Warum verkaufen sich Kurzgeschichten-Bände so schlecht?

  • Zitat

    Original von Daniel Morawek
    Warum sind zum Beispiel die Bücher von Kishon Bestseller, obwohl der Großteil seines Werkes auch aus "Geschichten"-Sammlungen besteht??


    Weil die Geschichten alle in derselben Welt spielen, sodass wieder der Ranicki-Aspekt "Sicherheit und Vertrauen" gegeben ist? Könnte ich mir für mich zumindest vorstellen - das war ein interessanter Denkanstoß! (Kishon habe ich früher sehr gerne gelesen, und die Bücher würden mir jetzt bestimmt auch noch gefallen.) Man muss schließlich nicht in jeder Geschichte erst alles neu kennen lernen; vieles kann als bekannt vorausgesetzt werden.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Original von Daniel Morawek
    was denkt ihr, warum sich Kurzgeschichten-Bände so schlecht verkaufen?!


    Also ich mag Kurzgeschichten auch nicht so gern, weil sie eben zu kurz sind. Bis man sich in die Geschichte hineindenkt, ist sie auch schon wieder aus. Das mag ich nicht sonderlich. Auch zu kurze Bücher sind oft nicht sooo schön (denke da an Bücher mit ca. 100 Seiten). Ist natürlich nicht immer so, aber meistens.


    Hin und wieder lese ich auch Kurzgeschichten. Vor allem von meinen Lieblingsautoren.

  • Zitat

    Original von MaryRead


    Weil die Geschichten alle in derselben Welt spielen


    Das mag sein. Zumindest stilistisch spielen die Geschichten in der selben Welt.


    Wenn ich aber an einen Kurzgeschichten-Band von Andrea Camilleri denke, denn habe ich auch nicht durchgelesen. Dabei sind die stilistisch auch alle gleich, spielen in der selben Welt (Verbrechen aufklären in Vigata), selber Hauptcharakter... aber nach fünf Geschichten war es trotzdem langweilig.


    Das kann natürlich auch daran liegen, dass Krimis, die ja nun mal von der Spannung leben, nur schwer in 10-15 Seiten ihr volles Potential entwickeln können. Bei Kishons humoristischen Sequenzen ist das was anderes...

  • Lustige Geschichten haben vielleicht schon per se einen höheren Unterhaltungswert.


    Warum aber waren beispielsweise die Erzählungen von Judith Hermann sooo erfolgreich? Nur, weil sie von der Presse so hochgejubelt wurden? Immerhin waren ihre Bücher auf der Bestsellerliste ganz oben.


    Trägst du dich mit dem Gedanken, einen Band mit Kurzgeschichten zu veröffentlichen? Oder hast du schon?

  • bisher bin ich mit kurzgeschichten immer nur auf die nase gefallen. mein letztes buch war "der gutenacht krimi mit miss marple"
    nachdem mir die ersten geschichten auch wirklich gut gefallen haben wurde es mir dann doch recht bald langweilig. miss marple war dann bald nicht mehr die hauptperson sondern trat nur noch zum lösen der rätsel in erscheinung.
    früher habe ich mich noch öfter an kurzgeschichten versucht.


    aber entweder hat mich die hälfte der geschichten zu tode gelangweilt oder ich fand die geschichten sooo gut das ich mir wünschte sie könnten länger sein.


    in jedem fall haben sich kurzgeschichten für mich erledigt.

  • Zitat

    Original von taki32
    Warum aber waren beispielsweise die Erzählungen von Judith Hermann sooo erfolgreich? Nur, weil sie von der Presse so hochgejubelt wurden? Immerhin waren ihre Bücher auf der Bestsellerliste ganz oben.


    Da würde mich noch interessieren, ob die Bücher nur gekauft (nach dem Motto: wird ja so viel Gutes drüber geschrieben und sind ja nur kurze Erzählungen, die kann ich vielleicht mal lesen, auch wenn ich sonst eher lesefaul bin) oder tatsächlich auch gelesen und für gut befunden wurden. ;-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Was mir auch aufgefallen ist, dass wenn ich Kurzgeschichten lese, nach kürzester Zeit den Inhalt nicht wiedergeben kann. Die ganzen kurzen Geschichten vermischen sich in meinem Gedächtnis und ich kann mich an die einzelne Geschichte nicht mehr erinnern.
    Vielleicht sollte man bzw. ich die Geschichten nicht an einem Stück lesen, sondern eine Geschichte, dann ein Buch, dann wieder mal ne Geschichte. Evtl. wär das dann sinnvoller... Weiß es nicht...

  • Zitat

    Original von taki32


    Trägst du dich mit dem Gedanken, einen Band mit Kurzgeschichten zu veröffentlichen?



    Ja, tatsächlich, den Gedanken trage ich seit einer Weile mit mir umher... vielleicht werde ich diese ja (thematisch hängen sie nämlich eng zusammen) in eine Rahmenhandlung packen um Roman draufzuschreiben zu können? Diese Methode erwähnt der Marcel in seinem Text ja auch...


    Oder ich lasse sie als Kurzgeschichten – witzig sind sie jedenfalls...


    Oder ich lasse das Projekt noch eine Weile in der Schublade vor sich hinreifen... :gruebel


    Oder... oder... oder...

  • Mary Read: Kann sein. Die Geschichten von Judith Hermann haben mir jedenfalls überhaupt nicht gefallen.



    Die Erzählungen von Christopher Coake gefallen mir richtig gut und ich kann mich auch jetzt noch (nach ca. 2 Monaten) noch an den Inhalt der meisten erinnern. Vielleicht hängt das ja auch davon ab, wie stark einen die Erzählungen beeindruckt haben.

  • Ihr akzeptiert die Behauptung im Titel des Threads so unumwunden. Ich frage mich, stimmt den das überhaupt? Hat mal jemand Zahlen für das Verhältnis erschienener Romane zu erschienenen Erzählungen/Kurzgeschichten und das Verhältnis der Verkaufszahlen? So auf Bestsellerlisten tauchen Erzählungssammlungen jedenfalls häufiger auf.

  • beowulf - ich glaube, dass du Recht hast, daher meine Frage, ob gekauft = gelesen heißen muss. Dass Kurzgeschichten bei den LeserInnen nicht so beliebt sind, den Eindruck hatte ich schon öfter.


    daniel - "Episodenromane" lese ich wiederum ziemlich gerne. :-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)


  • Witzig klingt gut, wenn sie dann noch Tiefgang haben...


    Ich weiß nicht, ob du einfach eine Rahmenhandlung drum packen solltest. Du kannst es ja mal ausprobieren. Wenn allerdings die Vorgehensweise allszu "durchsichtig" ist, dann käme ich mir als Leser womöglich veralbert vor.


    Irene Dische scheint die Erzählungen in ihrem Buch thematisch dadurch zusammengehalten haben, dass sie sie unterteilt in Liebesgeschichten, die gut ausgehen und solche, die schlecht ausgehen. Vielleicht könntest du dir ja auch verschiedene Möglichkeiten eines "Zusammenhalts" überlegen. Vielleicht fällt dir auch etwas innovatives ein....

  • Hallo Daniel,


    ich habe vor nicht allzu langer Zeit einen Kurzgeschichtenband gelesen: "Alles roger, Hodscha?" von Kerim Pamuk. Das sind kurze Porträts von verschiedenen Personen, sehr anrührend geschrieben. Eigentlich lese ich auch eher Romane usw. Allerdings finde ich, dass Kurzgeschichten ganz toll zum Nachdenken anregen und sehr inspirierend sind. Und wenn man nicht viel Zeit zum Lesen hat, sind diese Häppchen gar nicht schlecht. Auch sehr, sehr empfehlenswert: Sightseeing von Rattawut Lapcharoensap. Kurzgeschichten, die in Thailand spielen- einfach genial. Ich denke, Kurzgeschichten ließen sich zum Teil auch besser verkaufen, wenn ein wenig mehr dafür geworben würde...

  • Einfach so mal dahingesabbelt (wobei ich hauptsächlich an Unterhaltungsliteratur denke):


    Science Fiction ist ja ein Genre, das durch die Veröffentlichungen in Zeitschriften mit Kurzgeschichten begonnen hat (ja, ja Jules Verne, aber da gab es den Begriff noch nicht, sondern er wurde später vereinnahmt).
    Allgemein in der Phantastik war und ist die Kurzgeschichte ein ernstzunehmendes Stilmittel.


    Wenn ich über diese Art von Kurzgeschichten nachdenke, kommt es weniger auf Personen, Charaktere an, sondern auf den Plot, den „sense of wonder“.
    Jede Geschichte muss für sich alleine sprechen.
    Kurzgeschichtensammlung sollte der Leser nicht an einem Stück lesen können. Sondern nach jeder Geschichte sollte er sich gezwungen sehen innezuhalten und das Gelesene nachwirken zu lassen.


    Und es gibt keine Protagonisten, mit denen man sich identifizieren kann, die ein Entwicklung durchmachen, sondern jede Erzählung kommt zu einem endgültigen Ende.


    Und das könnte ein Hauptmanko sein, die fehlende Identifikation. Wenn ich mir die Besprechungen und Reaktionen von Lesern auf Romane ins Gedächtnis rufe, sind Identifikationsfiguren ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung und den Spaßfaktor. Und über diese Figuren möchte man wiederlesen, an ihrer Entwicklung teilhaben. Daher wohl auch der Erfolg der Reihen / Serien / Zyklen.


    Außer genrespezifischen sehe ich derzeit wenig Chance für Kurzgeschichten wenig bekannter Autoren.


    Und wie man im weitläufigen Phantastik-Bereich mitbekommt tun sich auch über BoD angebotene Kurzgeschichten-Sammlungen schwer, trotz massiver persönlicher Werbung in den entsprechenden Foren.


    Und ich gestehe, ich habe schon länger keine Anthologie von mehreren Autoren mehr gelesen, die letzten waren Nova 1 und 2 und da haben mir weniger als die Hälfte der Sto9rys zugesagt.


    Aber für dieses Jahr habe ich mir vorgenommen Kurzgeschichtensammlungen von einem Autor wieder zu Gemüte zu führen, wie Ambrose Bierce, Algernon Blackwood, J.G: Ballard (die demnächst bei Heyne wieder erscheinen), William Hodgson und was da noch so an alten Phantasten im Regale steht.


    LG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Ich habe zwar gerade keine Statistik parat, aber sind die Erstlingsveröffentlichungen von jungen, deutschen Autoren nicht sehr häufig Kurzgeschichtensammlungen?


    Mir fallen spontan ein: Svenja Leiber, Judith Herrmann, Christina Griebel, Larissa Boehning etc. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Bücher besonders gut verkauft wurden (mit Ausnahme von Herrmann), aber es scheint ja ein gewisses Interesse der Verlage zu existieren.

  • Ich hab mir bei Weltbild mal "Gänsehaut garantiert" bestellt. Am Anfang war ich begeistert, da waren die Geschichten richtig gut, aber nach den ersten drei kam dann nur noch eher langweiliges. Ich habe jedenfalls auch mit anderen Kurzgeschichten-Büchern die Erfahrung gemacht, dass sie lahm sind, anstatt einen wie Romane zu fesseln.


    Lg, Lorelai

    Der höchste Lohn für unsere Bemühungen ist nicht das, was wir dafür bekommen, sondern das, was wir dadurch werden. (John Ruskin)

  • :-]Hallo Ihr Süßen!


    Grundsätzlich mag ich keine Kurzgeschichten. Die Gründe dafür sind wohl ausreichend bekannt.


    Sollte sich mal so ein Band zu mir verirren, liegt der meistens im Badezimmer und wird nur dort gelesen (dauert dann auch entsprechend lange :)


    Aber einen Band kann ich tatsächlich empfehlen:
    Die 100 kleinen bösen Krimis.
    Die Geschichten gehen wirklich nur über 3-4 Seiten. Das nenn ich kurz :-]


    Gruß, Killerbinchen



    P.S. Die Kurzgeschichten von Guy de Maupassant mag ich aber...

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Zitat

    Liebe Büchereulen,


    was denkt ihr, warum sich Kurzgeschichten-Bände so schlecht verkaufen?!


    Ob die Allgemeinheit wenig oder keine Kurzgeschichten-Bände kauft, kann ich nicht beurteilen, sollte jedoch mein Kaufverhalten betrachtet werden, so nimmt die Frage bereits die Antwort vorweg. Ja, ich kaufe wenig bis selten derartige Bände. Die Gründe dafür sind verschieden. Meiner Meinung nach schaffen es Autoren selten, die Intensität von Personen und Handlungen herüberzubringen wie es bei einem Roman der Fall sein kann. Dem Autoren stehen wenige Seiten Papier zur Verfügung, eine Story mit Inhalt zu entwickeln, die mich fesseln soll, letztlich aber nicht die Komplexität und Tiefe einer Geschichte in Romanform erreicht. Nach meiner Vorstellung genügt diese Kurzform mir und vielen Lesern nicht und führt zur Unzufriedenheit mit der Geschichte, weil man mehr über Figuren, Situationen u.ä. erfahren möchte, jedoch an der Oberfläche hängenbleibt. Ein weiterer Grund für verschmähte Kurzgeschichten mag die fehlende Risikofreudigkeit der Leserschaft sein. Einmal enttäuscht von Kurzgeschichten (vielleicht eines oder mehrerer unbekannter Autoren) führt dazu, dass man weitere Käufe sich zweimal überlegt. Der Kunde möchte die sichere Bank, die es jedoch nicht gibt.


    Dass man mit diesen Vorstellungen vielen begabten Autoren Unrecht zufügt, ist mir durchaus bewusst.
    Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre sicherlich die Loslösung von dem Gedanken, Kurzgeschichten mit Romanen vergleichen zu wollen und ihnen als eigenständige Erzählform eine Chance zu geben. Deshalb werde ich mit gutem Beispiel vorangehen und demnächst mit "Eisbären" von Marie Luise Kaschnitz beginnen.


    Sollte die Ausgangsfrage indirekt ein Plädoyer für Kurzgeschichten beinhalten (die Idee würde mir übrigens gefallen), dann wäre es interessant darüber zu diskutieren, wie potenzielle Leser gewonnen werden können.

  • Zitat

    Original von Salonlöwin


    Sollte die Ausgangsfrage indirekt ein Plädoyer für Kurzgeschichten beinhalten (die Idee würde mir übrigens gefallen), dann wäre es interessant darüber zu diskutieren, wie potenzielle Leser gewonnen werden können.


    Ein Plädoyer für Kurzgeschichten? Auf jeden Fall! Es gibt ja auch so viele Perlen darunter...


    Aus der Sicht eines Autoren sind sie außerdem eine wunderbare Möglichkeit um erste Schreibversuche zu wagen oder, auch als etablierter Schriftsteller, die Masse an Ideen die man oft mit sich herum trägt (und niemals alle in Romanen verarbeiten könnte) abzuarbeiten.
    :write


    Aber wie könnte man nun Kurzgeschichten zu neuem Auftrieb verhelfen? Möglicherweise sollte man bei der Auswahl der Geschichten für einen Band lieber weniger als mehr ins Buch nehmen... Denn ein Buch mit 3 wundervollen, 3 mittelmäßigen und 4 langweiligen Geschichten ist tatsächlich nur minder interessant...

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    [Sollte die Ausgangsfrage indirekt ein Plädoyer für Kurzgeschichten beinhalten (die Idee würde mir übrigens gefallen), dann wäre es interessant darüber zu diskutieren, wie potenzielle Leser gewonnen werden können.


    In unserer hektischen, vom zappen und ständig wechselnden Eindrücken beherrschten Zeit sollte doch gerade diese kleine Prosa gewünscht sein, denn sie bietet doch was wir angeblich wollen, bzw. was man uns anerziehen will: kurze Aufmerksamkeitszeit, komprimierte Info usw.
    Die Kurzgeschichte, der Werbespot der Literatur.


    Dagegen wird aber der Roman bevorzugt, je dicker und länger um so lieber.


    Heißt das, wir fliehen vor unserer hektischen, sich ständig veränderten Zeit in eine dauerhafte, überschaubare Romanwelt?


    Dann dürfte die Kurzgeschichte so schnell keinen Fuß auf den Boden bringen, denn im Umkehrschluß wäre sie ja gefragt, wenn das RL gemächlicher, ruhiger zugeht.


    Und wenn ich mich so zurückerinnere, hat die Blütezeit der Kurzgeschichte, beginnend mit Poe, in Deutschland so Mitte der 70er geendet.
    (Aufkommen des PC, Privatfernsehen usw.). Gibt es da einen Zusammenhang ??


    Aber um mehr zu und über Kurzgeschichten zu erfahren, wie wäre es mit einer Leserunde mit Kurzgeschichten.
    Das Projekt Gutenberg bietet 48 Kurzgeschichten überwiegend von Poe, Meyrink, Klabund. Wäre eine Einstieg mit Altmeistern und außer Drucker und Papier keine Kosten.


    48 Kurzgeschichten


    LG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson