Die Geschichte der schweigenden Frauen - Bina Shah

  • Bina Shah, Die Geschichte der schweigenden Frauen


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    Inhalt:

    Südwestasien irgendwann in der Zukunft: nach verheerenden Atomkriegen und tödlichen Krankheiten ist die weibliche Bevölkerung in Green City stark dezimiert. Um das Überleben zu sichern, müssen die verbleibenden Frauen so viele Nachkommen wie möglich gebären und sind deswegen gezwungen, mehrere, ihnen zugeteilte Ehemänner zu nehmen.


    In dem Buch geht es in erster Linie um Sabine, die vor diesem System in eine spezielle Wohn- und Schicksalsgemeinschaft von Frauen flieht.


    Autorin:

    Bina Shah ist eine pakistanische Schriftstellerin, Journalistin und Bloggerin, die in Karachi lebt. Sie studierte Psychologie und Bildungstechnologie in den USA. Shah ist Kolumnistin und Journalistin für mehrere nationale und internationale Zeitungen, unter anderem für die International New York Times. Es wurden bereits mehrere Romane und Kurzgeschichtensammlungen in mehreren Sprachen veröffentlicht. Wichtiges Thema für Bina Shah ist die pakistanische Kultur und Gesellschaft, vor allem die Rechte und die Bildung der Frauen und Mädchen. Sie ist eine der führenden Feministinnen Pakistans.

    (Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Bina_Shah)


    Meine Meinung:

    Das Buch war gut geschrieben und hat wichtige gesellschaftspolitische Fragen aufgeworfen – konnte mich aber im zweiten Teil nicht restlos überzeugen.


    Zunächst entwickelt das Buch glaubhaft eine Gesellschaft, in der Frauen Mangelware sind und dementsprechend unter den Männern aufgeteilt werden, um möglichst viele Nachkommen zu gebären. Ein System, das alle – Frauen und Männer gleichermaßen – unfrei macht und die persönlichen Rechte jedes Einzelnen nicht nur einschränkt, sondern geradezu austilgt. Alles und jede(r) ist dem Ziel des Bevölkerungszuwachses unterworfen. In der ersten Hälfte des Buches stehen diese Gesellschaft und das Leben einzelner Personen im Vordergrund. Das hat mir gut gefallen, denn hier werden auch sehr wichtige Fragen aufgeworfen wie die Frage nach der (sexuellen) Selbstbestimmung und wie weit der Staat gehen darf, um eine Zukunft zu ermöglichen.


    Irgendwann rücken diese großen Fragen aber in den Hintergrund und die Geschichte hat sich für mich zu sehr auf die Hauptperson Sabine und ihr Umfeld konzentriert. Der Versuch Sabines, diesem System zu entkommen, war spannend, doch mir hat ein vertieftes Eingehen auf die Gesellschaftsfragen gefehlt. Zu schnell und auch zu unglaubwürdig wurde ein Bösewicht präsentiert und natürlich auch ein Held hergezaubert. Das hat für mich nicht nur wenig zum ersten Teil gepasst, sondern war mir auch zu oberflächlich und zu starkes Schwarz/Weiß-Denken.


    Außerdem habe ich den Bezug zu Sabine zunehmend verloren, da sie immer mehr zur passiven Figur wurde. Das lag auch an der ständig wechselnden Erzählperspektive. Zunächst eine gute Idee, um mehr über die Hintergründe von Green City zu erfahren, wurden mir die Erzähler irgendwann zu viel. Zwei verschiedene Perspektiven hätten mir gereicht. Das Buch liest sich davon abgesehen sehr gut und auch die technischen Entwicklungen werden gut erklärt. Mein Kopfkino ist auf alle Fälle angesprungen.


    Fazit: Wichtige und richtige Fragen wurden aufgeworfen, dann hat mir aber die tiefergehende Beschäftigung damit gefehlt. Deshalb für ein gutes Buch sieben Eulenpunkte mit der Tendenz zu acht.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ich stimme Lese-rina in allen Punkten zu.

    Die Idee selbst, den Beginn der Geschichte und die Hintergründe sind lesenswert.

    Aber mitten im Buch ploppt dann ein Retter in die Handlung, zu plötzlich, nicht besonders glaubwürdig.

    Der Bösewicht, tja, ist er denn nun wirklich böse? Ich hatte stellenweise das Gefühl, dass Seiten im Buch fehlen, weil mir die Erkenntnisse der Ärzte über den Obrigkeitsvertreter doch sehr sprunghaft vorkamen. Ich konnte ihnen nicht folgen.

    Vielleicht habe ich mir von diesem Roman einfach zuviel versprochen.


    Andere Bücher der Autorin Bina Shah würde ich trotzdem kaufen.


    ***

    Aeria

  • Du hast recht, so ging’s mir auch. Da war einiges nicht schlüssig und ich habe eigentlich bis zum Ende auf eine wirkliche Auflösung gewartet, die aber nicht kam.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Diese Dystopie führt uns nach Green City, die Hauptstadt von Südwest-Asien. Auf den ersten Blick sieht alles paradiesisch aus, aber die Wirklichkeit ist anders. Das Verhältnis von Männern und Frauen ist nicht ausgewogen. Krieg und vorgeburtliche Geschlechtsauswahl haben die Anzahl Frauen gesenkt und nun gibt es auch noch einen Virus, der für Frauen tödlich ist. Daher wurde diese Metropole errichtet, in der die Frauen zu Gebärmaschinen für Männer werden. Für das Leben in dieser Stadt gibt es eine Menge Regeln und strenge staatliche Kontrollen. Es darf keine persönlichen Beziehungen zwischen Männern und Frauen geben, aber einige Frauen widersetzen sich diesem System. Sie bieten spezielle Dienste an: Intimität ohne Sex. Sollten sie entdeckt werden, droht ihnen die Todesstrafe.

    Es ist eine düstere Geschichte, die sich mit der bestimmenden Dominanz von Männern über Frauen beschäftigt. Auch wenn es sich um eine Dystopie handelt, so braucht man sich nur in der Welt umzuschauen und wird feststellen, dass es doch sehr realistisch ist.

    Der Schreibstil ist sehr gut zu lesen. Die Spannung, die anfangs noch da war, ging aber leider im Laufe der Geschichte etwas verloren.

    Es sind menschenunwürdige Zustände, welche die Frau hier hinnehmen sollen. Menschen sind keine Maschinen, sie haben Gefühle und Wünsche. Sie wollen entscheiden und nicht nur blind folgen.

    Werden die Frauen mit ihrem Widerstand Erfolg haben? Oder werden es wieder die Männer sein, die bestimmen, wo es lang geht?

    Das Buch ist erschreckend und macht nachdenklich.


    8/10

  • Nach einem Atomkrieg und einem Virus, der viele Frauen tötete, ist man bemüht, die Bevölkerungszahl wieder zu steigern. Frauen werden daher mit bis zu sechs Männern verheiratet und durch Medikamente wird ihre Fruchtbarkeit gesteigert – ihr Leben wird ausschließlich zu dem einer Gattin und Mutter. Dieses Leben möchten nicht alle führen, und so gibt es eine geheime Organisation, die Panah, zu der sich junge Mädchen, bevor sie Gattinnen werden, flüchten können. Ihren Lebensunterhalt bestreiten diese Frauen damit, dass sie Männern, in der Regel solchen, die in gehobenen Positionen sind und damit einen gewissen Schutz gewährleisten können, Intimität ohne Sex bieten, sie z. B. beim Einschlafen im Arm halten.


    Eine Dystopie, von einer pakistanischen Autorin geschrieben und in Asien angesiedelt, das interessierte mich sehr, und der Start in den Roman sprach durchaus für sich. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven, eine davon als Tonbandaufzeichnung. Zunächst sind es nur Frauen, später auch Männer, die zu Wort kommen.


    Leider entwickelt sich der Roman dann anders als erhofft, und im letzten Drittel habe ich wirklich nur noch den Kopf geschüttelt, mir fehlte es u. a. immer mehr an Logik, die Erzählung wird sehr langatmig, ich konnte viele Handlungen nicht mehr nachvollziehen und das Ende ist äußerst unbefriedigend. Statt einer interessanten Dystopie mit Spannung und echter Rebellion artete das Ganze u. a. zu einer blassen Liebesgeschichte aus. Ich hätte lieber, wie zu Beginn, mehr über die Frauen erfahren und ihre Beweggründe, über ihr Leben im Untergrund und über etwas, das mehr in Richtung Rebellion geht. Am Ende habe ich mich auch gefragt, warum die Frauen nicht direkt ins Nachbarland geflüchtet sind. Keiner der Charaktere kam mir wirklich nah, auch nicht Sabine, und auch ihre Charakterisierungen fand ich wenig stringent.


    Nach einem guten Start verliert der Roman zunehmend, es kommt keine Spannung auf, die Logik schwindet, die Charaktere handeln nicht nachvollziehbar, und die Geschichte driftet in eine Richtung, die mir nicht behagt. Leider kann ich nur 4 Punkte vergeben und keine Leseempfehlung.