Engman Selaker Sommersonnenwende

  • Skandinavische Krimis gehören zur Meisterklasse

    Das Autorenduo Pascal Engmann und Johannes Selaker hat einen sehr interessanten und vielschichtigen Krimi vorgelegt. Traumatische Erinnerungen aus den Balkankriegen verknüpfen sich mit gegenwärtigen Kriminalfällen für einen Ermittler der Stockholmer Polizei. Hinzu addiert sich noch die Wiederbegegnung mit einer jungen Frau, in die er sich während seines Bosnien-Einsatzes verliebt hatte. Eine junge Journalistin, Vera Berg muss sich um einen fremden Jungen, Sigge kümmern, obwohl sie einen neuen Job antreten müsste. Sigges Vater Johnny ist einfach abgehauen und hat sich wochenlang nicht mehr gemeldet. Vera kann Sigge nicht einfach der Jugendfürsorge übergeben. Kurzentschlossen nimmt sie ihn mit, in ihr neues Leben nach Stockholm.

    Es geschehen mehrere Frauenmorde, Tomas ermittelt vonseiten der Polizei, Vera als Journalistin. Sie bedienen sich unterschiedlicher Informationsquellen, kommen aber zum gleichen Schluss. Der Serienmörder macht sich gewisse Umstände in Schwedens Polizeiapparat zunutze, um ungehindert morden zu können. Zeitweise gerät Tomas selbst in Verdacht, die Morde getan zu haben. Der Krimi ist sehr interessant, vor allem durch die Verwicklungen, die sich für die Protagonisten ergeben. Dieses Buch schreit nach einer Fortsetzung. Das Ende ist dermaßen offen, dass es für mich direkt frustrierend war. Vera muss Johnny gegenübertreten, Tomas steht eine blutige Auseinandersetzung mit seinem Bruder entgegen. Von keiner dieser Konfliktsituationen wissen wir, wie sie ausgehen wird. Ich hoffe sehr, die Herrn Engman und Selaker wissen, was sich gehört!

    Ein Highlight des Buches ist die Fußball WM die 1994 in den USA ausgetragen wurde und die Spiele der schwedischen Nationalmannschaft im Buch eine wichtige Rolle spielen. Woran kann ich mich an diese WM erinnern? Da war doch ein Skandal um Effenberg, der dem amerikanischen Publikum den Effenberg-Finger gezeigt hatte. Ich weiß nicht einmal mehr, wie weit unsere Mannen damals gekommen waren. Ist mir ehrlich gesagt, auch nicht so wichtig um es zu googeln. Ich kann mich noch an das deutsche Sommermärchen 2006 erinnern: da hatten unsere geschätzten Politiker heimlich und im Schatten des kollektiven Fußballrausches eine drastische Diätenerhöhung für sich selbst durchgesetzt. Ja, ja, Fußball Weltmeisterschaften sind immer wichtig.

    Doch zurück zum Buch: der lebhafte Stil, die knappen Dialoge, die oft wie aus einer Theaterszene herausgeschnitten sind, die interessante Handlung, die Vera oder Tomas als Hauptagierenden haben, machen daraus eine sehr angenehme Lektüre.

    Ich mag skandinavische Krimis. Sie haben Tiefgang und zeigen gleichzeitig auch die menschliche Seite der Protagonisten.


    ASIN/ISBN: 3864932394

    Edit: Beitrag verschoben und ISBN ergänzt, damit das Cover angezeigt wird. Gruß Herr Palomar

  • Ich habe schon einige Bücher von Pascal Engman gelesen und jedes Mal konnte er mich mit seinen Geschichten packen. Auch dieser Kriminalroman, den er zusammen mit Johannes Selåker geschrieben hat, hat mir wieder gut gefallen. Es handelt sich hier um den Auftaktband einer Reihe.

    Kriminalkommissar Tomas Wolf ist als erster an einem Tatort. Eine junge Frau wurde vergewaltigt und erdrosselt. Tomas kann den Anblick kaum ertragen, denn seine Vergangenheit lässt ihn nicht los. Die Journalistin Vera Berg möchte einen neuen Job in Stockholm antreten. Sie stellt eigene Ermittlungen an. Als es dann zu einer schrecklichen Katastrophe mit weiteren Toten kommt, kreuzen sich die Wege von Tomas und Vera und sie ermitteln gemeinsam. Es wird nicht nur gefährlich, sondern sie blicken in wahre Abgründe.

    Der Schreibstil ist gut und flüssig zu lesen und die Geschichte sehr spannend.

    Die Charaktere sind interessant und authentisch dargestellt. Tomas hat in der Vergangenheit Schreckliches erlebt, das ihn nicht loslässt und zu Panikattacken führt. Auch Vera hat mit Problemen zu kämpfen. Sie treffen bei ihren oft unkonventionellen Ermittlungen auf eine Reihe von Verdächtigen. Doch wo ist das Motiv?

    Dieser Fall ist in sich abgeschlossen und endet auch schlüssig, dennoch bleibt am Schluss noch etwas offen, was wahrscheinlich erst in einem Folgeband aufgeklärt wird. Gesellschafts- und politische Probleme werden dabei auch aufgegriffen.

    Ein toller, spannender Schweden-Krimi mit interessanten Personen.
    10/10

  • Super Krimi


    Schon das Cover hat mich auf den ersten Blick angesprochen und machte Lust aufs Lesen. Toll gestaltet, sowohl farblich als auch gestalterisch!

    Und auch die Handlung hat mich überzeugt und mich mit einem spannenden Krimi versorgt.

    Dieser spielt in einem extrem heißen Stockholmer Sommer und stellt dem Leser Kriminalkommissar und Sonderling Tomas Wolf vor. Dieser ermittelt im Fall einer erdrosselten und vergewaltigten Frau. Doch nicht nur er will der Tat auf die Spur kommen, auch die Journalistin Vera Berg ermittelt auf ihre Weise und so kreuzen sich ihre Wege mit jeder neu gefundenen Leiche.

    Tom machen dabei seine Vergangenheits-Traumata sehr zu schaffen, er kämpft mit Flashbacks und seinen eigenen Dämonen, was die Ermittlungen nicht gerade einfacher macht.

    Beide Charaktere fand ich sehr spannend dargestellt, ebenfalls die Darstellung ihres Vorgehens und ihrer Ermittlungen.

    Auch fließen einige politische Umstände dieser Zeit mit ein und machen den Krimi zu einem lesenswerten und spannenden Buch. Daumen hoch!

  • Die Sonne brennt heiß auf den Asphalt in einem Stockholmer Vorort, als eine junge Frau gefunden wird, vergewaltigt und erdrosselt. Kriminalkommissar Tomas Wolf kann den Anblick der Toten kaum ertragen – zu sehr erinnert sie ihn an die dunkle Zeit in seiner Vergangenheit, die er am liebsten vergessen würde. Doch in diesem Sommer ’94 ist er der Erste am Tatort. Er ahnt nicht, dass auch die Journalistin Vera Berg in diesem Mordfall ermittelt und dabei alles aufs Spiel setzt – vor allem ihr eigenes Leben. Als in einer Kleinstadt eine Katastrophe passiert und es weitere Tote gibt, kreuzen sich die Wege von Tomas und Vera: Die gemeinsame Jagd nach einem brutalen Frauenmörder beginnt. Sie wird in alle Ecken der Gesellschaft reichen, dorthin, wo die dunkelsten Ängste und der tiefste Hass zu Hause sind.


    Im Nachwort erklären die beiden Autoren, dass sie mit ihrem Buch die Stimmung und Atmosphäre des Sommers 1994 den Lesern nahe bringen möchten. Und ich finde, das ist ihnen sehr gut gelungen. Die Fußballweltmeisterschaft im heißesten Sommer, den man bis dahin erlebt hatte, daran kann ich mich selbst noch erinnern, auch in Deutschland. Man sieht also, die Temperaturen der letzten Wochen außerhalb von Deutschland sind nicht so ungewöhnlich, wie es dargestellt wird. Jüngere können dies aber natürlich nicht wissen.


    Insgesamt hat mir die Geschichte wirklich gut gefallen, der Aufbau, wie alles zum Ende zusammenlief, die steigende Spannung, diverse Wendungen und Überraschungen, die Charaktere, alles passte.

    "Sommersonnenwende" spielt zwar vor fast 30 Jahren, aber das Thema Flüchtlingswelle (damals aus dem ehemaligen Jugoslawien) ist ja gerade im Moment wieder sehr aktuell.

    Wie gesagt, kommt die damalige Stimmung sehr gut rüber, ich war immer hautnah dabei und konnte die Sommerhitze richtig nachempfinden.

    Durch die WM und den Amoklauf von Matias Flink, der damals tatsächlich in Falun passiert ist, wird die Geschichte noch authentischer.


    Erzählt wird in der 3. Person, abwechselnd aus der Sicht von Tomas Wolf und Vera Berg, so dass man unterschiedliche Sichtweisen auf die Entwicklungen erhält. Der Schreibstil ist lebendig und flüssig.

    Tomas Wolf war als junger Mann in der Neonaziszene Schwedens aktiv, er hat den Absprung geschafft, seine beiden Brüder nicht. Das sorgt zusätzlich für Spannung und Zündstoff. Ich muss sagen, ich bin bei ihm ein bisschen zwiegespalten, denn dank seiner Frau hat er in ein normales Leben gefunden, das er aber dann wieder aufs Spiel setzt. Andererseits kann ein Kriegstrauma natürlich große Schäden anrichten.

    Auch Vera Berg hat ihr Päckchen zu tragen. Sie versucht, einen kleinen Jungen zu beschützen und gleichzeitig einen guten Job als Reporterin zu machen. Gelingt ihr das nicht, sieht es nicht nur für ihre eigene Zukunft schlecht aus.

    Es gibt hier also nicht nur schwarz und weiß, die Charaktere haben viele Facetten.


    Skandinavische Krimis und ich, das geht ja nicht immer gut, aber "Sommersonnenwende" fand ich wirklich sehr gut und würde weitere Teile auch gerne lesen.

  • Sehr spannend, aber auch total überzogene Hauptfiguren


    Buchmeinung zu Pascal Engman & Johannes Selåker – Sommersonnenwende


    Sommersonnenwende ist ein Kriminalroman von Pascal Engman & Johannes Selåker, der 2023 bei Ullstein in der Übersetzung von Ulla Ackermann erschienen ist. Der Titel der schwedischen Originalausgabe lautet Till minne av en mördare und ist 2022 erschienen.


    Zum Autor:

    Pascal Engman, geboren 1986, war Journalist für Schwedens größte Abendzeitung. Johannes Selåker arbeitete als Nachrichtenleiter als auch als Chefredakteur tätig war. Sommersonnenwende ist der erste Kriminalroman, den er zusammen mit Pascal Engman geschrieben hat.

    Zum Inhalt:

    Im heißen Sommer 1994 treffen die Journalistin Vera Berg und der Kommissar Tomas Wolf bei der Jagd auf einen Serienmörder von jungen Frauen aufeinander. Beide haben große Probleme und vertrauen einander nicht, aber nur gemeinsam können sie den Täter ermitteln.


    Meine Meinung:

    Mit den Figuren dieses Buches hatte ich von Beginn an Probleme. Tomas Wolf und Vera Berg leiden unter Problemen, die aus ihrer Vergangenheit herrühren. Vera wird von ihrer Familie für den Tod ihres Bruders verantwortlich gemacht und hat daraufhin jeden Kontakt abgebrochen. Sie will sich um Sigge, den Sohn ihres kriminellen Lebensgefährten, kümmern, damit dieser eine Chance auf ein normales Leben bekommt. Tomas Wolf leidet an posttraumatischen Belastungsstörungen, weil er als Kommissar und als UN-Soldat in Bosnien zu viele grausam verstümmelte Opfer gesehen hat. Obwohl er regelmäßig an massiven Aussetzern leidet, bleibt er unbehandelt im Polizeidienst. Zudem war Tomas Wolf wie seine Brüder ein bekennender Neonazi.

    Der Plot ist verwickelt und verknüpft fiktive Elemente mit realen Ereignissen aus 1994, die die Schweden bewegt haben. Er bietet Raum für Entwicklungen und für Überraschungen. Das Tempo ist dank wechselnder Perspektiven hoch. Meist wird die Geschichte aus der Sicht der agierenden Person erzählt. Der Autor beschreibt ein Schweden mit vielen dunklen Seiten, in dem ich nicht leben wollte. Für die beiden Hauptfiguren Vera Berg und Tomas Wolf entwickelte ich sogar eine gewisse Sympathie, weil sie sich bemühten, etwas zu verändern. Die Spannungskurve ist ausgeklügelt und erreicht am Ende ihren Spitzenwert.

    Der Plot hat mir sehr gut gefallen, aber leider habe ich eine Reihe von Minuspunkten gesehen. Weder Vera Berg noch Tomas Wolf unternehmen etwas gegen ihre Traumata. Sie leiden einfach vor sich hin und ihr Leidensszenario wiederholt sich immer wieder. Zudem agieren beide Hauptfiguren oft unprofessionell. Tomas Wolf wird sogar als positive Erscheinung in der schwedischen Polizei geschildert. Für mich hat ein Typ mit derartigen Aussetzer nichts im aktiven Polizeidienst mit einer Dienstwaffe zu suchen. Viele der Figuren sind extrem flach charakterisiert und wirken dadurch unrealistisch. Zudem wiederholen sich viele Motive zu oft. Zigaretten- und Alkoholkonsum bis zum Abwinken, Straffreiheit durch Einschüchterung der Opfer und der Zeugen, Veras Besuche beim Motorradclub und die verzweifelten Versuche von Tomas, seine Ehe zu retten. Zwischendurch Lichtblicke durch solide Ermittlungsarbeit, aber dann noch ein total negativer Epilog.


    Fazit:

    Der Plot war richtig gut, aber trotzdem hielt sich mein Lesevergnügen in engen Grenzen. Es gab einfach zu viele negative Komponenten. Deshalb kann ich den Titel nur mit zwei von fünf Sternen (50 von 100 Punkten) bewerten.


    ASIN/ISBN: B0C1JLMC4

    :lesend James Lee Burke - Die Tote im Eisblock

    hörend: Hanna von Feilitzsch - Bittersüße Mandeln