Beiträge von Googol

    Laura Laabs' "Adlergestell" hat mir größtenteils gut gefallen. Der Text erklärt einiges von der Befindlichkeit der Ostdeutschen nach dem Mauerfall. Was das Adlergestell sein soll hat sich mir während des Vortrags nicht erschlossen und der umstrittene Adler auf der Demofahne zum Schluss war mir auch nicht klar.

    Was ein Centershock ist weiß ich auch nicht.

    Zumindest hat mich der Text angeregt, Anna Seghers "Der Ausflug der toten Mädchen" aus meinem Regal zu suchen und zu lesen. Diese Parallele finde ich jetzt auch zum "Adlergestell" unpassend.

    Na ja, der Adler deutet eben deutlich auf eine rechte Demonstration hin (also irgendwas zwischen AfD-Wählerin und Reichsbürgerin). Die Jury hat sich ja sehr auf diese Schlusspointe fokussiert, und man kann es ihr auch nicht übelnehmen, sie kann ja nur das bewerten, was vorliegt. Aber im Gesamtroman würde ich mir vorstellen, dass das noch besser kontextualisiert wird und weniger aufgesetzt wirkt. Sollte der Roman mehr die Jetztperspektive und weniger die Wendezeit fokussieren, dann könnte mich der Text interessieren.


    Ja, und der Centershock, also dieses saure Apfelgummizeug, als Symbol für das Gefährliche, Explosive, von dem sich die Protagonistin nicht lösen kann.


    Thematisch fand ich das schon spannend, auch wenn es sprachlich nicht so aufregend war.

    Meinst Du die Stelle als er die tagsvorher geäußerte Bemerkung von Mithu Sanyals "Mitleid für Putin" klären wollte. Da hat er wohl auf einen Aufschrei in den Social Medias reagiert. Das hätte leicht zu einem wüsten Gestreite führen können.

    Ja, genau. Obwohl ich zugeben muss, dass ich bei Verena Stauffer teilweise nicht so aufgepasst habe und den Kommentar verpasst hatte. Aber so oder so: mit der Replik auf sie dann zu warten bis zu dem Moment, in dem sie noch die Verharmlosung der Ermordung der Juden zur Nazizeit verharmlost, ist eben so ein maximal eskalierender Schritt, den man so einfach nicht macht. Vor allem, sie dann nicht mal direkt reagieren zu lassen und so wie eine Putin-Versteherin und Antisemitin dastehen zu lassen, geht eben überhaupt nicht.

    Auch ansonsten grantelt er nur rum, schüttelt bei Argumenten nur abwertend wildden Kopf usw.


    Die Jury-Interaktionen haben generell die bekannte Dynamik: Kastberger gegen Tingler, Tingler und Delius als Best Buddies und sich die Bälle zuspielend, Tingler, auch im Zusammenspiel mit Delius, gegen Sanyal (und seiner Sicht wohl 'ne dumme Nuss mit unterkomplexen Gedanken). Kastberger gegen Strässle (aus meiner Sicht hauptsächlich, weil Strässle ihn häufig mit den besseren Argumenten aussticht), Brigitte als die wirkungsarme Erwachsene im Kindergarten. Trotzdem fast die zahmste Jury seit Jahren :)

    Ich schaue zum ersten Mal seit Jahren live auf 3sat.


    Relativ wenig Preisfavoriten am Donnerstag, außer vielleicht der besagten Story von Nefeli Kavouras. Fatima Khans Geschichte ließ sich gut lesen, nur war neben dem erwähnten handwerklichen Mangel mit der Erzählperspektive auch dieser Text, wie so viele, sehr erwartbar in der Form: eine Migrationsgeschichte, Schreibfindung, sehr nah an der eigenen Biografie. Das ist alles thematisch sehr relevant, aber doch sehr präsent und nicht besonders originell in der aktuellen deutschen Literatur. Ich mochte den Bezug zwischen Architektur und Leben, aber da kommt es am Ende auf die Umsetzung an. Köln in Trümmern = Familie in Trümmern wäre mir dann doch zu banal.

    Nicht perfekt, aber ich mochte den Romanauszug von Laura Laabs.


    Max Höfler hätte ich nach maximal drei Minuten wieder weggeklickt, wenn ich ihn nicht live gesehen hätte.


    Verena Stauffer war mir zu essayistisch und abstrakt.


    Zur Jury: Ich frage mich wirklich, wie man Klaus Kastberger zum Jurysprecher machen konnte, außer dass er vielleicht der Dienstälteste ist. Immer wieder zündelt er, statt zu schlichten, und ist generell schlecht im Moderieren. Man muss eher ihn moderieren (was an mindestens einer Stelle dann Thomas Strässle dann auch getan hat, als er Mithu Sanyal vorführen wollte).


    Morgen wird der Women's Prize nun vergeben und ich habe eher zufällig vier der sechs Nominierten gelesen, also nicht speziell wegen dieses Preises, sondern irgendetwas anderes hat mich jeweils dazu getrieben.


    Und zwar habe ich gelesen: Good Girl, All Fours, Tell Me Everything und The Safekeep, und meine Reihenfolge wäre wie folgt:

    1. Miranda July: All Fours (fast abgebrochen, weil sehr gediegen, aber in dieser Gediegenheit eben auch das originellste und literarischste Buch, das ich aus dieser Liste gelesen habe)
    2. Aria Aber: Good Girl! (eine deutsch-afghanische Autorin mit einem Berlin-Roman, den sie auf Englisch geschrieben und den sie auch selbst ins Deutsche übersetzt hat. Sie ist eigentlich Lyrikerin, und das merkt man zum Teil auch an der Sprache. Fun Fact: US-Nobelpreisträgerin Louise Glück hat sie getraut. Eigentlich ein guter, wenn auch formal nicht besonders origineller Roman)
    3. Yael van der Wouden: The Safekeep (dazu habe ich mich schon im Booker-Prize-Thread ausgelassen, sehr viele gute Ansätze, aber am Ende irgendwie vermurkst, was Plotentwicklung und Figurenpsychologie angeht)
    4. Elizabeth Strout: Tell Me Everything (Gott, war das bieder und langweilig)
    Eigentlich habe ich mit Doris Dörrie überhaupt nichts am Hut, dachte ich, aber dann habe ich erst den Stream der Veranstaltung zu ihrem 70. Geburtstag im Literaturhaus München angeschaut, hauptsächlich weil ich eine der Teilnehmerinnen, Lena Gorelik, so sehr schätze (ich habe Schreibkurse bei ihr besucht). Ich war dann aber doch so angefixt, dass ich entweder etwas von Dörrie lesen oder anschauen wollte, und vor allem interessierte mich ihre Faszination für Japan.

    Ich habe mir dann „Kirschblüten Hanami“ angeschaut, und was für ein unglaublich schöner Film und filmisches Meisterwerk. Unfassbar gut gemacht


    ASIN/ISBN: B001DCHPIY

    Hier noch die Auflösung. Inzwischen gab es einen Artikel dazu in der New York Times, unter anderem auch basierend auf einem Instagram-Post von Merve Emre, die dort ein paar Details ausgeplaudert hat, was eigentlich gegen die Verschwiegenheitsregeln verstößt.


    Wir wissen jetzt, dass James in der Tat nicht auf der ursprünglichen Finalistenliste stand. Allerdings war es so, dass das Board, nachdem es sich nicht auf einen Gewinner aus den drei Titeln einigen konnte, die Jury nach einem weiteren Titel gefragt hat. Es war also nicht komplett so, dass die Jury überstimmt wurde, sondern es war eher eine „Was habt ihr denn noch so anzubieten?“ Anfrage.

    Was wir jetzt auch wissen, ist, wer in der Jury saß: Bryan Washington, Jonathan Lethem, Laila Lalami, Ayana Mathis und Merve Emre.


    Und zudem einen interessanten Kommentar von Merve Emre aus ihrem Post:


    Zitat

    It was a peculiar privilege to serve as the chair of jurors for the 2025 Pulitzer in Fiction. Five of us — me, Ayana, Bryan, Jonathan, Laila — rummaged through six-hundred or so books and chose four that represented “distinguished fiction by an American author, preferably dealing with American life.” To view the field of literature from such a wide vantage point was necessarily to trace patterns and resemblances. It was difficult to avoid fatigue and cynicism. American publishing is not in a healthy state; the more directly its judgments are determined by the market and the mass media — the more sources of funding, like the NEA, disappear — the sicker it will become: homogenous, inert, inexpert, cheap. Yet this means that when a book truly excites you, when it shocks, amuses, and makes you think hard, then you feel certain of its importance. Congratulations to our three extraordinary finalists, Rita Bullwinkel’s HEADSHOT, Gayl Jones’s THE UNICORN WOMAN, Stacey Levine’s MICE 1961, and to the winner, Percival Everett’s JAMES.

    Man muss dazu sagen, dass das kaum sichtbar ist, weil die Finalisten ja bis zur Preisvergabe nicht veröffentlicht werden. Es gibt also keine typischen veröffentlichten Long- oder Shortlists, aber prinzipiell finde ich die Regel auch nicht nachvollziehbar: Entweder man vertraut der Jury, die man ja dafür engagiert, oder eben nicht.


    Vielleicht ist aber auch das ganze Prinzip blöd. Was macht man als Board, wenn man die drei Titel so überhaupt nicht mag (wieso ermittelt die Jury den Gewinner nicht direkt?). Das letzte Mal gab es eine Kontroverse, bei der sich das Board 2012 entschieden hat, keinen Preis zu vergeben (nominiert waren Train Dreams von Denis Johnson, Swamplandia! von Karen Russell und The Pale King von David Foster Wallace).

    Interessantes Detail, das noch zu Kontroversen führen könnte.


    Wer genau hinschaut und wer sich ein wenig mit dem Vergabesystem auskennt, wird hier ein ungewöhnliches Detail erkennen. Es ist so, dass eine Vorjury drei Titel auswählt und dann dem Pulitzer Board übergibt, eigentlich mit der Idee, dass dann der Gewinner aus diesen dreien ausgewählt wird. Dieses Jahr gab es vier (!) Finalisten. Entweder das Board wählt dann am Ende "Kein Preis" oder nimmt ein anderes Buch dazu. Das muss hier geschehen sein, denn wieso dieser Aufwand und diese Ausnahme (das scheint nicht so oft zu passieren), wenn man den Titel dann nicht auch zum Sieger erklärt.


    Die ursprüngliche Shortlist war also eher ungewöhnlich, nicht komplett obskur, man kennt Bullwinkel und Jones, und eben auch komplett weiblich. Und dann scheint diese Liste auf ein Pulitzer Board getroffen zu sein, die sagte: Moment mal, wie originell, aber James ist so offensichtlich, spinnt ihr eigentlich, den nicht zu berücksichtigen?


    https://lithub.com/did-the-pul…rcival-everett-the-prize/

    Neben vielen anderen Kategorien hier die Nominierten und der Preisträger für Fiction.


    Favoritensieg dieses Mal: James von Percival Everett, der ja schon den National Book Award gewonnen hat.


    Auf der Shortlist zudem noch:

    Rita Bullwinkel – Headshot (auch gelesen)

    Stacey Levine – Mice 1961 (noch nie was von gehört)

    Gayl Jones – The Unicorn Mountain


    ASIN/ISBN: 3446279482

    White Lotus ist wieder mal vorbei, und über weite Strecken war das großartig, aber irgendwas stimmte mit der letzten Folge nicht. Die Anzahl der scheinbaren dramaturgischen Logikfehler ist extrem. Man hört davon, dass einige gedrehte Szenen dann doch gestrichen wurden, weil die letzte Folge auch so schon 90 Minuten hatte, und man hatte den Eindruck, dass das eine oder andere Continuity-Problem einfach ignoriert wurde. Schönheitsfehler einer ansonsten wieder starken, wenn auch insgesamt eher langsamer erzählten Staffel. Aber verdammt, dann dreht halt neun Folgen, wenn das die natürlichere erzählerische Länge der Geschichte ist.Wh

    Ich war bei der Nominierung von Eurotrash eher deshalb überrascht, weil Faserland tatsächlich nie auf Englisch übersetzt wurde und Eurotrash ja nun einmal in direktem Bezug zu dem Roman steht. Überhaupt bin ich ja ein spätberufener Bewunderer von Kracht, insofern hätte ich schon nichts gegen eine Shortlist-Nominierung gehabt.


    Überraschter bin ich eher bei Perfection, weil der Roman okay ist, vielleicht sogar gut in Momenten, aber dann auch irgendwie zu thesenhaft und literarisch schwachbrüstig. Da ist im direkten Vergleich bei Eurotrash schon wesentlich mehr los.


    Schade finde ich, dass es Book of Disappearance nicht geschafft hat, aber auch nur deshalb, weil ich es ungelesen hier habe und der Roman einfach einen sehr interessanten Eindruck macht.

    Im März zu Gast bei Thea Dorn: Eva Menasse, Johannes B. Kerner und Philipp Tingler.

    Bitte was? Entweder ich werde überrascht oder das wird der intelektuelle Tiefpunkt deutscher Literatursendungen.

    EDIT: Ich hatte im Literaturclub-Thread mal eine entsprechende Theorie geäußert, mal sehen, ob sie auch hier zutrifft. Immer wenn jemand sehr literaturfremdes zu so einer Sendung eingeladen wird, gibt es entweder Klassiker oder nicht ganz aktuelle Bücher, um vielleicht das Lesepensum der Gäste nicht zu überstrapazieren.

    Sollte es zu einer Regierungsbeteiligung der SPD kommen, hoffe ich stark darauf, dass Pistorius die Führung übernimmt und Scholz sich zurückzieht. Was für Pistorius langfristig vielleicht auch die vielversprechendere Variante wäre als hoffnungsloser Kanzlerkandidat. Seinen Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz fand ich zumindest stark, und als alter SPD-Sympathisant bin ich doch etwas Scholz-müde (mit meiner alten Hamburger Vergangenheit hat er dann doch vielleicht ein wenig zu viel Zeit meines Lebens begleitet).

    White Lotus ist wieder da. Erste Folge der dritten Staffel. Wieder ein nicht näher benanntes Verbrechen zu Beginn, Schüsse, eine nicht erkennbare Leiche im Wasser und dann der Rückblick in das Luxus-Resort, den neuen Gästen, die ankommen, das exotische Setting, dieses Mal Thailand, und eine Anzahl kruder und ungewöhnlicher Figuren. Zwei davon kennen wir bereits. Fängt wieder spannend an.

    Almodóvars englischsprachiges Debüt. Einerseits still und kammerspielartig, aber auch spektakulär in der Inszenierung, in den schauspielerischen Leistungen von Tilda Swinton und Julianne Moore, aber auch John Turturro in einer Nebenrolle – und den Settings, der Architektur und Natur, der Kamera und dem Licht. Großes Kino.


    Die Verfilmung eines Romans von Sigrid Nunez, die gerade einen guten Lauf mit Verfilmungen zu haben scheint. Ich habe auch einen vielversprechenden Trailer von The Friend mit Naomi Watts und Bill Murray gesehen.


    ASIN/ISBN: B0DPZ87R51

    Warum Als wir Schwäne waren noch einmal durchgekaut werden musste, weiß ich nicht. Das Buch hatte letztes Jahr zu recht viel Aufmnerksamkeit erhalten und jetzt tun die Literaturclub-Leute so, als hätten sie das Buch für uns entdeckt.


    Meine Theorie ist, dass immer, wenn ein nicht aktuelles Buch besprochen wird, es der Gast ist, der das mitbringt (auch hier – ich kann mich noch erinnern, wie Dani Levy damals eine zerfledderte Taschenbuchausgabe vom Distelfinkmitbrachte, als der auch schon ein alter Hut war). Vermutlich haben sie nicht so viel Zeit zum Lesen. Um sie ein wenig zu entlasten, lassen sie sie ältere Bücher, die sie schon gelesen haben, mitbringen.

    Neuerdings spricht sie auch so komisch. Langsam und überdeutlich, dabei stets mit penetrant genervten Unterton. :gruebel


    Sie erinnert mich zunehmend, auch optisch, an Elizabeth Holmes, die ehemalige Geschäftsführerin von Theranos, weiblicher Steve Jobs, Überfliegerin und dann doch nur Anlagebetrügerin. Die hatte sich ja auch eine spezielle tiefe Stimme antrainiert, die überhaupt nicht die ihre war. Ich vermute hier fast auch, dass Weidel einen Stimmcoach hat, nur leider keinen besonders guten ;)

    Es "kommt so an", weil politisch intendierte Stellungnahmen es auf ein "Verbot" reduzieren


    Na ja, wenn wir dabei sind, Sachverhalte von subjektiven Interpretationen auseinanderzudröseln, dann geht es mir zu weit, das Gendern oder einen Hinweis auf das Genderverbot als zwingend politisch intendiert darzustellen. Das mag teilweise stimmen, die Interpretation mag auch einem gewissen Menschenverstand folgen, aber sie ist eben mindestens zum Teil Interpretation.


    Obwohl ich selbst denke, wie auch schon an mancher Stelle angedeutet, dass die Debattenkultur genau zu diesen politisch intendierten Überspitzungen neigt, ist das gerade beim Thema Gendern beiderseitig zu beobachten, und auch in deinen Darstellungen wird deine politische Intention oder Haltung speziell zum Thema Gendern sichtbar. Ich halte Gendern weder für aktuell geglückt oder durchdacht noch für das Ende des Abendlandes. Aber es fällt gerade eben auch im rechten Lager auf, wie das Gendern fast auf einer Ebene mit anderen gerade durchs Dorf gezogenen Themen behandelt wird (Immigration, Corona, Klima etc.). Auch da gibt es ein gewisses Muster, wenn auf X-Profilen dann eben AfD-Propaganda betrieben wird und sich gleichzeitig z. B. über die Pronomenangabe lustig gemacht wird.


    Das heißt natürlich nicht, dass man rechts ist, wenn man gegen das Gendern ist, oder links, wenn man es unterstützt, aber eine politisch überhitzte Zuspitzung und Polarisierung scheint mir doch auffällig.