Lakota Moon - Antje Babendererde (ab ca. 13 J.)

  • Nun war es passiert. Es gab kein Zurück mehr. Meine Mutter war mit einem Indianer verheiratet und ich hatte einen Stiefvater mit Zöpfen.


    Oliver sitzt in der Falle. Jedenfalls fühlt er sich so. Er ist fünfzehn und möchte nichts lieber, als zuhause in Deutschland sein. Dort ist die Stadt, sind die Freunde und vor allem Nina. Nina ist Olivers große Liebe. Aber er mußte sie verlassen, wie alles andere, was ihm lieb und vertraut war, denn seine Mutter hat sich in einen Indianer in South Dakota verliebt und möchte ihr Leben mit ihm verbringen.


    Die erste Zeit im Reservat in der Nähe von Rapid City ist einfach nur schrecklich. Plattes Land, Hitze, komische Leute. Eine riesige Familie, die sich freut, Oliver kennenzulernen, die er aber überhaupt nicht kennenlernen will. Merkwürdiges Essen, merkwürdige Frisuren, eigenartige Sitten, die Unterschiede zwischen Amerika und dem Reservat. Noch mehr Hitze und Stiefbruder Ryan, der Oliver offenbar haßt. Und keine Nina.


    Nur langsam, voller Abwehr und Trotz, nähert sich Oliver dem Fremden an. Als hilfreich erweisen sich Großvater Joe und seine neue Kusine Tammy, aber auch der geistig schwer behinderte Boo. Oliver entdeckt, daß das Leben der Indianer kein Roman ist, daß sie eine eigene Realität haben, daß seine Mutter keinem romantischen Traum folgte, als sie Deutschland verließ. Und er erkennt, daß es Dinge gibt, von denen er sich nie zuvor hätte träumen lassen in der sicheren Stadt in Deutschland. Da ist z.B. der Plan seines Stiefvaters vom Anbau von Hanf zur Faser - und Ölgewinnung, wodurch eine solide ökonomische Basis für diesen Teil des Reservats geschaffen werden könnte. Doch da sind auch die Drogengesetze der USA. Der Konflikt ist unvermeidlich.


    Lakota Moon ist ein ausgezeichnet erzähltes Jugendbuch über Beziehungen, über die schmerzliche Begegnung zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Über Familie. Über Liebe und Zuneigung, über Hoffnung und Enttäuschung. Und über Ungerechtigkeit. Es ist ein Buch über Indianer, informativ, aufklärend, aufrüttelnd. Intensiv und warmherzig.
    Ein Buch über Menschen und das, was wirklich wichtig ist im Leben.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Das Buch ist echt klasse!! Ich weiß, das ist ein bisschen wenig, aber mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen, du hast das echt gut beschrieben, finde ich.


    Es ist ziemlich witzig geschrieben; Oliver scheint seinen Humor trotz des Umzugs in das "schreckliche Indianerland" behalten zu haben, und ich find auch den Schluss schön gemacht, vorallem wie die Sache zwischen Ryan und Oliver endet und dass Oliver schließlich zu seiner neuen Familie steht...


    Schlimm ist natürlich die Sache mit Boo. Und sie zeigt, wie schwer es die Indianer immernoch haben.


    Ich kann das Buch echt nur allen empfehlen, auch denjenigen, die sich nicht so sehr für Indianer interessieren. ;)

    "But I don't want comfort. I want God, I want poetry, I want real danger, I want freedom, I want goodness. I want sin."
    "In fact," said Mustapha Mond, "your're claiming the right to be unhappy."
    - Brave New World

  • Das Buch ist so toll. Das Buch ist echt klasse geschrieben, und man kann sich das richtig gut bildlich vorstellen (also so gings mir).
    Als ich mit dem Buch anfing wollt ich es gar nicht mehr weg legen ich wollt wissen wie Oliver damit klar kommt. :-)

  • Ich schließ mich eurer Meinung an, Antje Babendererde is wunderbar. Nach dieser Rezi habe ich wieder richtig Lust etwas von ihr zu lesen. :-) :-)

    Menschen, die nur arbeiten, finden keine Zeit zum Träumen.


    Nur wer träumt gelangt zur Weisheit Smohalla

  • "Lakota Moon" hat mir sehr gut gefallen.
    Antje Babendererde kann die Gegend, die Menschen und alles andere total gut beschreiben. Ich fühlte mich nach kurzer Zeit fast wie zu Hause, so gut kannte ich die Gegend und die Landschaft gefiel mir auch sehr gut.
    Ich habe gemerkt, dass ich wenigstens ein paar Sonnenstrahlen brauche, um die Bücher von Antje Babendererde genießen zu können, sonst fehlt was, wenn man gedanklich in einem heißen Indianderreservat "festsitzt".
    Die geschichtlichen Hintergründe fand ich äußerst interessant. Ich konnte mir schon denken, dass die Indianer immer noch darunter leiden, was die "Weißen" damals mit ihnen gemacht haben, aber das es so schlimm ist, hätte ich nicht gedacht.


    Nur den Schluss hatte ich mir ein wenig anders vorgstellt.


    Ich hätte nichts dagegen, wenn es dazu einen zweiten Band geben würde, um all meine offenen Fragen zu klären.


    Aber ansonsten bin vollkommen glücklich. Ich könnte das Buch glatt nochmal lesen!


    Nachdem ich "Indigosommer" und "Lakota Moon" gelesen habe, freue ich mich schon auf die anderen Bücher von Antje Babendererde.


    Jetzt ist nicht die Zeit, feste Entscheidungen zu treffen. Jetzt ist die Zeit, Fehler zu machen.


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  • Ein weiteres -sehr empfehlenswertes- Buch von Antje Babendererde! Was mir so gut gefällt ist, dass man etwas über die heutige Situation der Indianer erfährt, ihre Bräuche aber auch Probleme, ohne dass es einem wirklich auffällt. Die Informationen sind einfach so in die Geschichte gestreut, umgeben sie und verflechten sich mit ihr.


    Mairedh : Einen zweiten Band gibt es zu keinem von Antjes Büchern, meist bleiben Fragen offen. Aber das ist auch das Schöne daran, so kann man es sich selbst weiter denken. Ob Oliver bleibt oder geht. Und was er später aus seinem Leben macht.

  • Irgendwo ist jeder ein Ausländer. Diese Erfahrung muss Oliver, ein fünfzehnjähriger deutscher Schüler, machen, als seine Mutter einen Amerikaner indianischer Abstammung heiratet und sie nach Amerika ziehen. Genauer nach Dakota, in ein Indianerreservat, mit eigener Gesetzgebung, eigenen Gesetzen und einer eigenen Schule. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, wo es für Oliver richtig gut läuft, mit Nina, seiner Freundin - für ihn ist es die große Liebe. Erbarmungslos wie nur Eltern sein können, zwingt ihm seine Mutter ein völlig neues Leben auf, bei Indianern, die doch nur faulenzen, ihr Geld vertrinken und in Blechhütten wohnen. Haben sie dort überhaupt schon Strom und fließendes Wasser? Oliver ist verzweifelt, aber er hat keine Wahl. Angekommen in Amerika bewahrheiten sich nicht alle seine Vorurteile, sein neuer Stiefvater Rodney hat ein Blockhaus gebaut - mit Strom und fließendem Wasser, wenn es auch noch nicht ganz fertig ist. Oliver hat ein eigenes großes Zimmer mit eigenem Bad, was ihm sofort den geballten Ärger seines Stiefbruders Ryan einbringt, der sich von seinem Vater vernachlässigt fühlt und Oliver dieses auch deutlich spüren lässt.


    Oliver prallt ungebremst auf eine Welt, in der er durch seine weiße Haut ein Außenseiter ist. Niemals wird er die Gefühle der Indianer verstehen lernen, die an ihrem Land und ihren Traditionen hängen. Abgelehnt zu werden nur aufgrund seiner Hautfarbe ist für Oliver ein völlig neues Gefühl, was ihm sein neues Leben auch nicht unbedingt schmackhafter macht. Leider sind die Reservatsbewohner auch nur ein kleiner Teil des Landes, die anderen sind "echte" Amerikaner, die den Indianern bis heute noch Steine in den Weg legen, wo es nur geht. Rodney baut Nutzhanf an, es soll die Zukunft des Reservates sein, wenn die Ernte gewinnbringend verkauft und verarbeitet wird. Die Drogenfahndung und das FBI sitzen ihm allerdings auf den Fersen, obwohl der Hanf nachweislich nicht die rauschmittelfördernden Ingredienzien enthält, wollen sie es nicht genehmigen. Rodney bewegt sich somit nur halb legal, was auch seine Mutter und Oliver in Schwierigkeiten bringen kann. Indianer werden bis heute immer noch nicht voll akzeptiert, sie werden gedemütigt und gemobbt, wo es nur eben geht. Kein Wunder, dass sie genauso andersherum reagieren, Oliver wird gequält, nur weil er weiß ist.


    Mit Oliver hat Antje Babendererde einen starken und realistischen Charakter geschaffen. Unzufrieden mit seinem Los ergibt er sich zwar manchmal dem Selbstmitleid hin, erkennt aber auch genauso, dass er damit nichts ändert. Er bietet lieber dem Schicksal die Stirn und versucht sich damit zu arrangieren. In ihm ist immer noch die Hoffnung, in drei Jahren, wenn er volljährig ist, wieder nach Deutschland zu gehen. Wird Nina wohl so lange auf ihn warten können? Erschreckend realistisch schätzt Oliver seine Lage ein und seine Versuche, das Beste aus seiner Situation zu machen, lassen ihn sehr sympathisch wirken. Ihm zur Seite steht seine neue Stiefschwester Sadie, die mit Steven verheiratet ist und zwei niedliche kleine Kinder hat, die Oliver sofort vorbehaltlos akzeptieren und integrieren. Wobei man nicht so genau über die Altersbegrenzungen nachdenken sollte, denn Rodney ist 47 und sein ältestes Enkelkind bereits sieben. Genauso vorbehaltlos stehen ihm auch die Geschwister Tammy und Jaron zur Seite, die ihm die Bräuche, Gewohnheiten und Sichtweisen der Reservatsbewohner so eindringlich nahe bringen, dass Oliver sich einiges sogar zu Eigen macht. Es ist seine neue Familie, und Familienbande sind das wichtigste bei den Indianern. Ihr Zusammenhalt ist vorbildlich und sehr innig, manchmal werden auch recht ungewöhnliche Methoden gewählt, um Streitigkeiten beizulegen. Mit teilweise stoischer Gelassenheit bewältigt Oliver so manche fatale Situation, er verliert selten die Contenance und analysiert seine Position mit erschreckender Klarheit. Mit Großvater Joe steht ihm jemand zur Seite, der ihn auf den richtigen Weg bringt und ihn mehrmals in Situationen drängt, an denen Oliver den Sinn erst sehr viel später erkennt. Er schafft sich seinen eigenen Weg und auch die Anerkennung der Gemeinde, alles erarbeitet er sich selbst. Die Erwachsenen stehen ihm zwar zur Seite, aber Oliver erkennt, wie viel wertvoller es ist, eigene Lösungen zu finden und sich Respekt selbst zu verschaffen.


    Durch so manche Situation und seine Selbstironie ist die Geschichte schön flüssig geschrieben, man leidet mit Oliver mit und bewundert seine Entscheidungen. Antje Babendererde hat es geschafft, den Leser in das Reservat zu katapultieren, Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen durch ihren einfühlsamen Erzählstil. Noch lange bleibt die Story im Gedächtnis, die Botschaft ist angekommen. Niemand hat das Recht, sich über andere zu erheben oder sie zu demütigen, denn ehe er es sich versieht, kann es einen selber treffen. Leider ist das Ende nicht so gelungen, viele Fragen bleiben offen, etwas abrupt muss man das Reservat wieder verlassen. Trotzdem ist das Buch aber eine wahre Leseempfehlung, die gute Qualität und das gelungene Cover wirken noch zusätzlich positiv.


    Fazit


    Vorurteile gibt es überall, und ehe man es sich versieht, hat man nicht nur welche sondern begegnet auch welchen. Antje Babendererde hat ein spannendes Buch geschrieben, mit starken, sympathischen Charakteren, realistischen Situationen und einem wenig bekannten Setting. Eine Geschichte, die Nachhaltigkeit bietet und die Abenteuerlust eines jeden Teenagers anspricht. Aus Olivers Sicht geschrieben lernt man die Indianer besser kennen, besonders ihre Naturverbundenheit und ihre Eigenarten.

  • Was ich tief im Innern für „Lakota Moon“ empfinde, werde ich für mich behalten, denn es ist gewaltiger, als dass ich es mit wenigen Worten ausdrücken könnte. Das Buch bringt wohl jeden Leser zum Nachdenken, und es gibt einige Dinge, die man nachher in einem Licht sieht, davon gehe ich einfach aus.


    Insgesamt betrachtet bin ich inzwischen davon überzeugt, dass diese Geschichte so oder so ähnlich tatsächlich passiert ist. Ich empfinde besonders Oliver, seinen inneren Kampf als authentisch, und er wirkt mit seinen fünfzehn Jahren sehr reif und realistisch. Auch die Probleme im Reservat, und die Art der Indianer, mit ihnen umzugehen – Antje Babendererde verarbeitet hier ihre wirklichen Erfahrungen, und „Lakota Moon“ ist nicht einfach nur eine „Mädchen trifft in der Wildnis auf Indianerjungen, der ihr zeigt, wie man Lagerfeuer anzündet und sie vor Bären rettet“-Geschichte.


    Die klare und einfache Sprache tut ihr Übriges, um „Lakota Moon“ nicht nur zu lesen, sondern zu erleben.


    Ich bin beeindruckt, nicht nur von dem Buch an sich, sondern vom Leben der Lakota-Indianer, die täglich wieder um ihr Überleben kämpfen. Und auch wenn das Reservat oft einfach nur traurig und verkommen wirkt, so gibt es doch viele Stellen, die dem Leser die Schönheit dieses Landes vor Augen führen.


    Lesenswert für alle, die noch an Werte wie Familie und deren Zusammenhalt, Heimat und Naturverbundenheit glauben.


    Edit: Falls Interesse an weiteren Informationen, ganz besonders am Pine Ridge Reservat, besteht - die Seite Lakota Village e. V. hilft da schön weiter. Und weil ich neugierig auf das Reservatsradio "KILI Radio" und die Powwow-Musik war, die dort regelmäßig gespielt wird, musste ich mal nachsehen und nachhorchen auf KILI Radio. Bisher habe ich zwar keine Powwow-Musik gehört, aber vielleicht höre ich zu unregelmäßig ...