Zygmunt Miloszewski: Warschauer Verstrickungen. Teodor Szacki ermittelt

  • Zygmunt Miloszewski: Warschauer Verstrickungen. Teodor Szacki ermittelt
    Berlin Verlag 2015. 448 Seiten
    ISBN-13: 978-3833310102. 9,99€
    Originaltitel: Uwiklanie
    Übersetzer: Friedrich Griese


    Verlagstext
    Weil einem Mann ein Bratspieß durchs Auge ins Hirn getrieben wurde, muss Staatsanwalt Szacki – groß, schlank, eisgraue Haare, nicht uneitel – den heiligen Sonntag opfern und die Ermittlungen aufnehmen. Der Tote war Teil einer Therapiegruppe, und, da sind sich alle einig, der unglücklichste Mensch auf dieser an Unglücklichen nicht armen Welt. Der Mörder wird wohl trotzdem nicht gerade ein Wohltäter sein. Zur Lösung des Falls muss sich Szacki durch ein Dickicht aus Korruption und politischen Verstrickungen kämpfen. Und sein Engagement stößt nicht gerade auf Gegenliebe…


    Der Autor
    Zygmunt Miloszewski, geboren 1976 und früher Journalist bei Newsweek Polen, katapultierte sich mit „Warschauer Verstrickungen“ in die erste Reihe der osteuropäischen Autoren, die gerade die internationale Krimiszene aufmischen. Für das Buch erhielt er den Preis Wielki Kaliber, die höchste polnische Auszeichnung für Kriminalliteratur.


    Inhalt
    Der Warschauer Staatsanwalt Teodor Szacki hat es nicht leicht mir Frauen. Seine Kollegin vermüllt das gemeinsame Büro, dass der Szacki’sche Haushalt sich kaum weniger vermüllt zeigt, daran kann nur Teos Frau schuld sein – und zusätzlich sitzt Teo seine äußerst eloquente direkte Vorgesetzte Janina im Nacken. Ach ja, die Kollegen von der Dienstaufsicht sind unfairerweise auch Frauen. Der Mann ist erheblich jünger, als seine weißen Haare vermuten lassen und hadert zurzeit damit, ob er nicht lieber in ein anderes Leben abtauchen würde.


    Teos aktueller Mordfall gehört zu der Sorte, die mich eher davon abschreckt, einen Krimi zu lesen. Doch auf den ersten Seiten führt Zygmunt Miloszewski seine Figuren so fesselnd ein, dass sich die Lektüre dennoch gelohnt hat. Bei einer Familienaufstellung nach Hellinger im Rahmen einer therapeutischen Gruppensitzung kommt es zu dem zitierten Tod durch Bratspieß. Anwesend waren in dem Teil eines Klostergebäudes außer dem Therapeuten vier Klienten. Weil bei dieser Therapieform Familienkonflikte dargestellt werden, erweitert sich die Zahl der beteiligten Personen erheblich, über die Teo Informationen einholen muss. Ein Lesezeichen mit den Namen aller Personen wäre hier nicht schlecht gewesen. „Sie machen immer Fehler,“ sagt sich Teo und macht sich an die Ermittlungen. Dabei kreuzt eine äußerst attraktive Journalistin Teos Weg und ein „großer Unbekannter“ pflegt extrem nützliche Beziehungen zu Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Handlung spielt in einem Zeitraum von 6 Wochen im Sommer des Jahres 2005.


    Fazit
    Rechnen Sie in diesem Roman mit sehr vielen beteiligten Personen, der sehr ausführlichen Darstellung des Therapie-Wochenendes in den Zeugenaussagen, einer stimmungsvollen Beschreibung des Verhältnisses von Teo zu seiner Stadt - und einer Hauptfigur, die immer wieder Frauen in ermüdender Art anglotzt, während in Teos Umfeld die Gleichstellung von Männern durch Angeglotztwerden längst nicht erreicht ist.


    Das Buch wurde 2007 bereits für den dtv-Verlag übersetzt.
    2. Ziarno prawdy
    3. Gniew


    8 von 10 Punkten

  • Ein Kommissar, pardon ein Staatsanwalt, eine Leiche, ein Bratspieß, und unzählige schwer aussprechbare Namen von Verdächtigen, das sind die Zutaten in dem Kriminalroman „Warschauer Verstrickungen“. Bei einer Therapiesitzung, bzw. danach wird der Teilnehmer Henryk Telak mit einem Bratspieß im Auge aufgefunden. Leider überlebte sein empfindliches Hirn den Angriff nicht und der bedauernswerte Henryk verschied umgehend nach Eindringen des Gegenstandes in den Ort seines Verstandes. In Polen scheint es so zu sein, dass die Staatsanwälte die Ermittlungen bei Kapitalverbrechen übernehmen und so wird statt eines alleinerziehenden Kriminalkommissars mit Alkoholproblem, der Staatsanwalt Teodor Szacki mit der Aufklärung des Falles betraut.


    Szacki hat, wie könnte es anders sein, neben den verstrickten Verhältnissen, die es zu klären gibt, natürlich auch private Probleme. Mit der Ehefrau ist es ein wenig langweilig geworden und es wäre an der Zeit für eine Geliebte, doch als Beamter scheint man in Polen direkt an der Armutsgrenze zu leben und so ist ein Treffen mit der Journalistin auf die er ein Auge geworfen hat, schon recht teuer, immerhin kostet die Einladung zum Kaffee Geld…


    Ein Thriller, atemberaubend spannend und mal eben an einem Abend gelesen, weil man ihn nicht mehr aus der Hand legen konnte – das war das Buch, das ich zuvor gelesen hatte und so konnte dieses Buch dagegen nur verlieren.


    Bei „Warschauer Verstrickungen“ handelt es sich um einen typischen Whodunit mit langwierigen Ermittlungen, die sich wie Kaugummi hinziehen und dem armen Teodor, sowie dem Leser reichlich Geduld abfordern.
    Interessant dagegen ist der geschilderte typisch polnische Alltag und die Beobachtungen und Gedanken, die Teodor über Warschau und seine Bewohner anstellt. Danke, lieber Zygmunt Miloszewski, dass der Protagonist wenigstens einen Namen bekommen hat, den man aussprechen kann und dass er nicht Zbigniew, Ksawery, oder Adamerzyk getauft wurde. Einige polnische Namen klingen für mein simpel strukturiertes deutsches Sprachverständnis ziemlich kompliziert und leider gibt es ein paar recht ähnlich klingende Namen in diesem Roman, so dass ich teilweise durcheinander kam, wer denn nun wozu gehört und wer welche Rolle gespielt hat.


    Mein Fazit: An den Figuren, der Konstruktion von Mordfall und Motiv, sowie der ziemlich verschwurbelten Auflösung, gibt es eigentlich nicht viel auszusetzen, außer, dass ich mich schlicht und ergreifend ziemlich gelangweilt habe. Möglicherweise war es falsch, diesen Krimi direkt nach einem hochspannenden Thriller zu lesen. 6 Eulenpünktchen für einen "spießigen" Kriminalroman.

  • Bei einem Therapiewochenende nach Bert Hellinger wird einer der Teilnehmer mit einem Bratspieß im Auge tot aufgefunden. Da die Umstände des Todes unklar sind, nimmt Staatsanwalt Teodor Szacki die Ermittlungen auf …


    Das Buch fängt gut an, was nicht zuletzt dem tollen und flüssigen Schreibstils des Autors geschuldet ist. Natürlich stören zu Beginn die ganzen ungewohnten polnischen Namen und Ortsbezeichnungen. Bei vielen überlegt man dann, wie spricht man dies aus, so dass der Lesefluss automatisch ins Stocken gerät und es nicht wirklich vorangeht in der Geschichte. Aber nach und nach gewöhnt man sich daran und der Lesefluss wird etwas besser.


    Die Grundidee hinter der Geschichte war sehr interessant, leider glückte die Umsetzung nicht so ganz. Manche Situationen oder Handlungen waren einfach unlogisch oder aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, wie z.B. die Beziehung zwischen dem Staatsanwalt Teodor Szacki und der Journalistin Monika Grzelka. Auch hatte ich manchmal das Gefühl, irgendetwas verpasst oder überlesen zu haben, da die Geschichte plötzlich verworren wurde oder unübersichtlich war. Jedoch konnte ich selbst beim nochmaligen Nachlesen nichts an diesem Gefühl ändern.


    Was mir dagegen sehr gut gefiel, man erfährt viel über Warschau und das Leben bzw. die Arbeitswelt der Polen. Das fand ich schon sehr interessant, auch wenn zum Fortgang der Geschichte nicht wirklich beitrug. Dementsprechend langatmig war die Geschichte teilweise und die Spannung blieb leider auf der Strecke.


    Fazit:
    Im Nachhinein kann ich sagen, es war ein sehr verwirrendes Buch, kurzlebig und bei dem mir vor allem die Beschreibungen und Informationen zur polnischen Lebens- und Arbeitswelt im Gedächtnis bleiben werden.

  • Teodor Szacki ist Staatsanwalt in Warschau und seine Motivation ist so hoch wie sein Gehalt, also eher mäßig. Und so kommt ihm die männliche Leiche, die nach einer Gruppentherapie im Kirchenzentrum gefunden wird, eher ungelegen. Aber was solls, die Arbeit muss getan werden. Schnell stellt Szacki fest, dass der Tote keineswegs nur in Therapie war, sondern noch viel dunklere Geheimnisse mit sich trug. Kann er den Mörder finden?


    „Warschauer Verstrickungen“ ist der Auftakt zur Teodor-Szacki-Reihe von Zygmunt Miloszewski und hat mir ausnehmend gut gefallen. Der Autor entführt seine Leser in die graue und zumeist wenig sexy Stadt Warschau und führt mit dem Staatsanwalt eine eher ruhige und nicht durchweg sympathische Hauptfigur ein. Dennoch haben mich der Plot und auch Szacki gefesselt.


    Die Geschichte wird aus der Sicht eines auktorialen Erzählers berichtet. Dabei folgt man zum Großteil dem Staatsanwalt und seinen Ermittlungen, nur in wenigen Kapiteln kommen auch die Hintermänner zu Wort. Wer bei Zygmunt Miloszewski rasantes Tempo und viele Tote erwartet, ist falsch gewickelt. Der Autor lässt Szacki ruhig und besonnen, teilweise auch ruppig Nachforschungen anstellen. Das hat mir sehr gut gefallen, denn so konnte ich mit ihm viele Details ermitteln.


    Besonders gut fand ich die Darstellung der Familienaufstellung. Dieser Therapieansatz ist zentraler Bestandteil des Tathergangs gewesen und auch das Opfer musste durch diese harte Therapie gehen. Miloszewski lässt den Leser hier tief in die Welt der Therapeuten und der Auswirkungen einer solchen Aufstellung eintauchen. Dennoch kam für mich dabei keine Langeweile auf, denn je weiter die Ermittlungen fortschritten, desto mehr erfährt man auch über die Geschichte Polens und die Verstrickungen der alten Garde mit der Gegenwart. Toll!


    Die Figuren, die der Autor einführt, haben alle Ecken und Kanten. Gerade Teodor Szacki, der als Staatsanwalt nicht durchweg glücklich ist, löste bei mir von Sympathie bis hin zu „ehrlich jetzt?“ alles aus. Dennoch oder gerade deswegen konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Denn neben den Mordermittlungen erfährt man auch sehr viele Details aus dem Privatleben des Warschauers. Und da herrscht nicht gerade eitel Sonnenschein. Entgegen der typischen Klischees von Bier oder Tabletten hadert Szacki mit seiner Ehefrau und dem Familienleben. Und dies ist sehr glaubwürdig und realitätsnah dargestellt, ohne dass das Privatleben zu sehr in den Vordergrund rückt. Klasse!


    Die Story an sich ist fesselnd und steigert sich im Verlauf. Dabei hetzt man aber nicht durch die Stadt, jagt mit Waffengewalt die Bösen und muss jeden Abend Wunden versorgen, sondern leistet solide Polizeiarbeit, wälzt Akten und befragt Zeugen. Diese ruhige, dennoch nie langweilige Art hat mir sehr gut gefallen. Je tiefer die Ermittlungen gingen, desto stärker sollte man sich allerdings konzentrieren, denn Szacki wagt sich in Kreise vor, die allein durch Andeutungen Angst verbreiten.


    Das Finale ist gelungen, rund und in meinen Augen sehr passend für den gesamten Verlauf. Die Art der Überführung erinnerte mich an Columbo, machte den Staatsanwalt aber nur noch sympathischer.


    Der Stil von Zygmunt Miloszewski ist sehr gut und flüssig zu lesen. Seine Erzählweise ist ruhig, gelassen und detailreich. Für mich war es absolut passend.


    Fazit: diese Therapie hilft dir aus dem Leben. Lesen!