nachhängen, ohne befürchten zu müssen, dass das "echte Leben" sein Gelehrtendasein mit Jakob stört.


    Als im Mai ein Fernsehbeitrag über mich gedreht wurde und ich an dem Roman korrigierte, las ich einen kurzen Auszug aus dem Gespräch zwischen Jenny und Wilhelm vor. Da der Fernsehbeitrag zwar Wilhelms Erklärung, sie sei seine Prinzessin im fernen Turm etc., drin ließ, aber Jennys Reaktion, auf welche die Szene eigentlich hinaus lief, heraus nahm, war ich ein wenig besorgt, daß Zuschauer/Zuhörer einen völlig falschen Eindruck von dem Roman erhalten...


  • Da bin ich auch aus dem Kopfschütteln nicht mehr herausgekommen. Treuebeweis, wie lächerlich. Miese Machtspielchen, nichts anderes. Sich selbst besser fühlen, wenn man andere herabsetzen kann - und das war für die selbsternannten Herren der Schöpfung damals denkbar einfach. Und wenn einer Skrupel hatte, dann reichten auch diese nicht aus, um die betroffene Frau rechtzeitig zu warnen. :-(


    Man möchte sich nicht vorstellen, was sie mit den heutigen technischen Möglichkeiten anstellen würden...


    @ Lady Perry
    Ja, Jakob und Annette wären ein sehr interessantes Paar gewesen, heute wären sie es vielleicht. Damals war es ihnen leider nicht möglich, sich über die gesellschaftlichen Konventionen hinwegzusetzen, so schade.


    @ Tanja,
    Danke Dir für die vielen Details.


    Annette kann einem wirklich leid tun, weder mit Straube noch Levin durfte sie rundum glücklich werden. Immerhin fand sie später nochmal jemanden, der sie ernst nahm. :-)



    Blauberg hat es auch nicht einfach, aber er ist so dermaßen darauf aus, den Gebrüdern Grimm zu schaden, wo er nur kann. Jakob ist für ihn der perfekte Sündenbock, hätte keinerlei politisches Nachspiel. Habe mich an dieser Stelle gefragt, ob er irgendwann mit weniger Spitzen gegen die Grimms auskommt, denn die sind wirklich unerträglich.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")