'Die Memoiren des Barry Lyndon' - Kapitel 08 - 11

  • Ich bin froh die „Soldatenkapitel“ jetzt hinter mir zu haben und muss gestehen, dass ich sehr schnell gelesen habe, um damit fertig zu werden. Diese Schilderungen der Vergehen an den Soldaten sind nichts für mich. Damit kann ich nur schwer umgehen. Die nächsten Kapitelüberschriften erwecken jedoch eine Hoffnung auf Besserung.

  • Eines der Gaunerstücke Barrys ist dann, wie er den Hauptmann von Potzdorf hereinlegt - aber eigentlich besteht das ganze Buch aus Gaunerstücken.


    Die ganze Werbeaktion und die Komtesse fand ich etwas Durcheinander - jedenfalls habe ich nie so recht gewußt, wer eigentlich gerade gemeint ist und wer da wen aufs Kreuz legen will. Allerdings hatte ich keine große Lust, das nochmals zu lesen und habe es einfach so hingenommen. Am Ende klappt es also nicht, wenngleich ich noch nicht durchblicke, was Barry letztlich zum Verhängnis wird.


    Ob ich das erfahre weiß ich allerdings noch nicht, denn ich tue mich mit der Ansammlung von Gaunereien ziemlich schwer. Wäre das nicht eine „Jane-Austen-Leserunde“, hätte ich schon lange abgebrochen. So wollte ich eigentlich auf jeden Fall durchhalten, aber ob ich das wirklich tue, weiß ich noch nicht (obwohl - die Hälfte habe ich ja schon). Als wir die Leserunde vereinbart haben, sah ich das Buch (nach einer Leseprobe) noch ganz anders und habe mich darauf gefreut. Inzwischen komme ich weder mit der Hohlheit der gehobenen (englischen) Gesellschaft wie den hier beschriebenen Gaunereien zurecht. Diese Lebenseinstellung ist mir schlicht zu oberflächlich. Ich weiß, was die Autoren in ihren Büchern beschreiben und kritisieren, aber dennoch tue ich mich derzeit ziemlich schwer damit.


    Ich bin im Moment nicht sicher, ob ich abbreche oder unterbreche und ein anderes kürzeres Buch, nach dem mir der Sinn steht, zwischenschiebe. Aber ab 1. April "droht" schon Dostojewski - aber vielleicht ist ein eher düsteres Buch derzeit eher etwas für mich.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Es scheint mir, dass wir wirklich alle mit dem Barry Lyndon Schwierigkeiten haben, mindestens weil er uns so unsympathisch ist, vielleicht auch, wie du SiCollier ausführst, wegen der Hohlheit der geschilderten Gesellschaftsschicht.
    Mir stößt es zum Beispiel unangenehm auf, wenn Barry sein Spielerhandwerk an körperlicher und seelischer Härte mit normalen bürgerlichen Berufen vergleicht und natürlich viel höher einschätzt. Selbstverständlich ist das Satire des im VIktorianischen Zeitalters lebenden Autors, aber weil der Ich-Erzähler es sagt, hat man Schwierigkeiten, die Kritik auf der Metaebene zu verstehen. Im Nachwort der Manesse-Ausgabe steht auch, dass der Roman beim Erscheinen ein ziemlicher Flop war. Ich könnte mir vorstellen, aus den gleichen Gründen wie bei uns.

  • Es scheint mir, dass wir wirklich alle mit dem Barry Lyndon Schwierigkeiten haben

    Nein.

    Ich finde das Buch - wie nicht anders erwartet - wunderbar und kann gar nicht schnell genug weiterlesen.

    Anders als SiCollier finde ich es auch ideal in der jetzigen Zeit - gerade weil es in einer völlig anderen Zeit und einer oberflächlichen Gesellschaft spielt. Kommt doch der Text ohne Begriffe wie Inzidenzwert und Markennamen von Pharmafirmen aus. :rolleyes:

    Allerdings glaube ich, dass dies für mich meine letzte Austen-Leserunde ist. Irgendwie zieht es mich viel mehr runter, dass alle anderen das Buch so schwierig finden und öfter unterbrechen müssen.

    Aus lauter Frust darüber hatte ich nun selbst das Buch eine Weile unterbrochen und einen Krimi eingeschoben.

  • Lorelle

    Es tut mir leid, wenn Dir die Jane-Austen-Leserunden verleidet wurden. Ich weiß im Moment nicht, ob ich selbst mit mehreren „unserer“ Bücher Probleme hatte; ich weiß nur noch, daß ich bei Sir Walter Scott’s „Waverly oder s’ist sechzig Jahre her“ so ziemlich der Einzige war, dem das Buch gefallen hat (falls mich meine Erinnerungen nicht täuschen, das war 2016).


    Ich will das jetzt nicht auswalzen, aber inzwischen habe ich durchaus Probleme mit der seit über einem Jahr anhaltenden Situation, die mich mehr und mehr „runterzieht“. Ich kann nicht mehr alles lesen und habe - auch zu meiner Überraschung - festgestellt, daß mich Bücher wie dieses (oder leider auch „Mansfield Park“, das ich abgebrochen habe) derzeit noch weiter herunterziehen bzw. ich damit (derzeit) nichts anfangen kann.


    Ich habe zwischenzeitlich ein 170-Seiten Buch ganz anderer Art begonnen und zur Hälfte durch (da das in englischer Sprache ist, dauert es etwas länger als bei vergleichbaren deutschen Büchern) und hatte vor, danach zu diesem hier zurückzukehren und die zweite Hälfte zu lesen. Dieses hier allerdings zuerst fertig lesen, wäre mit mental zu anstrengend gewesen.


    Es tut mir wirklich leid Lorelle , aber für mich sind in der derzeitigen Situation offensichtlich eher Bücher, die „richtige“ Probleme und/oder solche auf Leben und Tod behandeln (allerdings keine Krimis) geeignet. Die Menschen sind verschieden und möglicherweise gibt es in der Büchereule zu wenige Eulen, um Leserunden für Deinen oder auch meinen Geschmack zustandezubringen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Liebe Lorelle , es freut mich, dass du den Roman gerne liest, denn inzwischen bin ich auch so weit. Es ist auch ein Klassiker der Weltliteratur, da muss man auch an sich arbeiten, ehe das Werk einen in sich reinlässt. Ich habe inzwischen das merkwürdige Konstrukt akzeptiert, dass der Ich-Erzähler durch seine Ichbezogenheit und Überheblichkeit sowie dadurch, dass er in etwas konstruiert naiver Weise auch immer wieder Kritik an seinem Verhalten und seiner Einstellung referiert, eine Karikatur darstellt, die wir Leser genießen sollten, anstatt Barry Lyndon als Menschen ernst zu nehmen. Ich brauche auch in der gegenwärtigen Situation keine Flucht in die Vergangenheit, aber die Vergangenheit ist immer auch ein Spiegel, um die Gegenwart besser zu verstehen. Die Selbstverliebtheit Barry Lyndons und seine Kritikunfähigkeit an sich selbst sind ja nun auch an etlichen Politikern dieser Tage zu beobachten.

  • SiCollier : Mein Text war nicht als Angriff auf dich gemeint, bitte nicht so interpretieren! Ein Buch gefällt oder gefällt nicht, dass ist halt so. Mein Frust rührt zu einem Großteil daher, dass ich mich gerade wegen der Austen-Leserunden bei der Büchereule angemeldet habe und dies nun nicht das erste Mal ist, dass die Runde mehrheitlich eher negativ empfunden wird.

    Aber finsbury zieht inzwischen ein positives Fazit, dass hat mich zumindest mit dieser Runde wieder ausgesöhnt.

  • Ich bin inzwischen deutlich weiter im Buch, es wird Zeit, dass ich mich nun auch inhaltlich äußere:

    Gleich zu Beginn dieses Abschnitts konnte ich ganz gut darüber lachen, dass unser Titelheld Berlin als langweilig und öde Garnisonsstadt beschreibt. Das mag zum Zeitpunkt der Handlung sogar stimmen (ich weiß es einfach nicht), aber wenn ich an den Berlin-Hype der 90er-Jahre dieses Jahrhunderts denke, finde ich die Beschreibung einfach nur köstlich.

    Die "Familienzusammenführung" zwischen Onkel und Neffe gelingt, eine weitere Überraschung. Die zwei sind vom gleichen Schlag, wobei der Onkel einfach mehr Lebenserfahrung hat, von der Redmond Barry oft profitiert. Da ist Blut deutlich dicker als Wasser...

    Die Flucht aus dem Militärdienst fand ich einen sehr amüsanten Abschnitt des Buches, einer von denen, in denen ich voll auf der Seite von Barry stehe, da das preußische Militär selbst mit unsauberen Mitteln arbeitet.

    Sie betrügen im Spiel und werden betrogen.

    Die Ereignisse in Württemberg sind wieder so eine eingeschobene, in sich abgeschlossene Geschichte, die die Rahmenhandlung aber nicht wirklich vorwärts bringt. Diesen Abschnitt fand ich etwas langatmig, zumal früh erwähnt wird, dass Barrys werben um die Komtesse nicht von Erfolg gekrönt wird.

    Mich hat dann eigentlich eher interessiert, ob die Geschichte um Prinz Viktor und seine Frau eine reale Vorlage hat. Gerade diese Frage bleibt aber leider offen, zumindest habe ich in den Anmerkungen nichts gefunden.

  • Ich hatte unfreiwillig eine längere Pause, bin aber gut wieder in die Geschichte hineingekommen. Dieser Abschnitt hat mir besser gefallen.


    Die Art, wie Thackery die Intrigen beschreibt und die wahren Motive der Gentlemen in ihrer Brautwerbung mit klaren Worten offenlegt, finde ich köstlich.


    Zitate:


    "Und - wozu von Liebe reden? Ich wollte den Reichtum der Dame; ich liebte sie durchaus so sehr, wie Magny dies tat; ich liebte sie ebenso sehr wie jene errötende siebzehnjährige Jungfrau dort den alten siebzigjährigen Lord, den sie heiratet. Ich folgte den Gepflogenheiten der Welt, da ich nun einmal beschlossen hatte, mein Glück durch eine Heirat zu machen." (Haefs, S.302)*


    "Ich, ..., würde, wenn ich einen Sohn hätte, vor ihm niederknien und ihn anflehen, die Frau zu meiden, denn sie ist schlimmer als Gift." (Haefs, S.327)

  • Lorelle

    Ich habe das nicht als Angriff verstanden. :wave Es tut mir nur sehr leid, wenn Dir die Jane-Austen-Leserunden vergällt wurden. Mir ist dies:

    dass der Ich-Erzähler durch seine Ichbezogenheit und Überheblichkeit sowie dadurch, dass er in etwas konstruiert naiver Weise auch immer wieder Kritik an seinem Verhalten und seiner Einstellung referiert, eine Karikatur darstellt, die wir Leser genießen sollten, anstatt Barry Lyndon als Menschen ernst zu nehmen.

    durchaus bewußt. Aber in der derzeitigen Situation, für die ich persönlich noch absolut kein Ende in Sicht sehe, habe ich festgestellt, daß diese Gattung Bücher (um das so allgemein auszudrücken) nichts für mich ist. Ich hatte beim Vereinbaren der Leserunde in eine Leseprobe hineingelesen und mich auf das Buch gefreut. Vielleicht (vermutlich) hätte ich auf eine damalige Leserunde (bzw. das Buch) ganz anders reagiert als jetzt. Falls es Dich tröstet: ich habe 2012 Charles Dickens "Oliver Twist" gelesen - und nie wieder ein Buch von ihm in Betracht gezogen (abgesehen von "A Christmas Carol"). Ohne das jetzt hier diskutieren zu wollen: Form und Inhalt gingen für mich so weit auseinander, daß ich mit Dickens - auch wenn ich wußte, was er damit bezwecken wollte - einfach nichts anfangen konnte. Wenn ich es recht im Kopf habe, waren die anderen der Runde ziemlich begeistert.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")