"Rupien! Rupien!" - Vikas Swarup

  • Titel der englischen Originalausgabe: „Q & A“


    Zum Buch


    Warum sitzt ein armer Kellner im Gefängnis? Er hat a) zu viel Whisky getrunken b) Geld aus der Kasse geklaut c) sich mit einem Kunden geprügelt d) in einer Quizshow gewonnen.
    Ram Mohammed Thomas wurde verhaftet. Und das, weil er zwölf Fragen im indischen Pendant der Quizshow „Wer wird Millionär?“ richtig beantwortete. Keiner kann sich vorstellen, dass ein Waise, der nie in seinem Leben eine Schule besucht oder eine Zeitung gelesen hat, weiß, wie der kleinste Planet unseres Sonnensystems heißt oder welche Stücke aus der Feder Shakespeares stammen. Er muss also ein Betrüger sein. Gemeinsam mit einer Anwältin, die wie die gute Fee aus dem Märchen im Gefängnis erscheint und Ram helfen will, schaut er sich die Videoaufzeichnung der Quizshow an, und Ram erzählt ihr und dem Leser aus seinem unglaublichen Leben. Nach und nach wird klar, warum er die richtigen Antworten wusste. Als Baby aus einer Mülltonne gerettet, von einer Pflegefamilie und dann von einem Priester aufgenommen, später Diener bei einem australischen Colonel, Kellner und phantasiebegabter Touristenführer am Taj Mahal – Rams unerschütterlicher Überlebensinstinkt zeigt sich im Leben wie im Quiz.


    Zum Autor


    Vikas Swarup hat als indischer Diplomat in der Türkei, in den USA, Äthiopien und Großbritannien gearbeitet. Zurzeit ist er beim Außenministerium in Neu Delhi beschäftigt. »Rupien! Rupien!« ist sein erster Roman.


    Meine Meinung


    Ram Mohammed Thomas hat in einer Quizshow, die mit unserem „Wer wird Millionär“ vergleichbar ist, alle 12 Fragen richtig beantwortet und 1 Milliarde Rupien gewonnen (grad nachgeschaut: 1 Euro sind ungefähr 60 Indische Rupien). Die Produzenten stehen vor einem Problem. Der erste Milliardengewinn war, rein statistisch gesehen erst nach Monaten erwartet worden, Ram ist aber erst der fünfzehnte Teilnehmer, die Sendung ist noch nicht einmal ausgestrahlt worden. Es gibt also noch keine Einnahmen und die Produzenten können nicht zahlen. Ihre Lösung ist, Ram verhaften zu lassen und ihn unter Folter zu zwingen, einzugestehen, dass er betrogen hat. Die Produzenten hatten nur nicht mit einer Anwältin gerechnet, die nach einer Nacht der Folter im Gefängnis auftaucht und sich für Rams Rechte einsetzt.


    Ram erzählt ihr nun zu jeder der zwölf Fragen eine Episode aus seinem Leben, durch die er die jeweilige Frage beantworten konnte. Die Episoden richten sich nach der Reihenfolge der Fragen, so dass sich Rams Lebenslauf langsam aus den einzelnen Puzzelstückchen zusammensetzt. Auch wenn das Buch seinem Lebenslauf nicht chronologisch folgt, fand ich es nicht schwierig zu folgen, wo die Handlung stattfand oder wie alt Ram gerade war. Am Ende eines jeden Kapitels schauen die beiden sich das Stück der Sendung an, in dem der Quizmaster die entsprechende Frage stellt.


    Auch wenn der Plot skurril klingt und es sehr viele Zufälle gibt: der Autor spricht ernste Themen an, wenn auch oft in einem ironischen Ton. Praktisch in jedem Kapitel geht es um Themen wie Kindesmissbrauch, Kinderarbeit, Kinderprostitution, häusliche Gewalt, Korruption und Armut. Nur das Ende fand ich etwas sehr kitschig.


    Die Sprache ist eher einfach, dem Bildungsstand der Hauptfigur angepasst. Wobei dieser jedoch nicht dumm ist, daher entbehrt seine Schilderung nicht eines gewissen Wortwitzes.


    Insgesamt würde ich dem Buch 8 von 10 Punkten geben.
    .

  • Das Buch hatte ich neulich in der Stadtsbibliothek in der Hand. Fast wollte ich es schon mitnehmen.
    Wenn es mir beim nächsten Mal wieder in die Hände gerät, leihe ich es mir ganz gewiß aus.


    Danke für die Rezi, Delphin! :wave

  • Ich lese das gerade und bin wirklich berührt. Für mich ist es schon fast eine Kunst, wie Herr Swarup mich durch diese grausamen Episoden führt, ohne dass ich zu sehr in Betroffenheit ausrutsche.


    Es erinnert mich ein bißchen an Altmanns Indienreise, diese Mischung aus Humor und ernsten Tatsachen.

    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das nicht allemal das Buch.
    Georg Christoph Lichtenberg

  • Ich habe Rupien! Rupien! heute in der Bücherei erwischt und so ziemlich in einem Rutsch durchgelesen.


    Mir hat es gut gefallen, wie die Geschichte der Hauptperson entlang der Quiz-Fragen erzählt wird. Dass sie dadurch nicht ganz chronologisch ist, hat mich nicht weiter gestört, da man immer gut folgen konnte.
    Nach den ersten paar Kapiteln war ich schon immer am Raten, worum es wohl in der zugehörigen Quiz-Frage geht. ;-)

  • Zitat

    Original von chiclana
    Ich habe Rupien! Rupien! heute in der Bücherei erwischt und so ziemlich in einem Rutsch durchgelesen.


    Mir hat es gut gefallen, wie die Geschichte der Hauptperson entlang der Quiz-Fragen erzählt wird. Dass sie dadurch nicht ganz chronologisch ist, hat mich nicht weiter gestört, da man immer gut folgen konnte.
    Nach den ersten paar Kapiteln war ich schon immer am Raten, worum es wohl in der zugehörigen Quiz-Frage geht. ;-)


    Genau so ging es mir auch. Heute morgen angefangen und mit einigen Unterbrechungen soeben beendet.


    Eine Geschichte, die manchmal witzig, oft aber eher tragisch ist, jedoch nicht so, dass man vor lauter Bedauern nicht mehr weiterlesen könnte, denn Ram Mohammed Thomas hat immer eine Menge Glück gehabt und ist meist heil aus der Geschichte rausgekommen.


    Zum Ende hin war es fast märchenhaft.


    Das Buch kriegt von mir 8 Punkte.

  • Zitat

    Original von Delphin
    Ich hatte das Buch auf Englisch gelesen:
    .


    Hm, ich habe gerade mal bei Amazon in die "Excerpts" geguckt (S. 19-24). Ist das typisch für den Stil des Buches? Dann ist mir das zu einfach, zu kurzatmig geschrieben. :-( Was schade wäre, die Idee finde ich nämlich gut. :gruebel

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • 19-24 ist noch der Prolog oder? Der Stil schon in etwa so, weil es eben aus der Sicht dieses indischen Arbeiters geschrieben ist, der irgendwie aus der Unterschicht kommt und kaum Schulbildung hat (weswegen man ihm ja auch nicht glaubt, dass er die Fragen beantworten konnte). Die Sprache ist also dem Bildungsstand der Hauptfigur angepasst. Trotzdem finde ich, dass sich der Prolog noch mal vom Rest des Buches unterscheidet, weil er im Rest des Buches überwiegend in der Vergangenheitsform Episoden aus seinem Leben erzählt, die erklären, warum er die Antwort auf die Frage wusste. Während er im Prolog eher im Präsens beschreibt, in welcher Situation er sich gerade befindet.

  • Danke! Ich habe gerade bei Amazon.com über "Surprise me!" noch ein paar Seiten aus der Mitte des Buches gelesen. Ja, der Stil ist dort schon noch etwas anders - überzeugt bin ich allerdings nicht. Ich glaube, ich lass es erst mal.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Ich habe das Buch in einem meiner Literaturkreise gelesen und es hat mich (im Gegensatz zu meinen Mitleserinnen) nicht überzeugt.
    Es war mir etwas zu märchenhaft, die vielen Zufälle und immer geht es für den Helden gut aus....
    Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass sich - selbst wenn es solche Zufälle mit den immer genau passenden Fragen geben sollte - der einfache, ungebildete Arbeiter all diese Details merken konnte und dann auf Abruf im Quiz parat hatte.
    Manchmal fand ich auch Brüche in den Erzählungen an die Anwältin, als er z. B. erzählt, dass er den Hund an der Mauer (der den Freund gebissen hat) nicht sah - wie kann er dann jetzt davon berichten?
    Meine Antwort soll jetzt nicht zu negativ erscheinen, ich habe das Buch schon mit Vergnügen gelesen (und das ist ja auch nicht gerade wenig, was man über ein Buch sagen kann), aber es war kein Highlight und brachte für mich auch zu wenig Einblick in indische Lebensverhältnisse, ich hatte eher den Eindruck, dass es für internationale Verwertbarkeit (Verfilmbarkeit) geschrieben wurde (Happy End inclusive).
    Vielleicht war es aber wirklich als spannendes Märchen gedacht und ich habe es einfach mit falschen Erwartungen gelesen.
    (Märchenhaft fand ich z. B. auch, dass die bei der Folterszene einfach so eine Anwältin reinlassen....)

  • Ich hab mich mehrmals gefragt, was das Buch eigentlich mit der Thema-Frage (laut Klappentext) zu tun hat: "Warum landet ein unschuldiger Inder im Gefängnis?" und damit auch "Wie kommt er da wieder raus?".


    Mir kommt es so vor, als hätte der Autor diese ganzen gewollt zu tränen rührenden Episoden als Kurzgeschichten schon fertig gehabt und hätte dann die gloreiche Idee gehabt, das alles als Sammelband zu veröffentlichen. Da hat man ihm geraten, sich doch eine Zusammenhang zwischen den Stories zu suchen. Voilà! Die "Wer wird Milliadär?"-Show-Idee war geboren.


    Und mit dieser Idee wird für das Buch geworben. Dabei ist es eben doch eine Geschichtensammlung. Eine anrührende, okay. Aber kein zusammenhängendes Buch mit eine irgendwie gearteten Spannungskurve.


    Gut, wenn man darüber hinwegsieht, dass nicht für das eigentlich Buch sondern für die Idee, die die Episoden zusammenhalten soll, geworben wird, kann man wohl sagen:


    Ja, es stimmt. Das Buch spricht ernste Themen wie Vergewaltigung, Kindesmissbrauch und andere an. Das wird aber so verklärt, ganz distanziert und fast emotionslos erzählt, dass es einem vorkommt, als seien diese Abscheulichkeiten so normal wie Einkaufen-gehen.


    Und vielleicht ist es genau das, was das Buch sagen will: Für den armen Inder Ram sind diese ganzen Gräueltaten ganz normaler Alltag.


    Dafür, dass das Buch scheinbar den Anspruch erhebt, den realen Lebensalltag eine Inders zeigen, ist es aber dann doch reichlich unrealistisch. Da erscheint doch plötzlich eine liebe Anwältin aus dem Nichts, um Ram ganz selbstlos aus den Klauen der Studiobosse, die ihn gerade foltern, zu retten. Klar, nichts realistischer als das.


    Für mich ist vorerst nach Frage vier von zwölf Schluss mit "Wer wird Milliadär?" mit Ram.