'Die Frauen vom Savignyplatz' - Anfang - Kapitel 05

  • Dann mache ich mal den Anfang ...

    War heute Nachmittag im Buchladen und habe mir das Buch gekauft, so konnte ich vorhin gleich den ersten Abschnitt lesen. Jetzt also doch ein Vorteil trotz Nicht-Zulassung bzw. Ausschluss (übrigens nicht gerade die glücklichste Wortwahl).


    Ich habe bisher keine Erfahrung mit den Büchern von Joan Weng.

    Sozusagen nun meine Premiere und ich war sehr gespannt.

    Den ersten Abschnitt habe ich sehr schnell gelesen, zwischenzeitlich mal Offenbachs Cancan laufen lassen :).


    Es liest sich wirklich sehr schnell und gut, man muss sich bzw. die Augen doch sehr zügeln.

    Die Geschichte finde ich auch sehr interessant und ich bin sehr gespannt, wie sich alles und alle Personen weiterentwickeln.

    Bisher konnte ich zu Vicky noch kein Gefühl aufbauen, sie ist zu ambivalent, in ihrem Charakter und in ihrem Verhalten. Beabsichtigt? Ich bin gespannt, wie sie weiter vorgehen wird. Auch bin ich neugierig, ob sich klärt, warum diese Namensänderung und von wem diese ausging. Ich mag übrigens ihren Taufnamen, aber als Gemeinsamkeit; auch ich mag den Namen, den mir meine Eltern verpasst haben, nicht.

    Das Cover finde ich sehr schön, insbesondere die Entscheidung, die Frau im Dreiviertelprofil zu zeigen :).


    Ich weiß nun nicht, ob hier der passende Ort für Fragen zum Buch sind.

    Mich würde aber interessieren:

    * Das Wort "katastrofürchterlich" wird auf den ersten Seiten kurz nacheinander gebraucht. Ich kannte dieses Wort gar nicht; ich muss auch gestehen, ich fand es ein bisschen befremdlich, vor allem die wiederholte Nutzung in kürzester Zeit. Ist das Wort bekannt? Vielleicht für diese Zeit?

    * Die Wendung "Das schärfste Messer im Schrank warst du ja nie (...)." [S. 53] ... Hier kenne ich wieder nur: Die hellste Kerze auf der Torte. Ist die Messer-Wendung bekannt?

    * In der Widmung steht "für Bambi und Peter, die wissen warum" ... D.h. Bambi und Peter im Buch haben reale (Namen)Vorbilder? Joan, siehst Du Dich dann als Vicky oder wieviel von Vicky steckt in Dir?


    Ich denke, weitere Fragen werden sich dann ergeben, sobald die anderen auch einsteigen und beim Weiter:lesend :) ...:wave

  • Guten Morgen :) Ich glaube schon, dass das hier der richtige Rahmen für inhaltliche Fragen ist :)


    Also los: "katastrofürchterlich" ist heute nicht mehr sehr bekannt, war aber ein Modewort der Jugendsprache im Kaiserreich. Ähnlich wie "astrein" in den 30ern oder "cool" in den 90ern - wobei "cool" ja weitgehend den Sprung in den normalen Sprachgebrauch geschafft hat, mir fehlt deshalb ein aktuelle Pendant - mein Sohn ist 3 und mein ältester Neffe 9, die haben's noch nichtmit der Jugendsprache ;)

    Das Bild mit dem Löffel ist in den 10er, 20er Jahren recht geläufig gewesen, aber gleichfalls inzwischen eher ungewöhnlich. Ich bemüh mich immer möglichst viele der Worte aus der Zeit zu verwenden, zum einen weil ich es atmosphärischer finde, zum anderen aber auch weil ich es schade fände, wenn die Begriffe vollkommen aussterben. Und natürlich auch, weil ich beispielsweise den Löffel vergleich einfach süß finde.


    Ich hab zwei Brüder, die Bernd (Bambi) und Peter heißen, aber sehr wenig mit den Romanfiguren gemeinsam haben, außer dem Cancangeklopfe, was mein Bruder Bambi tatsächlich macht, wenn er ungeduldig ist. Ich mach das öfter, dass ich die Namen von Freunden oder Familienangehörigen benutzte, das Rupinskis - das bei mir eigentlich in allen Romanen - als Restaurant/Hotel auftritt ist ursprünglich nicht ans Kempinskis angelehnt, sondern ist der Familienname einer Freundin von mir, die sehr gut kocht. Mietzi, die später noch auftreten wird, hat das Aussehn, wenn auch nicht den Charakter, einer Freundin. Das ist einfach ein kleines Geschenk an Freunde bzw. einen Überraschung für sie, die sich in der Regel arg freut :)
    Ob ich viel von Vicky hab, kann ich kaum sagen, vermutlich ja, ich hab sie ja erfunden - aber ich hab ja natürlich ganz andere Ausgangsbedingungen und Möglichkeiten. Vicky ist als Kind ihrer Zeit und ihrer Schicht angelegt und geschaffen, da sind die Gemeinsamkeiten natürlich generell sehr begrenzt ;)


  • Ich freue mich katastrofürchterlich über die umgehende Antwort :)


    Mit der heutigen Jugendsprache kenne ich mich auch nicht wirklich aus, ich gehöre noch zur Cool-Zeit ;), obwohl ich selbst das Wort beim genauen Überlegen doch eher selten bis eigentlich gar nicht nutze.

    Egal ...

    Auf der einen Seite finde ich es toll, dass auch sprachlich das Zeitkolorit Niederschlag findet. Ich bin nur zeitlich gesehen ganz woanders daheim, daher ist dann manches für meine Augen eher fremd.

    Aber in der Tat bemerkenswert, wie schnell dieser Wandel abläuft. Vor nicht mal 100 Jahren war das gebräuchlich und heute wirkt es komisch.

    Sind das bewusste Verwendungen, d.h. Recherchearbeit (gibt es dazu ein Wörterbuch oder Nachschlagewerk wie Redewendungen in den Zwanziger Jahren?), oder durch Studium und die langjährige Beschäftigung mit dieser Zeit schon in den eigenen Sprachgebrauch übergegangene Wendungen?

    Ich muss ja sagen, dass das Wort "katastrofürchterlich" schon ein bisschen unkompliziert daherkommt. Für mich keine Wunder, dass das nicht von Bestand war :lache.

    Bisher bin ich über diese zwei Sachen gestolpert. Bin gespannt, ob mir noch was anderes unterkommt. Oder mir kam nichts mehr komisch. Eventuell ist da jemand anders noch was aufgefallen?

  • Ich hab zwei Brüder, die Bernd (Bambi) und Peter heißen, aber sehr wenig mit den Romanfiguren gemeinsam haben, außer dem Cancangeklopfe, was mein Bruder Bambi tatsächlich macht, wenn er ungeduldig ist. Ich mach das öfter, dass ich die Namen von Freunden oder Familienangehörigen benutzte, das Rupinskis - das bei mir eigentlich in allen Romanen - als Restaurant/Hotel auftritt ist ursprünglich nicht ans Kempinskis angelehnt, sondern ist der Familienname einer Freundin von mir, die sehr gut kocht. Mietzi, die später noch auftreten wird, hat das Aussehn, wenn auch nicht den Charakter, einer Freundin. Das ist einfach ein kleines Geschenk an Freunde bzw. einen Überraschung für sie, die sich in der Regel arg freut :)



    Aber Dein Bruder Peter hat Dir nicht für übel genommen, dass Du Bambi als Lieblingsbruder darstellst? ;)

    Ich glaube, es ist ganz normal, dass man sich beim Schreiben an Bekanntem und Bekannten orientiert.

    Die im Buch verewigten freuen sich, denke ich mal, doch darüber, wenn sie sich in den Figuren wiederfinden.

    Als Leser kann man es sich ja auch denken, aber man kennt die jeweiligen Personen nicht.

    Ich empfand es nur mal befremdlich bis gar störend, als ich sowohl den Autor als auch die realen Personen, die sich hinter den Figuren bzw. den Namen verbargen, kannte. Ist mir so bei den Krimis von Stephan Ludwig und seiner Zorn-Reihe gegangen, seither - Band 1 - habe ich da auch eine Sperre. Mitunter hatte da die reale Person auch nichts mit der Buchfigur gemein, außer dem Namen.



  • ndel abläuft. Vor nicht mal 100 Jahren war das gebräuchlich und heute wirkt es komisch.

    Sind das bewusste Verwendungen, d.h. Recherchearbeit (gibt es dazu ein Wörterbuch oder Nachschlagewerk wie Redewendungen in den Zwanziger Jahren?), oder durch Studium und die langjährige Beschäftigung mit dieser Zeit schon in den eigenen Sprachgebrauch übergegangene Wendungen?

    Also das meiste ist einfach Recherchearbeit - ich hab ja über die Literatur der Weimarer Republik promoviert und da kriegt man irgendwann ein Gefühl für die Spache und die Begrifflichkeiten der Zeit -, nur wenn ich arg viel am Schreiben bin kann es schon mal vorkommen, dass ich beispielsweise am Telefon sag: "Ich werde es meiner Frau Mutter ausrichten." ;) Aber die Slangworte der Zeit benutz ich dann doch nicht ;)

  • Aber Dein Bruder Peter hat Dir nicht für übel genommen, dass Du Bambi als Lieblingsbruder darstellst? ;)



    Nein, sie waren beide schon sehr dankbar, dass sie nicht - wie angedroht - als schwule Liebhaber meines Kommissars aus der Krimiserie geendet haben ;) Und sie haben charakterlich wirklich sehr wenig mit Vickys Brüdern gemein - in Wirklichkeit ist zum Beispiel Peter der ruhigere, der es immer allen Recht machen will ;)

  • Also das meiste ist einfach Recherchearbeit - ich hab ja über die Literatur der Weimarer Republik promoviert und da kriegt man irgendwann ein Gefühl für die Spache und die Begrifflichkeiten der Zeit -, nur wenn ich arg viel am Schreiben bin kann es schon mal vorkommen, dass ich beispielsweise am Telefon sag: "Ich werde es meiner Frau Mutter ausrichten." ;) Aber die Slangworte der Zeit benutz ich dann doch nicht ;)


    Meine Frau Mutter finde ich jetzt schon wieder richtig cool ;):lache:grin

  • Ich kenne nun Deine Diss nicht und die genaue Ausrichtung.

    Literatur der Weimarer Republik heißt rein literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung oder sprachwissenschaftliche Analyse der Literatur der Weimarer Republik?

  • Literatur der Weimarer Republik heißt rein literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung oder sprachwissenschaftliche Analyse der Literatur der Weimarer Republik?

    Im Grund eine literaturwissenschaftliche Motivanalyse zum Thema "Frauenschönheit" basierend auf der Theorie, dass Schönheit in den 20er Jahre erstmals für jede/n käuflich zu erwerben ist, woraus sich dann besonders bei Vicki Baum (Pariser Platz 13), Irmgard Keun (Das kunstseidene Mädchen) und Stefan Zweig (Marie Antoinette) ein Warencharakter der Frau ergibt, der allein mit dem Mittel der Bildung (Vicki Baum "stud chem. Helene Wilfuer") zu umgehen ist - da wären wir dann auch wieder dabei, dass Frauen seichte Bücher lesen (müssen), weil ihnen die Bildung für anspruchsvollere fehlt und es keine weiblichen Autoren gibt, etc.. Die Beispiele die Vicky anführt - der Kükentisch im Romanischen - sind historisch.

  • Buechereule Mir ist gerade aufgefallen, dass die Threadtitel der Unterforen noch ein paar "p"s gebrauchen könnten. :wave

    So muss ich immer an Latz - Lätzchen denken. ^^

    :D:D Da musste ich doch gleich mal nachsehn und tatsächlich steht da latz. Ich guck mir die Überschrift immer gar nicht vollständig an.


    So Buch kam vorhin und die ersten 5 Kapitel hab ich ratzfatz verschlungen.

    Die Ohrfeigen gegen Ende des Abschnitts waren wohl verdient. Aber oft ist ein Neuanfang besser als eine Fortsetzung des alten, gewohnten Lebens, wenn es auch hart ankommen kann.

    Vicky/Gusta, wieso überhaupt nennt sie sich Vicky? Hab da auf eine Erklärung gewartet, oder hab ich sie überlesen? Eigentlich finde ich Willi ja sympathisch, dass er mit einer Frau, die so nah mit der Familie verbunden ist, durch das Metzgergeschäft, auf Dauer nicht klar kommt, dafür muss die Liebe schon ziemlich groß sein. Und trotzdem scheitert sie oft am gemeinen Alltag.

    Auch Vicky mag ich ich, sie hat etwas rebellisches, das sie nur noch nicht zu ihrem eigenen Fortkommen richtig einzusetzen weiß. Dagegen sind ja ihre Eltern, wenn wohl auch typisch in ihrer Art und der damaligen Zeit entsprechend, nicht mein Fall.

    Die Bleibtreustraße begegnet mir mal wieder. Warum eigentlich kommt die in fast jedem Berlinroman vor??? Sofern Charlottenburg ein Schauplatz ist?

    Ich bin ja jetzt gespannt, wie es mit Bambi weiter geht. Er kommt mir wirklich genesen vor. Das kann allerdings auch von kurzer Dauer sein. So, muss unbedingt weiter lesen.

  • Also aus der Schule geplaudert, das mit der Bleibtreustraße liegt an den Lektoren - die raten einem immer dazu, die Charlottenburger Lokalitäten doch da zu verorten, weil die Straße so bekannt ist , dass auch nicht Berliner wissen, die liegt in Charlottenburg (vermutlich weil seit Generationen Lektoren Autoren zu diesem Schritt raten ;))

  • Ehrlich gesagt nervt mich das, in jedem Buch das dort spielt nur die Bleibtreustraße zu finden. Aber das ist wie mit vielen Dingen, die Betroffenen, in dem Fall die Leser, werden nicht gefragt. Und die Autoren fügen sich. Aber danke für die Erklärung Joan.

    In Berlin gibt es sowieso jeden Straßennamen mindestens 2 mal. Zudem wurden viele auch nochmal umbenannt. Also, mehr Mut zu anderen Straßennamen. Die Verlage sollten die Leser nicht für doof halten.

  • So, ich bin dann auch eingestiegen, als ich mein Buch auf dem Reader hatte :-)

    Die ersten Kapitel liessen sich ja wie nix lesen.

    Vicky mag ich, im Rahmen dessen was möglich ist nimmt sie sich was geht. Dass sie bei Willi landet, fand ich erst mal passend. Dass er aber doch so unsteht ist und sich dauernd wen anders sucht und am Ende auch noch seine Familie verlässt um eine neue zu gründen finde ich schon heftig. Aber immerhin will er sich um die Kinder mit kümmern. Wie immer das ihm auch gelingen wird, irgendwie hat er ja wohl nicht wirklich ne feste Arbeit...

    Aber der Hammer ist ja echt die Mutter von Vicky "Ich könnte ja mal wieder in den Laden gehen, hab ich ja schon seit 10 Jahren nicht mehr gemacht". Und dann zahlen sie ihrer Tochter noch nicht mal Gehalt! Aber die Nase über sie rümpfen, weil der Haushalt nicht perfekt läuft. Was macht die Frau Mutter denn den ganzen Tag? Dem Hausmädchen beim abstauben zuschauen ? :schlaegerSowas regt mich immer total auf, das ist ja bis heute noch gerne so, dass eine Frau über ihren Haushalt beurteilt wird.


    Jetzt bin ich aber gespannt, wie Vicky zu ihrem Laden kommt und dann hoffentlich auch erfolgreich wird. Ein bisschen mehr als nur Hedwig Courths-Mahler lesen gehört da ja schon dazu :-) Und auf die Erklärung warum sie sich Vicky nennt bin ich auch gespannt....

  • "Vielleicht waren Männer mit so hübschen Augen und so breiten Schultern ja Umgang für Mädchen, die sich Vicky nannten und Einschlagzeitungen lasen? Mädchen, die nachts bei weit geöffnetem Fenster rauchten und sich mit der Pinzette heimlich die Haare von den Beinen zupften? Mädchen, denen es beim Tischgebet manchmal vor Sehnsucht nach Leben den Hals zu drückte?"


    Das mit ihrem Namen wird nicht genauer aufgeklärt - Augusta war damals einfach schon ein Name mit Geburtsjahrgangsschild um den Hals, ähnlich wie all die Andreas, Marks, Katharinas und Sabines meiner Generation. Und Vicky galt als modern - es war einer der beliebtesten Namen, die sich junge Mädchen in der Kummerkastenspalte von Zeitschriften selbst gegeben haben. Die Namensänderung ist schlicht als Ausdruck ihres Wunsches nach Mordernität und Selbständigkeit zu interpretieren - er kriegt nachher noch eine Bedeutung, aber es wird nicht expilizit erklärt, warum sie gerade diesen Namen ausgewählt hat.


  • Aha, einfach aus der Luft gegriffen, weil es modern war. Hätte ja sein können sie wurde Augusta Victoria getauft. Das war doch auch ein gängiger Name. Also das hab ich so vermutet und dachte ich hab das nur überlesen.

  • Aber der Hammer ist ja echt die Mutter von Vicky "Ich könnte ja mal wieder in den Laden gehen, hab ich ja schon seit 10 Jahren nicht mehr gemacht". Und dann zahlen sie ihrer Tochter noch nicht mal Gehalt! Aber die Nase über sie rümpfen, weil der Haushalt nicht perfekt läuft. Was macht die Frau Mutter denn den ganzen Tag? Dem Hausmädchen beim abstauben zuschauen ? :schlaegerSowas regt mich immer total auf, das ist ja bis heute noch gerne so, dass eine Frau über ihren Haushalt beurteilt wird.

    Die Frau kommt doch über den Tod ihres Sohnes Otto nicht hinweg. Sie hat vermutlich eine Depression und stellt sich nicht mehr dem Alltag. Und Töchter bedeuten nun mal kostenlose Unterstützung bei der Arbeit. Wobei ich das keineswegs entschuldigen will. Mir geht sie auch gegen den Strich aber das waren noch andere Zeiten. Vicky wehrt sich aber erfolgreich. Das gefällt mir an ihr.

  • Aha, einfach aus der Luft gegriffen, weil es modern war. Hätte ja sein können sie wurde Augusta Victoria getauft. Das war doch auch ein gängiger Name. Also das hab ich so vermutet und dachte ich hab das nur überlesen.

    Das hätte gut sein können, vielleicht erklärt sich das ja in einem weiter Band so - nachdem du mich jetzt mal auf die Idee gebracht hast ;) Ich hatte es aber wirklich einfach als Fantasiename gedacht.