Beiträge von buchregal123

    Anne hat es wirklich schwer gehabt. Die Mutter und Geschwister krank, so dass sie als kleines Kind schon viel leisten musste. Dazu ein Vater, der mit seinem Schicksal hadert und im Alkohol Vergessen sucht, was ihn gewalttätig werden lässt. Zum Glück gibt es Menschen, die sich um Anne kümmern, was es aber auch nicht leichter für das Mädchen macht. Da sie oft wütend wird, bekommt sie wenig Verständnis. Sie ist aber auch ehrgeizig und lernt viel. Nach ihrer letzten OP überfordert sie sich, weil sie möglichst vorbereitet, ihre Arbeit antreten will.


    Dann trifft sie auf Helen, die genauso wütend ist, wie sie es war. Dass alle so mitleidig nachsichtig mit Helen sind, tut ihr sicherlich nicht gut. Aber es fehlt auch die Erfahrung, sie richtig anzuleiten. Helen ist ein begabtes Kind, dessen Fähigkeiten niemand wirklich erkannt hat.


    Mir gefällt es, wie sich Anne gegen die Kellers durchsetzt.

    Köln in den fünfziger Jahren: Cosima Liefenstein stammt aus einer angesehenen Industriellenfamilie. Der Zufall brachte sie mit einer jungen Mutter zusammen, die es in jener Zeit sehr schwer hatte. Daher will Cosima ihr und anderen bedürftigen Frauen helfen und gründet eine Stiftung. Cosima möchte mehr über ihre Familie erfahren, trifft aber nur auf Schweigen. Leo Marktgraf, ein junger Journalist, will wissen, warum sein Freund gestorben ist, der Vorwürfe gegen die Familie Liefenstein erhoben hatte. Als Cosima und Leo recherchieren, stechen sie damit in ein Wespennest und bringen sich und andere in Gefahr, denn die Netzwerke aus der NS-Zeit funktionieren immer noch perfekt und wollen, dass das auch so bleibt.


    Dieser Roman von Claire Winter ist spannend und erschreckend. Von Anfang an hat mich diese Geschichte gepackt, die so viel mehr ist als eine Familiengeschichte. Wir erfahren, wie sich Industriellenfamilien mit den Nazis gemein gemacht haben und deren Gräueltaten nicht nur toleriert, sondern auch aktiv mitgestaltet haben. Nur dank der Zwangsarbeiter konnten sie ihre Geschäfte weiterführen, wobei Kontakte zur Regierung äußerst hilfreich waren. Die fiktive Familie Liefenstein steht für viele andere Industrie-Dynastien, die ihre Historie gerne im Dunkeln gelassen hätten, um auch in der jungen Bundesrepublik weiterführen zu können.


    Immer wieder gibt es zwischendurch Rückblicke, die das Leben der Familie, der Freunde und der Angestellten in der schrecklichen Zeit des Nationalsozialismus zeigen. Für die einen gab es gute Geschäfte, für andere Not und Tod.


    Nachdem ihr Vater Edmund durch einen Unfall ums Leben kam, ist Cosima bei ihrem Onkel Theodor aufgewachsen. Die beiden haben eine enge Beziehung, aber Fragen nach der Vergangenheit bleiben unbeantwortet. Cosima ist eine starke mitfühlende Person. Als sie mehr über ihre Familie wissen will, bringt sie nicht nur Unruhe in die Familie, sie schreckt auch andere auf. Leo hat andere Gründe für seine Nachforschungen, doch auch die hängen mit der Familie Liefenstein zusammen. Cosimas Onkel Theodor ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Er verhält sich ganz im Sinne seines Vaters Wilhelm, für den Geschäft und Ansehen das Wichtigste ist. Doch dann passiert etwas, das in ihm etwas auslöst, was zu einer Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit führt.


    Elisa Kopper kommt siebzehnjährig als Hausmädchen in die Familie Liefenstein und wird später dann Kindermädchen für Cosima. Wie ungeschützt Angestellte waren, zeigt sich, als sie Hals über Kopf die Villa verlassen muss. Aber auch das Schicksal von David, Edmunds Freund, hat mich sehr berührt.


    Dieser grandiose Roman erzählt eine Geschichte, die berührt und einen lange nicht loslässt. Meine absolute Empfehlung!


    10/10

    Naja, es hätte auch noch genug Frauen gegeben. Manches wäre vielleicht am Anfang etwas holpriger gewesen aber ich habe in meinem Leben mehr als einmal die Erfahrung gemacht, dass scheinbar unersetzliche Menschen meines Arbeitslebens, die überraschend lange Monate oder für immer ausfielen (wegen Krankheit oder anderem), immer gut ersetzt werden konnten. (Meiner Meinung nach ist niemand unersetzbar und Menschen können über sich hinauswachsen, wenn sie müssen.)

    Das stimmt schon, dass die Frauen vieles geleistet habe und auch leisten konnten. Aber es war leider auch so, dass in vielen Bereichen den Frauen die entsprechende Ausbildung fehlte.

    Ich kann mir vorstellen, daß - anch einiger Zeit des Nachdenkens und beseinnens - die beiden sich vielleicht wieder ein wenig näher kommen können.

    Das kann ich mir gut vorstellen. Doch was Cosima erfahren hat, ist so schrecklich, dass es bestimmt Zeit braucht, um über all das hinwegzukommen. Aber mit ihrer Tätigkeit ist sie ja auf einem guten Weg.

    Wichtig ist Theodors Äußerung, man habe ihm keinen Gefalllen getan, als man den Totschlag als Jagdunfall hat aussehen lassen.

    So etwas kann man ja nicht einfach beiseiteschieben. Es hat Theodor natürlich ständig belastet. Seine Flucht in den Krieg hat da nicht geholfen. Dass er nun darüber reden konnte, tat ihm auch gut. Er trägt ja auch die Konsequenzen.

    Nun hat sich bestätigt, dass Frau Brückner Elisa ist, was ich ja schon vermutete. Elisa wollte vermeiden, dass Cosima und Henry aufeinandertreffen. Hat nicht geklappt. Das veranlasst sie aber, zu reden. Nur ein Detail hält sie zurück, dass soll Cosima mit ihrem Onkel klären.


    Ich kann verstehen, dass Elisa Angst hatte, ihren Sohn zu verlieren. Was sie erlebt hat, muss sie belasten. Aber sich ausgerechnet bei ihrem Bruder zu öffnen, war etwas naiv. Da hätte sie ahnen können, dass er das für sich nutzen wird. Hat ihn dann aber das Leben gekostet.


    Zum Glück wurde bemerkt, welche Gefahr da durch die Schergen von Hagen drohen. Aber dass Hagen nicht aufgibt, was ja wohl auch klar. Wie kaltschnäuzig er da in der Villa auftaucht und immer noch glaubt, er könne alles regeln. Theodor konnte endlich sagen, was er getan hat, und damit hatte er auch nichts mehr zu verlieren – zum Glück für Cosima.


    Cosima hat nachdem sie nun die Geschichte der Familie kennt eine neue Aufgabe. Dass ihr Cousin als neues Firmenoberhaupt kein Interesse daran hat, sie zu unterstützen, kann ich ein wenig nachvollziehen, die Ausrede ihrer Cousine eher nicht.


    Ein Buch, das nachhallt. Mir hat es sehr gut gefallen, auch wenn mir nicht alle der Personen zusagten. Aber so war nun mal auch die Realität.

    Mit Theodor unter einem Dach, nehmen die beiden etwa ihre Beziehung wieder auf?

    Das kann ich mir nicht vorstellen.

    Wie tragisch und traurig, dass Theodor und Albert, Rita und Magdalena mit dieser Lüge weiterleben.

    Tragisch und traurig finde ich das eigentlich nicht. Für Magdalena müsste es wohl am schlimmsten sein, dass sie mit ihrem Wissen weiterleben muss. Rita hat - glaube ich - weniger Skrupel und Theodor und Albert haben ja skrupellos den Tod so vieler Menschen in Kauf genommen nur der Geschäfte wegen.

    Am Ende wären sie wohl enteignet worden und alle im KZ gelandet.

    Da hätte es wohl mal keinen Falschen getroffen. Doch sie waren ja nicht die Einzigen, die so gehandelt haben und alle haben nach dem Krieg wieder gute Geschäfte gemacht, ohne sich um das Elend zu kümmern, das sie verursacht haben. Viele der großen Firmen haben doch eine solche Vorgeschichte.

    Irgendwie hatte ich mir gedacht, dass Theodor seinen Bruder getötet hat. Dazu passt auch, dass Hagen die Familie in der Hand hat. Andererseits hat er sich selbst ja auch schuldig gemacht, als er den „Unfall“ inszeniert hat.


    Edmund wollte David, den er zufällig unter den Zwangsarbeitern erkannt hat, schützen. Dass er damit bei seiner Familie nicht durchkommt, hätte er wissen müssen. Seine Erpressung konnte nicht funktionieren, dafür hatte alle zu viel Dreck am Stecken.


    Theodor war so von Eifersucht zerfressen, dass er ohne Nachzudenken (vielleicht konnte er das ja nicht wegen des Alkohols) zugeschlagen hat. Wilhelm hatte nichts Eiligeres zu tun, als Hagen und seine Schergen einzuschalten.


    Elisa hat alles mit ansehen müssen. Wie furchtbar für sie. Edmund hat den Ordner mit zu Elisa genommen, die damit den Beweis in der Hand hat und richtig reagiert hat, als Hagen in ihr Zimmer kam. Frau Brückner ist damit sicherlich Elisa. Sie hat auch einen Sohn, der altersmäßig passt und damit Edmunds Sohn sein dürfte.


    Cosima will wissen, was geschehen ist. Aber ihr Detektiv hat sie erkannt und ihm ist die Sache zu heiß. Der Anwalt in der Schweiz will mit keinem der Liefensteins etwas zu tun haben, doch Cosima gibt nicht so einfach auf und wird zu ihm vorgelassen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es in ihr aussieht, als sie die Wahrheit erfährt.


    Das Gespräch mit Albert läuft auch nicht gut, er ist auch nicht viel besser als Theodor. Vielleicht plagt ihn sein Gewissen etwas mehr, aber nicht genug, um reinen Tisch zu machen. Noch weiß Cosima ja nicht, dass ihr Onkel ihren Vater getötet hat. Da wird sie noch mehr schocken.


    Leo hat mit Frau Brückner gesprochen und ist Cosima dann in die Schweiz gefolgt, weil er besorgt ist. Endlich ist das Vertrauen wieder da.

    Wenn ich mich jetzt nicht mehr melde, dann bin ich nicht aus der Runde ausgestiegen, aber ich fahren ein paar Tage nach Oslo. Ich hatte gedacht, ich schaffe das Buch vorher noch, aber diese Woche bekamm ich zweimal Überraschungsbesuch, was meinen Zeitplan ziemlich über den Haufen geworfen hat. Nächstes Wochenende bin ich wieder dabei.

    Die Frau Brückner, wer das wohl ist?

    Da bin ich auch gespannt.

    Ich habe mir für die Recherchen Filmaufnahmen von dieser Militärparade angeschaut, man kann das nicht glauben, wenn man die Menschen dort sieht. Die Leute wirkten damals wie berauscht, fast hysterisch vor Begeisterung ... Das hat etwas unglaublich Bedrückendes!

    Ich habe da gleich an Volker Kutschers Roman "Marlow" denken müssen, als Gerreon Rath nach Nürnberg reist und dort den Aufmarsch miterlebt. Ihm geht das alles gegen den Strich und doch reist ihn die allgemeine Stimmung mit und auch er hebt den Arm. Dann ist er erschrocken über seine Reaktion und versteht nicht, wie er das tun konnte.

    Ich glaube, dass Leo bei seinen Recherchen wahrscheinlich Hagen Keller zu sehr auf die Füße getreten ist. Und Cosima ist auf gutem Weg, ihm das gleich zu tun...

    Hagen ist ihnen ja weit voraus durch seine Bespitzelung. Da er keine Skrupel kennt, ist es wohl für beide gefährlich.

    Die Eltern der Brüder werden ja bestimmt auch diese Liebschaften mitbekommen und beurteilt haben.

    Den Vater hat das bestimmt nicht interessiert. Männer durften ja solche Liebschaften haben.

    Von Köchin Bertha erfahren wir, Elisa wäre fortgegangen und verstorben.

    Stimmt dies ? War sie schwanger?

    Ich kann mir gut vorstellen, dass Elisa schwanger war und dass dies für Rita endlich ein Grund war, sie loszuwerden.

    Köchin Bertha gefällt mir sehr gut, gerade die Beschreibung aus Cosimas Betrachtung ihrer Räumlichkeiten und ihrer Herzlichkeit. Was Berths alles in den Jahren miterlebt, gesehen, gehört hat und darüber schweigen musste.

    Berta ist ja als Köchin nicht ganz so dicht dran an den Herrschaften wie andere Bedienstete, aber sie kriegt doch eine Menge mit und sie tratscht nicht.