Jackie Thomae las am 16.Januar 2020 im Literaturhaus Kiel

  • Jackie Thomae las am 16.Januar 2020 im Literaturhaus Kiel



    Zum Auftakt in das neue Lesungsjahr begrüßte das nördlichste Literaturhaus die Journalistin und Schriftstellerin Jackie Thomae. Ihr zweiter Roman "Brüder", der es im vergangenen Jahr auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises schaffte, stand im Mittelpunkt des Abends.

    Der Roman erzählt die Geschichte zweier Halbbrüder, die in der Lebensmitte stehen und deren prägnantestes Merkmal ihre Hautfarbe ist. Ihr senegalesischer Vater, der in die DDR zum Studium kam, hat seine Söhne Mick und Gabriel ihrem Schicksal überlassen. Einer der Söhne wird den Weg eines Losers einschlagen, der andere eine erfolgreiche Karriere als Architekt verfolgen.

    Bevor Jackie Thomae zu lesen begann, führte sie in die Entstehungsgeschichte ihres Buches ein. Auch ihr Vater kam aus Afrika zum Studium in die DDR und verschwand irgendwann. Sie hatte sich mit dieser Situation bereits abgefunden, als ihr Vater vor einigen Jahren wieder auftauchte und ihre Nachforschungen ergaben, nicht mit ihrem Schicksal allein zu sein.

    So sei auch die Idee zum Buch entstanden. Jackie Thomae betonte, dass es sich bei "Brüder" um einen Gesellschaftsroman handele, der zeige, wie unterschiedlich Menschen sich entwickelten. Die Geschichte sei weder Wenderoman noch sei es darum gegangen, über Rassismus zu schreiben.

    Neben den Erläuterungen zur Geschichte führte Jackie Thomae noch ein paar Gedanken zum Aufbau, zur Chronologie und zu den Erzählperspektiven aus.

    Die Geschichte um Mick spielt von 1985 bis 2000 und erzählt von seiner Jugend in Berlin, einer Zeit, die auch Jackie Thomae ähnlich erlebte und beim Schreiben auf eigene Erfahrungen zurückgriff. Die Geschichte Gabriels ist im London der 2000-er Jahre angesiedelt. Ihren Brüdern stellt die Schriftstellerin zwei Frauen zur Seite; Micks Geschichte wird durch seine Mutter Monika näher beleuchtet, Gabriels Schicksal wird durch seine Ehefrau Fleur hinterfragt.

    An diese umfangreiche Einführung schloss sich eine pointierte und kluge Lesung aus vier Abschnitten an, in der die Schriftstellerin unter Beweis stellte, warum sie im Jahr 2017 zurecht zum Bachmann-Wettbewerb nach Klagenfurt eingeladen wurde.

    In einer anschließenden Diskussion versuchte eine Zuhörerin herauszuarbeiten, dass trotz aller Unterschiedlichkeiten die Brüder doch Gemeinsamkeiten aufwiesen. Eine weitere Nachfrage beschäftigte sich damit, warum Jackie Thomae keine Schwestern als Figuren wählte. Jackie Thomae betonte nochmals, keine

    Autobiografie geschrieben zu haben und erläuterte, wieviel Freude es bereitete, sich während des Schreibprozesses in ihre männlichen Figuren hineinzudenken.

    Viel Lob für ihre Figurenzeichnung hätte sie hierzu von Männern erhalten.

    Nach anderthalb Stunden Lesung erlöste der Leiter des Literaturhauses die dichtgedrängt sitzende Leserschaft mit dem Hinweis, sich Bücher signieren zulassen.

  • @ Saiya und Regenfisch: Ich bin unschlüssig, ob ich das Buch lesen möchte. An dem Buch ist - nach meinen Eindrücken von der Lesung - sprachlich und stilistisch nichts auszusetzen. Was nach den Besprechungen und der Lesung unklar geblieben ist, ist die Frage welchen Weg die Geschichte einschlägt. Vielleicht ist der Weg auch das Ziel und deshalb hält sich mein Wunsch nach einer Lektüre in Grenzen.

  • Dass das Publikum "erlöst" wurde, spricht nicht gerade für die Veranstaltung.


    Jackie Thomae schreibt großartig, aber ich habe nicht ganz verstanden, was sie mit den vielen Worten zu sagen versucht hat: Jackie Thomae: Brüder

    Vielleicht zur näheren Erläuterung von erlöst:

    Jackie Thomaes Auftritt gestaltete sich professionell, klug und interessant.

    Leider war das Literaturhaus heillos überfüllt und ich fühlte mich wie in einer Sardinenbüchse. Der Stuhl der Dame vor mir stand mir fast auf den Zehenspitzen und nach links an den Rand konnte ich meine Beine auch nicht ausstrecken, da dort für weitere Gäste eine Bierzeltbank aufgestellt wurde.

    Nach anderthalb Stunden Lesung - die Luft konnte man inzwischen schneiden - fühlte ich mich am Ende tatsächlich erlöst.