'Die Diplomatin' - Seiten 077 - 155

  • Nun ist Fred in der Türkei, in Istanbul. Ich bezweifle, dass dieser neue Posten gut für sie ist, aber es ist ihr Beruf, ihre Laufbahn, und sie bemüht sich nach Kräften.

    Auf die politische Situation will ich hier jetzt nicht eingehen. Das alles ist aus den Medien bekannt.

    Mir geht es gerade eher um sie als Mensch, als Figur, ja auch als Diplomatin, die gegen nicht zustande kommende Audienzen und nicht angenommene Telefonanrufe antritt und versucht, ihre Aufgabe zu erfüllen und das Beste für ihre deutschen Landsleute zu tun.

    Sie selbst bezeichnet ihre Aufgabe als "funktionelles Herumstehen" vor und sieht sich als "Schiff ohne Hafen" und meint:"Es gibt keine Schiffe ohne Hafen, nur Wracks haben keinen."

    Aus allem klingt so viel Erschöpfung an, so viel Einsamkeit. Anders als ihr Vorgänger ist sie selber präsent vor Ort. Ich fürchte, dass sie sich in Gefahr begibt


    Über sie zu lesen, in doch lockerem Ton, geht nahe, jedenfalls geht es mir so.

  • Die Beziehung zu ihrer Mutter ist sehr distanziert, der Kontakt eher lose. Eigentlich erstaunt mich das, weil Fred so solitär ist im fremden Land. Was da wohl möglicherweise in der Vergangenheit vorgefallen ist? Oder Fred ist ein Mensch, der diese familiäre Bindung nicht braucht. Noch sehe ich da nicht klarer.

  • Ich bin hier noch mitten im dem Abschnitt, habe aber gerade kurz Zeit was dazu zu schreiben.


    Ich glaube, Fred ist die falsche Person für diesen Posten. Bzw. sie hat sich den falschen Beruf ausgesucht. Sie wirkt auf mich so komplett ehrlich und sie will immer das Beste für alle und versucht sich nicht verbiegen zu lassen. Und sie kommt mir dabei nach wie vor so auf verlorenem Posten und sehr einsam vor. Aber Diplomatin war wohl ihr Wunschberuf. Wahrscheinlich hat sie es sich auch etwas anders vorgestellt.

    Über sie zu lesen, in doch lockerem Ton, geht nahe, jedenfalls geht es mir so.

    Mir geht das auch sehr nahe. Fred tut mir zum Teil richtig leid und ich würde sie gerne mal in den Arm nehmen.

    Sie hat ja gar niemand, den sie etwas näher an sich ran lässt, oder? Keinen Mann, keine Geschwister oder enge Freunde. Sie ist schon sehr auf sich alleine gestellt.


    Wo endet denn dieser Abschnitt? Gibt es da auch wieder so eine deutliche Grenze, damit ich es im Hörbuch erkenne?

  • Ich glaube, Fred ist die falsche Person für diesen Posten. Bzw. sie hat sich den falschen Beruf ausgesucht. Sie wirkt auf mich so komplett ehrlich und sie will immer das Beste für alle und versucht sich nicht verbiegen zu lassen. Und sie kommt mir dabei nach wie vor so auf verlorenem Posten und sehr einsam vor. Aber Diplomatin war wohl ihr Wunschberuf. Wahrscheinlich hat sie es sich auch etwas anders vorgestellt.

    So sehe ich das auch. Fred will das Richtige tun, aber Verbiegen erschöpft sie. Für mich ist sie auch am falschen Platz.


    Mir geht das auch sehr nahe. Fred tut mir zum Teil richtig leid und ich würde sie gerne mal in den Arm nehmen.

    Sie hat ja gar niemand, den sie etwas näher an sich ran lässt, oder? Keinen Mann, keine Geschwister oder enge Freunde. Sie ist schon sehr auf sich alleine gestellt.

    Warte noch ein Bisschen;)


    Wo endet denn dieser Abschnitt? Gibt es da auch wieder so eine deutliche Grenze, damit ich es im Hörbuch erkenne?

    Der Abschnitt endet mit einem Anruf der Hausverwaltung der Mutter und damit, dass sich Fred die Strumpfhosen herunterrollt und sich beim Zimmerservice Fischbällchen und eine Flasche Weißwein bestellt.

  • Ich bin noch mitten in diesem Abschnitt.


    Je weiter ich lese, desto besser gefällt mir das Buch.

    Die Beziehung zu ihrer Mutter ist sehr distanziert, der Kontakt eher lose. Eigentlich erstaunt mich das, weil Fred so solitär ist im fremden Land. Was da wohl möglicherweise in der Vergangenheit vorgefallen ist?

    Möglicherweise ist die Distanz auch eine Folge von Freds sozialem Aufstieg. Ihre Mutter kann sich die Welt, in der ihre Tochter lebt und arbeitet, sicher kaum vorstellen.

    Irgendwie rührend, das Päckchen mit dem Schinken ( S. 94), das sie immer wieder schickt.


    Immerhin hat Fred jetzt ihren früheren Kollegen Philipp im Land. Sie haben ganz offensichtlich viel zusammen erlebt.


    I

    Ich glaube, Fred ist die falsche Person für diesen Posten. Bzw. sie hat sich den falschen Beruf ausgesucht. Sie wirkt auf mich so komplett ehrlich und sie will immer das Beste für alle und versucht sich nicht verbiegen zu lassen. Und sie kommt mir dabei nach wie vor so auf verlorenem Posten und sehr einsam vor.

    Ich stelle mir ein Leben im diplomatischen Dienst sehr schwierig vor. Niemals öffentlich sagen und handeln zu können, wie man das gerade möchte. Immer die diplomatischen Sitten wahren.

    Das hat ja seinen Sinn, sonst wären Kontakte mit vielen Ländern gar nicht mehr möglich. Aber für diejenigen, die das aushalten müssen, eine schwierige Übung.

  • Mein Lebensentwurf wäre es auch nicht, für mich ist ein stabiles soziales Umfeld einfach zu wichtig.


    Irgendwie bleibt mir Fred auch fern - ich finde die Geschichte interessant, allerdings packt sie mich emotional nicht so sehr wie euch.


    Aber auf jeden Fall habe ich mir die Autorin gemerkt, ich will auch mehr von ihr lesen.

  • Mich beschäftigt die Frage nach Freds Motivation für ihre Berufswahl auch aus eigenem Interesse. Ich bin ins Berufsleben ebenfalls mit dem Wunsch gestartet, Menschen zu helfen, die Welt ein wenig zu verbessern.

    Finde ich für junge Menschen sehr wichtig, diesen Wunsch zu haben.

    Die Kunst ist wohl, nicht zu verbittern, wenn sich in der Realität zeigt, dass das nur sehr begrenzt möglich ist.


    Das muss Fred immer wieder erfahren und ich bin sehr gespannt, ob sie vielleicht doch lernen kann, mit ihren eingeschränkten Möglichkeiten wenigstens ein paar Dinge zu erreichen.

    Besonders übel finde ich, wenn sie erfahren muss, dass von der eigenen Seite Dinge an die türkischen Behörden weitergegeben werden.

  • Das war für mich auch immer eine Motivation - allerdings hat das bei mir dazu geführt, dass ich als Jugendliche ehrenamtliche Arbeit geleistet habe und mich dann tatsächlich auch für einen sozialen Beruf entschieden habe. Wenn ich die Welt für einige Menschen besser mache, habe ich für mich dieses Ziel erreicht.


    Aber die Frage nach Freds Motivation bei der Berufswahl finde ich schon interessant. Diplomatin wäre für mich so weit weg gewesen, dass ich niemals auch nur in Betracht gezogen hätte, diese Richtung einzuschlagen. Wobei ich auch davon ausgehe, dafür nicht geeignet zu sein.

  • Ich fand die Fischbällchen mit Weißweine so klasse :grin

    Nicht, dass sie irgendwelche Bedeutung hätten.

    Ich finde, diese Themenwechsel sind eine Stärke von diesem Buch und spiegeln auch das Leben von Fred wieder, die zwischen 'normalen' Problemen und verschiedenen Krisen wandelt. Dabei nimmt sie ihren Job sehr persönlich, wie wir bei Meral und Baris sehen. Ich befürchte, dabei reibt Fred sich auf, wie du ja auch schriebst Clare

    Sie selbst bezeichnet ihre Aufgabe als "funktionelles Herumstehen" vor und sieht sich als "Schiff ohne Hafen" und meint:"Es gibt keine Schiffe ohne Hafen, nur Wracks haben keinen."

    Aus allem klingt so viel Erschöpfung an, so viel Einsamkeit. Anders als ihr Vorgänger ist sie selber präsent vor Ort. Ich fürchte, dass sie sich in Gefahr begibt.

    Wobei die Wrack-Aussage von Phillip kam, Fred wollte sich ja auf die Einteilung in Schiff oder Hafen nicht einlassen. Ich fand die Metapher auch richtig blöd.

    Bei Philipp bin ich nicht ganz mitgekommen, wer das ist. Die beiden kennen sich von Freds erstem Aufenthalt in der Türkei? Und Phillip ist im Auswärtigen Amt weiter aufgestiegen, nicht in ihrer Abteilung und kein Vorgesetzter, aber auf höherer Hierarchieebene? Bei Merals Prozess finden es ja auch alle ganz toll, dass er da ist.

    Irgendwie bleibt mir Fred auch fern - ich finde die Geschichte interessant, allerdings packt sie mich emotional nicht so sehr wie euch.

    Mir geht es ähnlich. Ich finde es toll geschrieben, bin gebannt von dem Plot, aber emotional hat mich keine Figur in den Bann gezogen. Es ist zwar Freds Perspektive, aber ich fühle mich trotzdem wie ein Wissenschaftler, der das Treiben fasziniert durchs Mikroskop betrachtet.

  • Mir geht es ähnlich. Ich finde es toll geschrieben, bin gebannt von dem Plot, aber emotional hat mich keine Figur in den Bann gezogen. Es ist zwar Freds Perspektive, aber ich fühle mich trotzdem wie ein Wissenschaftler, der das Treiben fasziniert durchs Mikroskop betrachtet.

    Das beschreibt es sehr gut.

  • Bei Philipp bin ich nicht ganz mitgekommen, wer das ist. Die beiden kennen sich von Freds erstem Aufenthalt in der Türkei? Und Phillip ist im Auswärtigen Amt weiter aufgestiegen, nicht in ihrer Abteilung und kein Vorgesetzter, aber auf höherer Hierarchieebene? Bei Merals Prozess finden es ja auch alle ganz toll, dass er da ist.

    Mit Philipp war Fred im Irak und dabei haben sie sich gut kennengelernt.

    Wenn ich es richtig verstehe, ist Phiipp Botschafter in Ankara, dem türkischen Regierungssitz.

  • Mich beschäftigt die Frage nach Freds Motivation für ihre Berufswahl auch aus eigenem Interesse. ...

    Besonders übel finde ich, wenn sie erfahren muss, dass von der eigenen Seite Dinge an die türkischen Behörden weitergegeben werden.

    Irgendwo wird doch erwähnt, dass Fred den Entschluss, Diplomatin zu werden, nach dem Fall der Mauer gefasst hat. Als leuchtendes Vorbild, was Diplomatie dann doch erreichen kann. Leider hat sie persönlich sehr wenig Spielraum, etwas zu ändern oder auch "nur" einigen Menschen zu helfen.


    Die Weitergabe von Informationen von eigener Seite fand ich auch ganz furchtbar! Das würde mich total fuchtig machen und mich wundert, dass Fred keine Anstrengungen unternimmt, die undichte Stelle zu finden. Oder ist das schon ganz normal?

    Ich finde es toll geschrieben, bin gebannt von dem Plot, aber emotional hat mich keine Figur in den Bann gezogen. Es ist zwar Freds Perspektive, aber ich fühle mich trotzdem wie ein Wissenschaftler, der das Treiben fasziniert durchs Mikroskop betrachtet.

    Das stimmt und hast du gut bemerkt und in Worte gefasst. Vielleicht will diese distanzierte Erzählweise auch die Leser auf Abstand halten, genauso wie es Fred mit allen Menschen in ihrem Umfeld tut?


    Ich fand ja sehr schade, dass aus der Nacht mit David nichts wurde :-(. Zumindest eine Nacht mit menschlicher Nähe hätte ihr doch vergönnt gewesen sein können, bevor es kompliziert wurde.


    Interessant finde ich aber, dass in diesem Abschnitt zumindest die Personen einen Namen und nicht nur eine Funktion haben. In Montevideo gab es ja nur "die Kultur", "das Recht", "den Journalisten", ... - hier sind es zumindest Christopher und David. Lässt Fred doch etwas mehr Nähe zu? Sie ist ja ziemlich am Ende!


    Auf die politische Situation will ich hier jetzt nicht eingehen. Das alles ist aus den Medien bekannt.

    Auch wenn Fred als Person ganz eindeutig im Mittelpunkt steht, spielt - fast nebenbei - die politische Situation in der Türkei doch eine ganz entscheidende Rolle. Ich fand das sehr gut verpackt, wir erleben den schwierigen Alltag der Menschen mit, ohne dass viel erklärt oder kommentiert werden muss. So bleibt genügend Raum für die eigene Vorstellungskraft. Diese feine Verbindung gefällt mir sehr gut! :thumbup:

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Leider hat sie persönlich sehr wenig Spielraum, etwas zu ändern oder auch "nur" einigen Menschen zu helfen.

    Ich habe irgendwie das Gefühl, dass sie persönlich eigentlich überhaupt nichts ändern kann. Sie möchte allen Menschen helfen, aber ihr sind ja komplett die Hände gebunden. Sie kann ja nur immer alles nach Außen gut präsentieren und gut darstellen, aber sie kann selbst gar keine Probleme lösen. Und auf der anderen Seite wird ihr aber immer die Schuld zugeschoben, wenn etwas falsch läuft. So ein Job muss einen doch mit der Zeit einfach nur kaputt machen.

  • Ich finde es allerdings seltsam, dass ihr das nach so langer Berufserfahrung noch nicht klar geworden ist.

    Ich glaube schon, dass es ihr selbst bewusst ist oder es ihr hier im Laufe der Handlung bewusst wird. Aber er ist wohl einfach der Beruf, den sie sich gewünscht und gewählt hat. In ihrem Alter ist es ja auch nicht mehr so einfach den Beruf aufzugeben und etwas Neues zu beginnen . Und sie hat wahrscheinlich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es vielleicht doch mal anders läuft.

  • Ich glaube schon, dass es ihr selbst bewusst ist oder es ihr hier im Laufe der Handlung bewusst wird. Aber er ist wohl einfach der Beruf, den sie sich gewünscht und gewählt hat. In ihrem Alter ist es ja auch nicht mehr so einfach den Beruf aufzugeben und etwas Neues zu beginnen . Und sie hat wahrscheinlich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es vielleicht doch mal anders läuft.

    Wir erfahren ja auch wenig bis gar nichts über ihre (berufliche) Vorgeschichte. So bleibt es offen, ob sie bisher mehr Gestaltungsmöglichkeiten hatte bzw. zumindest gesehen hat oder ob sie dieser Aspekt ihres Berufes bislang nicht oder nur wenig gestört hat. Oder aber (und das halte ich angesichts ihrer labilen Verfassung fast für am wahrscheinlichsten) ist es ihr schon länger bewusst, aber sie wollte es (noch) nicht wahrhaben, mögliche Gründe hat ja Rouge schon aufgezählt. Es ist hart, wenn der Traumberuf nicht (mehr) bietet, was man sich davon erhofft hat.


    Wahrscheinlich spielt ihre Einsamkeit auch eine gewisse Rolle. Wenn sie diese negativen Gefühle bei einem Partner loswerden könnte oder zumindest noch ein anderes Leben hätte, als nur den Beruf, wäre diese Machtlosigkeit vielleicht auch leichter zu ertragen.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021