Die Neshov-"Trilogie" (in Anführungszeichen, weil sie nun aus vier Bänden besteht) gehört wahrscheinlich zum Besten, was ich in den letzten Jahren gelesen habe. Entsprechend habe ich mich gefreut, als ich den Folgeband geschenkt bekam. Vor allem auch deshalb, weil mit dem dritten Band das Schicksal der Heldin Torunn ziemlich düster ausging.
Anne Ragde hat Torunns psychische Entwicklung, der Druck der vielfältigen Erwartungen an sie (als "Anerbin") und ihre Reaktion darauf in den ersten drei Bänden, vor allem in dritten, mit großer Einfühlsamkeit und Folgerichtigkeit erzählt. "Sonntags in Trondheim" setzt diese Entwicklung ebenso einfühlsam und nachvollziehbar fort:
Torunns Depression, die hauptsächlich aus dem Selbstmord des Vaters und ihrem Schuldgefühl entsprang, scheint überwunden. An den Vater, den sie ja erst als Erwachsene kennen lernte, denkt sie anscheinend nicht mehr viel. Den Großvater, den sie lieben gelernt hat, hat sie zwar im Stich gelassen, aber das erwies sich langfristig als ein Segen - es ist erstaunlich, wie der Alte auflebt, nachdem er vom Hof weg ist. Und so kann Torunn endlich unbefangen, bewusst und voller Energie von dem Hof Besitz ergreifen.
Erlend und Krumme werden nach wie vor als überkandideltes Paar mit unerschöpflichem Bankkonto dargestellt und Erlends Leberfunktion hält weiterhin jeder Belastung stand - irgendwie ein klein wenig märchenhaft. Und Margidos etwas hysterische Religiosität scheint ganz von allein eine milde, tröstliche Form angenommen zu haben.
Ich hätte nie geglaubt, dass Torunn sich ausgerechnet an ihn anschließt.
Da haben wir wohl noch einiges zu erwarten, denn wie ich hörte, soll es im nächsten Jahr einen fünften Band geben.
Der Verlag hat sich alle Mühe gegeben, "Sonntags in Trondheim" auch für Leser, die die ersten drei Bände nicht kennen, verständlich und lesenswert zu machen. Die Zeichnung im rückwärtigen Innendeckel finde ich persönlich aber etwas daneben. Krumme, von dem es immerfort heißt, er sei so breit wie hoch, sieht allenfalls ein bisschen kompakt aus; Jytte und Lizzi erscheinen wie Teenager und sehen nicht so, als könnten sie die Mütter der recht gezwungen posierenden Kinder sein. Und warum ist die vorverstorbene Anna Neshov gezeichnet, während Tor durch Gummistiefel und Forke symbolisiert wird? Aber was solls - die Zeichnung ist ja nur Nebensache. Eine gelungene Fortsetzung der Reihe!