Noble Gesellschaft - Joan Weng

  • Inhalt
    Spätherbst 1925. Endlich Urlaub! Für Carl von Bäumer und Paul Genzer steht die schönste Zeit des Jahres an. Doch bevor sie ihre freie Zeit genießen können, werden ihre kriminalistischen Spürnasen auf eine harte Probe gestellt. Ein angesehenes Mitglied der höheren Gesellschaftsschicht kommt zu Tode. Noch ist nicht ganz klar, ob es sich um Mord oder Selbstmord handelt, da gibt es schon den nächsten Todesfall. Ob und wie die Vorkommnisse zusammenhängen und was das Schicksal der im Jahr 1912 verschwundenen Esther damit zu tun hat, das ermitteln Carl und Paul auf bekannt humorige Art und Weise im fast nicht zu durchbrechenden Dickicht der noblen Gesellschaft.


    Der eigentliche Klappentext ist mehr als unglücklich – er hat eigentlich gar nichts mit dem tatsächlichen Hergang der Geschichte zu tun und spoilert obendrein. Ich füge ihn der Vollständigkeit halber trotzdem bei:


    Berlin, 1925: Lotti ist Dienstmädchen, lebenslustig und kokett – zu kokett? Denn nun ist sie tot. Während alle ihren Verlobten verdächtigen, nimmt Kommissar Paul Genzer den allseits geachteten Baron von Rosskopf ins Visier. Dann tauchen plötzlich weitere Tote auf, und Paul ist sich nicht mehr sicher: Wurde der Baron Opfer einer Verschwörung? Unversehens ist der Kommissar Teil eines Verwirrspiels, aus dem er sich nur mit Hilfe des Stummfilmstars Carl von Bäumer befreien kann.


    Autorin lt. amazon.de
    Joan Weng, geboren 1984 in Stuttgart, studierte Germanistik und Geschichte und promoviert aktuell über das Frauenbild in der Literatur der Weimarer Republik. Für ihre Kurzprosa wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Hattinger Literaturförderpreis, dem Wiener Werkstattpreis, dem Goldstaubpreis der Autorinnen Vereinigung e. V. sowie zahlreichen Stipendien. Seit 2013 leitet sie die Redaktion von www.zweiundvierziger.de, dem Blog der 42er Autoren. Sie lebt mit ihrer Familie bei Tübingen. „Feine Leute“ ist ihr erster Roman.



    Meine Meinung
    Dieses Buch darf man nicht schnell lesen. Man muss aufmerksam bleiben und jede Zeile genießen. Denn Joan Weng versteht es, an jeder Ecke Anekdoten und Informationen über das Lebensgefühl der 20er Jahre einzustreuen. Es wäre schade, wenn man einfach darüber hinwegflöge. Der eigentliche Kriminalfall rückt dabei ein wenig in den Hintergrund, doch das ist nicht schlimm. Natürlich fiebert und rätselt man als Leser mit, was genau hinter den Morden und Selbstmorden stecken könnte, aber bei mir lag das Hauptaugenmerk eher auf der schönen Sprache und dem damit transportierten Zeitgeist.


    Die Zusammenhänge der Ereignisse sind anfangs ziemlich verworren (auch Carl, unser Meisterdetektiv, kommt erst sehr spät hinter das Geheimnis, das zu den Geschehnissen geführt hat). Auch hatte ich zu Beginn ein wenig Probleme, die vielen handelnden Personen auseinander zu halten. Hier hilft das mitgelieferte Personenverzeichnis auf den ersten Seiten des Buches ungemein (ich halte es sogar für unverzichtbar), nur das ständige Nachschauen stört leider ein wenig den Lesefluss. Dies ist aber nur ein ganz kleiner Kritikpunkt, denn je weiter die Geschichte fortschreitet, umso mehr bekommen die vielen Individuen der noblen und weniger noblen Gesellschaft ein Gesicht und lassen sich immer besser auseinanderhalten.


    Wer „Feine Leute“ bereits gelesen hat, wird den ein oder anderen Bekannten in diesem Band wiedertreffen. Und neue Freundschaften schließen, zum Beispiel mit Horatio, dem Carl nicht ganz freiwillig zugelaufenen Katerchen. Mir hat insbesondere die Vielschichtigkeit gefallen, in der die Personen angelegt sind. Jeder Person wurde ein individuelles Merkmal oder ein spezieller Charakterzug mitgegeben, keine der Personen ist eindeutig „gut“ oder „böse“, sondern hat mehrere Facetten, die ein Bild beim Leser entstehen lassen. Besonders deutlich wird das wohl bei Willi Genzer, Pauls Bruder, der mir in „Feine Leute“ noch plump und ungehobelt erschien, der in „Noble Gesellschaft“ jedoch eine ganz andere, sympathische und durchaus kultivierte Seite von sich zeigt.


    Was ich auch ziemlich mochte, ist der hintergründige Humor, der immer wieder zum Vorschein kommt. So manövriert sich Carl wiederholt in urkomische Situationen, aus denen ihm nur noch die Flucht verhilft. Generell verzeiht man Carl vieles, auch wenn er mit seinen Allüren sicher ein anstrengender (aber dennoch sehr liebenswerter) Zeitgenosse ist. Sein Freund Paul wirkt da wie ein ruhender Pol und holt Carl des Öfteren auf den Boden der Tatsachen zurück. Und doch ist es in diesem Kriminalfall Carl, der durch seine Hartnäckigkeit und Skepsis der Lösung des Falles immer näherkommt.


    Es hat großen Spaß gemacht, zusammen mit Carl und Paul auf Verbrecherjagd zu gehen und tief in die goldenen Zwanziger einzutauchen. Ich hoffe sehr, dass es weitere Fälle mit den beiden geben wird – bei einer Leserunde bin ich selbstredend wieder dabei. Für „Noble Gesellschaft“ vergebe ich verdiente 9 von 10 Eulenpunkte.

  • Dies ist also der 2. Fall von Paul Genzer und Carl von Bäumer. Nachdem mir „Feine Leute“ schon so gut gefallen hat, war ich sehr gespannt auf dieses Buch.
    Mir als Vielleserin, die eher selten zu Krimis greift, hat besonders gut die so treffende Sprache gefallen. Joan Weng kann einfach Dialoge schreiben. Ihre sind gespickt mit Wortwitz, der - je nach Schicht, in die sie uns gerade führt - nötigen „Berliner Schnauze“ und die Kunst mir als Leserin die damalige Atmosphäre vor Augen zu führen. Man hat das Gefühl, man sei „dabei“.
    Die Krimihandlung ist spannend und nicht vorhersehbar. Es ist wieder ein klassischer Krimi, der ein-fach Freude macht. Das Buch hat mich sehr gut unterhalten. Es macht einfach Spaß „dem schönsten Mann der UFA“ bei seinen Ermittlungen zu folgen.
    9 Punkte

  • Berlin 1925: Gerade hatte Carl von Bäumer den Kriegshelden Max von Volkmann noch auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung getroffen, jetzt soll der sich selbst umgebracht haben? Daran glaubt Carl keine Sekunde, von Volkmann ist ganz sicher ermordet worden. Carl lässt sich auf eine Wette mit Kommissar Paul Genzer ein und macht sich an die Ermittlungen. Gut, dass er die noble Gesellschaft gut kennt, schließlich ist er einer von ihnen, und außerdem noch ein gefeierter Filmstar, alle Türen stehen ihm also offen.


    Nachdem ich den Vorgängerband gelesen hatte, habe ich mich schon sehr darauf gefreut, endlich wieder Carl und Paul zu treffen, nun endlich war es soweit, Band 2 ist erschienen und hat mich nicht enttäuscht.


    Joan Wengs Roman hat mich sofort wieder gepackt und mich in das Berlin der 20er Jahre entführt, in dem ich nicht nur auf die titelgebende noble Gesellschaft, sondern auch auf die weniger oder gar nicht noble traf. Bunt gemischt und mannigfaltig ist das Personenensemble, manchmal auch verwirrend, bis man die einzelnen Namen zuordnen kann, dabei hilft aber das sehr nützliche Personenregister. Wer aufmerksam liest, kommt sowieso gut klar. Einige Charaktere kennt man sowieso bereits aus dem Vorgängerband, wer diesen gelesen hat, trifft eine Reihe alter Bekannter wieder.


    Aufmerksam lesen, ist, wie schon beim Vorgänger, sowieso angesagt, will man nicht versteckte Hinweise oder Anspielungen übersehen. Besonders gelungen sind die vielen Perspektiven, durch die die Handlung und die Auflösung vorangetrieben werden, dem Leser wird so nach und nach das Puzzle enthüllt und man erhält verschiedene Blickwinkel auf die Personen und den Fall.


    Mir gefällt Joan Wengs Erzählweise sehr gut, mit viel feinem Humor bringt sie ihre Charaktere, nicht nur die Protagonisten, immer wieder in schwierige, gar peinliche Situationen, die den Leser zum Schmunzeln bringen. Bevorzugtes „Opfer „ist Carl von Bäumer, der schönste Mann der UFA, der sich in seinem Eifer auch oft selbst in unmögliche Situationen bringt. Auch manche Meinung nimmt sie auf die Schippe, sei es, wenn Urte, Carls Schwester diesem Vorhaltungen macht, sei es, wenn Pauls Kollege oder gar sein Tippfräulein über diesen nachdenkt. Manche Szenen sind fast slapstickhaft angelegt – herrlich!


    Dass der Kriminalfall hinter den persönlichen Beziehungen und der Atmosphäre des 20er Jahre Berlins etwas zurücktritt, macht gar nichts, aufgelöst wird er dennoch nachvollziehbar und zufriedenstellend.


    Was soll ich sagen, ich liebe den zweiten Band fast noch mehr als den ersten, er hat mich wieder glänzend unterhalten und ich habe ihn nur ungern aus der Hand gelegt. Ich hoffe sehr, dass ich noch viele weitere Bände mit Carl und Paul, Urte, Willi, Kapp und dem Berlin der 1920er Jahre lesen kann. Volle Punktzahl und eine uneingeschränkte Leseempfehlung – man kann diesen Band übrigens auch gut lesen, ohne Band 1 zu kennen.

  • Dreamteam


    Endlich hatte es ein Ende - das Warten auf den zweiten Band mit dem ( zumindest für mich ;-) ) Dreamteam Carl von Bäumer und Paul Grenzer.
    Der Schauspieler und Frauenschwarm und der Kommissar passen einfach zu gut zusammen.
    Der Fall, bzw. die Fälle ( denn es gibt einige Tote im Verlauf des Buches ) führt den Leser in die noble Gesellschaft Berlins in den 20iger Jahren.
    Aber man lernt nicht nur dieses Milieu kennen - auch die einfachere und ärmere Gesellschaft spielt eine Rolle.
    Joan Weng beschreibt dies alles auf ganz wunderbare Art und Weise, hier stimmt alles, die Sprache, die Stimmung, der Flair dieser Zeit.
    Man ist als Leser mittendrin und rätselt mit Carl und Paul mit.
    Aufmerksames Lesen ist Pflicht, denn es spielen sehr viele Personen eine Rolle.
    Aber zum Glück gibt es am Anfang des Buches ein sehr ausführliches und toll beschriebenes Personenverzeichnis.
    Am Schluß löst sich alles nachvollziehbar und logisch auf.


    Und das Warten auf Band 3 beginnt...........ich hoffe noch auf viele weitere Fälle dieser Krimireihe.


    Und bei Joan bedanke ich mich für die Begleitung der Leserunde. :knuddel1 :kiss :blume

  • Vorab: Mir hat der zweite Teil viel viel besser gefallen als der erste Teil (Noble Gesellschaft).
    Vielleicht musste ich mich erst mal an die Erzählweise gewöhnen, denn Joan Wengs Bücher lassen sich nicht mal eben nebenbei weg lesen. Man muss schon ein wenig langsamer lesen und vor allem auch bewusst lesen.


    Die Figuren Carl von Bäumer und auch Paul Grenzer habe ich schon im ersten Teil lieben gelernt. Und die 20er Jahre sind sowieso genau meins. Ich habe die ganze Zeit vor meinem inneren Auge die Haupt- und Nebenfiguren entstehen lassen können.


    Zum Inhalt werde ich hier nicht mehr allzu viel sagen, weil dies schon meine Vorredner getan haben. Es war aber wie immer spannend :-)


    Soll es eigentlich in nächster Zeit einen dritten Teil geben? Es wäre zu schade, wenn es mit der Reihe nicht weiter gehen würde.

  • Ich muss gestehen, dass ich bei den vielen skurrilen, meist auch schwulen Von-und-Zus gleich mal den Überblick verloren habe; und da ich das eBook gelesen habe, war es mir zu mühsam, ständig ins Personenverzeichnis zurückzublättern.

    Mir hat in diesem Buch auch mal mindestens eine starke Frauenfigur zwischen all den Männern gefehlt, die sich nicht nur dämlich verhält, ihre Nägel pflegt oder dringend geheiratet werden möchte.


    WIE der Mord vonstatten gegangen war, wusste ich auch schnell (kann es sein, dass es einen Krimi mit einem ähnlichen Detail bei Sherlock Holmes gibt? oder irgendeinem anderen Klassiker? ich kannte es jedenfalls schon) - daher war ich zeitweilig etwas genervt von dem Buch.


    Nachdem ich irgendwann aber aufgegeben hatte, die Figuren sauber auseinanderzuhalten, und es mir daher letztendlich auch egal war, WER der Mörder war, habe ich den Krimi mit Genuss gelesen - aufgrund des Settings, der spritzigen Dialoge, der liebenswerten Nebenfiguren, des witzigen Ermittlerpaars, des süßen und wertvollen Katerchens :katze - und nicht zuletzt, weil ich so gern wissen wollte, wie Willi Genzer jetzt sein Privatleben wieder organisiert kriegt. :chen Die Lösung hat mir gefallen, denn Christine mochte ich sehr gern.


    Ich hatte also durchaus Lesespaß, was aber weniger an der Krimihandlung lag als vielmehr an der erfrischenden Schreibe von Joan Weng.