Ali Bachtyar las am 15.03.2018 in Leipzig

Die tiefgreifenden System-Arbeiten sind soweit abgeschlossen. Weitere Arbeiten können - wie bisher - am laufenden System erfolgen und werden bis auf weiteres zu keinen Einschränkungen im Forenbetrieb führen.
  • Neugierig auf diese Veranstaltung wurde ich dank der Rezension von Rumpelstilzchen zu Ali Bachtyars aktuellem Buch „Die Stadt der weißen Musiker“


    Zu Beginn wurde Ali Bachtyar vorgestellt. Er ist der aktuelle Träger des Nelly-Sachs-Preises und lebt in Dortmund.

    Ali Bachtyar ist Kurde und wurde 1966 im Irak geboren. Dort war er bereits als Schriftsteller bekannt, als er vor rund 20 Jahren die Heimat verließ. Ab 1991 habe im kurdischen Teil des Iraks eine gewisse Freiheit geherrscht und er sei als Teil einer rebellischen Generation aufgewachsen. Gemeinsam mit Freunden gründete er eine literarisch-philosophische Zeitschrift, die Gesellschaft umfassend kritisiert und auch selbst viel Kritik eingesteckt. Dann sei 1994 während des kurdischen Bürgerkriegs sein Leben in Gefahr geraten und er sei nach Deutschland ausgewandet.

    Seine Geburtsstadt Suleimania sei ein wichtiges Kulturzentrum für die Poesie und so habe er früh begonnen zu Schreiben und Publizieren. Auch in seinen Romanen sei er Dichter geblieben.


    Auf die Frage, ob er in Deutschland eine Heimat gefunden habe, antwortete er, dass dies nicht einfach gewesen sei. Unter einer Diktatur müsse man ständig eine Maske tragen, danach sei als Flüchtling ein Nichts und stehe direkt auf Null. Alles, war man vorher getan habe, sei nichts mehr wert und man lebe ständig in zwei Welten. Erst seit seine Werke übersetzt wurde, könne er im Gleichgewicht zwischen den zwei Welten leben. Vorher sei er hier ein Autor ohne Buch gewesen.


    Maler und Musiker seien nicht auf das Wort angewiesen. Dieser Unterschied sei ein Thema in seinem aktuellen Buch „Die Stadt der weißen Musiker“.


    Ali Bachtyar las einen kurzen Teil vom Anfang des Buchs auf Kurdisch. Im Anschluss las Frank Arnold einem längeren Abschnitt.


    Die Moderatorin fragte nach der Bedeutung der Farbe Weiß für ihn und hatte gleich zahlreiche eigene Interpretationen parat. Ali Bachtyar verneinte alle Varianten, in seinem Buch steht Weiß für die Unendlichkeit. In der orientalischen Erzähltradition gehe eine Geschichte aus der anderen hervor. Diese mündliche Geschichtentradition sei im Irak leider nicht mehr existent und auch in den kurdischen Regionen im Irak und der Türkei selten geworden. Seine Großmutter habe ihm noch viele Märchen erzählt. Die Märchen von 1001 Nacht seien auch eine Sammlung von Geschichten aus den verschiedensten Quellen.


    Die Stadt im Buch stehe für die unsterbliche Schönheit, die in uns allen sei. Es gebe verschiedene Erzählebenen und eine Art magischen Realismus, in der er das Wunderbare in den Alltag einbetten wollte. Um das Leben darzustellen, brauche er poetische Sprache. Die Absurdität des Lebens der Kurden könne er in Alltagssprache nicht beschreiben. Es gebe dunkle Ecken und undurchschaubare Strukturen im Orient, deshalb brauche er parallele Welten um die Ereignisse dort schildern zu können.


    In dieser weißen Stadt würden alle Hoffnungen und Träume der Menschen aufbewahrt, um vielleicht irgendwann von jemand anders vollendet zu werden. Seine Hauptfigur Dschaladati ist der einzige Überlebende eines Massakers und wacht in der Stadt des Staubes wieder auf, die ein einziges großes Bordell ist. In dieser Stadt finde er das Haus eines Arztes und dieses habe wie die Realität einen doppelten Boden.


    Dann wurde eine Szene gelesen, in der Dschaladati entdeckt, was sich im Keller dieses Hauses befindet: Eine große Gemäldesammlung mit Werken von getöteten Künstlern. Der Arzt will diese bewahren und so auch an diese Künstler und deren Schicksale erinnern.


    Schreiben bedeutet für Ali Bachtyar auch Erinnern. Er stamme aus einem Land, in dem viel gedichtet, gemalt und komponiert werden, aber nur die wenigsten dieser Werke auch veröffentlicht würden. Sein Traum sei, diese Werk bewahren zu können. Durch das Schreiben könne er auch etwas retten. Auch wenn man die Welt nicht verändern könne, so sei es möglich, einiges zu retten.


    Viel zu schnell war die knapp einstündige Veranstaltung mit diesem interessanten Autor vorbei, die leider zu stark von der der Moderatorin und ihren Interpretationen dominiert wurde.


    Es ist noch nicht sicher, ob es auch ein Hörbuch geben wird. Dieses würde vermutlich von Frank Arnold gelesen.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")