Zum Buch
Dieser Roman erzählt die Geschichte einer Liebe, die die Erschütterungen zweier alter Kulturen überdauert – der Liebe zwischen Ali, dem Aserbeidschaner und Moslem, und Nino, der Georgierin und Christin. Schauplatz der Erzählung ist Baku, die Stadt am Kaspischen Meer, wo sich Orient und Okzident begegnen.
Ali und Nino stammen aus alteingesessenen Familien und lieben sich seit ihrer Kindheit. Sie fühlt sich Europa zugehörig, er bekennt sich zu Asien. Nino fürchtet sich vor Alis Welt, in der die Frauen nur die Schatten ihrer Männer sind, und Ali, ein Sohn der Wüste, hegt Abneigungen gegen alles Europäische und fühlt sich unwohl in den Wäldern, die Nino so sehr liebt. Im Gegensatz zu ihren Völkern lässt die Liebe das junge Paar Kompromisse schließen und hilft ihnen, innere wie äußere Widerstände zu überwinden. Als ihr Land aber von den Wirren des Ersten Weltkrieges und der Russischen Revolution überrollt wird, geraten auch Ali und Nino in den Strudel der Zeitereignisse.
Kurban Said erzählt aus der Sicht des Orientalen, der sich langsam in ein Europa hineinwachsen fühlt. Sein Roman ist ein fremdartiges, bezauberndes Gebilde voller innerer Spannung, dramatisch in seinen Kriegsszenen, in der Aktion, poetisch in den Begegnungen Alis und Ninos.
Zum Autor
Kurban Said wurde 1905 in Baku geboren. In jungen Jahren trat er zum Islam über und floh unter dem Namen Essad Bez während der Russischen Revolution nach Berlin. In den dreißiger Jahren gehörte er zur literarischen Bohème von Wien und befreundete sich u.a. mit Robert Neumann und Elias Canetti. 1938 flüchtete Kurban Said vor den Nazis in die Schweiz, 1940 starb er in Italien.
So steht’s im Umschlag meines Buches, einer älteren Ausgabe. Seltsamerweise heisst es aber vorne: „Copyright (c) 1937 by Leela Ehrenfels“. Dazu hab ich folgendes gefunden: Hinter Kurban Said soll sich ein kaukasischer Jude namens Lev Nussimbaum verbergen. Da er als Jude er nicht mehr in Hitlers Reich veröffentlichen durfte, hat Baronin Elfriede von Ehrenfels geholfen, das Buch zu veröffentlichen, und ihr wurde dann deshalb jahrzehntelang auch die Autorschaft zugesprochen.
Meine Meinung
Die Geschichte wird von Ali in der Ich-Form erzählt. Er schildert der unterschiedlichen Lebensweisen in der Multi-Kulti-Stadt Baku auf humorvolle und mit einem guten Schuss Selbstironie gewürzten Weise. Während ihm die eigenen Bräuche logisch und vernünftig vorkommen, berichtet er manchmal mit nahezu kindlichem Staunen über westliche Bräuche und Sitten, wobei er aber immer die anderen Lebensweisen respektiert und sich darauf einlässt. Der Autor scheint mir geradezu dafür zu plädieren, einen Blick über den Tellerrand zu werfen und offen zu sein für andere Lebensweisen. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wandelt sich das Buch langsam in eine traurige und nachdenkliche Geschichte einer Region, in der viele Völker zusammen leben, die zwischen die Zangen verschiedener Mächte gerät und kaum eine andere Möglichkeit hat. als die eine oder andere Fremdherrschaft. An einer Stelle, kurz bevor Aserbeidschan von den Russen vereinnahmt wird, schlägt ein Freund von Ali vor, die Ölquellen vor Baku abzufackeln, um die Zeit dahin zurückzudrehen, wo Fremde das Land noch nicht ausgeraubt haben.
Das Buch hab ich vor fünfzehn oder mehr Jahren schon mal gelesen und geliebt und irgendwie hab ich es dann nicht mehr wieder gefunden und lange Zeit war es auch noch vergriffen. Ich hab mich total gefreut, als ich es vor ein paar Wochen im Oxfam-Shop eine schöne Ausgabe entdeckt habe. Es zum zweiten Mal zu lesen, hat auch nicht geschadet, weil ich gemerkt hab, dass ich jetzt, viele Jahre später, auf ganz andere Dinge geachtet habe.
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