Beiträge von buchregal123

    Ich muss ja gestehen vorher noch nie von Helen Keller gehört zu haben.

    Ich auch nicht.

    Immer wieder blitzthier auf, dass auch sie aus Wut und Frust ihr Temperament nichtzügeln kann – Züge, die sie später in weit schlimmerem Ausmaßbei Helen wiederfindet.

    Die beiden haben vieles gemeinsam. Anne kann Helen daher auch so gut verstehen.

    Schlimm fand ich, wie sehr derRassismus im Süden immer noch vorherrscht – zwar wurde auf dem Papier dieSklaverei abgeschafft, geändert hat sich dadurch aber leider nochnicht viel, so verurteilen die Kellers z.B. zuerst, dass Percy mitHelen und Anne am Tisch isst. Da liegt noch ein sehr weiter Weg vorihnen.

    Ja, der Weg ist weit und in vielen Köpfen noch immer nicht zu Ende. Aber es ist auch verständlich, dass so ein Denken mit der Abschaffung nicht gleich verschwunden ist. Doch die Kellers scheinen auch nie darüber nachzudenken, dass sie sich falsch verhalten.

    Ich bewundere Anne für ihre Geduld. Das hätte ich nicht alles so hinnehmen können. Aber Helen ist wirklich ein cleveres Mädchen, die unheimlich schnell lernt und schon bald sogar Abstraktes einordnen kann.


    Wie viel leichter Helen es hat, als Anne es je hatte. Sie wurde hin und her geschoben, nicht für voll genommen und gehänselt. Als sie von den Nonnen freundlich behandelt wird, lässt sie sogar Operationen über sich ergehen, obwohl sie nicht wirklich Hoffnung hat, dass es ihr helfen könnte. Anne weiß aber auch, was sie will. Sie will zur Schule gehen und lernen und tut alles, was ihr möglich ist, um das zu erreichen. Sie ist eine starke Person.


    Aber wird sie es auch schaffen, Helen nach Boston zu bringen? Die Mutter wird Helen wohl nicht so leicht ziehen lassen, verspürte sie doch schon Eifersucht.

    Es muss auch Menschen geben, die "nur" sehr empathisch und geschult sind, um zu erkennen, dass das Verhalten der Kinder auf ihre Behinderung zurückzuführen ist.

    Das sehen wir aus unserer heutige Sicht und Kenntnis so. Aber damals wusste man noch nicht so viel und hat sich wenig um die Behinderten gekümmert. Wie bereits erwähnt gibt es heute viele Möglichkeiten, die es damals noch nicht gab.

    Durch ihre eigene Erfahrung kann sie sich in Helen hineinversetzen. Ich denke eine "normale" Lehrerin hätte das nicht lange ausgehalten.

    Dass es natürlich nicht förderlich ist, Helen nach Wutausbrüchen mit Süßigkeiten zu belohnen ist eigentlich klar.

    Helen tut mir auch leid, aber ihr alles durchgehen zu lassen ist doch keine Lösung. Die Erziehung wurde in den Kreisen an Bedienstete abgegeben, die damit überfordert waren. Mit Liebe und Geduld hätte die Mutter ihr wenigstens beibringen können, wie man von einem Teller evtl. mit einem Löffel isst. Ich habe fast das Gefühl, als wenn sie das nicht als ihre Aufgabe angesehen hat. Es gab nur Ruhigstellen durch Belohnung.


    Anne weiß, wie Helen sich fühlt, kennt sie diese Wut doch aus eigener Erfahrung. Aber sie weiß auch, dass sie das nicht weiterbringt. Ihre Geduld ist bewundernswert.

    Anne hat es wirklich schwer gehabt. Die Mutter und Geschwister krank, so dass sie als kleines Kind schon viel leisten musste. Dazu ein Vater, der mit seinem Schicksal hadert und im Alkohol Vergessen sucht, was ihn gewalttätig werden lässt. Zum Glück gibt es Menschen, die sich um Anne kümmern, was es aber auch nicht leichter für das Mädchen macht. Da sie oft wütend wird, bekommt sie wenig Verständnis. Sie ist aber auch ehrgeizig und lernt viel. Nach ihrer letzten OP überfordert sie sich, weil sie möglichst vorbereitet, ihre Arbeit antreten will.


    Dann trifft sie auf Helen, die genauso wütend ist, wie sie es war. Dass alle so mitleidig nachsichtig mit Helen sind, tut ihr sicherlich nicht gut. Aber es fehlt auch die Erfahrung, sie richtig anzuleiten. Helen ist ein begabtes Kind, dessen Fähigkeiten niemand wirklich erkannt hat.


    Mir gefällt es, wie sich Anne gegen die Kellers durchsetzt.

    Köln in den fünfziger Jahren: Cosima Liefenstein stammt aus einer angesehenen Industriellenfamilie. Der Zufall brachte sie mit einer jungen Mutter zusammen, die es in jener Zeit sehr schwer hatte. Daher will Cosima ihr und anderen bedürftigen Frauen helfen und gründet eine Stiftung. Cosima möchte mehr über ihre Familie erfahren, trifft aber nur auf Schweigen. Leo Marktgraf, ein junger Journalist, will wissen, warum sein Freund gestorben ist, der Vorwürfe gegen die Familie Liefenstein erhoben hatte. Als Cosima und Leo recherchieren, stechen sie damit in ein Wespennest und bringen sich und andere in Gefahr, denn die Netzwerke aus der NS-Zeit funktionieren immer noch perfekt und wollen, dass das auch so bleibt.


    Dieser Roman von Claire Winter ist spannend und erschreckend. Von Anfang an hat mich diese Geschichte gepackt, die so viel mehr ist als eine Familiengeschichte. Wir erfahren, wie sich Industriellenfamilien mit den Nazis gemein gemacht haben und deren Gräueltaten nicht nur toleriert, sondern auch aktiv mitgestaltet haben. Nur dank der Zwangsarbeiter konnten sie ihre Geschäfte weiterführen, wobei Kontakte zur Regierung äußerst hilfreich waren. Die fiktive Familie Liefenstein steht für viele andere Industrie-Dynastien, die ihre Historie gerne im Dunkeln gelassen hätten, um auch in der jungen Bundesrepublik weiterführen zu können.


    Immer wieder gibt es zwischendurch Rückblicke, die das Leben der Familie, der Freunde und der Angestellten in der schrecklichen Zeit des Nationalsozialismus zeigen. Für die einen gab es gute Geschäfte, für andere Not und Tod.


    Nachdem ihr Vater Edmund durch einen Unfall ums Leben kam, ist Cosima bei ihrem Onkel Theodor aufgewachsen. Die beiden haben eine enge Beziehung, aber Fragen nach der Vergangenheit bleiben unbeantwortet. Cosima ist eine starke mitfühlende Person. Als sie mehr über ihre Familie wissen will, bringt sie nicht nur Unruhe in die Familie, sie schreckt auch andere auf. Leo hat andere Gründe für seine Nachforschungen, doch auch die hängen mit der Familie Liefenstein zusammen. Cosimas Onkel Theodor ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Er verhält sich ganz im Sinne seines Vaters Wilhelm, für den Geschäft und Ansehen das Wichtigste ist. Doch dann passiert etwas, das in ihm etwas auslöst, was zu einer Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit führt.


    Elisa Kopper kommt siebzehnjährig als Hausmädchen in die Familie Liefenstein und wird später dann Kindermädchen für Cosima. Wie ungeschützt Angestellte waren, zeigt sich, als sie Hals über Kopf die Villa verlassen muss. Aber auch das Schicksal von David, Edmunds Freund, hat mich sehr berührt.


    Dieser grandiose Roman erzählt eine Geschichte, die berührt und einen lange nicht loslässt. Meine absolute Empfehlung!


    10/10

    Naja, es hätte auch noch genug Frauen gegeben. Manches wäre vielleicht am Anfang etwas holpriger gewesen aber ich habe in meinem Leben mehr als einmal die Erfahrung gemacht, dass scheinbar unersetzliche Menschen meines Arbeitslebens, die überraschend lange Monate oder für immer ausfielen (wegen Krankheit oder anderem), immer gut ersetzt werden konnten. (Meiner Meinung nach ist niemand unersetzbar und Menschen können über sich hinauswachsen, wenn sie müssen.)

    Das stimmt schon, dass die Frauen vieles geleistet habe und auch leisten konnten. Aber es war leider auch so, dass in vielen Bereichen den Frauen die entsprechende Ausbildung fehlte.

    Ich kann mir vorstellen, daß - anch einiger Zeit des Nachdenkens und beseinnens - die beiden sich vielleicht wieder ein wenig näher kommen können.

    Das kann ich mir gut vorstellen. Doch was Cosima erfahren hat, ist so schrecklich, dass es bestimmt Zeit braucht, um über all das hinwegzukommen. Aber mit ihrer Tätigkeit ist sie ja auf einem guten Weg.

    Wichtig ist Theodors Äußerung, man habe ihm keinen Gefalllen getan, als man den Totschlag als Jagdunfall hat aussehen lassen.

    So etwas kann man ja nicht einfach beiseiteschieben. Es hat Theodor natürlich ständig belastet. Seine Flucht in den Krieg hat da nicht geholfen. Dass er nun darüber reden konnte, tat ihm auch gut. Er trägt ja auch die Konsequenzen.

    Nun hat sich bestätigt, dass Frau Brückner Elisa ist, was ich ja schon vermutete. Elisa wollte vermeiden, dass Cosima und Henry aufeinandertreffen. Hat nicht geklappt. Das veranlasst sie aber, zu reden. Nur ein Detail hält sie zurück, dass soll Cosima mit ihrem Onkel klären.


    Ich kann verstehen, dass Elisa Angst hatte, ihren Sohn zu verlieren. Was sie erlebt hat, muss sie belasten. Aber sich ausgerechnet bei ihrem Bruder zu öffnen, war etwas naiv. Da hätte sie ahnen können, dass er das für sich nutzen wird. Hat ihn dann aber das Leben gekostet.


    Zum Glück wurde bemerkt, welche Gefahr da durch die Schergen von Hagen drohen. Aber dass Hagen nicht aufgibt, was ja wohl auch klar. Wie kaltschnäuzig er da in der Villa auftaucht und immer noch glaubt, er könne alles regeln. Theodor konnte endlich sagen, was er getan hat, und damit hatte er auch nichts mehr zu verlieren – zum Glück für Cosima.


    Cosima hat nachdem sie nun die Geschichte der Familie kennt eine neue Aufgabe. Dass ihr Cousin als neues Firmenoberhaupt kein Interesse daran hat, sie zu unterstützen, kann ich ein wenig nachvollziehen, die Ausrede ihrer Cousine eher nicht.


    Ein Buch, das nachhallt. Mir hat es sehr gut gefallen, auch wenn mir nicht alle der Personen zusagten. Aber so war nun mal auch die Realität.

    Mit Theodor unter einem Dach, nehmen die beiden etwa ihre Beziehung wieder auf?

    Das kann ich mir nicht vorstellen.

    Wie tragisch und traurig, dass Theodor und Albert, Rita und Magdalena mit dieser Lüge weiterleben.

    Tragisch und traurig finde ich das eigentlich nicht. Für Magdalena müsste es wohl am schlimmsten sein, dass sie mit ihrem Wissen weiterleben muss. Rita hat - glaube ich - weniger Skrupel und Theodor und Albert haben ja skrupellos den Tod so vieler Menschen in Kauf genommen nur der Geschäfte wegen.