'Die Dolmetscherin' - Seiten 348 - Ende

  • Also wenn ich mir von Titus Müller einen Roman wünschen dürfte hiesse der „Die Sekretärin“ und hätte als Protagonistin die Sekretärin von Fritz Bauer. Auch wenn es über die Geschichte schon Bücher und Filme gibt, so gut wie Titus Müller verwebt keiner Geschichte mit Geschichten.

    Das kann ich nur unterschreiben. Und "Die Sekretärin von Fritz Bauer" wäre sicher ein Buch wert. Schon die Filme sind ja sehr packend und Titus würde das wunderbar auf seine lebendige Weise zu Papier bringen.

  • Das kann ich nur unterschreiben. Und "Die Sekretärin von Fritz Bauer" wäre sicher ein Buch wert. Schon die Filme sind ja sehr packend und Titus würde das wunderbar auf seine lebendige Weise zu Papier bringen.



    Also wenn ich mir von Titus Müller einen Roman wünschen dürfte hiesse der „Die Sekretärin“ und hätte als Protagonistin die Sekretärin von Fritz Bauer. Auch wenn es über die Geschichte schon Bücher und Filme gibt, so gut wie Titus Müller verwebt keiner Geschichte mit Geschichten. So gut bringt keiner trockene Realität näher indem er Fleisch auf die Knochen packt, das echtem Leben entspringt. Eine Überlast durch die Berichte über den Prozess habe ich so nicht empfunden, schließlich hat die Spannung unter der Asta litt das Ganze getragen. Und auch wenn mir das Ende etwas zu viel offen lässt- (Robert?) Man kann auf eine Zukunft für das Paar hoffen, was doch zuversichtlich stimmt.

    Ich danke euch sehr!


    Und verrückt, über Fritz Bauer als Thema habe ich sogar schon mal nachgedacht. Aber jetzt sind erst mal andere Themen dran. :)

  • ich habe mich gedanklich noch etwas an der Figur der Charlotte abgearbeitet. Ich bleibe dabei, dass Sie mir unsympathisch ist. Die meisten Frauen sind ihren Männern bis 1947/1948 treu geblieben. Danach haben Sie die Hoffnung verloren, dass der Gatte zurückkommen könnte. Wer 1945 bereits das Bett sich von einem anderen Wärmen lies, war Charakterschwach. Allein erziehend hin oder her. Das waren zu der Zeit zehn Tausende Frauen. Dass sie sich die politische Situation, auch die aus der Vergangenheit schön redet, ist verständlich und aus der Zeit heraus verständlich. Es besteht immer die Hoffnung, dass später die Möglichkeit der Reflexion über das eigene Handeln zu anderen Schlüssen führt. Ich hab das selbst erlebt, dass Menschen in den siebziger Jahren, also 25 Jahre nach dem Krieg zu einer differenzierten Betrachtung ihres Handelns und ihrer Situation in der Lage waren. Aber sich dem nächsten (keinesfalls den besten) Mann an den Hals zu werfen, ist nicht nachvollziehbar.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übrsihd

    :lesendLou Lingyuan Sehnsucht nach Shanghai :lesend Beate Maly Mord im Filmstudio

  • beowulf


    Ich mochte Charlotte auch nicht besonders.


    Für mich war sie letztlich aber auch eine "lebensuntaugliche" Frau:


    Viele Frauen haben in der Kriegs- und Nachkriegszeit gezeigt, was in ihnen steckt: sie haben die Familie durchgebracht, sie haben oft die Geschäfte fortgeführt und sie haben beim Wiederaufbau eine wichtige Rolle gespielt.


    Manche von ihnen hatten das Glück, dass ihre Männer wiederkamen. Bei anderen war es Pech, dass die Männer wiederkamen und bei ganz vielen kam keiner mehr.


    Charlotte hat es sich einfach gemacht, in allem: nachdem ihr Mann weg war und sie zumindest die berechtigte Sorge haben musste, dass er gefallen ist, weil sie nichts mehr von ihm hörte, suchte sie sich Hilfe, damit sie nicht allein mit allem zurecht kommen muß. Da kam ihr Horst gerade recht.


    Da kreide ich ihr zum einen ebenfalls an, dass sie sich so schnell schon einen anderen Mann ins Haus (und Bett ;)) geholt hat und zum anderen, dass sie das einfach so hin nimmt, dass er sich Robert gegenüber oft fies benimmt.


    Außerdem kreide ich ihr an, dass sie auch mit ihrer Einstellung den geringsten Weg des Widerstands nimmt. Wenn sie so denkt, wie sie denkt, muss sie sich ja auch nicht mit ihrem eigenen Verhalten in dieser Zeit auseinander setzen. Ob sie vielleicht manches besser hätte machen können. Nein, sie stellt sich als Opfer dar. :bonk Ist ja auch das einfachste als nachzudenken und eventuell eine eigene Mitschuld einzugestehen.


    Mich wundert nicht, dass es seitens Leo sehr schnell feststand, dass es keinen Weg zurück geben wird.


    Interessant wäre es natürlich - und da gebe ich Dir recht - wie Charlotte 25 Jahre später über die Nazizeit und ihre eigene Rolle darin denkt. Aber das ist ja nicht mehr Thema des Romans, sondern nur Gegenstand unserer eigenen Spekulationen. ;)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich kreide Charlotte am meisten an, dass sie sich nicht ordentlich um Robert kümmert. Sie lässt Horst ihren Sohn schikanieren und greift nicht ein, weil sie Angst hat , dann alleine mit Robert da zu stehen.


    Meiner Meinung nach geht das gar nicht, Robert kann sich mit seinen sechs Jahren ja nicht wehren, da ist seine Mutter zuständig und verantwortlich.

  • Irgendwo (ich finde die Stelle nicht mehr) habe ich darum gebeten, mit Rezensionen noch zu warten bis zum 13. August. Ich nehm's zurück! Mir melden immer mehr Leute, dass sie das Buch im Laden gekauft haben. Offenbar sind die Läden schon etwas früher beliefert worden.


    Ich lese hier gerne weiter mit und finde es hochspannend, welche Gedanken ihr euch zu den Figuren und zum Prozess macht.


    Danke von Herzen für eure Leseneugier und euer Dabeisein! Ich fühle mich so beschenkt. Vor der Leserunde habe ich gezittert. Aber jetzt gehe ich mit neuem Mut in die vielen Lesungen im Herbst. Euer Gespräch und eure Leseeindrücke lassen mich ganz gut erahnen, wo die Stärken und Schwächen des Romans liegen. Entsprechend suche ich die Lesestellen aus. 8) Nein, im Ernst: Es ist immer eine Freude, hier bei euch zu sein, ich hoffe, wir können das noch ganz oft machen. :knuddel1

  • ich hoffe, wir können das noch ganz oft machen. :knuddel1

    Diesem Wunsch kann ich mich aus der Sicht des Lesers nur anschließen. Leserunde mit Titus Müller sind einfach wegen der ergiebigen Diskussionen interessant und vielschichtig.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übrsihd

    :lesendLou Lingyuan Sehnsucht nach Shanghai :lesend Beate Maly Mord im Filmstudio

  • Ich kreide Charlotte am meisten an, dass sie sich nicht ordentlich um Robert kümmert. Sie lässt Horst ihren Sohn schikanieren und greift nicht ein, weil sie Angst hat , dann alleine mit Robert da zu stehen.


    Meiner Meinung nach geht das gar nicht, Robert kann sich mit seinen sechs Jahren ja nicht wehren, da ist seine Mutter zuständig und verantwortlich.

    Das ist es auch. Sie badet sich in Selbstmitleid, anstatt sich auf die Beine zu stellen, ihr Leben in die Hand zu nehmen und vor allem mit Robert es neu anzufangen. Aber es ist ja bequemer, sich an Horst zu hängen, was immer sie an ihm findet, er ist ihre Krücke. Ich hoffe, nun das zumindest kann ich, dass Leo einen Weg findet, seinen Sohn da raus zu holen. Denn wirklich wollten, tut ihn da ja keiner.

  • Irgendwo (ich finde die Stelle nicht mehr) habe ich darum gebeten, mit Rezensionen noch zu warten bis zum 13. August. Ich nehm's zurück!


    ...


    Nein, im Ernst: Es ist immer eine Freude, hier bei euch zu sein, ich hoffe, wir können das noch ganz oft machen. :knuddel1

    Na dann werde ich meine Rezi noch mal überarbeiten und am Wochenende einstellen. :)


    Die Freude ist übrigens ganz auf unserer Seite. Ich finde es super, wenn ich nicht nur eine "Leserunde mit Autor" habe, sondern eine, bei der der Autor auch richtig präsent ist und aktiv mitwirkt. Das ist ja auch nicht selbstverständlich und selbst nach über 20 Jahren bei den Eulen immer noch ein besonderes Lese-Erlebnis.


    Wenn Deine nächsten Büchern auch nur annähernd mein Beuteschema treffen, bin ich auch gerne wieder dabei. :lache

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Der letzte Abschnitt hat mir noch einmal einiges abverlangt. Neben der Lektüre bin ich eingetaucht in die Abläufe der Nürnberger Prozesse und habe dort einige Wissenslücken aufgefüllt.


    Titus Müller : Danke, dass du dich an dieses Thema herangewagt und so plastisch darüber geschrieben hast. Das Buch liest sich trotz des wirklich "schweren" (im Sinne von belastend) Themas sehr gut, ohne oberflächlich zu sein. Das ist dir wirklich gut gelungen.

    Wenn man die Filmaufnahmen anschaut, sind dir die Schilderungen der Personen sehr gut gelungen. Z.B. Görings Verhalten und Mimik, seine Haltung - das findet sich alles so auch auf den Aufnahmen.


    Für mich schreit alles nach einer Fortsetzung. :bruell Die Protagonisten Asta und Leo sind noch nicht auserzählt. Wie geht es mit Robert weiter? Kann Charlotte Horst rauswerfen und ihr Leben in die eigene Hand nehmen?

    Ich mochte das Setting sehr, also: :dafuer.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Emmy Göring fand ich irgendwie seltsam. Einerseits weinerlich und dann wieder knall hart. Und von ihrem Mann sieht se nur was ihr in den Kram passt. Edda tut mir wirklich leid, das Mädchen wird kein leichtes Leben gehabt haben. Schön von Asta ihr Malsachen zu besorgen.

    Über Emmy Göring sowie die anderen Frauen bzw. die Familien der Nazi-Verbrecher habe ich auch nachgedacht. Wie lebten sie weiter, wie konnten sie das? Ich stelle mir das vor allem für die Kinder sehr belastend vor mit den Namen Göring, Göbbels... weiterzuleben.

    Eine Frau wie Emmy Göring an der Seite einer Nazi-Größe hatte ja Zugang zum innersten Kreis und somit auch Wissen über die Vernichtungsmaschinerie. Auch ideologisch muss sie ja hinter ihrem Mann und Hitler gestanden haben. Ich denke, dass die Frauen hinter den Männern auch einen gewissen Einfluss hatten. Ich schreibe mir auf meinen Notizblock, darüber mal zu recherchieren. :write

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Immerhin besucht Asta Emmy Göring, um ihr den Abschiedsbrief ihres Mannes zu übergeben. Emmy Göring – das zeigt auch die Geschichte – hat nichts verstanden, was die Geschichte angeht. Auch nicht, was sie Clara Mandel wegen ein paar unbedachten Äußerungen angetan hat.

    Wirklich heftig! Was für eine eitle und eiskalte Frau. Schauderhaft.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Also wenn ich mir von Titus Müller einen Roman wünschen dürfte hiesse der „Die Sekretärin“ und hätte als Protagonistin die Sekretärin von Fritz Bauer. Auch wenn es über die Geschichte schon Bücher und Filme gibt, so gut wie Titus Müller verwebt keiner Geschichte mit Geschichten. So gut bringt keiner trockene Realität näher indem er Fleisch auf die Knochen packt, das echtem Leben entspringt. Eine Überlast durch die Berichte über den Prozess habe ich so nicht empfunden, schließlich hat die Spannung unter der Asta litt das Ganze getragen. Und auch wenn mir das Ende etwas zu viel offen lässt- (Robert?) Man kann auf eine Zukunft für das Paar hoffen, was doch zuversichtlich stimmt.

    Das ist eine großartige Idee! :dafuer

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • ich habe mich gedanklich noch etwas an der Figur der Charlotte abgearbeitet. Ich bleibe dabei, dass Sie mir unsympathisch ist. Die meisten Frauen sind ihren Männern bis 1947/1948 treu geblieben. Danach haben Sie die Hoffnung verloren, dass der Gatte zurückkommen könnte. Wer 1945 bereits das Bett sich von einem anderen Wärmen lies, war Charakterschwach. Allein erziehend hin oder her. Das waren zu der Zeit zehn Tausende Frauen. Dass sie sich die politische Situation, auch die aus der Vergangenheit schön redet, ist verständlich und aus der Zeit heraus verständlich. Es besteht immer die Hoffnung, dass später die Möglichkeit der Reflexion über das eigene Handeln zu anderen Schlüssen führt. Ich hab das selbst erlebt, dass Menschen in den siebziger Jahren, also 25 Jahre nach dem Krieg zu einer differenzierten Betrachtung ihres Handelns und ihrer Situation in der Lage waren. Aber sich dem nächsten (keinesfalls den besten) Mann an den Hals zu werfen, ist nicht nachvollziehbar.

    Zu Charlotte habe ich ja schon einiges geschrieben. Mir ist sie auch nicht sonderlich sympathisch und damit ist sie eine richtig gut gelungene Romanfigur. Sie steht stellvertretend für viele Frauen, die sich und ihre Kinder durch den Krieg geschleppt haben. Sie hatte einfach nicht die Weitsicht, dass Leo überlebt haben könnte.

    Ich finde auch, dass sie für Robert mehr einstehen könnte, aber sie scheint mir dazu zu schwach.

    Leo und Charlotte passen nicht wirklich zusammen. Vielleicht hat sie das auch gespürt und deshalb eine Beziehung mit Horst angefangen.

    Auf jeden Fall eine Figur, die Raum für Diskussionen bietet.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Irgendwo (ich finde die Stelle nicht mehr) habe ich darum gebeten, mit Rezensionen noch zu warten bis zum 13. August. Ich nehm's zurück! Mir melden immer mehr Leute, dass sie das Buch im Laden gekauft haben. Offenbar sind die Läden schon etwas früher beliefert worden.


    Ich lese hier gerne weiter mit und finde es hochspannend, welche Gedanken ihr euch zu den Figuren und zum Prozess macht.


    Danke von Herzen für eure Leseneugier und euer Dabeisein! Ich fühle mich so beschenkt. Vor der Leserunde habe ich gezittert. Aber jetzt gehe ich mit neuem Mut in die vielen Lesungen im Herbst. Euer Gespräch und eure Leseeindrücke lassen mich ganz gut erahnen, wo die Stärken und Schwächen des Romans liegen. Entsprechend suche ich die Lesestellen aus. 8) Nein, im Ernst: Es ist immer eine Freude, hier bei euch zu sein, ich hoffe, wir können das noch ganz oft machen. :knuddel1

    Wir haben zu danken für die Begleitung der Leserunde. Die Leserunden mit dir sind mir immer ein Fest. :blume

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Für mich schreit alles nach einer Fortsetzung. :bruell Die Protagonisten Asta und Leo sind noch nicht auserzählt. Wie geht es mit Robert weiter? Kann Charlotte Horst rauswerfen und ihr Leben in die eigene Hand nehmen?

    Ich mochte das Setting sehr, also: :dafuer.

    Der neue Roman, an dem ich gerade schreibe, spielt ja nur drei Jahre später: 1948/49. Es wäre nicht schwer, Asta und Leo wieder auftauchen zu lassen. Trotzdem gelingt mir so etwas nie, und ich werde es diesmal wohl gar nicht erst versuchen. Für "Die Dolmetscherin" zum Beispiel habe ich ein ganzes Kapitel mit Willy Brandt geschrieben (der in meinem Roman "Das zweite Geheimnis" wichtig war), er war ja auch beim Prozess dabei als Berichterstatter für eine norwegische Zeitung. Aber am Ende habe ich's wieder rausgeworfen. Es wirkte wie ein Fremdkörper.


    Ich glaube, ich kriege es besser hin, wenn ich mich ganz auf die neuen Figuren konzentriere. Bin aber ein bisschen neidisch auf die Autoren, die ganze Universen schreiben mit wieder auftauchenden Figuren, und die das gut hinbekommen.