Piranesi -- Susanna Clarke

  • Originaltitel: Piranesi

    Übersetzung ins Deutsche: Astrid Finke


    Es ist irgendwie nicht verwunderlich, dass es zu Piranesi noch gar keinen Rezi-Thread gibt. Wie soll man so ein Buch beschreiben, ohne zu viel zu verraten? Vielleicht sollte ich es Pelican gleichtun und einfach sagen: Lest das! :grin


    Wenn ihr es nämlich nicht lest, verpasst ihr einen sehr dichten, sehr atmosphärischen und intelligent geschriebenen Roman, der eher arm an Handlung, aber trotzdem spannend ist.


    Piranesi lebt in einem ganz und gar wundersamen Haus, einem großen, an ein Labyrinth erinnerndes Gebäude -- mehr weiß man zu Beginn des Buches nicht. Aus der konsequent durchgehaltenen Perspektive von Piranesi erkundet man dann nach und nach diese äußerst surreale Welt und erfährt die Hintergründe dieser Situation.


    So banal und wenig interessant das nun vielleicht auch klingen mag: Dieser kurze Roman hat es durchaus in sich und bietet viel Stoff zum Nachdenken. Ich habe das Buch aus Zeitgründen in kleinen Häppchen gelesen und bin im Nachhinein nicht böse darum, weil jede Seite so viele Details enthält, die es aufzunehmen gilt, und mich das Gelesene wirklich beschäftigt hat. Auch jetzt, nach Abschluss der Lektüre, lassen mich das Haus und Piranesi nicht los.


    Ich reihe mich also bei den Eulen ein, denen Piranesi sehr gut gefallen hat, und empfehle es gerne weiter.


    ASIN/ISBN: 3453321987

  • Piranesi war mein Buch des Jahres 2021. Es ist einzigartig, aber natürlich auch ein wenig eigenartig und entsprechend speziell. Nicht jedem wird das gefallen. Es ist nicht klassische Genre-Fantasy.


    Was mich fast interessieren würde wäre, ob hier irgendjemand ihre beiden Romane gelesen hat (ich nicht). Jonathan Strange & Mr. Norrell hat ja eine epische Länge (1000?) Seiten und bei Piranesi ist wirklich jedes Wort handverlesen. Ich habe gelesen, dass die Autorin einige Jahr sehr krank war (oder noch ist), kaum hier Haus verlässt, wohl eine Art Erschöpfungssyndrom, weshalb ihr der Akt des Schreibens wohl auch schwerfällt. Ich finde es interessant, wie sehr sich beides in diesem Buch spiegelt (das Irren durch dieses riesige Haus, die Knappheit in der Sprache).

  • Ich habe vor der Lektüre von Piranesi einiges über Susannah Clarke gelesen, ihre Krankheit, aber auch wie stark ihr Leben durch den Erfolg von Jonathan Strange verändert wurde. Wienixu es verstanden habe, wurde durch den hohen Druck und die Terminflut die Krankheit inklusive Angstzustände in Verbindung gebracht. Jonathan Strange hat sie soweit ich mich erinnere ein Jahrzehnt lang nebenbei geschrieben, und danach schaute jeder, was sie als nächstes macht. Das hat mein Leseerlebnis von Piranesi sicherlich beeinflusst.


    Bei mir sind beide Bücher Highlights im Regal. Und sie sind nicht vergleichbar. Jonathan Strange ist wunderbar ausschweifend, erklärend, mit vielen Fußnoten. Die Welt ist ausgereift, verständlich. Piranesi hingegen ist mysteriös, zauberhaft, nicht greifbar. Ein Gegenpol, und doch sind beide so eigenständig. Mir fällt es leicht, beide sehr gut mögen. Ich glaube aber, wenn das eine nichts für einen ist, kann das andere aber trotzdem passen. Und es wird sicherlich auch viele geben, die beide Bücher nicht ansprechen. Beide sind mir zu speziell, um eine Empfehlung auszusprechen, außer: Probiere es. Wenn es dich nicht von Anfang an packt, wird sich das vermutlich nicht ändern.

  • Es ist nicht klassische Genre-Fantasy.

    Ja, das hätte ich eigentlich auch im Ursprungsbeitrag als Disclaimer erwähnen sollen, um falsche Erwartungen zu verhindern. Gut, dass du darauf hinweist!


    Jonathan Strange habe ich auch gelesen, als es noch recht neu war (2005?), und weil das so lang her ist, kann ich mich kaum noch an Details erinnern. Damals hat es mir gefallen, keine Ahnung, ob es das heute noch täte. Ich stimme baro jedenfalls zu: Das sind zwei völlig unterschiedliche Romane, nicht nur von der Länge her.


    Dass Susanna Clarke so krank ist, wusste ich gar nicht. Das wirft ja wirklich noch mal ein ganz anderes Licht auf Piranesi! 😮

  • Ich hab das Buch Ende 2021 in der deutschen Übersetzung gelesen, 2022 noch ein zweites Mal auf englisch. Für mich auch in der Nachschau eins meiner absoluten Highlights der letzten Jahre, ein Herzensbuch, welches ich sicherlich irgendwann wieder lesen werde. Anfangs dachte ich, die Geschichte ist vor allem beim ersten Mal so toll, weil man sich Piranesi gleich, durch diese Welt tastet, sucht, findet, irrt und weiter wandert. Aber auch bei einer zweiten Lektüre findet man viele neue Aspekte und Gedanken.


    Sprachlich wunderbar und voller Sätze die für sich allein stehen könnten. Auch die Gesamtkomposition, der Aufbau des gesamten Buches sozusagen als Lese-Labyrinth ist etwas sehr Besonders.


    Eine echte Leseempfehlung von mir, mit dem Hinweis, daß man es bei der ersten Lektüre aushalten können muß, durch ein surrealistisch anmutendes Gebilde zu wandern ohne zu wissen wohin es führt. Man entdeckt viele Brotkrümel-Pfade auf dem Weg, die einen mal nach dort und dann in eine ganz andere Richtung schicken, mit unzähligen Verweisen auf Literatur, Kunst, Lebensgeschichten und Weltanschauungen. Manches darin hat mich an Michael Endes Geschichten aus "Der Spiegel im Spiegel" erinnert.


    An einem bestimmten Punkt findet man den berühmten roten Faden, der einen in eine bestimmte Richtung führt, ab diesem Moment wird die Geschichter stabiler, nicht mehr so schwebend, träumerisch. Und auch wenn dieser Weg letzlich zu einem Ende oder vielleicht besser formuliert, zu einem Ausgang führt, gibt es bis zur letzten Seite weiterhin Brotkrümel zu anderen Abzweigungen. Auch das Ende beibt, wenn man es denn so möchte, offen für eine andere Deutung der Geschichte.


    ***


    Interessant dazu:

    "Piranesi: Susanna Clarke in conversation with Madeline Miller"