'Die Hyperion-Gesänge' - Seiten 0600 - 0755

  • Und doch ist es für mich so ein ganz anderes Leseerlebnis. Waren es bei Hyperion lange, ausufernde Geschichten, die alle so unterschiedlich waren, ist es jetzt eine Abfolge kurzer Abschnitte, die alle zusammenhängen, eine stringente Story, alles in einer Zeitlinie. Und mit diesem Stilwechsel ist auch die Geschwindigkeit des Buches enorm angestiegen. Was ist in diesem Abschnitt alles passiert, Wahnsinn. Und Simmons scheut sich auch nicht, neue Figuren

    Das war auch mein Eindruck - es ist viel mehr Dynamik in der eigentlichen Rahmenhandlung.


    Wir haben hier zum einen einen weiteren Cybriden, eine weitere DNA-Inkarnation von John Keats, der sich im Zentrum der Macht bewegt, aber nach eigener Aussage unter der Wahrheitsdroge niemandem dient. Die Frau, die ihn in die Falle lockt, und ihre Mitstreiter gehören offenbar zu einer oppositionellen / umstürzlerischen Gruppe, die mit dieser ehemaligen Rebellion zu tun hat (wie war der Name des Generals noch?). Gladstone hat also nicht nur mit den Oysters zu tun. Ich mag ja auch diese politischen Handlungsstränge mit den militärischen Einflüssen. Die Beschreibung, wie in der Hauptstadt über Holos die Schlacht quasi "live" verfolgt wird, war sehr bedrückend für mich.


    Gleichzeitig gibt es den ersten Toten unter den Pilgern (vorausgesetzt, Het Masteen lebt noch) - Hoyt wird offenbar vom Shrike getötet, auch wenn offen ist, wie das mit der Wiedererweckung weitergeht und wie sich die zwei Kruziforme auswirken. Ob die Pilger überhaupt so lange überleben?


    Ich bin gespannt, wie die Solidarität innerhalb der Gruppe sich weiterentwickelt. Jeder hat ja letzten Endes eigene Interessen (Kassad z. B) und ich könnte mir vorstellen, dass die angedeuteten Konflikte sich in dieser Stresssituation vertiefen und gegebenenfalls eskalieren. Und ich traue dem Shrike auch zu, dass es diese Konflikte zu schüren versteht.


    Hach, ist das wieder spannend <3

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

  • Sehr spannend, der Übergang von Hyperion zu dem Fall von Hyperion. In der Sprache gibt es noch sehr viele Ähnlichkeiten, die intensive, dichte Sprache, das Spielen mit Religionen, vieles was wir in Hyperion kennen gelernt haben und was den Reiz ausmacht, ist weiterhin vorhanden. Und doch ist es für mich so ein ganz anderes Leseerlebnis. Waren es bei Hyperion lange, ausufernde Geschichten, die alle so unterschiedlich waren, ist es jetzt eine Abfolge kurzer Abschnitte, die alle zusammenhängen, eine stringente Story, alles in einer Zeitlinie.

    Ja, der Stil hat sich wirklich gravierend verändert. Von den langen, sehr persönlichen Geschichten der Pilger hin zu einer "Außenansicht" durch Severn. Das finde ich momentan etwas schade, mir fehlt die "direkte" Verbindung zu den Pilgern. Ich habe das Gefühl, ich bekomme ihre Emotionen, ihr Erleben nur "aus zweiter Reihe" mit, was ja auch stimmt, da Severn dazwischensteht. Aber genau das fehlt mir. Auch könnten für mich die ganzen Schlacht-/Militärbeschreibungen etwas kürzer ausfallen, da waren die unterschiedlichen Städte, Landschaften und Welten des 1. Teils doch deutlich interessanter.



    Schlussendlich ist Severn nur eine Tarnung und er ist ein weiterer Johnny. Ich bin gespannt, ob es für uns feststellbare Unterschiede in der Persönlichkeit gibt.

    Die Einführung von Severn als "Zwillingsbruder" von Jonny hat mir dagegen gut gefallen und auch seine Funktion als Verbindung zu Gladstone. Ich finde schon, dass man einen Unterschied zu Jonny merkt. Severn kommt mir eigenständiger vor, vielleicht sogar menschlicher. Er reflektiert nicht so viel über sich und seine Herkunft wie Jonny, sondern macht einfach. Eine interessante Figur - vor allem, da er so zwischen allen Gruppierungen steht (nur zu den Ousters sehe ich jetzt keine Verbindung).


    Die Überheblichkeit, mit der die Hegemonie in den Krieg zieht, finde ich total daneben. Erinnert an die Kriegsbegeisterung vor dem 1. Weltkrieg - allein Severn scheint etwas weitsichtiger zu sein. Ich war richtig schockiert, als nach der Besprechung der General so lapidar erklärt, die Bevölkerung würde nicht evakuiert. Keine Diskussion, noch nicht mal ein Nachfragen. So als wären diese Menschen völlig egal (was sie für die Kriegsmaschinerie wohl auch ist). Völlig unerklärlich ist mir aber, woher diese völlige Siegesgewissheit stammt, wenn doch schon vorausgesagt wurde, dass das Weltennetz zerstört wird und die Menschheit stirbt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gladstone das nicht weiß.


    Interessantes Detail fand ich ja, als sich eine "Flammenhölle" unter Hoyt auftut, die ihn aber überhaupt nicht erschüttern kann. Seine persönliche Hölle ist ganz eine andere. Spielt das Shrike vielleicht mit den vermeintlichen Ängsten der Menschen? Die Vorstellung, bis in alle Ewigkeit an einen Dornenbaum zu hängen und dauernde Schmerzen zu erledigen finde ich ja sehr gruselig! Und was wohl Larmia gesehen hat? Sie war ja ganz schön erschüttert!


    Wobei ich es ja immer noch für möglich halte, dass sich am Ende gerade das Shrike als "Retter" herausstellen könnte. Das und die Zeitgräber sind ja das einzige, was auch der Core nicht berechnen kann. Ich bin gespannt!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ich finde das zweite Buch deutlich spannender, deshalb vergesse ich ständig, hier einzuschreiben. Mir kommt der Stil hier mehr entgegen - Band 1 wirkt wirklich wie eine ultralange Einleitung.


    Dass gar keine Evakuierung geplant ist, hat mich auch erschüttert. Vor allem erinnert mich die Situation auf Hyperion sehr an die Flüchtlingskrise. Wenn es ca. 5Millionen Menschen auf Hyperion gibt, sollten die doch auf den Welten der Hegemonie unterzubringen sein. Aber da gibt es genauso sture, nur auf ihr eigenes unversehrtes Vermögen bedachte Menschen, wie bei uns...


    Ist eigentlich sicher, dass die aufgespießten Pilger auf dem Dornenbaum nicht sterben, sondern ewig leiden? Wieso?


    Und ich denke nicht, dass Gladstone wollte oder auch nur wusste, dass der Konsul die Öffnung der Zeitgräber beschleunigt hat. Sie wirkt auch überrascht.

    Zitat

    »Nein«, sagte ich. »Der Konsul hat ihnen auch erzählt, daß er derjenige gewesen ist, der einen Mechanismus der Ousters auslöste, der das Öffnen der Zeitgräber beschleunigte.«


    Hunt fuhr kerzengerade in die Höhe, sein Bein fiel von der Sessellehne herab. Gladstone holte deutlich hörbar Luft. »Ist das alles?«

    Ihre Pläne haben den Konsul beeinflusst, aber es war nicht ihr Plan die Zeitgräber vorzeitig zu öffnen. So lese ich das jedenfalls. Der Konsul hat seinen eigenen Plan gefasst aufgrund der Pläne der Präsidentin.

    Zitat

    Ich zuckte zusammen. Sie hatte das Shrike eben zum ersten Mal in meiner Gegenwart erwähnt, obwohl ich wußte – und sie wußte, daß ich es wußte –, daß ihr Plan den Konsul veranlaßt hatte, die Zeitgräber zu öffnen und das Ding zu befreien.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

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  • Ist eigentlich sicher, dass die aufgespießten Pilger auf dem Dornenbaum nicht sterben, sondern ewig leiden? Wieso?


    ...

    Ihre Pläne haben den Konsul beeinflusst, aber es war nicht ihr Plan die Zeitgräber vorzeitig zu öffnen. So lese ich das jedenfalls. Der Konsul hat seinen eigenen Plan gefasst aufgrund der Pläne der Präsidentin.

    Zu erster Frage: nein. Für mich ist nichtmal "erwiesen", dass es den Dornenbaum überhaupt gibt, sondern es ist mehr eine Legende oder ein Schreckgespenst. Zurückgekommen ist ja noch keiner, um von seiner Begegnung mit dem Shrike zu berichten (oder ja, es sind einige zurückgekommen, aber die können oder wollen nicht in der breiten Öffentlichkeit darüber berichten wie z. B. Rachel oder Kassad). Ich habe ja schon mal die Idee gehabt, ob das Shrike nicht mit den Ängsten der Menschen spielt und denke, ewig auf den einen Dornenbaum zu leiden ist eine Urangst von den allermeisten Leuten.


    Zum zweiten: du hast recht - Gladstone war an dieser Stelle deutlich überrascht. Wahrscheinlich wusste sie nicht, dass es überhaupt möglich ist, die Zeitgräber vorzeitig zu öffnen. Das ist ja Ouster-Technologie. Nur was das bewirkt?


    Schön, dass du mit dem Teil besser zurechtkommst als mit dem ersten. Ich finde ihn sehr interessant, momentan aber noch nicht so begeisternd wie den ersten.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021