'Die Farbe von Milch' - Seiten 153 - Ende

  • Der pure Horror. Mir war wirklich übel und ist es noch.

    Was ich bewundernswert fand, der Vater sieht Mary versteckt im Stroh und schützt sie. Sie nimmt es zwar nicht an, stellt sich. Ihre Familie steht hinter ihr, ich glaube das ist für sie ein gutes Gefühl und sie kann in Frieden gehen. Übrig bleibt bei mir der nackte Schrecken und das Verständnis für jeden, der in so einer Lage so handelt. Mary wird körperlich missbraucht, was letztendlich ihre Seele krank macht.

    Wie grausam kann eine Rechtssprechung sein, auch zu damaliger Zeit, dass man da kein Erbarmen hat.

  • Irgendwie ist mir das Posten in der Leserunde doch durchgerutscht...

    Ich fange erstmal im letzten Abschnitt an, damit ich nicht zu viel verrate.


    Mir hat das Buch sehr gefallen, ich habe es in einem Rutsch gelesen.

    Mich hat sehr beeindruckt, wie gut sich die Autorin in die Figur Mary eingefühlt hat. Die Figur wirkt sehr authentisch, vor allem auch wegen der sprachlichen Umsetzung.

    Marys Denkweise und ihr Gefühlsleben wird sehr nah geschildert, aber auch ihr begrenztes Umfeld und ihre Bildungsferne.

    Normalerweise bin ich eine große Verfechterin, dass jeder sein Schicksal selbst in die Hand nehmen soll und jeder sein Leben verantwortungsvoll gestalten soll oder sich nicht beschweren darf.

    In dieser Geschichte finde ich die Schicksalsergebenheit auswegslos, und das ist erschütternd.

    Mary ist wirklich eine grundehrliche junge Frau, ja, eigentlich Mädchen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ihr bewusst ist, was sie mit ihrer entwaffnenden Ehrlichkeit in ihren Mitmenschen auslöst. Und trotzdem ist ihr Weg im Grunde von Anfang an vorgezeichnet. Hätte sie den Pfarrer nicht ermordet, hätte sie sich mit ihrem Kind kaum allein durchschlagen können. Oder sie hätte sich auf dem Hof zu Tode schuften müssen.

    Die Verantwortung für das Kind hätte der Pfarrer mit Sicherheit nicht übernommen. Der Missbrauch wäre auf jeden Fall weitergegangen, die Züchtigungen auf dem elterlichen Hof wohl auch. Und welcher Märchenprinz wäre vorbeigekommen und hätte ein schwangeres hinkendes Bauernmädchen geehelicht?

    Bis zum Schluss bleibt sie ehrlich, beklagt sich nicht und stellt sich dem Tod.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Was ich bewundernswert fand, der Vater sieht Mary versteckt im Stroh und schützt sie.

    Das war ein kleines Bisschen Versöhnung, Familie und Zugehörigkeit. Ich war erstaunt, dass der Vater das wirklich getan hat. Aber was wissen wir wirklich über ihn? Wer weiß, was er erlebt hat, als er jünger war, Kind, Jugendlicher...Was hat ihn zu dem gemacht, als was er sich darstellt? Ein hartes, unbarmherziges Leben voller Arbeit und Kampf wahrscheinlich. Ich will nicht entschuldigen, wie lieblos er mit seinen Töchtern umgeht, aber tief in ihm drin scheint doch etwas Weiches übrig geblieben zu sein.

  • Normalerweise bin ich eine große Verfechterin, dass jeder sein Schicksal selbst in die Hand nehmen soll und jeder sein Leben verantwortungsvoll gestalten soll oder sich nicht beschweren darf.

    In dieser Geschichte finde ich die Schicksalsergebenheit auswegslos, und das ist erschütternd.

    Ich vertrete auch gerne so eine Position. Hier aber ist so viel Hoffnungslosigkeit und Resignation bei aller Ehrlichkeit und Aufmüpfigkeit Marys, dass mir beim beim Lesen das Herz schwer wurde.


    Die Verantwortung für das Kind hätte der Pfarrer mit Sicherheit nicht übernommen. Der Missbrauch wäre auf jeden Fall weitergegangen,

    Da bin ich mir auch sicher. Sie hätte es nicht behalten dürfen, da bin ich mir sicher, wenn er ihr nicht auch noch unterstellt hätte, dass es wohl gar nicht sein Kind sei. Wer weiß, mit wem sie sich noch eingelassen hätte und so weiter...Ich finde, dass sie das einzige tat, was ihr die Sache beenden konnte, ihn töten.


    Und welcher Märchenprinz wäre vorbeigekommen und hätte ein schwangeres hinkendes Bauernmädchen geehelicht?

    Vielleicht Ralph?

    Wir werden nie erfahren, ob er ihr gegen den eigenen Vater geglaubt hätte.

    Ich hatte das Gefühl, dass Ralph sich in der Ferne beim Studium, draußen in der Welt, schon verändert hat. Aber ob das so weit gegangen wäre, kann ich nicht sagen.

  • Da bin ich mir auch sicher. Sie hätte es nicht behalten dürfen, da bin ich mir sicher, wenn er ihr nicht auch noch unterstellt hätte, dass es wohl gar nicht sein Kind sei. Wer weiß, mit wem sie sich noch eingelassen hätte und so weiter...Ich finde, dass sie das einzige tat, was ihr die Sache beenden konnte, ihn töten.


    Vielleicht Ralph?

    Wir werden nie erfahren, ob er ihr gegen den eigenen Vater geglaubt hätte.

    Ich hatte das Gefühl, dass Ralph sich in der Ferne beim Studium, draußen in der Welt, schon verändert hat. Aber ob das so weit gegangen wäre, kann ich nicht sagen.

    Der Pastor selber hätte sich sicher gegen sie gestellt. Von wegen Verführung und so, dem wird ja alles geglaubt allein wegen seiner Position. Bei Ralph hatte ich dann auch das Gefühl, dass er Mary schätzen gelernt hat. Aber ob er die Kraft gehabt hätte, sie gegen alle anderen der Schande zu entreissen kann ich mir nicht vorstellen. Bei Vivian hat er ja auch keine Verantwortung übernommen. Gesellschaftlich stand die Pfarrersfamilie über der Marys und sie hätten vermutlich niemals ein Paar werden können. Auch wenn sie ihren Vergewaltiger nicht umgebracht hätte.

  • Ich denke auch nicht, dass Ralph sie durch eine Heirat hätte retten können und wollen. Das lag unter seinem Stand, und für seine Zukunft hatte er mit Sicherheit andere Pläne und Ambitionen.

    Und der Pfarrer erst recht nicht.

    Bei Vivian hat er ja auch keine Verantwortung übernommen.

    Violet?;)

  • Vielleicht Ralph?

    Wir werden nie erfahren, ob er ihr gegen den eigenen Vater geglaubt hätte.

    Ich hatte das Gefühl, dass Ralph sich in der Ferne beim Studium, draußen in der Welt, schon verändert hat. Aber ob das so weit gegangen wäre, kann ich nicht sagen.

    An Ralph habe ich gar nicht gedacht. Ich habe ihn eher so wahrgenommen, dass er die Mädchen als "leichte Beute" sieht und seine Bedürfnisse befriedigt. Echtes Interesse an Mary geschweige denn Verantwortung zeigt er nicht, finde ich. Aber, wir erfahren es nicht....

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich will ihn nicht verteidigen, dafür finde ich ihn viel zu unangenehm. Aber er hat sich verändert, was man bei seinem Weihnachtsbesuch an seinem Verhalten und seinen Worten Mary gegenüber merkt, finde ich.

    Trotz allem bleibt er ein verwöhnte, elitärer Begel, ganz Kind seiner Zeit und Kultur.

  • Ich will ihn nicht verteidigen, dafür finde ich ihn viel zu unangenehm. Aber er hat sich verändert, was man bei seinem Weihnachtsbesuch an seinem Verhalten und seinen Worten Mary gegenüber merkt, finde ich.

    Trotz allem bleibt er ein verwöhnte, elitärer Begel, ganz Kind seiner Zeit und Kultur.

    Genau da dachte ich auch, er hat sich verändert, zeigt sowas wie Achtung vor Mary. Aber natürlich würde er sich nie in die Tiefen ihrer Klasse versteigen.

    An Ralph habe ich gar nicht gedacht. Ich habe ihn eher so wahrgenommen, dass er die Mädchen als "leichte Beute" sieht und seine Bedürfnisse befriedigt. Echtes Interesse an Mary geschweige denn Verantwortung zeigt er nicht, finde ich. Aber, wir erfahren es nicht....

    Das hatte er auch, zumindest was Violet ;) vor und Mary nach Einzug ins Pfarrhaus betrifft. Aber ihre Abwehr und auch die Zeit auf der Uni, scheinen in Bezug auf seiner Meinung Mary gegenüber etwas bewirkt zu haben. Was da hätte sein können ist keine weitere Spekulation wert, denn die Katastrophe nimmt ja ihren Lauf.

  • Ich danke euch für eure Gedanken zu diesem Buch! :knuddel1Sie helfen mir, meine Gedanken etwas zu sortieren...


    Ich muss gestehen, dass ich mich mit den Geschehnissen im dritten Teil sehr schwer getan habe - immer noch tue. Es lief so vieles darauf hinaus und gerade Marys "Einschübe" haben mich als Leser ganz langsam auf das Unaussprechliche vorbereitet. Dennoch hat es mich dann kalt erwischt und ich fühlte mich erstmal wie gelähmt. Daher hatte ich auch bis heute noch nichts zum dritten Abschnitt geschrieben.


    Auch jetzt bin ich noch innerlich zerrissen: einerseits habe ich großes Verständnis für Mary und ihre Situation. Ich frage mich aber auch immer wieder, ob es nicht doch eine andere Lösung gegeben hätte. Aus meiner heutigen Sicht wahrscheinlich schon. Aber eben: aus heutiger Sicht - und die passt nicht in diese harte Zeit, in der Mary lebte. Daher komme ich - egal wie ich es drehe und wende - immer auf denselben Schluss: nein, es gab keine "Lösung", es gab keinen anderen Weg für Mary. Und gerade das ist so unfassbar schwer zu ertragen.


    Das Buch hat mich in seiner einfachen Sprache total gefangen genommen und ich konnte gar nicht aufhören mit lesen. Die Geschichte selber hat einiges von mir abverlangt und ich muss für das Formulieren der Rezi noch ein bisschen in mich gehen.

  • Auch jetzt bin ich noch innerlich zerrissen: einerseits habe ich großes Verständnis für Mary und ihre Situation. Ich frage mich aber auch immer wieder, ob es nicht doch eine andere Lösung gegeben hätte. Aus meiner heutigen Sicht wahrscheinlich schon. Aber eben: aus heutiger Sicht - und die passt nicht in diese harte Zeit, in der Mary lebte. Daher komme ich - egal wie ich es drehe und wende - immer auf denselben Schluss: nein, es gab keine "Lösung", es gab keinen anderen Weg für Mary. Und gerade das ist so unfassbar schwer zu ertragen.

    Also, für mich kam die "Lösung" dieser schrecklichen Situation auch sehr überraschend und ich war genauso schockiert wie du. Aber wie ich ja schon anfangs schrieb, war durch den dauerhaften Missbrauch, der über Wochen oder Monate ging, denn es fing ja an, als er sie das Lesen und Schreiben gelehrt hat, ihre Seele zerbrochen. Mary war innerlich gefühlsmäßig schon tot. Dass sie dann die Garotte nutzte war Zufall, sie kam ihr einfach in die Hände.

    Was mich noch mehr entsetzt oder auch lähmt ist die Tatsache, dass sie für die Tat zum Tode verurteilt wird. Ohne Rücksicht auf die Umstände oder ihr Alter.

  • Also, für mich kam die "Lösung" dieser schrecklichen Situation auch sehr überraschend und ich war genauso schockiert wie du. Aber wie ich ja schon anfangs schrieb, war durch den dauerhaften Missbrauch, der über Wochen oder Monate ging, denn es fing ja an, als er sie das Lesen und Schreiben gelehrt hat, ihre Seele zerbrochen. Mary war innerlich gefühlsmäßig schon tot. Dass sie dann die Garotte nutzte war Zufall, sie kam ihr einfach in die Hände.

    Was mich noch mehr entsetzt oder auch lähmt ist die Tatsache, dass sie für die Tat zum Tode verurteilt wird. Ohne Rücksicht auf die Umstände oder ihr Alter.

    Ich habe es auch so empfunden, dass Mary innerlich tot ist, ihre vorherige Lebenslust gestorben.

    Dass man sie zum Tode verurteilt hat, habe ich erwartet. Ich glaube, dass man da damals keine Unterschiede bei ab einem bestimmten Alter machte, und Mary war mit ihren zum Schluss fast 16 wohl so gut wie erwachsen.

  • Überrascht hat es mich nicht, dass sie verurteilt wird, die Zeit damals war einfach so. Aber das Verständnis dafür fehlt mir einfach. Die Tat des Pastors wird entschuldigt, tut mir leid, da kommen solche Aggressionen in mir hoch, vor allem, da es ja immer noch aktuell ist.

    Aber zu dem Buch passt es. Ein sehr gutes Buch, wirklich.

  • Die Frage ist, ob Mary, außer in ihrem geschriebenen Bericht, überhaupt erzählt hat, dass der Pastor sie missbrauchte. Gut, er wurde ermordet in ihrem Bett gefunden, und man hätte sich dabei so etwas denken können, aber hätte das wirklich jemand geglaubt von so einem angesehenen Mann?

  • Die Frage ist, ob Mary, außer in ihrem geschriebenen Bericht, überhaupt erzählt hat, dass der Pastor sie missbrauchte. Gut, er wurde ermordet in ihrem Bett gefunden, und man hätte sich dabei so etwas denken können, aber hätte das wirklich jemand geglaubt von so einem angesehenen Mann?

    Du hast Recht. Ich glaube auch nicht, dass ihr das jemand abgenommen hätte. Ein Mann in seiner Position, nie und nimmer.

    Vermutlich schreibt sie die Geschichte auch aus dem Grund auf, weil sie es nicht erzählt hat.